27.11.2017

Caverna: Höhle gegen Höhle


Caverna, also das Große, ist ein Spiel das ich zwar immer haben wollte, bei dem mir aber andere Rosenberg Spiele ständig dazwischen kamen. Erst Patchwork dann Ein Fest für Odin und jetzt bin ich beim kleinen Bruder von Caverna gelandet: Caverna: Höhle gegen Höhle. Also verzeiht, dass ich in dieser Rezension, keinen Vergleich zum großen Bruder ziehen kann.

Caverna: Höhle gegen Höhle ist ein reines 2-Spieler Workeplacementspiel, ohne Worker. Ja, ohne Worker! Wie das geht? So:


Jeder Spieler hat eine eigene Höhle, mit potentiellen Räumen für Aktionskärtchen. Diese potentiellen Räume sind deswegen potentiell, weil sie erst ausgegraben werden müssen. Und sowohl für das Ausgraben als auch für das Bauen der Räume, stehen den Spielern Aktionen zur Verfügung, die sich von Rund zu Runde vermehren. 
Wollt Ihr eine dieser Aktionen nutzen, so setzt Ihr nicht wie gewohnt einen Arbeiter auf das Feld, sondern zieht das jeweilige Aktionsplättchen auf eure Seite des Tisches und beansprucht so diese Aktion für Euch ganz alleine. Neben den bauunternehmerischen Aktionen, könnt Ihr auch Euer Ressourceninventar auffrischen. Dieses besteht aus Gold, Stein, Holz u.a. Diese Ressourcen braucht Ihr, um Eure ausgehöhlten Gänge mit Aktionsräumen zu füllen oder auch um diese Aktionsräume nutzen zu können. Jeder Raum und jedes übriggebliebene Goldstück bringen Euch am Spielende Siegespunkte.
Diesmal gewinnt derjenige, der am wenigsten Punkte hat… Das war nur ein blöder Scherz, es ist natürlich andersrum.


Ja, ich weiß, das hier beschriebene klingt sehr gewöhnlich und nach einem 0815 Workerplacementspiel. Aber wartet, es gibt noch mehr. Denn das was Caverna: Höhle gegen Höhle ausmacht, sind die folgenden zwei Dinge:
Erstens: Eure Höhle besteht zu Spielbeginn aus Gängen, die durch verdeckte Plättchen blockiert sind. Wollt Ihr einen solchen Gang freiräumen, müsst Ihr das jeweilige Plättchen umdrehen und in die Tischmitte legen. Denn auf der Rückseite dieser Plättchen sind Räume, die entweder Ihr oder Euer Gegner in seiner Höhle verbauen kann. Das heißt, dass jede Freiräumaktion, Eurem Gegner neue Möglichkeiten bietet und Ihr Euch gut überlegen müsst, wann und wie Ihr Eure Höhle vergrößert.
Zweitens: Die Raumkarten und Aktionskarten, bieten in Summe eine so gewaltige Menge an Strategiemöglichkeiten, sodass Ihr immer einen Weg finden werdet, das zu tun, womit Euer Gegenüber nicht rechnet. So kann jeder seine Strategie verfolgen ohne den Gegenüber zu blockieren, was nicht bedeutet, dass dies nicht auch möglich ist.


Obwohl ich mit der Aktionsvielfalt teilweise überfordert war, war es mir eine riesengroße Freude zu sehen, dass meine Höhle wächst und wie bei einer gut geölte Maschine, jede Mechanik ineinander greift und mich zu meinem Ziel führt. Ich hätte mir zwar gerne mehr Standartaktionen gewünscht, damit die ersten 3 Runden nicht immer gleich ablaufen, aber das ist auch die einzige Kritik die ich auszusetzen habe.
Lasst Euch von der Größe der Box nicht täuschen. Hier steckt viel mehr drin als Ihr glaubt. Ein kurzes und sehr spaßiges Workerplacementspiel ohne Worker.



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Caverna: Höhle gegen Höhle von Uwe Rosenberg
Erschienen bei Lookout
Für 1-2 Spieler in ca. 30 Minuten
Boardgamegeek-Link

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Lookout)
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24.11.2017

Flick ´em up!: Dead of Winter


Man war ich gespannt. Die Dead of Winter Lizenz trifft Flick ´em up! Schon auf der Messe 2016 wurde ich von einem der Pretzel Games Mitarbeiter geteasert mit dem tollen Boxcover. Nun ist es endlich da und ich hatte genügend Zeit das Spiel auf Herz und Nieren zu testen.

Flick ´em up! ist ein erfolgreiches Schnippspiel im Westernsetting und verlief stets voll kompetitiv. Was den Hauptreiz des Spiels stets ausmachte, waren die umwerfenden 3D-Komponenten, mit welchen man eine ganze Westernstadt simulierte. Vom Saloon, über die Bank bis hin zu Pferden, Cowboys und einem Sonnenuntergang. Dead of Winter ist ein Zombieapokalypsenspiel mit Verrätermechanismus und einzigartigem Storyelement. Was passiert denn nun, wenn beide Spiele ein Baby bekommen? Welche Brettspielgene setzen sich durch?


Flick ´em up!: Dead of Winter bleibt hauptsächlich ein Flick ´em up!, also ein Schnippspiel. Auch hier gibt es allerlei 3D-Elemente, die einen enormen Aufforderungscharakter haben. Ist ein Szenario erstmal aufgebaut, sieht das einfach toll aus und man wird unweigerlich dazu motiviert zahlreiche Fotos mit dem Smartphone zu machen. Settingstechnisch haben wir alles, was zu einer guten Zombieapokalypse dazugehört: Verlassene Gebäude, leere Autos, einen Camper oder aber auch einen Eiscremetruck. Der Eyecatcher ist aber der sogenannte Zombieturm, der nicht nur optisch die Blicke auf sich zieht, sondern auch einen ganz innovativen und spielbeherrschenden Mechanismus mit sich bringt. Später dazu aber mehr.

Der Hauptunterschied von Flick ´em up!: Dead of Winter zu seinem Vorgängertitel ist zuallererst einmal, dass es sich nicht mehr kompetitiv, sondern meisten voll kooperativ spielt. Spieler, die die Vorgänger aufgrund des Konkurrenzaspektes gemieden haben, könnten also bei Flick ´em up!: Dead of Winter zugreifen. Es gibt jedoch auch Teamszenarios.
Szenarios. Damit fängt alles an. Denn wir wählen im Grundspiel (ich tippe hier ganz einfach mal darauf, dass Erweiterungen folgen werden) zwischen 10 mitgelieferten Szenarien, welche sich in ihrer Komplexität steigern und nach und nach neue Spielregeln und Komponenten einführen. Man kann das Ganze also tutorialmäßig angehen - muss man aber nicht. Die Gesamtregeln sind nämlich nicht völlig komplex. Es bleibt ein Schnippspiel. Schön aber, dass es diese Option gibt.


Je nach Szenario versuchen wir meistens kooperativ Zombies zu erledigen. Dabei kommt der Geschicklichkeitsaspekt zum tragen. Gelaufen wird per Geschnippe. Geschossen wird per Geschnippe. Geschlagen wird.... per Geschnippe. Dabei ersetze ich meinen Charaktermeeple (der im übrigen echt schick aussieht) durch eine Disk und schnippe diese. Dort wo sie landet, stehe ich nun. Will ich nun beispielsweise meine Schusswaffe nutzen und einen Zombie erledigen, lege ich die entsprechende Waffendisk neben meinen Meeple und schnippe in Richtung des Zombies. Fällt dieser um, ist er vorerst tot und kommt vom Feld. Schaffe ich es nicht, habe ich meine Aktion verschwendet, was bei einer Gesamtaktionszahl von 2 pro Runde pro Charakter schon einen Bärenanteil ausmacht. Wie bei seinen Vorgängern kann ich mir also auch bei Flick ´em up!: Dead of Winter so manchen Zug ganz schön versauen, wenn ich schlecht schnippe. Gleichfalls kann ich aber auch durch geschicktes Agieren für so manches High-Five am Tisch sorgen. Das ist nunmal das Herz einen jeden Schnippspiels. Mag ich so etwas nicht, bin ich hier falsch.

Wie es schlussendlich auch ausgeht, folgt eine Reaktion der Zombies - und zwar mit dem bereits angesprochenen Zombieturm. Zunächst einmal ist es relevant, ob ich leise Aktionen ausgeführt habe (laufen, schlagen) oder ob ich laut war (schießen). Je nachdem bewegt sich einer oder gleich mehrere Zombies auf mich zu. Diese aktivierten Zombies werden in Flick ´em up!: Dead of Winter dann auf den Zombieturm gestellt und fallen dann nach einem Auslösen, wie bei einem Würfelturm unkontrolliert nach unten. Alles was sie dabei mitreißen, bleibt am Boden. Treffen sie dabei einen von uns, verliert der einen Lebenspunkt und kann unter Umständen auch aus dem Spiel ausscheiden. Diese Zombiebewegung sieht nicht nur cool aus, sondern simuliert auch ziemlich cool das unkontrollierte Vorstürmen der Zombies auf ihre Gegner. Sie sind halt nicht die Hellsten! Hut ab für diese Idee. Gefällt mir gut.


Wie kommt jetzt noch (abseits vom Thema) ein Dead of Winter Element in Flick ´em up!: Dead of Winter rein? Gut dass Ihr fragt! Wie es sich dafür gehört, gibt es natürlich klassische Verräterszenarien, bei welchen sich plötzlich einzelne Charaktere gegen die Gruppe wenden können oder ganz individuelle Ziele haben können, die sie aus reinem Selbstnutzen erfüllen möchten. Das kann bei einem ohnehin sau schwerem Spiel nochmal die extra Portion Härte bedeuten.
Die individuellen Ziele haben mich nicht wirklich überzeugt. Das liegt in erster Linie aber daran,  dass  Flick ´em up!: Dead of Winter den Fokus des gesamten Spiels eher auf den Geschicklichkeitsaspekt legt, was bedeutet, dass ich auch stets vollends damit beschäftigt bin meine nächste Aktion zu planen und auf einen Kunstschuss zu hoffen. Allein das ist vollkommen ausfüllend und ehrlicherweise auch schwierig genug. Ein individuelles Ziel und das (durch den Mechanismus beabsichtigte) Misstrauen zwischen den Spielern kommt nicht wirklich auf.

Ein weiterer Aspekt aus dem Dead of Winter Universum in Flick ´em up!: Dead of Winter sind die Crossroadskarten, welche in diesem Spiel eher zufällig ins Spiel kommen, sobald ich in einem Gebäude einen entsprechenden Marker finde. So zufällig, wie sie ins Spiel kommen, so zufällig sind die Effekte der Karten auch. Was in Dead of Winter noch ein tragender Mechanismus war und nur so vor Story triefte, ist in Flick ´em up!: Dead of Winter nicht mehr als eine Ereigniskarte mit keinerlei Bezug zum aktiven Spieler oder dem aktuellen Spielgeschehen. Plötzlich tauchen Zombies auf, man verliert Lebenspunkte, Fässer werden in die Luft gesprengt etc. Witziger sind dann noch eher die Ereignisse, die einen direkten Bezug zum Spielmechanismus - dem Schnippen - haben. So zwingt ein gebrochener Arm den Spieler beispielsweise fortan nur mit der schwächeren Hand zu schnippen etc.


Weitere Aspekte und sicherlich ein witzige Details in Flick ´em up!: Dead of Winter sind die unterschiedlichen Waffen. Wie bereits bei seinen Vorgängern gibt es hier auch wieder allerlei, die sich in unterschiedlichster Weise nutzen lassen. Als Beispiel sei hier einfach mal exemplarisch die Shotgun genannt, mit welcher man gleich durch eine bestimmte Schablone mehrere kleine Kügelchen auf die Zombies gleichzeitig abfeuern kann, oder aber die Rifle, welche durch ein spezielles Zielfernrohr besseres Zielen ermöglicht. Diese Elemente machen unter anderem den Spielablauf abwechslungsreich und spannend.


Wie gefällt mir Flick ´em up!: Dead of Winter denn nun zusammenfassend? Ich gehe mit gemischten Gefühlen in die Wertung. Zuerst muss vorweggeschickt werden, dass Flick ´em up!: Dead of Winter ein Schnippspiel ist. Wer Schnippspiele generell nicht mag, wird hier keinen Spaß haben. Im Bereich der Schnippspiele aber ist Flick ´em up!: Dead of Winter ein optisch fabelhaftes, materialtechnisch ausgezeichnetes und spielmechanisch teilweise sehr innovatives Spiel. ABER. Mir persönlich gefallen einige Aspekte des Spiels nicht und die betreffen eigentlich ausschließlich die Aspekte der Mischung auf Seiten der Dead of Winter Lizenz. Die Crossroadkarten sind beliebig und meiner Meinung nach überflüssig. Die individuellen Ziele und der Verrätermechanismus sind nett, aber wirken aufgesetzt. Generell wirkt es insgesamt auf mich so, als ob Flick ´em up!: Dead of Winter ohne die Dead of Winter Mechanismen - ausschließlich mit dem Zombiethema - besser da stünde als so. Gut ist an dieser Stelle, dass fast alle Mechanismen, aufgrund der diversen Szenarien, frei wählbar sind. Will ich keine individuellen Ziele und keinen Verräter dann spiele ich diese Szenarien nicht.

Was bleibt bei Flick ´em up!: Dead of Winter? Ich behalte es in der Sammlung als kooperative Variante zu Flick ´em up! Der Zombieturmmechanismus ist thematisch und mechanisch einwandfrei. Die unterschiedlichen Waffen sind reizvoll und laden zum ausprobieren ein und die Optik ist aller erste Sahne.

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Flick ´em up!: Dead of Winter von Gaëtan Beaujannot, Jonathan Gilmour, Jean Yves Monpertuis, Isaac Vega
Erschienen bei Pretzel Games
Für 2 bis 10 Spieler in ca. 45 Minuten

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22.11.2017

Pocket Ops


Willkommen zur Hosentaschenreview eines Hosentaschenspiels. Dabei passt Pocket Ops ja garnicht in eben jene. Eher in eine Manteltasche. Es ist aber dennoch eines dieser Spiele, die man "mal eben dabei hat". Auf der Arbeit für die Mittagspause, in der Kneipe, im Flugzeug, im Wartezimmer. Schnell erklärt und schnell gespielt ist die Devise. Doch macht das Ganze auch Spaß?

Pocket Ops basiert auf einem uralten Spielprinzip - nämlich Tic Tac Toe. Doch bitte jetzt nicht wegschalten. Es gibt nämlich einen kleinen Twist! In Pocket Ops übernehmen wir die Kommandos von zwei rivalisierenden Agententeams, die in das Hauptquartier einer Verbrecherorganisation eingebrochen ist und dort versucht als erstes das sogenannte Doomsday Device zu entwenden und damit die Menschheit vor dem Exodus zu bewahren. Wie gelingt uns das? Natürlich damit, dass wir in maximal drei Spielrunden exakt zweimal drei unserer Agenten auf dem 3x3 Felder-Hauptquartier in orthogonaler oder diagonaler Linie platzieren. Tic Tac Toe mit Best of Three eben. Das Prinzip ist bekannt und nun wirklich in wenigen Minuten erklärt.


Doch was ist der gewisse Twist? In Pocket Ops habe ich einerseits als passiver Spieler die Möglichkeit geheim auf das Feld zu tippen, welches mein Gegenüber belegen möchte. Stimmt meine Vermutung, muss der platzierte Agent das Feld wieder verlassen. Das ist unter Umständen ziemlich ärgerlich und kann zu einem schnellen Ende führen. Es sorgt aber auch für ein gewisses Bluffelement. Was denkt wohl mein Gegenüber? Offensichtliche Züge werden dann vielleicht doch nicht durchgeführt. Oder eben gerade doch? Ihr versteht vermutlich, worauf es hinausläuft.

Die zweite Besonderheit bei Pocket Ops sind die Spezialagenten. Zu Beginn einer Partie erhält man aus den 8 unterschiedlichen zufällig zwei und wählt davon einen geheim aus. Dieser Agent verfügt natürlich über gewisse Fähigkeiten. Der Hacker erlaubt es jeden Zug auf zwei Orte zu tippen, auf welchen der Gegenüber platzieren könnte, die Assassine erledigt mal eben einen Agenten des anderen Teams etc. Dabei fühlen sich alle Spezialagenten nicht unbedingt gleich einfach zu spielen an. Manche erfordern schon etwas Vorausplanung, um sie zielsicher und effizient einzusetzen. Während manche sehr mächtig ohne große Planung erscheinen. Sei´s drum.


Pocket Ops ist in der Tat ein Hosentaschenspiel. Das Thema ist zwar austauschbar, hat mir aber erstaunlicherweise sehr gut bei dieser Mechanik gefallen. Gerade der Aspekt des geheimen Tipps der Orte, auf die mein Gegenüber aus ist, hat etwas von Agenten, die sich gegenseitig ausspionieren und belauern. Auch die Spezialfähigkeiten der Agenten sind thematisch stimmig.
Spielerisch haben wir es hier natürlich nicht mit der ganz großen Nummer zu tun. Wer sich ein solches Spiel jedoch zulegt, der rechnet vermutlich auch nicht damit. Viel mehr ist es eben ein Spiel für unterwegs. Und dafür tut es eben genau das, was es tun muss: Es ist super schnell erklärt (da bekannter Grundmechanismus) und unterhält für eine kurze Zeit, in welcher man ansonsten vermutlich das Smartphone gezückt hätte.

Die Entscheidungen, die man in der kurzen Zeit jedoch treffen muss, sind durchaus interessant. Es ist eben kein klassisches Tic Tac Toe, bei welchem mit ziemlicher Sicherheit stets ein Unentschieden herauskommt. Das Bluffelement ist nett und sorgt eben genau in dieser kurzen Zeit für Emotionen. Für mich eine gute Hosentaschenalternative.

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Pocket Ops von Brandon Beran
Erschienen bei Grand Gamers Guild
Für 2 Spieler in ca. 10 Minuten

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20.11.2017

Neu auf Kickstarter - 47. Kalenderwoche


So heute gibts wieder ne neue Kickstarternews. Dabei sind drei interessante Projekte, welche auch schon alle durchfinanziert sind. Wer also einsteigen will, darf sich schon auf sein Spiel freuen. Ist für Euch etwas dabei?
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17.11.2017

Berge des Wahnsinns


Hi, ich bin Frank. Auf gute Zusammenarbeit. Aber hey. Pssssst. Nicht so laut. Sie können uns hören. Ja, genau. Sie! Sie! Sie dürfen nicht wissen, was wir vorhaben. Sonst werden wir alle sterben! Verdammt, mir ist auf einmal so kalt..... Hi, ich bin Frank! Auf gute Zusammenarbeit!

Herzlich Willkommen bei meiner Rezension zu Berge des Wahnsinns. Wer jetzt vielleicht zu Recht denkt: Was hat denn der schon wieder genommen, den kann ich hiermit beruhigen. Nicht mehr als sonst auch. Berge des Wahnsinns ist der neue Titel von Rob Daviau - dem Mann, den man dafür kennt experimentelle neue Spielkonzepte auf den Markt zu werfen (z. B. Legacy). Berge des Wahnsinns reiht sich da nahtlos ins Portfolio ein. Wer hier ein klassisches Lovecraft-Spiel mit Würfeln, Storykarten und epischen Kämpfen erwartet, der liegt völlig falsch. Berge des Wahnsinns ist anders. Ganz anders. Aber wie denn?


Berge des Wahnsinns ist ein Partyspiel im klassischen Sinne. 3-5 Spieler versuchen auf einer Expedition in der Antarktis in den Überresten einer frisch freigelegten Stadt nach Schätzen, Relikten und Antworten zu suchen. Antworten zu der Frage, weshalb so eine spezielle Aura um diesen Ort zu existieren scheint. Antworten zu der Frage, weshalb kaum Forscherteams zurückgekehrt sind und Antworten zu der Frage, weshalb die Rückkehrer nicht mehr die selben Personen waren, als die sie weggereist sind. Thematisch basiert Berge des Wahnsinns auf der gleichnamigen Geschichte von H.P. Lovecraft auf den 30er Jahren. Wie auch dort kommt es nicht zum epischen Showdown mit den Großen Alten, sondern die Spannung lebt von der Furcht.

Berge des Wahnsinns wird kooperativ gespielt. Jede Spielrunde versuchen wir mit unserem Flugzeug weiter in Richtung der Bergspitze zu fliegen. Bei jedem Zwischenstopp müssen wir dabei die auf dem aktuellen Plättchen angezeigten Symbole gemeinsam aus unseren Handkarten abwerfen. Wir dürfen uns dabei absprechen. Wir brauchen beispielsweise 5 Werkzeuge und 8 Bücher. Ich habe 3 Werkzeuge. Ein anderer Spieler hat 2 weitere. Fehlen noch die Bücher. Ich habe keine. Ein anderer Spieler hat 6 Bücher. Fehlen 2. Doch der letzte Spieler im Bund sagt nichts. Stattdessen scheint er zu frieren und schüttelt eigenartig seinen Kopf. Die Zeit ist abgelaufen.


Was ist passiert? In Berge des Wahnsinns haben wir für jede Aufgabe exakt 30 Sekunden Zeit. Das sollte eigentlich kein Problem sein. Es geht hier schließlich nur um simple Absprachen, richtig? Falsch. Hier kommt das Hauptkonzept von Berge des Wahnsinns zum tragen. Berge des Wahnsinns hieße schließlich nicht so, wenn es hier nicht um Wahnsinn ginge. Mit fortlaufender Spieldauer verfallen wir nämlich Stück für Stück eben jenem und das in Form von Karten. Packen wir eine Anforderung nämlich nicht, müssen wir Wahnsinnskarten nehmen, welche es in drei aufsteigenden Stufen gibt. Diese könnten beispielsweise sein, dass ich zu Beginn der 30 Sekunden erstmal jedem Spieler die Hand geben muss und "auf gute Zusammenarbeit" wünschen muss. Oder ich muss frieren, oder ich muss mich permanent vorstellen. Ihr seht wohin das Ganze führt? Eine vermeintlich simple Absprache zu Ressourcen und Handkarten wird zur Herkulesaufgabe. Spätere Wahnsinnskarten werden dabei immer verrückter. So muss ich beispielsweise bei einer meine Mitspieler immer nachäffen. Das kann unter Umständen auch zu unkontrollierbaren Lachflashs führen. Ich habe 3 Werkzeuge. Ich habe 3 Werkzeuge...


Alternative Strafe für das Nichtschaffen einer Aufgabe ist das Werfen eines Strafwürfels. Der haut ziemlich rein und sorgt unter Umständen dafür, dass wir nicht nur psychisch in Mitleidenschaft gezogen werden, sondern auch physisch. Das Ziehen von Wundenkarten ist dabei nämlich gleich doppelt schlimm. Einerseits verstopfen sie in guter alter Deckbuildingmanier unsere Handkarten und andererseits sorgen sie für Minuspunkte. Minuspunkte? Richtig, ich habe Euch ja noch garnicht erzählt, wie man in Berge des Wahnsinns eigentlich gewinnt. Das ist auch weitaus weniger thematisch und spannend, als das restliche Spiel selbst. Am Spielende geht es nämlich nicht nur darum zur Stadt zu fliegen und zu entkommen, sondern auch darum, dass wir dabei möglichst viele Relikte gesammelt haben und möglichst wenige Wunden kassieren. Diese werden nämlich am Spielende simpel gegeneinander aufgerechnet und auf einer Tabelle geschaut, wie toll und erfolgreich unsere Expedition war. Ziemlich antiklimatisch.
Das war es spielmechanisch? Nicht ganz. Es gibt natürlich noch ein paar kleine Dinge, wie z. B. die Anführertokens, die uns so ein klein wenig weiterhelfen können, je nach Spielphase, in welcher wir sie einsetzen. Sie verlängern beispielsweise die Ablegephase um weitere 30 Sekunden, sorgen für ein höheres Handkartenlimit, erlauben Neuwürfe beim Verletzungswürfel etc. Dem Grunde nach war es aber auch alles, was es spielmechanisch zu Berge des Wahnsinns zu sagen gibt. Noch Fragen?


Wie hat mir denn nun Berge des Wahnsinns gefallen? Erstaunlich gut. Ich will aber den Elefant im Raum direkt einmal ansprechen. Das vermutlich größte Problem von Berge des Wahnsinns ist es vermutlich, dass die Erwartungen, die Spieler an dieses Spiel haben werden, wenn sie es im Laden sehen, nicht erfüllen kann. Berge des Wahnsinns ist eben kein klassisches H.P. Lovecraft Spiel. Es ist kein Eldritch Horror und kein Arkham Horror Kartenspiel. Das ist insofern problematisch, als dass Spieler mit Lovecraft Spielen in erster Linie völlig andere Mechanismen verbinden. Wer hier unvorbereitet kauft, wird vermutlich enttäuscht. Man kann natürlich an dieser Stelle fragen, ob das wirklich das Problem des Spiels ist, wenn die breite Spielerschaft andere Mechanismen mit dem Thema verbindet? Ja und Nein. Natürlich hat Lovecraft kein Monopol auf kampfbasierte Storyspiele, aber bei der heutigen Spielelandschaft kann man schon fast davon ausgehen, dass Lovecraft = Würfel und Kampf ist.

Berge des Wahnsinns ist dennoch ein tolles Spiel. Wenn man sich genauer mit der Thematik auseinandersetzt, so ist die Geschichte von Berge des Wahnsinns eben keine kampfbetonte. Sie lebt wie fast alle Lovecraft Geschichten vom Horror, von der Vorstellungskraft und von der Fantasie. Berge des Wahnsinns greift eben endlich einmal ausschließlich diesen Aspekt der Geschichten auf. Daraus eine Kritik zu ziehen, wäre durchaus vermessen und nicht angebracht. Vielmehr muss ich hier meinen Hut ziehen mit welch vermeintlich simplen Mechanismen hier Rob Daviau dieses Gefühl auf den Spieltisch gebracht hat. In Berge des Wahnsinns spürt man den immer mehr wachenden Wahnsinn der Spieler am Tisch. Was zunächst noch mit den Worten beginnt: Mein Gott, das Spiel ist aber nicht besonders schwer. Endet mit den Worten: Ich bin Frank. Nicht so laut, sie könnten uns hören. Ich bin Frank. Auf gute Zusammenarbeit.


Wirklich herausragend ist dabei im übrigen die Materialausstattung des Spiels. Eine bemalte 3D-Miniatur für das Flugzeug, schwere Pokerchips für die Anführerplättchen, ein vorbildliches Tiefziehteil und eine wundervolle grafische Umsetzung von Miguel Coimbra. Nein, mal im Ernst. Die Grafik spricht mich total an. Klasse Boxcover. Hochwertige Produktionsqualität.
Berge des Wahnsinns ist sicherlich kein Spiel, welches jede Woche erneut auf den Tisch kommen muss, aber in Vollbesetzung mit einer lustigen Runde als Partyspiel ist es nicht nur innovativ, sondern auch höchst unterhaltsam. Für mich eines der spannendsten Partyspiele auf dem Markt.

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Berge des Wahnsinns von Rob Daviau
Erschienen bei iello
Für 3 bis 5 Spieler in ca. 60 Minuten

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13.11.2017

Hanamikoji


Hanami-koji ist eine berühmte Straße in Kyoto, Japan. Berühmt geworden ist diese durch ihre alte Tradition der Geisha-Künste. Und auch wenn diese Straße zum Rotlichtbezirk Gion gehört, sind Geishas, entgegen der westlichen Annahme, keine Prostituierten – zumindest nicht hauptberuflich. Nein, eine Geisha ist eine hoch angesehene Künstlerin und Respektsperson und gehört zur japanischen Kultur wie die Sojasoße zum Sushi.

Im Spiel Hanamikoji, spielt man einen Restaurantbesitzer, der in besagter Straße sein Lokal betreibt. Und als ein solcher Gastwirt ist man drauf und dran Kunden anzulocken. Und wie soll es sonst funktionieren, wenn nicht mithilfe der wunderschönen und begabten Geishas? Ja ich weiß, man könnte auch die Preise reduzieren oder zu Mittag ein All-You-Can-Eat Buffet anbieten. Aber eine Geisha hätte doch einfach viel mehr Klasse, oder?
Wie gewinnt man die Gunst einer Geisha eigentlich? Das habt Ihr Euch doch sicherlich gefragt. Die Antwort ist ganz einfach, so wie man die Gunst einer jeden jungen Dame gewinnt: Ihr macht ihr Geschenke!


Das Spiel wird zunächst aufgebaut, indem Ihr die 7 Geisha-Karten, zwischen den beiden Spielern, in der Tischmitte auslegt und jeweils 6 Handkarten zieht, die die Gunstobjekte der Geishas darstellen. Jede Geisha, die in der Tischmitte liegt, hat einen Kartenwert, der die Anzahl der zu ihr passenden Gunstkarten im Deck angibt. Die Tee Geisha hat den Wert 4, was bedeutet, dass es 4 Tee-Karten im ganzen Spiel gibt, die an sie angelegt werden können. Zusätzlich wird auf jede dieser Geisha-Karten ein Gunstmarker platziert. Dieser befindet sich zunächst im Zentrum der Karte. Legt Ihr, in Eurer Runde, eine passende Karte an die jeweilige Geisha an und habt gleichzeitig die Mehrheit der anliegenden Karten, wird der Gunstmarker in Eure Richtung verschoben, was zeigt, dass die Geisha Euch zugeneigt ist. Der Clou dabei ist, dass Ihr nie alleine anlegt, sondern immer gleichzeitig mit Eurem Gegenüber. Das liegt an den 4 möglichen Zügen, die Euch zur Verfügung stehen. Ihr könnt jeden Zug nur einmal ausführen. Dabei stehen Euch folgende Optionen zur Verfügung, nachdem Ihr eine Karte gezogen habt:


Spiele eine Karte verdeckt auf Deine Tischseite. Diese Karte wird zum Spiel-Ende aufgedeckt und an die jeweilige Geisha angelegt. Das sorgt für einen Twist am Ende und kann das ganze Spiel wenden.
Entferne 2 Karten aus Deiner Hand, für immer, aus dem Spiel. Diese Option sorgt dafür, dass Dein Gegenüber u. U. niemals an die Karten kommt, die Ihm zur absoluten Mehrheit verhelfen.
Lege 3 Karten offen aus, von denen sich Dein Gegenüber eine und Du zwei aussuchen dürft und sofort anlegt. Dabei wird der Gunstmarker unmittelbar auf die Seite geschoben, die die meisten Karten hat.
Bilde zwei Gruppen, mit je zwei Karten und lege sie offen aus. Davon sucht sich dein Gegner eine aus und Du behälst die andere. Auch hier wird sofort auf beiden Seiten angelegt.


Diese vier Optionen verdeutlichen, dass Hanamikoji ein sehr taktisches Spiel ist. Einfach sein Ding machen ist nicht drin. Ihr müsst ständig darauf achten, was Euer Gegenüber plant und dem entgegenwirken.
Hat am Spiel-Ende jemand die Gunst von 4 Geishas oder 11 Kartenpunkte, gewinnt er das Spiel und kann sein Restaurant eröffnen.

Hanamikoji hat mich sehr überrascht. Als ich die Regeln las, hatte ich befürchtet, dass es ein Spiel mit kaum Interaktion oder Entscheidungsfreiheit sei und das Thema überhaupt nicht durchstrahlen würde. In einem Punkt haben sich meine Befürchtungen bewahrheitet, das Thema ist wirklich nur aufgemalt. Zwar hat das Spiel ein sehr schönes Artdesign, die Karten sind jedoch wirklich nur Zahlen und Farben. Die anderen Sorgen sind nach dem ersten Spielen jedoch verflogen, denn Hanamikoji ist ein wirklich cleveres Spiel mit einer innovativen Mechanik. Diese vier unscheinbaren Aktionen sind so schwerwiegend und müssen sehr gut überlegt sein. Sie sind das was Hanamikoji von anderen Set-Collection Spielen abhebt. Das Ständige Hin und Her der Gunstmarker, hält bis zum Schluss bei Laune und das Ausspielen der letzten, verdeckten Karte ist wie ein genialer Schachzug… oder wie ein total dämlicher. Aber so oder so, das Spiel macht das was es soll: Spaß!


Wenn Ihr Lost Cities mögt und das tut Ihr ganz sicher, dann ist Hanamikoji ein Muss. Ich weiß nicht ob es Designer gibt, die extra für die Kosmos - für zwei Spieler Reihe Spiele erfinden, aber Hanamikoji passt perfekt da rein.
Es ist schwer zu beschreiben, was an Hanamikoji so toll ist, weil es auf dem Papier wirklich öde klingt. Aber glaubt mir, das Spiel ist Weltklasse und könnte problemlos den Kultstatus von Lost Cities erreichen.

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Hanamikoji von Kota Nakayama
Erschienen bei Kosmos
Für 2 Spieler in ca. 15 Minuten
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08.11.2017

Space Race


Ich versuche ja immer mal wieder an der ein oder anderen Stelle Spiele von kleineren Verlagen vorzustellen. Die große Bühne haben die nämlich meistens leider nicht. Dabei ist gerade da noch viel Herzblut zu spüren. Oft ist es eben das allererste veröffentlichte Spiel für einen Verlag, was vielleicht sogar mühsam über Crowdfunding finanziert wurde. Bei Space Race haben wir so eine eben beschriebene Indie-Perle. Total nette Jungs. Ehrensache, dass ich einen Blick auf das erfolgreich finanzierte Spiel werfe und einen kleinen Ausblick auf die bald erscheinende Erweiterung geben will.

In Space Race erleben wir das Feeling der goldenen Weltraumära nochmal neu. Wir übernehmen die Rollen von Russland, den USA, Europa oder einer privaten Raumfahrtgesellschaft und versuchen Meilensteine der Geschichte für uns zu beanspruchen und unser eigenes kleines Raumfahrtprojekt zu entwickeln und dabei die Gegner möglichst alt aussehen zu lassen.


Space Race sticht zunächst einmal mit seiner Aufmachung aus der großen Masse heraus. Kleine schicke kompakte Box, ein klasse Tiefziehteil und eine Grafik, die - zumindest mich - direkt in seinen Bann gezogen hat. Mit einem popart-mäßigem Stil, der bunt, schrill und animierend ist und dabei berühmte Persönlichkeiten der Ära (wie z. B. J. F. Kennedy oder Neil Armstrong) unverkennbar wiedergibt. Für mich aber ohnehin eine der Grundvoraussetzungen in der heutigen Zeit, um als kleiner Verlag bei Kickstarter auf sich aufmerksam zu machen, wenn man nicht massig Miniaturen in seinem Spiel haben will.
Mit Miniaturen haben wir es bei Space Race nämlich nun wirklich nicht zu tun. Nein, es handelt sich um ein Kartenspiel, welches im Herzen aus einer Art Bietmechanismus besteht. Dazu gibts einen interessanten Aktionsaktivierungsmechanismus und einen kleinen Twist im Bezug auf die Handkarten.


In Space Race müssen wir zunächst zwischen den verschiedenen Orten unterscheiden. Das ist insofern wichtig, da hier ein Hauptmechanismus des Spiels vorliegt, den es zu verstehen gilt.
Da wäre zunächst einmal unser Kontrollkartendeck, mit welchem wir auf diverse Karten für unsere Raumfahrtgesellschaft bieten können. Dann wäre da das Universum - eine Art Kartenauslage, auf die geboten wird. Dann gibt es die eigene Gesellschaft, in welche wir die ersteigerten Karten anlegen und Aktionen ausführen - mitsamt Labor (eine Art Zwischenlager für Karten). Zuletzt gibt es dann noch die Handkarten. Das sind ebenfalls Aktionskarten, die wir nach und nach ins Universum spielen. Alle Karten unterteilen sich in vier Kategorien: Propaganda, Technologie, Raumfahrtprogramm und Durchbrüche.

In Space Race müssen wir uns zunächst von dem Gedanken lösen, dass wir unsere Handkarten grundsätzlich und exklusiv bei unserem Raumfahrtprogramm anlegen dürfen. Handkarten wandern hier nämlich ausschließlich ins Universum, wo sie grundsätzlich erstmal jedem zur Verfügung stehen, sofern man bietet darauf geschickt. Bieten? Genau. Hier fängt der Spaß an. Zu Beginn einer jeden Runde bieten wir nämlich mit unseren Kontrollkarten verdeckt auf Karten im Universum. Will ich eine Propagandakarte, muss ich auch mit einer Propagandakontrollkarte bieten. Für jede Kategorie stehen mir in meinem Deck drei Bietkarten zur Verfügung - von schwach bis stark. Geboten wird dabei aber nicht auf konkrete Karten, sondern vielmehr um das Recht bei einer bestimmten Kategorie als erster sich seine Wunschkarte zu nehmen. Liegt keine Karte der entsprechenden Kategorie mehr aus und ich habe darauf geboten, gehe ich leer aus. Das kann in Space Race schon recht verheerend sein.


Einer der Hauptreize von Space Race liegt eben genau in diesem Bietmechanismus. Ich muss abschätzen, welche Karte mir in meinem Programm am meisten hilft und auf welche Karten es meine Mietstreiter vermutlich abgesehen haben könnten. Ebenfalls muss ich eine Entscheidung treffen, wie hoch ich in das Bieten einsteige. Gibt es vielleicht auch eine zweite oder gar dritte Karte der Kategorie, welche ausliegt und die ich zur Not auch nehmen könnte? Space Race fühlt sich an dieser Stelle spannend und intensiv an. Ich bin am tüfteln und überlegen und am Ende geht der Puls gegen 180, wenn ich eben nicht die "sichere" Variante wähle und auf Risiko gehe. Klappt es? Komme ich damit wirklich durch?

Dann werden die Karten abgehandelt. Meine neu erstandene Karte wird in mein Projekt gelegt und bringt mir nicht nur Siegpunkte und vielleicht sogar Vorteile bei kommenden Bietrunden auf die selbe Kategorie ein, sondern aktiviert auch sämtliche anderen bisher ausgelegten Karten in meinem Projekt, die in der selben Kategorie Auswirkungen haben. Häufig ist es nämlich so, dass Karten einer Kategorie bei mehreren Kategorien aktiviert werden können. Optisch wird das durch entsprechende farbliche Balken auf den Karten dargestellt, die man einfach mit dem Auge von links nach rechts durch verfolgen muss. Ersteigere ich also eine Karte, setzt das in Space Race oftmals eine ganze Reihe an Aktionen frei, die ich Runde für Runde (vorausgesetzt ich aktiviere die Kategorie erneut) durchexerzieren kann.
Space Race offenbart dadurch eine ganze Reihe an Entscheidungen und Dingen, die bedacht werden wollen. Gerade in den späteren Runden, in denen das eigene Projekt recht umfangreich geworden ist, gibt es viel zu bedenken. Ziel ist es natürlich stets möglichst viele Aktionen auszuführen und bestimmte Kategorien mehrfach zu aktivieren, und dabei Kettenreaktionen auszuführen.


Zum Ende einer Runde werden Handkarten der Spieler auf Wunsch verdeckt ins Universum gespielt, von denen aber nur eine gewisse Anzahl offenbart wird. Der Rest bleibt bis zur nächsten Bietrunde verdeckt. Das ist insofern interessant, als dass jeder Spieler versuchen muss die eigenen Handkarten möglichst geschickt ins Universum zu spielen. Bleibt meine gespielte Karte im Universum zunächst verdeckt, habe ich einen Wissensvorsprung bei der nächsten Bietrunde. Liegt beispielsweise eine lukrative Propagandakarte offen und habe ich eine ebenfalls lukrative Propagandakarte verdeckt gespielt, kann ich diese unter Umständen günstig erwerben, da für den Rest evtl. das Bieten auf die einzig ausliegende Propagandakarte zu riskant ist, da das Risiko besteht vermeintlich leer aus zu gehen. Cleverer Mechanismus! Wird sie natürlich aufgedeckt, habe ich Pech gehabt. Glück und Pech liegen dann doch eben nah beieinander.

Space Race bietet viel mit wenig Material. Es ist durchaus ein äußerst cleveres, gut durchdachtes und knallhartes Kartenspiel. Mit gefällt in erster Linie neben dem Bietmechanismus, die Art, wie ich Karten in meinem Raumfahrtprojekt wieder und wieder aktivieren kann, sofern ich für die richtigen Karten sorge. Aktionen können beispielsweise dazu führen, dass ich Karten in mein Labor legen und von dort eventuell zusätzlich in Projekt einbringen kann. Aber auch dort lagernde Karten bringen am Ende Siegpunkte. Space Race kann zudem äußerst kompetetiv gespielt werden. Das liegt natürlich hauptsächlich an der konfrontativen Natur des Bietens. Hier liegen nunmal Karten aus, um die es zu kämpfen gilt. Manche Karten bringen auch im Spielverlauf offensichtlich bestimmten Mitspielern mehr als anderen. Hier kann man dann gezielt versuchen zu verhindern, dass dieser Spiele diese Karten bekommt. Das kann unter Umständen anstrengend sein und teilweise auch schwer in Vollbesetzung zu überblicken. Will ich wirklich in einem 4-Spielerspiel den totalen Überblick behalten, muss ich stets die anderen Raumfahrtprojekte im Blick haben. Gerade gegen Ende des Spiels ist das schwer und zieht dadurch natürlich auch die Spielzeit stark in die Länge.


Thematisch hat mich Space Race ebenfalls in seinen Bann gezogen. Ich habe wirklich das Gefühl gehabt mein eigenes Raumfahrtprojekt auf zu bauen. Die eigenen Handkarten sind sozusagen die Ideen, die jeder Spieler zum Thema hat und der Öffentlichkeit kundtut. Wer schlussendlich dann aber den Nutzen aus diesem Gedanken zieht, entscheidet sich in der Bietrunde. Klasse!
Absolut empfehlenswert empfinde ich Space Race für zwei bzw. drei Spieler. Hier bekommt man ein wunderschönes, thematisches und sehr taktisches Kartenspiel. Für vier Spieler ist es mir einen Tick zu lange.

Und dann gibt es auch noch eine Erweiterung! Interkosmos!

Ich nochmal! Ich hatte glücklicherweise die Möglichkeit einen Blick auf die bald auf Kickstarter erscheinende Kampagne für die Erweiterung von Space Race zu werfen, die da heißt: Interkosmos. Wer jetzt also nach dieser Rezension verzweifelt im Netz nach einer Möglichkeit gesucht hat, das Spiel käuflich zu erwerben, dem sei diese Kampagne ans Herz gelegt. Sie startet am 14.11.2017. Link liefere ich spätestens in einer Kickstarternews nach. Doch was bringt eigentlich diese Erweiterung?

Interkosmos bringt zunächst einmal die Möglichkeit eines fünften Spielers (den Chinesen) ins Rennen. Ich persönlich habe ja bereits weiter oben anklingen lassen, dass mir das Spiel am besten mit maximal drei Spielern gefallen hat. Einen weiteren Spieler braucht es für mich also nicht. Andere mögen das anders sehen. Dass man aber nun auch die Chinesen ins Weltall schicken kann ist aber dennoch nett.
Interkosmos bringt zudem eine neue Kartenart ins Spiel, nämlich die Errungenschaften. Das sind hauptsächlich Zielkarten, die nach uns nach ins Universum gespielt werden, auf die man ebenfalls bieten kann und den Spielern zusätzliche Möglichkeiten geben Siegpunkte zu generieren. Für mich ebenfalls nett, aber wäre für mich nicht der Hauptkaufgrund dieser Erweiterung.


Für mich ist der eigentliche Hauptbestandteil von Interkosmos das Szenariobuch. Richtig gehört. Es gibt dann Szenarien, die man spielen kann. Diese orientieren sich an den realen Ereignissen, spiegeln also evtl. bestimmte Gegebenheiten dieser speziellen Epoche wieder. Konkret heißt das: Sonderregeln. So liegen beispielsweise bestimmte große Persönlichkeiten schon zu Beginn eines Spiels im Universum bereit, manche Kartentypen kann man bis Runde XY nicht spielen etc. Interkosmos bringt an dieser Stelle also frisches Blut für all diejenigen, die vielleicht das Basisspiel schon oft gespielt haben und sich noch den ein oder anderen frischen Twist wünschen. Interessant ist es natürlich auch für die Detailliebhaber, denen ein nur lose an die Geschichte angelehntes Spiel dann doch zu inakkurat war.

Interkosmos ist also definitiv einen Blick wert. Fans von Space Race werden vermutlich ohnehin nicht daran vorbei können - nicht zuletzt da die Erweiterung auch noch zahlreiche neue Aktionsmöglichkeiten auf den Karten, sowie schicke neue Zeichnungen mit sich bringt. Für frischen Wind und neue Kombinationsmöglichkeiten wird also gesorgt sein.
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Space Race von Marek Loskot und Jan Soukat
Erschienen bei Boardcubator
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 45 Minuten

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Boardcubator)
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06.11.2017

Neu auf Kickstarter - 45. Kalenderwoche



So. Ich hoffe Ihr habt die Messe alle gut verdaut. Aber wie sagt man so schön? Nach Essen ist vor Essen. Dazwischen könnt Ihr sicherlich noch ein paar Euros auf Kickstarter ausgeben, um die Wartezeit zu überbrücken, oder?
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01.11.2017

Unearth


Auf Unearth bin ich durch sein wunderschönes Cover aufmerksam geworden. Ich steh auf einzigartige Grafiken bei Brettspielen. Um was es dann schlussendlich beim Spiel geht, war dann erstmal egal. Dafür ist ja später auch noch Zeit. Wie sich dann aber herausstellte, wurde auch in der Packung selbst nicht mit tollen Materialien gegeizt. Aber alles nach der Reihe. Worum gehts denn nun eigentlich?

Bei Unearth übernehmen wir die Rollen von kleinen Völkern, die versuchen Ruinen aus ihrer untergegangenen Kultur zu bergen und gleichzeitig ihre Zivilisation wieder neu aufzubauen. Wer das am besten schafft (die meisten Siegpunkte dabei erzielt), darf sich freuen und gewinnt.
Spielmechanisch erreichen wir unser Ziel mit einem Mix aus Dice-Placement (Würfeleinsetzen), Dice-Manipulation (Würfelmanipulierung) und Puzzeln (Puzzeln...).


Stets in der Tischmitte ausgelegt befinden sich nämlich eine gewisse Anzahl an Ruinen in unterschiedlichen Farben und mit unterschiedlichen Zielwerten. Bin ich am Zug, kann ich versuchen meinen Fuß in die Tür einer solchen Ruine zu stellen - sprich meinen Einfluss dort zu mehren. Wie geht das? Jeder Spieler hat eine feste Anzahl an Würfeln (Arbeitern). Darunter befinden sich drei 6-seitige Würfel, ein 8-seitiger und ein 4-seitiger. Nachdem ich eine Ruine und einen Würfel gewählt habe, werfe ich den Würfel und platziere ihn mit seinem Ergebnis auf der Ruinenkarte. Erreichen die Würfelaugen aller Würfel auf der Karte (aller Spieler) den Ruinenwert, geht die Ruine an den Spieler, dessen Würfel den höchsten Wert hatte. Würfle ich niedrig (1-4) dann darf ich einen der evtl. noch vorhandenen Steinmarker auf der Ruine nehmen. Am Spielende zählen die gesammelten Ruinen Punkte. Möglichst viele einer Farbe sind mehr wert als eine bunte Mischung.


Steinmarker? Ja, hier kommen wir zum nächsten Punktelieferant von Unearth. Mit den farbigen Steinmarkern versuche ich einen Steinkreis vor mir aufzubauen, in dessen Mitte (sofern vollständig) ich dann je nach Farbkombination der Steine im Steinkreis ein kleines, ein großes oder ein riesiges Wunder legen darf. Während letztgenanntes Sonderfähigkeiten und Punkte bringt, bringen erstere nur Punkte. Auch hier gilt grob: Je mehr gleichfarbige Steinharter meinen Steinkreis bilden, umso mehr Punkte bringt das Wunder.


Natürlich ist man in Unearth nicht völlig dem Würfelglück ausgesetzt, denn es gibt ja noch die kleinen Aktionskarten, welche man zu Beginn eines Zuges ausspielen kann. Mit selbigen kann man nämlich die Würfelaugen manipulieren. Entweder die, der bereits liegenden, oder die des aktuell zu werfenden. Neue Karten gibts als Trostpreis für jeden Würfel auf einer gewerteten Ruine, der nicht am höchsten war.


Das war es an Regeln? Jo! Unearth ist ein Spiel der Familienspielkategorie. Kurz und schnell gespielt mit wunderbaren Artwork und tollen Materialien. Da wären nicht nur die einzigartigen Grafiken auf Box und Spielkarten, sondern auch noch tolle farbige Würfel im Marmorlook, ein hochwertiges Stoffsäckchen und ein 1A-Tiefziehteil im Karton.
Aber auch spielerisch hat mir persönlich Unearth gut gefallen. Es spielt sich angenehm kurz und macht Spaß. Ich steh auf Würfelmanipulation in Spielen und die taktischen Überlegungen, die man hier anstellen muss. Habe ich eine Chance diese Ruine zu gewinnen, oder setze ich bewusst einen schwachen Würfel ein, um vielleicht eine Aktionskarte abzustauben, sowie ein Steinplättchen? Gerade durch die unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Würfel ist hier viel möglich.


Natürlich spielt jedoch auch hier selbstverständlich das Glück eine Rolle. Für mich persönlich jedoch aber keine allzu große, da man mit den Aktionskarten genügend Optionen hat seine Würfelergebnisse abzuändern oder aber bereits im Vorfeld seine Schlachtfelder taktisch auszuwählen. Gehe ich vielleicht mehr auf das Bauen von Wundern und sammle bestimmte Steinfarbkombinationen? Oder sammle ich eine große Anzahl an Ruinen?

Für mich persönlich einziger Wermutstropfen ist das schwache Thema. Unearth sieht wunderschön aus, aber die Geschichte ist leider völlig austauschbar. Schade.
Vielspieler aus dem Eurospielbereich werden hier zudem vielleicht etwas zu wenig Substanz finden. Unearth ist für mich jedoch eine Empfehlung für Familienspieler, die einen lockeren Spieleabend mit Freunden veranstalten möchten, aber auch aufgrund seiner einzigartigen Optik für Sammler und Liebhaber.
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Unearth von Jason Harner und Matthew Ransom
Erschienen bei Brotherwise Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 45 Minuten

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Brotherwise Games)
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