18.04.2024

Rear Window

 

Das Fenster zum Hof (engl. Rear Window) ist eine bekannte Verfilmung von Alfred Hitchcock, welche 1998 nochmal mit dem Superman-Darsteller Christopher Reeves eine Neuauflage erhalten hatte. Hierin geht es darum, dass ein Mann verschiede Personen im Nachbarhaus mit Hilfe eines Fernglases beobachtet und bis zuletzt unklar ist, ob er einen Mord beobachtet hat, oder eben nicht.

Das Designstudio Prospero Hall ist ja mittlerweile dafür bekannt, Lizenzen in Familienspiele zu verwandeln. Gute Beispiele sind hierfür unter anderem Back to the Future, Horrified, Villainous oder aber auch Pan Am! Die Spiele des Studios richten sich zumeist an Familien und Wenigspieler - so auch nicht anders bei Rear Window.

Spielerisch übernehmen wir - wie in der Filmvorlage - auch hier die Rollen der sogenannten Watcher (Beobachter), während ein Spieler die Rolle von Hitchcock persönlich übernimmt. In 4 Spielrunden legt der Director jeweils Karten in die Fenster des Spielplanes, um den Watchern Hinweise zu geben. Diese müssen nämlich nach jeder Runde Tipps abgeben, welche der Personen in den jeweiligen Wohnungen leben und was ihr jeweiliger Beruf ist. Sind die Tipps abgegeben, zeigt der Director an, wie viele der 8 möglichen Tipps korrekt sind. Erreichen wir nach spätestens 4 Runden 8 Richtige, haben wir gemeinsam gewonnen. Die Kommunikation läuft dabei aber ausschließlich zwischen den Watchern und nicht mit dem Director. 



Rear Window spielt sich also in etwa so wie das bekannte Mysterium. Als Director versuche ich anhand der Karten Hinweise zu geben. Natürlich sind diese aber auch so gestaltet, dass mit genügend Interpretationsspielraum auch diverse Optionen möglich sind. Dabei habe ich aber auch immer die Möglichkeiten bis zu 2 Karten verdeckt zu spielen, wenn ich das Gefühl habe, dass nichts so richtig passt oder ich kann begrenzt Karten nachziehen.

Die Rolle der Watcher verläuft in der richtigen Kombination so, dass wir die Hinweise bestmöglich deuten. Eine eingespielte Truppe hat hier definitiv Vorteile und kann z. B. auch durch offene Kommunikation untereinander dem Director lautstark signalisieren, welche Hinweise sie nun bräuchten.

Kommen wir aber zum großen Clou von Rear Window. In seltenen Fällen spielt nämlich der Director nicht mit den Watchern gemeinsam, sondern versucht einen Mord zu vertuschen. Die Ungewissheit des Films spiegelt sich hier also toll wieder. Dies gilt es dann von den Watchern herauszufinden. In diesem Fall, ändern sich die Siegbedingungen. Der Director möchte nämlich nunmehr, dass die Watcher nun mindestens 6 von 8 Hinweisen richtig interpretiert haben und den Mord nicht aufgedeckt haben. Er will den Watchern also helfen, aber auch nicht 100% und ist somit gezwungen den Mord zu verdecken. Spannend!

Für mich ist die Ungewissheit, ob ein Mord stattgefunden hat DAS spannende Element in Rear Window. Nicht nur die thematisch wunderbar umgesetzte Filmvorlage findet hier im Spiel Einklang, sondern auch der stetig vorhandene leise Zweifel der Watcher macht Rear Window für mich zu einem besonderen Spiel. Empfehlung! Es bleibt selten bei nur einer Partie.
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Rear Window von Prospero Hall
Erschienen bei Funko Games
Für 3 bis 5 Spieler in ca. 30 Minuten ab 13 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Funko Games)
*es handelt sich um einen Affiliate Link. Für Euch entstehen dabei keine Kosten, wir erhalten jedoch eine kleine Provision
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17.04.2024

Colour Square


Abstrakte Roll & Writes gibt es mittlerweile wie Sand am Meer und so manches Mal fragt man sich als geneigter Vielspieler, ob der Markt nicht doch ein wenig übersättigt ist. Grade im eher günstigeren Preisbereich gibt es ja bereits genauso viel Licht wie Schatten und da gehen Neuheiten in diesem Segment schonmal in der Masse unter. Zugegeben, es ist ein wenig unfair, denn wer beschwert sich, dass schon wieder ein Deckbuilder auf den Markt kommt? Oder das nächste Worker-Placement-Spiel. Kaum jemand, denn jedes Spiel ist anders und es gibt immer Titel, die sich aus der Masse hervorheben. Auch wenn sie manchmal trotzdem – mitunter unverdientermaßen – in der Masse untergehen und nicht ausreichend gehyped werden. Aber nun gut, die abstrakten Roll & Writes trifft es da vermutlich ein wenig härter, da gefühlt überall wieder irgendein 10-Euro-Kniffelklon um die Ecke kommt und man vielleicht einfach keins mehr sehen mag. Colour Square ging gefühlt auch etwas unter, aber fand doch Resonanz, wenn auch nicht viel, aber genug, damit ich mir das mal anschauen wollte.


Über den Inhalt der kleinen quadratischen Schachtel brauchen wir nicht lange sprechen. Es sind natürlich ein Block (2seitig, mit A- und B-Seite und somit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden), eine Anleitung sowie Würfel in der Kiste. Auf dem Block stehen 16 Zahlen in Kreisen. Um jeden Kreis herum sind in einer quadratischen Anordnung vier Kästchen in vier Farben angeordnet (der Name des Spiels wäre hiermit erklärt). Wer an der Reihe ist, würfelt mit den 5 vorhandenen Würfeln (je einer in den vier Kästchenfarben sowie ein weißer Würfel). Man wählt nun zwei der gefärbten Würfel aus und sucht sich auf seinem Blatt jeweils ein passend-farbiges Kästchen, in das man die Augenzahl des Würfels einträgt. Alle anderen müssen parallel dazu die Zahl des weißen Würfels in ein beliebiges Kästchen eintragen. Ziel ist es immer, die 4 Kästchen um eine Zahl herum so mit Zahlen zu füllen, dass ihre Summe der Zahl im Kreis ergibt. Schafft man das, schießt man das Kästchen für alle anderen Mitspielenden (sie streichen es durch, dürften aber in diesem Zug das Kästchen noch selbst schließen, wenn es passt). Hat man selbst zwei benachbarte Squares abgeschlossen, darf man das Feld zwischen diesen beiden („Brücke“) ausmalen. Übersteigt die Summe der einzelnen Zahlen die Zahl im Kreis, muss man das Kästchen schraffieren. Passt mal ein Würfelwurf nicht, darf man die Zahl in eines der beiden Joker-Felder eintragen – und zwei ist echt nicht viel. Sobald jemand alle Kästchen auf seinem Zettel erledigt hat, darf jeder reihum noch einmal mit allen Würfeln würfeln und dann ist Schluss. Wer jetzt noch offene Felder hat, muss diese schraffieren.

Alle zählen ihre Punkte: Da wären erstmal die geschafften Squares, die Punkte in Höhe der eingekreisten Zahl geben. Schraffierte Felder (also überfüllte sowie auch nicht geschaffte) geben jeweils 10 Minuspunkte. Jede Brücke, die man gebaut hat, bringt 5 Pluspunkte und die Felder 4, 5 und 6 bringen bei einem erfolgreichen Abschluss noch Bonuspunkte, die Jokerfelder gelten als Minuspunkte. Für all diese Wertungsfelder bringt der Block natürlich die passenden Felder, sodass das Rechnen schnell von der Hand geht. Hat man alles zusammengerechnet, gewinnt, wer die meisten Punkte erzielen konnte. So leicht und simpel, wie das klingt, spielt sich Colour Square auch und es macht wirklich Spaß. Dazu gehört auch, immer die Blöcke der anderen im Auge zu haben, denn man möchte natürlich nicht, dass sie einem die eigenen Kästchen schließen. Das Spielgefühl erinnert ein wenig an Qwixx, ist durch das ständige Rechnen und die namensgebenden Squares und das viel schnellere Schließen von Feldern aber durchaus eigenständig und anders. Wer von Seite A des Blocks genug hat, wechselt zur fortgeschrittenen Version auf Seite B. Hier sind in manchen Farbfeldern schon Zahlen vorab eingetragen, die man exakt treffen muss. Dafür gibt es in manchen Kreisen keine festen Zahlen, sondern Zahlenbereiche, wie bspw. größer/gleich 16. Das bringt natürlich nochmal mehr Dynamik ins Spiel, weil man bei solchen Feldern möglichst viele Punkte einheimsen möchte, aber grade hier besonders Gefahr läuft, dass sie einem jemand vor der Nase wegschnappt.


Und wer einfach nicht genug von dem Spiel bekommen kann, kann sich den Solo-Herausforderungen stellen, die sowohl in der Anleitung als auch Online auf der Verlagsseite parat liegen. Bei diesen geht es darum, die Squares in bestimmten Reihenfolgen zu schließen und dabei auch noch möglichst viele Punkte zu machen.

Wer nach einem neuen, wirklich guten und spaßigen, abstrakten Roll & Write für zwischendurch, als Absacker oder für den Urlaub sucht, könnte mit Colour Square also durchaus eine gute Wahl haben. Ich finde es – für das, was es sein möchte – wirklich gut und es hat ein paar andere Titel aus der Sammlung geschubst.
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Colour Square von Patrick Katona
Erschienen bei Spiel Das!
Für 1 bis 6 Spielende in ca. 20 ab 8 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Spiel Das!)
*es handelt sich um einen Affiliate-Link
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16.04.2024

Aventuria - Das Abenteuerkartenspiel




Habt ihr immer schon mal mit dem Gedanken gespielt, einer Pen and Paper Runde beizuwohnen? Aber es findet sich keine Runde? Kein Dungeon-Master zur Hand? Die Spielrunde ist nicht so kreativ, wie sie sein sollte?! Da bietet uns Ulisses Spiele schon seit 2016 eine kleine Hilfe und zwar: Aventuria - das Abenteuer-Kartenspiel!! Und zwar basiert das ganze auf der doch recht bekannten Pen and Paper Reihe von “Das schwarze Auge”!

Aber auch die Autoren, die sich hinter der Mechanik verstecken, sind keine Unbekannten, sondern heißen Michael Palm und Lukas Zach - aktuell Spiel des Jahres Gewinner 2023 mit Dorfromantik. Alles recht gute Vorsätze, oder?




Im Kern beinhaltet die Starter-Box insgesamt zwei Modi: zum einen ein Duell-Modus, in dem wir gegeneinander mit jeweils einem von vier Charakteren antreten und das Herzstück: der kooperative Abenteuermodus. Zum Einstieg und Erlernen der Kern-Mechanik wird der Duell-Modus empfohlen. Hier wählen wir einen Charakter mit einem vorgefertigten Deck und bekämpfen einen gegnerischen Charakter. Wer Spiele, wie z.B. Hero Realms kennt, der wird sich hier relativ schnell zurechtfinden. Der lustige und eben rollenspielverwandte Kniff ist dass die jeweiligen Angriffe (Nah, Fern und Zauber) zunächst mit einer Würfelprobe bestanden werden müssen. Jedem Charakter wurde hierzu ein Wert zugeordnet und dieser muss nun mit einem W20 unterboten werden. Gelingt dies, werfen wir noch einen W6 und bestimmen damit den Schaden. Der Verteidiger kann dann noch versuchen auszuweichen (ebenfalls eine Probe), um den Schaden zu halbieren. Jeder Charakter startet mit 40 Lebenspunkten und erreicht diese Null, hat derjenige verloren!

Witzig, schon 2016, wird hier die Mechanik aufgegriffen, die nun durch Lorcana wieder in aller Munde ist und zwar dass man Karten dauerhaft verdeckt spielen muss, um diese als eine Art Währung für weitere Karten oder Aktionen zu verwenden. Also ist man gezwungen, einen Teil seines Decks zu opfern und sollte dies gut abwägen.




Nebst Angriff und Waffen gibt unser Deck auch Eigenschaften und Ereignisse her, womit sich die Charakterwerte ändern können und anderer Einfluss genommen wird. Fantasy-Fans werden sich wohl mit den vier Charakteren wohl fühlen: Es gibt ganz klassisch einen Zwerg, einen Elfen sowie Halbelfen und eine Magierin. Jeweils mit Vor- und Nachteilen in bestimmten Angriffsarten.

Wie bereits erwähnt ist das Herzstück aber der kooperative Abenteuermodus. Die Grundmechanik ist hierbei natürlich die selbe, heißt, jeder übernimmt einen Charakter mit dem jeweiligen Deck, dazu kommt noch eine weitere Talentkarte, auf der noch mehr Werte für weitere Proben aufgezeigt werden. In der Startbox befinden sich zwei kleinere Geschichten, sowie zwei größere, die über mehrere Akte gespielt werden. Zu Beginn einer Story gibt es zunächst natürlich viel Text, die dann durchzogen sind von Würfelproben und je nach Ergebnis gehen wir damit besser oder nicht in die kommenden Kämpfe.




Die Kämpfe sind dann dem Duell-Modus recht ähnlich. Es gibt einen gegnerischen Anführer sowie weitere Schergen, die ins Spiel kommen und durch gutes und geschicktes Ausspielen sowie Würfelglück versuchen wir alle Gegner zu schlagen. Je nach Abenteuer gibt es auch noch spezifische Ziele, so soll z.B. beim Einstiegsabenteuer der Name des Kobolds erraten werden, damit wir ihn überhaupt bekämpfen können. Dafür stehen drei verschiedene Probenarten zur Verfügung, die man im Laufe des Kampfes anwenden kann.

Je nach Abenteuer gibt es zwar verschiedene Ziele und Aufgaben, aber im Grunde sollen natürlich mit Hilfe des Decks die Gegner erledigt werden. Bei größeren Abenteuern kann man sich Belohnungen verdienen, mit denen dann das Deck verbessert wird. Und das führt mich dann auch schon zum Fazit.




Die Abenteuer sind fantasievoll geschrieben, sind spaßig und auch abwechslungsreich. Auch die Anzahl an Schergen ist dementsprechend passend und bringt Laune, aber das eigene Charakter Building kommt allein mit der Start-Box, dann doch ein wenig zu kurz. Für meinen Begriff hätte man vielleicht eine Story weniger nehmen können, dafür viel mehr Karten zur Verbesserung des Decks, denn die Belohnungen sind schon recht mager. Ich persönlich bin auch mehr ein Fan vom Deckbuilding während des Spiels (also wie Hero Realms, Klong, Dominion) und weniger des Deck-Constructions (TCG, LCGs, etc) vorab. Sicherlich wird hier mit weiteren Erweiterungen Abhilfe geschaffen, aber allein die Starter-Box bietet mir da zu wenig.

Spielerisch bringt es Spaß und kann wirklich helfen, sich dem Pen and Paper Thema zu nähern. Geschichten, wie Orte und Gegner werden hier thematisch schön vorgegeben. Die Anleitung bietet einen tiefen Blick in die Welt von Aventuria und dem Schwarzen Auge und wenn man möchte, kann man auch mit ein wenig Schauspiel die Karten und Aktionen spielen. Generell bietet es viel, sehr klassisches Fantasy-Setting und Freunde hiervon werden hier ihre Freude haben.




Abzüge gibt es allerdings noch für Material und Ausstattung. Trotz vieler Karter und Pappplättchen, gibt es NICHTS zur Aufbewahrung und wenn man sich nicht selbst behilft, dann fliegt in dem großen Standard-Karton alles durcheinander und zum Start einer Runde darf man erstmal sortieren. Und beim UVP von 50€ hätte der Spielplan auch gern aus Pappe statt Papier sein dürfen. Sicherlich wird die Lizenz da einen Anteil haben, aber das Preis-Leistungs-Verhältnis finde ich bei diesem Aspekt unterdurchschnittlich und heute auch nicht mehr zeitgemäß!

Aventuria bietet eine gute Basis für PnP-Interessierte, sowie Deck Construction-Freunde, die nicht komplett einem TCG oder LCG verfallen wollen. Der Würfelproben-Aspekt gliedert sich gut ein und wirkt sogar erfrischend im Vergleich zu anderen Spielen des Genres, auch wenn natürlich das Pech einem viel kaputt machen kann. Dennoch schöpft es sein Potential nicht komplett aus und hinterlässt an ein paar Stellen einen Nachgeschmack. Schade, denn ich habe schon Lust, noch weitere Abenteuer zu erleben!


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Aventuria - Das Abenteuerkartenspiel von Michael Palm und Lukas Zach
Erschienen bei Ulisses Spiele
Für 1-4 Spieler in ca. 45-180 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Ulisses Spiele)

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15.04.2024

Genotype: A Mendelian Genetics Game


Der Verlag Genius Games (Subatomic, Ecoystem, Periodic System) ist für die etwas abseitigen Thematiken mit wissenschaftlichen Touch bekannt. Genotype: A Mendelian Genetics Game vom Autorentrio Coveyou, Salomon und Zang passt mit seiner Spielthematik damit perfekt ins Verlagsprofil. Als Assistenten des berühmten Augustinermönches Gregor Mendel erforschen wir den Genotyp vom Erbsenpflanzen. Innnerhalb von 5 Runden wollen wir uns bei Genotype als Mendels gelehrigster Assistent beweisen und die meisten Punkte sammeln. Das Spiel richtet sich dabei an 1-5 SpielerInnen ab 14 Jahren und ist abhängig von der Anzahl der Mitspielenden in 45-75 Minuten gespielt. Solo spielt man das Spiel gegen einen Automa namens Johann, welcher über ein Kartendeck gesteuert wird.

 


Spielidee bei Genotype ist es den Genotyp verschiedender Erbsenpflanzen zu erforschen und damit die Wissenschaft voranzutreiben. Dies machen wir indem wir verschiedene Merkmale von Erbsenpflanzen erforschen und auf Erbsenpflanzenkarten abdecken. Naturgemäß erhalten wir für Karten mit mehr oder schwierigeren Merkmalen höhere Siegpunktzahlen.

Kernelement des Spieles sind Workerplacement, Dice Drafting, und Kartenerwerb über offene Auslagen. Jede Runde gliedert sich dabei in vier Phasen:

  1. Working phase
  2. Plant Breeding Phase
  3. Research Phase
  4. End of Round reset

In der Working Phase setzen wir unsere Schaufeln ein und führen damit entweder unmittelbar Aktionen aus oder erwerben mit ihnen Vorrechte für die zweite Phase. Wir starten das Spiel mit 3 Schaufeln (im Grunde Worker) und können im Laufe der Partie zwei weitere Schaufeln erwerben. In der Working Phase können wir neue Erbesenpflanzen erlangen, diese anbauen und erforschte Pflanzen ernten. Letzteres ist wichtig, weil wir zu Spielbeginn mit nur zwei Plätzen für Erbsenpflanzen starten und somit schauen müssen, dass wir diese immer wieder freimachen. Weiterhin können wir auch Toolkarten nehmen. Mit diesen Werkzeugen haben wir Karten, welche wir einmalig für eine besondere Aktion einsetzen können. Es gibt eine Aktion mit der man sich Geld holen kann, welches man später in der Researchphase benötigen wird. Man kann aber auch der Universität Geld bezahlen um dort ein Merkmal einer Erbsenpflanze erforschen zu lassen. Viele der weiteren Aktionsmöglichkeiten nehmen Einfluss auf die spätere Plant Breeding Phase, in welcher wir Würfel draften werden. Mit diesen Aktionen sichern wir uns Vorrechte beim Nehmen der Würfel oder beeinflussen die potentiellen Ergebnisse des Würfelwurfes bevor diese gedraftet werden. Weiterhin können wir auch noch Forschungsziele auf bestimmte Merkmale setzen und in Folge anpeilen, dass wir selbst diese bis zum Spielende möglichst häufig erforschen werden. Fertig erforschte Karten mit diesem Merkmal bringen dann am Spielende zwei oder drei zusätzliche Siegpunkte.

 


In der Plant Breeding Phase versuchen wir dann Würfel ensprechend der Merkmale der von uns angebauten Erbsenpflanzen zu draften. Wohlgemerkt darf man auch nur Würfel nehmen, deren Merkmale man auch wirklich auf Karten hat. Es gibt insgesamt zwölf Merkmale, welche sich auf vier Würfelfarben verteilen. Manche dieser Merkmale sind seltener und andere häufiger. Dargestellt wird dies durch die Wahrscheinlichkeit für das Fallen der dafür nötigen Würfelergebnisse. Ein wenig Einfluss hätte man darauf wie gesagt in der Working Phase nehmen können. Zu Beginn der Plant Breeding Phase werden jedenfalls die fünf Würfel jeder Farbe geworfen und entsprechend ihres Ergebnisses auf dem Tableau dem entsprechenden Merkmal zugeordnet. Neben den Merkmalen hat jeder Würfel auch zwei Mutations-Symbole. Diese kann man draften um dafür Geld zu bekommen oder zusammen mit einem anderen Würfel dieser Farbe um damit ein beliebiges Merkmal dieser Farbe abzudecken. Gedraftet werden die Würfel in drei Runden. In den ersten beiden Runden kommen Spielende zum Zugriff, welche sich in der Working Phase vorzeitigen Zugriff per Schaufeleinsatz gesichert haben. In der dritten Runde dürfen dann alle in Spielerfolge so lange weiter ran bis die Würfel ausgehen oder niemand mehr will oder kann. Stark limitiert ist man beim Draft neben den Merkmalen auf den eigenen Karten auch durch die eigenen Offspring Research-Felder. Auf diesen hat man gedraftete Würfel abzulegen. Zu Spielbeginn hat man davon nur drei. Man hat aber im Laufe des Spieles die Chance dauerhafte weitere Würfelablagefelder zu erwerben oder temporäre durch Schaufeleinsatz für die aktuelle Runde zeitweise zu erlangen.

Auf die Plant Breeding Phase folgt dann die Research Phase. Diese wird in umgekehrter Spielerreihenfolge gespielt. Hier können wir gegen Geld unsere Handlungsmöglichkeiten verbessern indem wir weitere Schaufeln, Würfelablageplätze, Erbsenpflanzenablageplätze oder Assistenten kaufen. Letztere sind dauerhafte Karten, welche für den Besitzer Regeln leicht verändern. So gibt es beispielweise einen Assistenten, welcher es uns beim Gärtnern erlaubt eine zusätzliche Karte zu ziehen. Ein wenig gemein in dieser Research Phase: Es gibt einen Marktmechanismus. Mit jeder gekauften Sache einer Kategorie wird die nächste Sache aus dieser Kategorie um eine Münze teurer. Dies ist sehr bitter, weil die Möglichkeiten zu Geld zu kommen bei Genotype sehr beschränkt sind. Es gibt nur sehr wenige Felder während der Working Phase, welche uns zu ein bis zwei Münzen kommen lassen sowie eine Hand voll Toolkarten, welche zwei Münzen wert sind. Wirklich aufbauen und erst später Punkte machen ist also schwierig. Bei den Dingen, welche man in der Research Phase erwirbt ist weiterhin zu bedenken, dass sie auch höchstens in vier Runden wirken. In Runde 1 kauft man ja erst fast am Ende der Runde und in Runde 5 fällt die Research Phase gleich ganz aus. Es gibt ja keine weitere Runde wo man das Gekaufte nutzen könnte.

 


 

Abgeschlossen wird jede Runde von einer Aufräumphase. Hier werden Würfel und Schaufeln zurückgelegt, die Kartenauslagen erneuert, Marktpreise wieder gesenkt, Münzen ausgelegt, Startspielermarker weitergereicht und der Rundenmarker angepasst. Eine klassisch Aufräumphase wie man sie aus vielen artverwandten Spielen kennt.

Am Ende einer Partie werden dann die Siegpunkte gezählt. Hierbei zählen dann:

  • Siegpunkte vollständigter erforschter Erbsenkarten
  • Bonussiegpunkte für Merkmale, auf welche wir während der Working Phasen Phenotypmarker gesetzt haben
  • Ein Punkt pro erforschten Merkmal von nicht vollständig erforschten Karten
  • Ein Punkt pro übrig gebliebener Münze.

Ich finde an dieser letzten Aufzählung erkennt man ganz gut, dass das Spiel sein sehr klassicher Euro ist, welcher viele uns altbekannte Elemente nutzt. Erfahrene Spieler aus diesem Bereich wird Genotype keine Überraschungen bereiten oder gar ein Staunen aufs Gesicht zaubern, denn das Spiel erfindet das Rad beim besten Willen nicht neu. Wir finden vieles, was man anderswo schon so gesehen hat und manchmal auch besser. Besonders würde ich das im Hinblick auf die Assistenten so sehen, wo ich das Gefühl habe, dass die Balance hier nicht so ist, dass diese ähnlich stark sind.  Richtig gut finde ich jedoch die thematische Einbettung des Spieles. Diese ist meines Ermessens richtig dicht und wirklich gut umgesetzt. Das mag auch am tollen Artwork Tomasz Bogusz und Amelia Sales liegen. Sicher liegt es aber auch daran, dass die Spielregeln wirklich konsequent nah am Thema erklärt werden und dem Spiel noch ein zweites zwölfseitiges Heft beiliegt, welches The Science behind Genotype erklärt. Das habe ich so noch nie gesehen. Toll und total vorbildlich. Das Artwork des Spielbrettes an sich finde ich wirklich sehr ansprechend und übersichtlich. Ein wenig Potential hätte ich noch bei der Eindeutigkeit der Tool- und Assistentenkarten gesehen. Bei den Karten wird auf Text verzichtet und es gibt einige verschiedene Karten. Leider ist die Symbolik in meinen Augen nicht so eindeutig, dass man auf einen Blick die Funktion erkennt, Man muss also eine zeitlang zur Anleitung greifen, bis die Funktionen der Karten klar sind.

 


Wie bereits beschrieben kombiniert Genotype ja einige bereits bekannte Spielmechaniken. Eine errwähneswerte Besonderheit finde ich noch die Art und Weise wie die Würfelergebnisse in Merkmale der Erbsenpflanzen übersetzt werden. Über eine 2x2-Tabelle wird auf dem Spielbrett anzeigt, welche Merkmale durch Würfelseiten erreicht werden können. In der Working Phase kann man diese Tabelle beeinflussen indem man seitlich oder oberhalb der Tabelle das Parent-Gene-Tyle tauscht. Das finde ich eine wirklich interessante Idee. Einsereits kann das knallharte Auswirkungen haben, weil bestimmte Merkmale dann unter Umständen gar nicht mehr erwürfelt werden können, andererseits finde ich es sehr gelungen die Wahrscheinlichkeiten auf diese Weise zu beeinflussen. Besonders bitter für einen anderen Mitspielenden, wenn diese*r sich bei dieser Würfelfarbe vorher eigentlich den Erstzugriff gesichert hatte und nun das angestrebte Merkmal unwahrscheinlich oder gar unmöglich geworden ist.

 


Ein wenig gehadert habe ich bei Genotype mit der Designentscheidung, dass man in der Working Phase sich den prioritären Zugriff auf Würfel durch Arbeitereinsatz sichern kann, gleichzeitig aber noch keine Ahnung hat ob einer der fünf Würfel der Farbe das benötigte Ergebnis zeigen wird. Die Würfel werden ja erst am Beginn der Plant Breeding Phase geworfen. Hier bin ich mir weiterhin nicht sicher wie ich dies finde. Genotype ist ja ansonsten ein Spiel mit fast ausschließlich offenen Informationen und wenig Glücksfaktor. An diesen Stelle kommt dann aber doch ein Element rein, wo es auch einfach richtig blöd laufen kann. Ein wenig unsicher bin ich auch mit den Anpassungen des Spieles an den Player Count. Diese erfolgen über die Anzahl der Karten in der Kartenauslage und über Arbeitereinsatzfelder, welche wegfallen. Nicht verändert sich aber die Anzahl der Würfel. Weiterhin kann man in 2-3 Personen-Spiel über das Brett insgesamt sechs Münzen erlangen. Im Spiel zu viert sind es acht Münzen. Auch hier bin ich nicht sicher ob dies gut skaliert ist. Beide Punkte berühren die Art wie sich das Spiel abhängig vom Player Count spielt deutlich. Zu viert werden die Mutationswürfel auf einmal viel interessanter. Zum einen weil man sie für Geld braucht. Zum anderen, weil es viel unwahrscheinlicher wird die passenden Würfel zu draften. Um das Spielgefühl ähnlicher zu halten, hätten man meines Ermessens auch die Würfelanzahl der Spieler*innenzahl anpassen müssen.

 


Wie bereits geschrieben schätze ich an Genotype aber sehr die dichte thematische Umsetzung. Weiterhin sehe ich einen Vorteil des Spieles in den sehr klaren, eingängigen Regeln. Menschen, welcher regelmäßig Kennerspiele spielen, wird der Titel in wenigen Minuten zu vermitteln sein. Für ein Kennerspiel spielt es sich auch recht flott. Selbst in voller Besetzung sind 75 Minuten Spielzeit realistisch. Das komplette Material ist dazu auch noch sprachneutral. Eine deutsche Version wird alsbald beim Schwerkraft-Verlag erscheinen. Menschen, welche mit einer englischen Anleitung klarkommen, können aber auch problemlos zur Version von Genius Games greifen.

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Genotype: A Mendelian Genetics Game

Autoren: John J. Coveyou, Paul Salomon & Ian Zang

Erschienen bei Genius Games

Für 1-5 Spieler*innen ab 14 Jahren.

Spieldauer etwa 45-75 Minuten




Sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (Genius Games)
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11.04.2024

Orion Duel




Einmal durchs Weltall reisen, ein großer Traum der Menschheit, doch bisher leider unerfüllt mangels Technik. Aber Matagot gibt uns nun wenigstens in Form eines abstrakten Plättchenlegespiels die Möglichkeit uns zumindest ein wenig näher zu fühlen. Bei Orion Duel von Alberto Branciari und Andrea Mainini handelt es sich um ein reines 2-Personen-Spiel, welches ziemlich konfrontativ daher kommt.

Zunächst möchte ich aber vorwegschicken, dass es sich beim Material in den Fotos um die Standardausgabe handelt, es gibt auch eine Deluxe Ausgabe mit Neoprenmatte.

Im Spiel selbst liegt der weite Weltraum vor uns und verteilt in diesem liegen Galaxien und Schwarze Löcher. Jeder Spieler erhält Hexagon-Plättchen in verschiedenen Formen und überwiegend in eigener Spielerfarbe, allerdings gibt es auch Gemischte. Bin ich dran, ist es ganz simpel, denn ich wähle ein Plättchen aus meinem Vorrat und lege dieses in den Weltraum und zwar wohin ich will. Es gibt keine Anlegeregeln oder dergleichen. Ein kleines “aber” gibt es schon.



Möchte ich nämlich mit dem Plättchen ein Feld mit Schwarzem Loch oder Galaxie besetzen, sollte das neue Plättchen schon angrenzend zu einer Farbe gelegt werden, dabei ist es egal ob eigene oder gegnerische Farbe. Allerdings werde ich wollen, dass eine Galaxie auf meiner Farbe landet und das Schwarze Loch beim Gegner. Warum?

Ganz einfach, kommen wir zum Ziel des Spiels. Es gibt drei Wege eine Partie Orion Duel zu gewinnen und zwar wenn ich 4 Galaxien in einer ununterbrochenen Linie/Fläche meiner Farbe platzieren konnte. Oder aber 3 Schwarze Löcher in einer ununterbrochen Linie/Fläche des Gegners! Des Weiteren gibt es am Rand des Weltalls noch drei Sternkonstellations-Paare. Gelingt es mir zwei Konstellation gleicher Farbe mit meiner Spielfarbe zu verbinden, gewinne ich ebenfalls.



Orion Duel ist wirklich knackig und herausfordernd und benötigt auch eine gewisse Raumvorstellungskraft. Schnell übersieht man eine Lücke, die man dem Gegner gelassen hat oder muss gewisse Risiken eingehen um evtl. zum Erfolg zu kommen. Das Spiel hat mich wirklich positiv überrascht und ist sehr konfrontativ. Ich schneide meinem Gegner den Weg, ich platziere ihm schwarze Löche in seine Farbe und und und. Hier geht es recht schnell zur Sache.

Ja, das Thema ist nebensächlich, aber macht in dem Fall schon Sinn, die Optik (von Maxime Erceau) ist thematisch und vor allem pragmatisch, da sich gelb und blau schon sehr gut abheben. Die Qualität der Plättchen ist äußerst gut mit ordentlicher Dicke. Ich persönlich sehe da keine Notwendigkeit der Matte, das runde Spielfeld reicht aus, auch wenn die unbedingt sehr plan liegt.



Freunde von Plättchen puzzeln und abstrakten Spielen, bekommen hier ein tolles 2-Personen-Spiel, in dem es direkt hart zur Sache geht, denn hier heißt es verbauen oder Schwarze Löcher unterjubeln. Ich habe ehrlich nicht viel erwartet, wurde aber positiv überrascht.



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Orion Duel von Alberto Branciari und Andrea Mainini
Erschienen bei Matagot
Für 2 Spieler in ca. 25 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Matagot)

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10.04.2024

Obsession

 

 



“Life is a game, where a player must appear ridiculous,” Zitat der Dowager Countess aus “Downton Abbey”. Und wie könnte ein Text über Obsession ohne diesen Querverweis auskommen? Völlig zurecht, denn nicht nur das Hype-Level für die Serie ist ähnlich hoch wie die für dieses Spiel, auch thematisch fangen beide glorreich das viktorianische England ein. Augenzwinkern inklusive. Ist Obsession aber insgesamt dieses Vergleichs würdig oder lockt die 8,2-Bewertung bei BoardGameGeek (Stand: März 2024) auf eine falsche Fährte?


Obsession ist ein Engine-Builder von Dan Hallagan für 1-4 Spieler*innen ab 14 Jahren und dauert circa 30-90 Minuten.


[Spielmaterial: So opulent wie bei den Lords & Ladies]


 

Obsession macht definitiv einiges her. Schon die schwere Box mit dem schlichten, aber doch stimmungsvollen Design lässt den Duft von Scones und gemähtem Rasen durch die Nase wehen, der Inhalt weiß dann ebenfalls zu überzeugen.

In der Schachtel findet ihr noch jede Menge weitere Schachteln zum Verwahren. Konkret sind dabei 6 Boxen für das Material der einzelnen Familien enthalten - sehr klug, denn so habt ihr schon Platz für die Erweiterungen. In der Basis-Box sind lediglich vier Familien spielbar.

Hinzu kommen sogenannte Adelskarten mit einzigartigen Charakteren aus dem viktorianischen England, verschiedenen “Ausbauplättchen” mit diversen Räumen und Erweiterungen für euer Anwesen, sowie kleinere Gimmicks wie Münzen, Ziel- und weitere Karten. Worker in 6 verschiedenen Formen und Farben, sowie ein Säckchen zum Verstauen und Ziehen der Plättchen und Solo-Material haben auch ihren Platz gefunden.

Zuguterletzt gesellen sich zwei zentrale Spielpläne (ein Rundenanzeiger und ein Plan für die Platzierung der Kartenauslage), sowie vier Spielertableaus dazu. Jede Menge Kram, der aber dank der tollen Boxen bestens Platz findet und nach erstmaligem Sortieren auch immer wieder einfach rausgeholt werden kann. Material & Box bekommen dafür schonmal die adelige Höchstpunktzahl.


[Spielablauf: Definitiv nichts für die Tea Time]




In Obsession nehmen alle Spieler*innen die Geschicke jeweils einer Familie aus der englischen Grafschaft Derbyshire. Ihr Ziel: Ihre traditionsreiche Familie in der Mitte des 19. Jahrhunderts wieder bestens  zu positionieren. Dafür macht ihr euer vernachlässigtes Anwesen wieder schick, modernisiert eure Landgüter, stellt euren guten Ruf (wieder) her und verheiratet eure Familienmitglieder mit anderen Adeligen.

Eine kurze Zusammenfassung des Spielprinzips:

Ihr veranstaltet auf eurem Anwesen (Tableau) verschiedenste Events (Plättchen), indem ihr eure Angestellten (Meeple) zu ihnen schickt und dort verschiedene euch wohlgesonnene Adelige (Karten) zu empfangen. Im Laufe der Partie baut ihr so euer Landgut aus (Tableau-Building), erhaltet mehr Ansehen, Geld und Zielkarten. Nach 16 Tagen (Runden) und verschiedenen Werbephasen (Zwischen-Ziele) gewinnt die Familie mit den meisten erfüllten Bedingungen das Herz der Grafschaft. Und das Spiel.

Schon diese Zusammenfassung zeigt, wie unglaublich thematisch dicht dieses Euro-Game ist. Jedes Detail dieses Spiels harmoniert miteinander und ist mit viel Liebe zusammengestellt. Selbst die kleinsten Bausteine fügen sich ins große Ganze ein, sodass ihr euch auch ohne Tee und viel Geld auf dem Konto wie Royals fühlen werdet.

Aber: Obsession ist trotz des angenehmen Spielgefühls kein Nebenbei-Spiel. Ganz im Gegenteil - im Engine Builder steckt ganz schön viel Tücke. Und das schon in der einfachen Partie. Aber erstmal zu den wichtigsten Punkten:


Wie läuft ein Spielzug ab?

  1. Ihr macht eure Bediensteten bereit, indem ihr sie auf eurem Tableau zwischen den vorhergesehenen Räumen schiebt. In der letzten Runde verwendete Bedienstete sind in der nächsten Runde nicht verfügbar, da sie sich ausruhen.
  2. Ereignisse, Monumente und Bedienstetensaal prüfen: Hier führt ihr jeweilige Aktionen, die durch Runden-Ereignisse oder eure Monumente (spezielle Plättchen in eurer Auslage) ausgelöst werden, durch.
  3. Aktivität ausführen: Nun wählt ihr eins der vor euch ausliegenden Plättchen und schiebt es hoch in das “Aktivität”-Feld eures Tableaus. Ihr müsst, um es ausführen zu können, die angeforderte Bedienstete darauf stellen und euer Ansehen muss mindestens dem geforderten Level entsprechen.
  4. Gäste einladen: Jedes Plättchen lässt euch eine bestimmte Anzahl an Gästen, also Adelskarten, von eurer Hand ausspielen. Auch diese wünschen sich dabei bestimmte Bedienstete zur Begleitung und auch hier müsst ihr mindestens ihr Ansehenslevel erfüllen.
  5. Dienst leisten: Nur wenn ihr alle Anforderungen des Aktivitätsplättchens und der Adeligen erfüllt habt, könnt ihr diese Aktion überhaupt auswählen.
  6. Gefälligkeiten erhalten: Nun erhaltet ihr alle Boni, die euch die Adeligen und Aktivität zustehen lassen. Das sind zum Beispiel neue Adelskarten oder erhöhtes Ansehen oder Geld. Manche Adelige geben euch auch einen Malus in einem Bereich.
  7. Kauf auf dem Handwerksmarkt: Im (fast) letzten Schritt eures Zuges dürft ihr euch für Geld neue Plättchen aus dem Handwerksmarkt kaufen. Diese liegen in der offenen gemeinsamen Auslage in der Tischmitte und kosten je nachdem, auf welchem Feld sie sich gerade befinden, unterschiedlich viel Pfund. Das erhaltene Plättchen legt ihr an die farblich passende Spalte eures Tableaus (es gibt fünf verschiedenfarbige Raum-Arten) und könnt es ab kommender Runde verwenden.
  8. Familientableau aufräumen: Ihr verschiebt eure eingesetzten Bediensteten und schiebt euer Plättchen wieder nach unten. Habt ihr die Aktivität zum ersten Mal ausgeführt, dürft ihr sie auf ihre Rückseite umdrehen. Sie ist nun am Ende des Spiels mehr Siegpunkte wert.

Sind alle Mitspielenden einmal diese 8 Schritte durchlaufen, endet eine Runde. Nach einer gewissen Zahl von Runden (diese unterscheiden sich im Basis- und erweiterten Spiel) steht dann die Werbe-Phase an. Hier erhält die mitspielende Person, die in der aktuell geforderten Plättchen-Art (wird durch eine Karte vorgegeben) die meisten Siegpunkte hat, bis zum nächsten Werben eine der beiden starken Fairweather-Karten im Spiel auf die Hand. Außerdem erhält sie verdeckt eine neue Siegpunkt-Karte vom Stapel.
Weitere Spezial-Runden wie das Dorffest bringen euch weitere Möglichkeiten. Insgesamt spielt ihr über 16 Runden und rechnet nach einer finalen Werbephase ab. 


Siegpunkte am Ende des Spiels gibt es für:

  • Ausbauplättchen: Alle Ausbauplättchen an eurem Anwesen geben so viele Punkte, wie sie aktuell anzeigen.
  • Adelskarten: Alle Adelskarten, die ihr bis dahin erhalten habt, werden zusammengerechnet.
  • Zielkarten: Am Anfang des Spiels erhalten alle Familien 7 Zielkarten. Am Ende der Partie haben alle noch 3 Zielkarten auf der Hand (die übrigen werden in den Werbephasen nach und nach abgeworfen). Diese Zielkarten geben für unterschiedliche Sachen Punkte, z.B. wenn ihr bestimmte Plättchen gekauft habt oder wenn ihr eine bestimmte Anzahl an Bediensteten habt.
  • Ansehen: Basierend auf einer Tabelle in der Anleitung erhaltet ihr Punkte für eure aktuelle Ansehensstufe.
  • Bedienstete: Basierend auf einer Tabelle in der Anleitung erhaltet ihr Punkte für die Anzahl an Bediensteten, die ihr am Ende der Partie habt.
  • Wohlstand: Pro 200 Pfund auf eurem Tableau bekommt ihr 1 Siegpunkt.
  • Siegpunkt-Karten: Die Siegpunkt-Karten aus den Werbephasen werden ebenfalls hinzugezählt.

Die Familie mit den meisten Siegpunkten gewinnt.


[Fazit: Obsession gehört zum Adel der Brettspiele]



Eins steht fest: Da hat der Hofstaat nicht zu viel getuschelt - Obsession kommt seinem großartigen Ruf auf allen Ebenen nach. Wer sich auch nur ein bisschen von diesem kreativen Thema abgeholt fühlt, bekommt hier ein angenehm komplexes Eurogame, das sich dank der detaillierten Materialien super immersiv anfühlt.

Damit macht Obsession etwas unglaublich Tolles richtig: Auch Wenig-Spieler*innen werden diesem Spiel eine Chance geben. Dadurch, dass alle Schritte anschaulich erklärt werden können, bleiben weniger Fragezeichen offen. Hinzu kommt, dass mit Spielerhilfen, einem ausführlichen Glossar und einer Abbildung der Zugabfolge auf dem Tableau auch während des Spiels alle Fragen schnell beantwortet werden.

Wer ein Manko suchen mag, könnte die potentielle Downtime aufzeigen. Für Eurogame-Spiele hält sich diese zwar in Grenzen, aber gerade in den ersten Partien in Vollbesetzung könnte sie die Spannung etwas ablindern.

Trotzdem: Vom großartigen Inlay über das tolle Spielmaterial, von den vielen Spielmodi, die noch in der Box stecken, bis zu der Vielfalt an Karten und Plättchen, von der historischen Genauigkeit über das schöne Spielgefühl bis zum einzigartigen Thema: Obsession hat ein kleines Stück Spielgeschichte geschrieben. Und das auch über England hinaus.

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Obsession von Dan Hallagan
Erschienen bei Strohmann
Für 1-4 Spieler in 30-90 Minuten ab 14 Jahren
Boardgamegeek-Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Strohmann)

*es handelt sich um einen Affiliate-Link. Für Euch entstehen keine weiteren Kosten. Wir erhalten eine Provision.

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09.04.2024

Age of Rome


Mit Age of Rome bringt uns Strohmann Games ein Workerplacement-Spiel mit einem wortwörtlichen Twist. Denn thematisch im alten Rom angesiedelt, dreht sich Runde für Runde der Spielplan/die Provinzscheibe, was dazu führt, dass wir unsere Arbeiter in einer anderen Provinz als in der Vorrunde einzusetzen haben. Das Spielgeschehen findet 44 v. C, kurz nach der Ermordung Cäsars statt, und wir nehmen die Rollen von verschiedenen potenziellen Nachfolgern ein, welche seinen Platz übernehmen wollen. Dies gelingt indem wir innerhalb von neun Runden den meisten Ruhm erlangen. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten wie Einfluss im Senat nehmen, der Bau eines Pantheons oder von Gebäuden sowie die Entsendung von Legionen in entfernte Provinzen.

 


Age of Rome ist das Erstlingswerk des griechischen Autorenduos Vangelis Efthimiou und Antonius Yannopoulos, welche das Spiel 2022 sehr erfolgreich über Kickstarter finanziert haben. Das Spiel ist in zwei Versionen erschienen: In der sehr aufwendigen Kickstarter-Version mit vielen Extras und Acrylteilen sowie in der hier besprochenen Retail-Version. Letztere ist auf Deutsch bei Strohmann Games erschienen, ist auch sehr hochwertig produziert aber eben "nur" mit Holz- sowie dicken Cardboardteilen.

 


Bei dem Spiel handelt es sich um ein Arbeiter-Einsatzspiel für 1-4 Personen. Es ist also auch solo spielbar. Vorwegschicken möchte ich an dieser Stelle schon einmal, dass ich das Spiel zu dritt nicht empfehlen kann. Dazu aber später mehr. Von der Komplexität her handelt es sich um einen mittelschweren Euro. Ein Kennerspiel, welches sich jedoch sehr flott erklären lässt. Es vereint Elemente aus Worker-Placement-, Set-Collection- und Area Majority-Game. Außerdem ist mit dem Element der Intrigen noch eine kleine Take That-Komponente im Spiel enthalten. Ein buntes Potpourri aus der Welt der Eurogames also. Es ist also quasi für jeden etwas dabei.

Jede Runde in Age of Rome gliedert sich in vier Phasen:

  • Intrigenphase
  • Bauphase
  • Aktionsphase
  • und Einkommensphase

Die ersten drei dieser Phasen werden jeweils in Spielerreihenfolge bestritten, während man die letzte Phase paralell abhandelt. Während der Intrigenphase werden Intrigen umgesetzt, welche in Vorrunden platziert wurden, eine Ereigniskarte abgehandelt und man erfährt durch die Intrigenkarte auch wie sich das Spielfeld am Ende der Runde drehen wird. Weiterhin zeigt uns die Intrigenkarte noch an ob im oder gegen den Uhrzeigersinn gespielt wird. Zum Drehen des Spielfeldes ist an dieser Stelle noch zu sagen, dass in dem eigentlichen Spielbrett eine Holzscheibe mittig eingelassen ist. Hierum aufgelegt wird beim Spielaufbau noch unser drehbares Spielfeld - die Provinzscheibe. Man kann es sich ähnlich wie eine Schallplatte auf dem Plattenspieler vorstellen. Unterteilt ist diese drehbare Fläche in vier Provinzen. Diese Provinzen sind dann im Spiel stets auf die Spielenden ausgerichtet. Ich bespiele in der Bau- und Aktionsphase dann also die Provinz, welche in der gegebenen Runde vor mir liegt.

 


 

In der Bauphase tue ich dies indem ich mein Geld für neue Gebäude ausgebe. Hierfür erhalte ich dann sofort Siegpunkte. Jede Provinz ist gleich aufgebaut. Es gibt jeweils fünf Baufelder. Eines für jeden Gebäudetyp. Die zu bauenden Gebäude ermöglichen in der Aktionsphase dann das Durchführen von Aktionen. Man bestimmt durch den Gebäudebau also die späteren Handlungsoptionen. Die jeweiligen Gebäude sind immer in drei Stufen vorhanden. In ihrer Funktion unterscheiden sich die Gebäudestufen einzig dadurch, dass höhere Gebäudestufen mehrfach die Aktion des Gebäudes zulassen. Eingebaut in die Bauphase ist noch eine kleine Wettrennkomponente. Wer als erstes das Stufe 3-Gebäude eines Types baut, erhält die dazugehörige Medaille. Diese ermöglicht im weiteren Spielverlauf eine Sonderfähigkeit zu nutzen.

 


Während der Aktionsphase kann ich dann meine Anhänger/Arbeiter auf den Gebäuden einsetzen und die dazugehörigen Aktionen nutzen. Außerdem kann ich mit meinen Anhängern auch noch Intrigen planen. Sechs verschieden Aktionsmöglichkeiten plus die Intrigen bietet uns die Aktionsphase. Wir können:

  • Legionen in entfernten Provinzen einsetzen. Hier geht es um eine Area-Majority-Wertung am Spielende.
  • Wir können am Pantheon bauen. Dabei haben wir ein Wettrennen um punkteträchtigere Pantheonteile.
  • Wir können Stimmen im Senat einsetzen. Hierbei versuchen wir eine Senatsmehrheit von drei obenauf liegenden eigenen Stimmen zu erreichen und punkten damit sofort.
  • Wir können Ackerbau betreiben und damit Geld generieren,
  • Weiterhin ist noch Handel möglich. Mit dieser Aktion ziehen wir Karten. Diese sind für Set-Collection-Punkte wichtig, wobei wir versuchen gleichfarbige Dreiersets zu sammeln. Weiterhin lassen sich die Karten aber auch als Aktionkarten oder für Geld einsetzen.
  • Als letztes können wir noch eine weitere Aktion nutzen, welches keines Gebäudes bedarf. Durch das Einsetzen im Kolosseum erwerben wir unmittlbar einen Siegpunkt. Dies ist meines Ermessens eher eine Notaktion.

Bleiben als allerletzte Handlungsaktion noch die Intrigen. Auch hierfür brauchen wir wieder einen unseren Anhänger, weiterhin aber noch ein Intrigenplättchen. Wir platzieren beides in unsere aktuellen Provinz und können die Intrige dann in einer späteren Intrigenphase auslösen, wenn das Spielbrett sich gedreht hat und unser Intrigenplättchen dann vor jemand anderem als uns selbst liegt. Diese Intrigen sind nicht furchtbar böse, eher kleine Nadelstiche. Man verliert dadurch bspw. Siegpunkte, Legionen oder Pantheonteile. Was mehr weh tut sind die Fehdemarker. Wird eine Intrige gegen uns gespielt, so erhalten wir mit ihr nämlich auch so einen Marker und diese blockieren auf unserem eigenen Tableau die darauf liegenden Bonusmarker. Dies wiederum tut weh, denn Bonusmarker ermöglichen uns doppelte Aktionen. Hieraus entsteht dann ein Incentive selbst Intrigen zu spielen, auch wenn die Intrige einem oft wenig bis gar nichts selbst einbringt. Man hält sich damit aber die eigenen Bonusmarker frei und dies ist sehr wichtig.

 


In der abschließenden Einkommenphase erhält man dann noch ein Einkommen, welches sich durch die in der Provinz errichteten Gebäude ergibt. Man kann sich hierbei dann entscheiden doppelt zu besteuern und gegen Siegpunkte mehr Geld zu erhalten. Weiterhin wird dann noch die Provinzscheibe gedreht. Möglich sind dabei 90° oder 180°-Drehungen in beide Richtungen.

 


Am Ende der neunrundigen Partie werden dann zusätzlich zu dem im Spiel erhaltenen Punkte noch einmal Siegpunkte vergeben für:

  • Mehrheiten unsere Legionen in den drei entfernten Provinzen
  • Position unserer Stimmscheiben im Senat
  • Sets von Handelskarten
  • Gebaute Pantheonteile
  • Erfüllte Aufträge. Von diesen erhält man bei Spielbeginn zwei auf die Hand.
  • Restgeld

Wer nach dieser Wertung dann die meisten Ruhmespunke auf der Leiste vorweisen kann, der oder die darf dann als Sieger*in  von Age of Rome die Herrschaft übernehmen.

Es gibt mehrere Momente, welche ich bei Age of Rome wirklich spannend finde. Zum einem wäre da natürlich die drehbare Provinzscheibe. Dies ist wirklich ein schönes Gimmick. Weiterhin mag ich auch sehr die Idee, wie man zu weiteren Anhängern kommt: Man muss Schwellenpunkte auf der Ruhmesleiste überschreiten. Für jede Person, welche diese überschreitet fallen die Schwellenpunkte dann aber für die nachfolgenden Mitspielenden. Klasse finde ich auch die Verbindung Fehde-Marker/Bonusmarker. Dies macht es sehr unattraktiv sich aus den Ränkespielen komplett rauszuhalten. Über die Materialqualität muss man bei Age of Rome sowieso nicht sprechen.  Die Qualität der Materialien ist  auch in der Retail-Version sehr hochwertig und ansehnlich. Auch bei der Spielregel wurde sich sehr viel Mühe mit der Illustrierung und der thematischen Einbettung gegeben. Ein wirkliches Plus ist auch, dass das Spiel sehr eingängig und leicht zu erklären ist.

 


 

Mir persönlich und meinen Mitspielenden durch die Bankdurch hat es aber nur eher mittelmäßig gefallen und das hat nachfolgende Gründe. Einmal wäre zu nennen, dass der Zufall wirklich arg viel beim Spielgeschehen in der Hand hat. Zuvorderst wäre da die Drehung der Provinzscheibe zu nennen. Diese passiert durch die Ereigniskarten bestimmt. Hier kann es passieren, dass die Scheibe in Folge mehrfach um 180° gedreht wird oder vielleicht immer hin und zurück um 90°. Das kann im Dreipersonenspiel fatale Folgen haben. Während zwei Personen am Tisch dann stets gut ausgebaute Provinzen vor sich haben, muss die dritte Person sich jedes Gebäude selbst bauen. Ein immenser Nachteil. Ähnliche Auswirkungen kann die Ereigniskarte auch auf die Wahl des/der Startspieler*in habe. Es kann sein, dass man bis zum Spielende nie in die Position kommt eine Runde zu beginnen. Weiterhin spielt der Zufall auch bei den Handelskarten und dem damit verbundenen Set-Collection-Element hinein. Man hat nicht viele Möglichkeiten Handelskarten zu tauschen und auf Sets hinzuarbeiten. Man zieht einfach immer nur einzelne Karten nach. Dies kann glücklich enden oder eben nicht. Gleichzeitig sind diese Karten aber auch eine wichtige potentielle Ruhmespunktquelle. Ein wenig unzufrieden bin ich auch mit der Spielregel. Einerseits ist diese wirklich sehr ambitioniert umgesetzt: Viele Grafiken, große Schrift, zahlreiche Beispiele, 30 Seiten und nochmal 16 weitere Seiten für die Solo- und Coop-Variante in einem weiteren Heft. Ich finde sie aber trotzdem nicht gut gelayoutet. Man sucht lange bis man die benötigten Infos findet. Man sieht dem Ganzen aber an, dass das keinesfalls ein Mangel an Liebe zum Produkt ist. Die Spielregel sieht toll aus. Meines Ermessens ist es eher die Unerfahrenheit der Autoren im Gliedern von Spielregeln. Hinweisen möchte ich an dieser Stelle noch darauf, dass das Spiel auch sowas wie leicht asymmetrische Spielerfähigkeiten hat. Zu Spielbeginn erhält man ein persönliches Spieltableau. Hierauf abzulesen sind mit wievielen Senatsstimmen, Legionen und Anhängern, Fehdemarken, Ruhmespunkten, Ankerkarten (Einschränkung der Handkarten) und Geld man startet. Weiterhin variiert die Position der Bonusmarker auf dem Tableau und man hat unterschiedliche Intrigefähigkeiten. Eigentlich finde ich dies gut. Assymetrie gibt vielen Spielen ja einen zusätzlichen Reiz und mehr Wiederspielbarkeit. Bei Age of Rome empfinde ich die Unterschiede jedoch als so marginal, dass es mir persönlich stets vollkommen gleich wäre, welchen Charakter ich nun spielen würde.

 


Nach dieser etwas längeren Aufzählung von Punkten, welche ich als eher negativ empfinde, möchte ich diesen Text mit einem Aspekt abschließen, welcher mir wirklich ganz gut gefallen hat - der Solo- bzw. Koopvariante. Man kann das Spiel auch gegen einen Automa spielen, welcher durch zwei Kartendecks gesteuert wird. Man selbst spielt das Spiel dabei mit im Grunde den gleichen Regeln wie auch sonst. Unser Automa-Gegner Cassius wird hingegen vornehmlich durch ein Aktionkarten-Deck gesteuert. Hierüber werden leicht abgewandelte Versionen der regulären Aktionen ausgelöst. Spannnend finde dabei vor allem, dass die Wahl der eigenen Aktionen Auswirkungen auf das Deck von Cassius hat. Führe ich eine bestimmte Aktion aus, zum Beispiel das Einsetzen von Legionen, so bekommt Cassius eine weitere Militärkarte in sein Deck. Es wird also wahrscheinlicher, dass Cassius auch Legionen einsetzt. Gut finde ich an der Variante, dass nach Aufdecken der Karte ziemlich unmittelbar klar ist was man für Cassius vollführen muss. Bei manch anderen Automas musss man ja dann noch längere wenn -> dann-Listen konsultieren. Dies geht aber natürlich leider wieder ein wenig zu Lasten der Balance. So setzt Cassius seine Legionen eben nicht gezielt in Provinzen, sondern komplett zufallsbestimmt durch ein weiteres Kartendeck. Das kann für mich im Sinne der Mehrheitenwertung super laufen oder eben nicht. Der Zufall entscheidet es eben. Selbiges gilt für die Bauentscheidungen von Cassius und damit auch was er uns vorlegt bzw. ob er eine Medaille erlangt oder nicht. Er entscheidet sich halt einfach nicht für die für ihn beste Option, sondern für eine beliebige. Im Sinne einer flotten Spielbarkeit ist das super und macht Age of Rome zu einem Solospiel an dem ich persönlich mehr Freude habe, als an einem Titel wo ich ewig mit der Verwaltung des Automas beschäftigt bin. Man muss aber eben damit leben können, dass man nicht gegen einen intelligenten Gegner spielt, sondern gegen einen reinen Zufallsmechanismus.

 


Age of Rome ist in meinem Augen ein Titel, welcher seinen Sellingpoint in der Optik, seinem Material und dem ungewöhnlichen Twist mit der drehenden Provinzscheibe hat. Spielmechanisch sehe ich jedoch deutliche Schwächen und würde dazu raten den Titel nur allein, zu zweit oder viert zu spielen. Dann hat man einen schnell erklärtes Kenner-Spiel vor sich, welches man in 60-90 Minuten gespielt hat. Mit leichten Take-That-Elementen und Gevater Zufall sollte man aber auf jeden Fall leben können, um Freude an dem Titel zu haben. Im positiven Sinne bietet Age of Rome mechanisch gewissermaßen einen bunten Strauß Euro-Mechaniken in einem Spiel. Auch wenn ich nicht voll der Überschwanges für Age of Rome bin, so sehe ich in dem Titel für ein Erstlingswerk doch eine beachtliche Qualität und bin gespannt auf den kommenden Titel der beiden Autoren: Restart.

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Age of Rome

Autor: Vangelis Efthimiou und Antonius Yannopoulos

Erschienen bei Strohmann Games

Für 1-4 Spieler*innen ab 12 Jahren.

Spieldauer etwa 60-90 Minuten



Sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (Hier Strohmann Games)
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