20.12.2021

Tulpenfieber


Meine Eltern waren stets sehr reiselustig, und so durfte ich bereits als Kind viele verschiedene Regionen der Erde kennenlernen. Diese Reiselust wurde auf mich übertragen und ich habe mittlerweile die unterschiedlichsten Orte auf nahezu allen Kontinenten besucht. Hierbei blieben mir unter anderem Urlaube nach Venezuela, Kanada, Kenia, Ägypten, in die USA, die Türkei und auf Bali besonders in Erinnerung, und letzteres war sogar das Ziel meiner Flitterwochen vor zwei Jahren. Doch würde mich heute jemand nach meinem bisher schönsten Urlaub fragen, würde ich neben Bali wahrscheinlich nicht Kenia und auch nicht Kanada, sondern die wunderschöne Hauptstadt der Niederlande, Amsterdam, angeben. Meine Frau und ich waren zwar nur vier Tage dort, doch es war schlichtweg einer der schönsten Urlaube, die wir je zusammen verbracht haben.

Aus diesem Grund war ich trotz einiger kritischer Stimmen ganz besonders gespannt auf den neuen kleineren Rosenberg aus dem Hause Amigo namens Tulpenfieber. Oh ja, hier bauen wir die inoffiziellen Nationalblumen der Holländer auf einem Feld an, indem wir in Kniffelmanier bestimmte Werte erwürfeln, um als erster die hintersten und am schwierigsten zu bepflanzenden Reihen unseres Feldes zu füllen. Doch ob dieser Rosenberg tatsächlich etwas taugt und mich das Tulpenfieber gepackt hat, erfahrt ihr in dieser Rezension.

Material

Im Grunde grenzt es an ein Wunder, dass ich angesichts der – und es tut mir Leid, es so hart sagen zu müssen – grässlichen Optik überhaupt Bock hatte, dem blumigen Familienwürfelspaß (?) trotz meiner Amsterdambegeisterung eine Chance zu geben. Am besten seht ihr euch einfach die Bilder an und bildet euch selbst eine Meinung, doch einem Spiel mit Tulpenthema hätte man doch ein wenig mehr Ästhetik zumuten dürfen.


Ansonsten ist das Material soweit in Ordnung, fällt also abgesehen von der Optik weder positiv noch negativ auf. Neben den sieben gelben Würfeln (d6) und den doppelseitig bedruckten Playerboards, den Feldern, gibt es noch einen Stoffsack, in den die verschiedenfarbigen Tulpenplättchen Platz finden. Darüber hinaus gibt es noch 2x3 große Extraplättchen mit einer Schubkarre. Allerdings haben die Tulpenfarben spielerisch keine Bedeutung, und auch die eine Seite der doppelseitigen Playerboards ist nur für das Solo-Spiel gedacht. Und mehr gibt es zum Material auch nicht zu sagen. Kommen wir zum Ablauf.

Ablauf

Man nehme vier Würfel und würfle sie, wie man es von Kniffel bzw. Yahtzee gewohnt ist, bis zu drei Mal, ehe man auf Grundlage des Ergebnisses ein Tulpenplättchen auf sein 5x7 großes Feld legt. Und das macht man so lange, bis jemand die vierte von insgesamt fünf Reihen vollständig mit Tulpen belegt oder die fünfte und letzte Reihe mit insgesamt drei aneinandergrenzenden oder vier Tulpenplättchen insgesamt bespickt hat. Für die Felder selbst muss man je nach Reihe zwei bis fünf Mal dieselbe Zahl würfeln oder eine immer länger werdende Straße, beginnend mit drei bis hin zu sechs Würfeln (1-6) in der letzten Reihe.


Hat man vertikal oder diagonal drei aneinandergrenzende Felder der obersten drei und am einfachsten zu belegenden Reihen mit Tulpen gefüllt, bekommt man für den nächsten Zug einen weiteren Würfel dauerhaft dazu. Führt man dies zur nächsten, also der vierten Reihe, fort, bekommt man einen weiteren Würfel dauerhaft hinzu. Und schafft man es sogar, eine vertikal oder diagonal über alle Reihen durchgehende Linie mit Tulpen zu füllen, erhält man den siebten und somit letzten Würfel.

Schließlich darf man in seinem Zug bis zu zwei Mal eine Tulpe auf die Rückseite drehen, um jeweils einen Extrawurf zu erhalten, sodass man also anders als beim Kniffeln bis zu fünf Mal würfeln darf, vorausgesetzt man hat genügend noch nicht umgedrehte Tulpen auf seinem Feld. Und schafft man es ein 2-3 oder 3-2 Raster auf seinem Feld mit Tulpen zu befüllen, darf man das Schubkarren-Bonusplättchen darauflegen, wobei man dabei eventuell auch noch nicht umgedrehte Tulpen überdeckt, ohne sie für Extrawürfe genutzt zu haben. Dafür darf man jetzt jedoch zu Beginn eines jeden Zuges auf jedes eigene Schubkarrenfeld einen seiner Würfel mit einer beliebigen Augenzahl platzieren. Nach dem ersten Wurf darf man diese dann jedoch jederzeit mit allen anderen Würfeln mitwürfeln.


Sollte man mit seinem finalen Wurf kein neues Tulpenplättchen platzieren können, darf man es sich trotzdem nehmen, neben sein Feld legen und es später ebenfalls für Extrawürfe nutzen. Und das wären auch schon alle Regeln. Im Solo-Spiel spielt man im Übrigen nach demselben Prinzip, jedoch über drei Runden, wobei man in jede neue Runde ein bereits belegtes Tulpenfeld der schwierigeren Reihen mitnimmt. Kommen wir zum Fazit.

Fazit

Also, hat mich nun das Tulpenfieber gepackt? Die Antwort lautet ganz klar „nein“! Doch ich hatte schon hier und dort meinen Spaß. Drum beginnen wir wie üblich zunächst mit den Stärken des Spiels. Tatsächlich finde ich es schön, dass man nicht nach einer bestimmten Anzahl an Runden seine Punkte zusammenzählt und hofft, die meisten zu haben. Stattdessen muss man dafür sorgen die vierte und fünfte Reihe mit Tulpen zu bepflanzen und kann damit das Spiel ganz plötzlich beenden. Doch dafür brauch man halt vier oder fünf gleiche Zahlen oder eine entsprechend lange Straße. Mit nur vier Würfeln ist das zu Beginn recht schwer, sodass man bemüht ist, schnellstmöglich an die Extrawürfel zu kommen. Doch auch die Schubkarrenfelder helfen dem eigenen Würfelglück ein wenig auf die Sprünge, sodass es auch sinnvoll sein kann, mehrere Züge dafür herzugeben, die ersten und leicht zu belegenden Reihen zu bepflanzen. Denn brauch man für den nächsten Extrawürfel beispielsweise vier 5er, hilft einem das Schubkarrenfeld mit einer gratis 5 deutlich weiter. All dies sind schöne Ideen, die zu kleineren Entscheidungen führen, die man aus Kniffel so vielleicht nicht kennt.


Allerdings hängen auch all diese vermeintlich strategischen Entscheidungen am Ende doch sehr stark vom Würfelglück ab. Am Ende des Tages haben wir es hier halt mit einem sehr glückslastigen Würfelspiel zu tun, in dem wir lediglich auf möglichst viele gleiche Augenzahlen oder Straßen gehen können, denn weder das allseits bekannte „Full House“ (Paar + Drilling) noch die aus Kniffel bekannte „Chance“ gibt es in Tulpenfieber. Hat man Pech, geht man bis auf das Tulpenplättchen für einen späteren Extrawurf leer aus. Und das kann schon sehr frustrierend sein. Hätte man dann zumindest einen schönen Ausblick auf farbenfrohe und wunderschöne Tulpenfelder, wäre der Ärger vielleicht leichter zu verkraften. Doch leider ist das Spiel, wie eingangs erwähnt, alles andere als schön.

Dennoch macht es schon Spaß, ein Schubkarrenfeld zu platzieren und sich auf diese Weise so langsam eine Engine aufzubauen, wobei das Wort „Engine“ mit Tulpenfieber in einem Satz zu verwenden wohl sehr irreführend sein könnte, also sagen wir stattdessen: man kommt dann doch recht schnell in Fahrt, und oftmals ist eine Partie dann überraschend schnell vorbei. Alles in allem bin ich mir jedoch nicht sicher, ob ich Tulpenfieber längerfristig behalten werde. Eventuell als Kniffelalternative, doch auch dafür ist mir das Spiel nicht reizvoll genug.


Nichtsdestotrotz könnte das Spiel für diejenigen interessant sein, die eben ein Würfelspiel mit großem Glücksfaktor suchen und deren Neugierde angesichts der oben genannten Besonderheiten des Spiels geweckt wurde. Ist euch die Optik des Spiels zudem nicht allzu wichtig, könnte Tulpenfieber eure Sammlung vielleicht positiv ergänzen. Sollte euch dann das Tulpenfieber gepackt haben, wünsche ich viel Glück und Spaß beim Würfeln! Währenddessen schaue ich mir nochmals die schönen Urlaubsbilder mitsamt – tatsächlich – farbenfroher Tulpenfelder an. Also dann: tot ziens!
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Tulpenfieber von Uwe Rosenberg
Erschienen bei AMIGO
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 30 Minuten ab 8 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier AMIGO Spiel + Freizeit GmbH)
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