06.04.2021

Flyin´ Goblin


Es ist mittlerweile schon viele, viele Jahre her, da waren ein Kumpel von mir und ich im Tipp-Kick-Wahn, haben uns Ligen ausgedacht und die unterschiedlichsten „Mannschaften“ gegeneinander antreten lassen. Das ist wirklich verdammt lang her und es hat damals wirklich viel Spaß gemacht. Warum ich das erzähle? Weil ich Schnippspiele eigentlich nicht mag, außer sie haben einen „größeren Rahmen“. Ist zwar alles nur Einbildung und Fantasie, aber so entsteht zumindest ein Sinn und man baut sich quasi seine Langzeitmotivation selbst auf. Und dann kam Flyin‘ Goblin auf meinen Spieletisch geschnippt und nach dem ersten drüber schauen war klar, wir haben hier ein waschechtes Schnippspiel. Da es jedoch darum geht, die Mauern des Schlosses zu überwinden, wird hier halt nicht geschnippt, sondern katapultiert.


Der Clou des Spiels ist das Spielbrett: Auf diesem sind die Räume des Schlosses als Pappaufsteller aufgesteckt und auf diesen wiederum thront ein Turm, so dass man ein echtes 3D-Spiel hat. Die Außenwände des Schlosses werden dabei von der Spielschachtel gebildet. Doch das ist noch nicht der eigentliche Clou: Das ganze Schloss wurde dermaßen durchdacht konstruiert und an die Schachtel angepasst, dass man bei Spielende einfach nur das Spielbrett anheben muss und den Turm mit einem Handgriff zerlegen und ganz nach unten in die Schachtel legen muss. Dann kommen dort noch die Playerboards und die übrigen Komponenten rein. Dann setzt man das Brett (inkl. der Schätze in den Räumen) einfach wieder drauf, packt die Anleitung dazu und macht den Deckel drauf. Heißt: Für den Spielauf- und -abbau braucht man maximal zwei Minuten. Sehr löblich!


Die Komponenten sind dabei alle sehr wertig und passend zum Setting (und zum Packungsdesign) gestaltet. Alles wirkt wie aus einem Guss. Jeder Spieler bekommt ein Tableau und eine Handvoll Figuren, von denen nur zwei zum Start einsatzbereit sind und schon geht es los: gleichzeitig katapultieren alle ihre Figuren in das Schloss, dann wird geschaut, welche Figur in welchem Raum gelandet ist (es winken Gold und Diamanten) und anschließend kann man weitere Figuren von seinem Tableau kaufen. Diese lassen sich entweder ebenfalls katapultieren (Soldaten, Hauptmann) oder auf eins der acht Dächer des Schlosses stellen (Diebe, Totemteile). 


Steht nach dem Katapultieren ein eigener Dieb auf einem Dach, bekommt man einen Diamanten. Diese erhält man aber auch durch die Soldaten, die in die richtigen Räume geflogen sind. Neben Diamentenlagern gibt es aber auch Räume, die einen zwingen, Diamanten abzugeben, anderen Diamanten zu klauen, Geld in Diamanten zu tauschen oder andersherum oder das Spielbrett zu drehen. Sobald jemand 20 bzw. 25 Diamanten hat (je nach Spielerzahl), gewinnt dieser Spieler das Spiel. Es sei denn, jemand konnte vorher oder in der gleichen Runde sein Totem vollständig aufgebaut durch eine Katapultierphase hindurch retten: Dann gewinnt dieser Spieler. Jedes Totem besteht dabei aus vier Teilen, die aufeinander auf einem der Dächer des Spielbretts gestapelt werden müssen. Hat man alle vier gestapelt, wird noch einmal katapultiert. Fällt ein Totem, verliert man dessen wertvollsten Stein und muss ihn später neu kaufen.


Jeder Spieler kann (theoretisch) maximal drei der acht Dächer des Schlosses besetzen, im Spiel zu zweit ist also massig Platz. Im Spiel zu dritt wird es dann schon eng und im Spiel zu viert reicht der Platz hinten und vorne nicht mehr aus. Das ist durchaus gewollt und bringt je nach Spielerzahl auch andere „Taktiken“ mit sich. Denn schließlich muss man ein Dach erstmal frei-katapultieren, bevor man es selbst nutzen kann. Auch wird das Spiel mit zunehmender Spieleranzahl wuseliger und hektischer. 
Beispielsweise darf der langsamste Spieler oft nicht alle seine Figuren katapultieren: Sind alle bis auf einen Mitspieler fertig mit dem Katapultieren, darf der Letzte nur noch ein einziges Mal sein Katapult betätigen. Je mehr Figuren man hat, desto gestresster wird man also. Doch sollte man ja auch immer drauf achten, dass man seine Figuren in „die guten“ Räume hineinbekommt. Die Wertung ist dann tatsächlich etwas für Kinder oder schmalere Hände, denn alle Goblins müssen wieder aus den Räumen raus, damit die Wertung stattfinden kann. 


Unterm Strich macht Flyin‘ Goblin Kindern und Junggebliebenen sicherlich mehr Spaß, als den etwas älteren unter uns Spielern und ist im Kern vor allem ein Kinderspiel bzw. ein Familienspiel. Als reines Kinderspiel krankt es etwas unter der doch recht langen Spielzeit (min. eine halbe Stunde, eher mehr) und dem dafür doch recht schnell monoton werdenden Mechanismus sowie den fliegenden Goblins. Muss man diese nämlich aufgrund übermotivierter Mitspieler erstmal im ganzen Kinderzimmer suchen, ist’s mit dem Spielspaß schnell aus und vorbei. Aber das sollte jedem bewusst sein, der sich ein Schnipp…Entschuldigung, Katapultierspiel ins Haus holt.

________________________________________________________________________________



Flyin´Goblin von Corentin Lebrat und Theo Riviere
Erschienen bei iello
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 25 Minuten ab 8 Jahren

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier iello)