09.05.2020

Steamopolis


Es gibt die Spiele, da gewähren uns Autoren und Verlage von Anfang an einen schönen Einblick in die Entstehung eines Brettspiels. So auch bei Steamopolis aus dem Hause Corax und dem Autor Gerhardt Hecht. Das Spiel ist für 1-4 Spieler ab 12 Jahren und dauert ca. 60-90 Minuten. Die ersten Partie vielleicht auch etwas länger. Via Social Media hat man immer mal Prototypen sehen können und konnte sich zunächst nur wenig darunter vorstellen. Mit der Grafik wurde es dann schon etwas deutlicher. Und ob das ganze nun auch Spaß bringt schauen wir uns mal genauer an. 

[MATERIAL & ANLEITUNG] 

Die Box ist voll von Plättchen, die auf dem ersten Blick alle recht gleich aussehen. Dann gibt es noch ein sehr langes Brett, wofür man erstmal Platz auf dem Tisch finden muss bzw. entscheiden muss, wie man es hinlegt. Dazu kommen noch ein paar Holzteile, sowie Spielerboards. Die Qualität von allem ist absolut in Ordnung. Leider gibt es keine Tüten und auch kein Inlay. Lediglich ein Pappkreuz, welches man zusammenstecken kann und in den Boden legt. Die vier Fächer helfen einem aber auch nur bedingt und für hochkant Steller geht da gar nix, ohne sich selbst zu behelfen. Sorry, aber das ist meiner Meinung nach nicht mehr Zeitgemäß. Zumindest Tüten sollten dabei sein. Gerade weil die Plättchen auch alle ähnlich aussehen, aber am besten getrennt gelagert sein sollten. So beginnt jede Partie erstmal mit ein wenig sortieren. Zum Glück soll der größte Anteil der Plättchen beim Aufbau blind genommen und an eine passende Stelle gelegt werden. 


Optisch ist das Spiel auf jeden Fall ein Hingucker, gerade für Fans von Steampunk. Dabei wirkt es zunächst aber ein wenig überladen, da nebst der allgemeinen Zeichnung auch viele Symbole hinzukommen. Auch auf dem Cover geht der Spieletitel total verloren. 
Was aber zunächst erdrückend wirkt, löst sich beim Spielen selbst. Nur leider muss man andere erstmal dazu bringen. Ich kann mir vorstellen, da so mancher erstmal abwinkt. 

Die Anleitung ist eigentlich gut aufgebaut und super verständlich, hätte an mancher Stelle aber noch deutlicher sein können. Man hat immer versucht, dass ganze in einen thematischen Zusammenhang zu bringen, was ich persönlich löblich finde, aber im ganzen Text-Wust geht manche Information erstmal etwas unter. Aber wie gesagt alles in allem, ist die Anleitung okay. 

[ABLAUF] 

Worum geht es? In Steamopolis  einer Stadt, die in einem riesigen Gebäude untergebracht ist, wird ein neuer Bürgermeister gesucht und jeder Spieler übernimmt die Rolle eines Kandidaten, welcher mit seinem Luftschiff unterwegs ist und so viele Stimmen wie möglich sammeln möchte. 


Das eigene Luftschiff liegt als Playerboard vor einem, die Stadt ist auf dem Spielbrett und es gibt unterschiedliche Charaktere, die wir als Kandidaten verkörpern. Jeder bringt einen gewissen Vorteil mit sich. 
Das Spiel wird über mehrere Runden gespielt bis drei Statuen auf die Spitze des Gebäudes platziert wurden (wie es dazu kommt, erklär ich natürlich). Sind wir an der Reihe müssen wir eine von drei Aktionen ausführen. Folgende stehen zur Auswahl: 

Dampf machen: die Stadt besteht aus insgesamt acht Ebenen und wir wollen natürlich so viele wie möglich davon erreichen. Dafür benötigt unser Dampfschiff natürlich eine Menge Dampf. Verrückt, oder? Jedes Dampfschiff hat von sich aus, zwei Dampfkessel eingebaut, durch Erwerben von Plättchen können wir diese aber erhöhen. Bei der Aktion Dampf machen, zählen wir nun die Anzahl der Dampfkessel und erhöhen den Druck passend bei uns. Hierfür liegen Drucksteine auf einer Leiste, die wir nach rechts schieben und somit den Druck erhöhen. Die Leiste geht von 1 bis 8 (wobei manche Ziffern doppelt vorkommen) und besetzte Felder können übersprungen werden. Man kann die Druckstein durch Aktionen auch drehen, so dass sie mit Pfeil oben liegen. Diese Steine bewegen sich bei Beginn des eigenen Zugs automatisch um ein Feld. 


1 Ziel festlegen: je nach Position eines Drucksteins, kann ich diesen von der Dampfleiste nehmen und auf eine passende Ebene legen. Also mit einem Druckstein auf der acht, habe ich genug Druck um in den 8. Stock zu fliegen. In jeder Etage befinden sich (je nach Spieleranzahl) 2-3 Aktionsfelder, von denen ich eines belege. Achtung: kein Feld kann mehr als ein Druckstein haben. Spannend wird es, wenn ich zwar den Druckstein auf der 8 habe, aber eigentlich nur in die vierte Etage möchte. Ist das der Fall, kann ich den überschüssigen Druck umleiten und damit verbaute Plättchen in meinem Dampfschiff aktivieren. Das kann mir neuen Dampf, Punkte, Ressourcen und dergleichen bringen. 


Alle Ziele anfliegen: habe ich keine Drucksteine mehr, muss ich diese Aktion ausführen, ich kann sie aber auch schon früher verwenden. Wähle ich diese Aktion, fliege ich nun in einer frei gewählten Reihenfolge meine platzierten Drucksteine an und führe entweder die Aktion aus, auf der ich stehe oder ich kaufe mir das offen liegende Plättchen in dieser Etage. Die Aktionen sind sehr unterschiedlich, so kann ich Rohstoffe erhalten, Sonderplättchen (Spendengala oder Sponsoren) nehmen, neue Drucksteine oder Schmarotzer (dazu noch mehr) sind ebenfalls möglich. Wenn ich kaufen möchte, kann ich immer nur das offen liegende wählen. Je Etage gibt es vier Plättchen von 0 bis 3 und darunter eine Statue. Die Plättchen bringen mir ebenfalls Vorteile, wenn ich diese in mein Dampfschiff einbaue. Auch hier geht es um Ressourcen, weitere Dampfkessel, weitere Speicherplätze für Rohstoffe ODER ich kann die Plättchen als Banner kaufen. Diese werden dann an mein Schiff gelegt und bringen mir im Laufe des Spiels Punkte. Wird das letzte Plättchen in einer Etage gekauft, legt man die nun offen liegende Statue aufs Dach. Das Spiel endet, wenn dort drei liegen. Besonders ist auch die 1. Etage, dort kann ich Drucksteine mit einer Nummer kaufen. Diese werden dauerhaft in die Druckleiste gesetzt und versperren ein Platz, den ich ab sofort immer überspringen kann, um so schneller Druck aufzubauen. 


Das waren die drei Aktionen, mehr tut man eigentlich nicht. Zu beachten gibt es natürlich dennoch einiges. Wie erwähnt, gibt es z.B. die Schmarotzer. Hiervon hat jeder drei. Es gibt Aktionen die erlauben mir oder den Mitspieler einen Schmarotzer bei den Mitspielern zu platzieren. Darf ich das, lege ich meinen Schmarotzer auf eines der Plättchen im Dampfschiff des Mitspielers. Sobald dieser Mitspieler das Plättchen auf irgend eine Weise aktiviert, darf ich das selbe tun und nehme dafür mein Schmarotzer wieder zurück. 

Dann gibt es noch Passagiere, die man beim Fliegen mitnehmen kann. Es liegt immer ein Passiergierplättchen offen aus, die mir anzeigen welcher Passagier wohin möchte. Es gibt die Heizerin, die sich nur zwischen Etage 1 und 4 aufhällt und den Bankier, den man nur zwischen 5 und 8 findet. Das Plättchen zeigt immer das gewünschte Ziel des Passagiers an, falls der dort schon stehen sollte, wird in etwas kleiner eine Alternativetage genannt. Ich kann nun also die Etagen anfahren, wo die Passagiere stehen und automatisch aufnehmen (auf mein Playerboard stellen) und dann in die gewünschte Etagen bringen. Der Bankier belohnt einen mit Siegpunkten, die Heizerin mit Dampf für Druckleiste. 

Wer am Ende des Spiels die meisten Siegpunkte (ach ne die heißen Stimmpunkte) erreicht hat, wird zum neuen Bürgermeister von Steamopolis ernannt und gewinnt das Spiel. 


[FAZIT] 

Wenn man sich Steamopolis das erste Mal ansieht, fühlt man sich erst mal wirklich erschlagen. Gefühlt 1000 Plättchen mit 350 Symbolen. Es birgt somit auf jeden Fall eine recht hohe Einstiegshürde und ich denke Spieler, die gerade erst wieder anfangen zu spielen, sollten auf keinen Fall mit Steamopolis anfangen. Aber später, mit etwas Erfahrung, wird man feststellen: das Spiel ist keineswegs Hexenkunst und die Symbolik ist besser als gedacht. 

Nach 2-3 Runden hat man das Spielprinzip dann auch verstanden und verinnerlicht. Klar, der Kopf raucht dennoch erstmal. Es ist zwar relativ leicht an ausreichend Druck zu kommen, doch dann hat man die Qual der Wahl. Die Aktionen in der Stadt sind mannigfaltig, nach oben hin natürlich auch stärker, andererseits kann ich Dampf umleiten und meine Schiff-Aktionen ausführen oder neue Plättchen kaufen, wenn ich denn genug Zahnräder und Edelsteine habe und und und.... 


So wird Steamopolis zum Brainburner, aber dabei irgendwie angenehm. Das Spiel mit dem Dampf macht Spaß und fühlt sich tatsächlich thematisch an, obwohl es ziemlich drauf gesetzt ist. Ja, das wurde alles stumpf auf die Mechanik gelegt, aber irgendwie auch liebevoll mit der Thematik erklärt und wenn man das auch ein wenig am Tisch lebt, funktioniert es. Das ist ähnlich wie bei Crystal Palace von Feuerland. In der Hinsicht wird auch Steamopolis die Gemeinde spalten, aber ich finde diesen Ansatz sehr löblich. 

Fans von strategischen Spielen ohne große Glückskomponente sollten an diesem Werk ihren Spaß finden. Für mich hat sich die "Arbeit" gelohnt, es bringt mir Spaß und reizt beim nächsten Mal eine etwas andere Schiene zu fahren. Ein Probespiel sollte man nur wagen, wenn jemand dabei ist, der das Spiel kennt. Zwar ist es prinzipiell schnell erklärt, aber es ist gut, wenn jemand auf die kleinen Dinge hinweisen kann. 

Mein Ehrgeiz wurde geweckt es weiter auf den Tisch zu bringen und das ist ein gutes Zeichen. Für Kenner- und Expertenspieler auf jeden Fall ein Blick wert. Andere sollte sich erstmal andere Spiele anschauen und später dazustoßen.


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Steamopolis von Gerhard Hecht
Erschienen bei Corax Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 75 Minuten ab 12 Jahren
Boardgamegeek-Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Corax Games)