24.05.2013

Walnut Grove - Friedlicher-Farmer-Filler



"Welcome to Walnut Grove!" So begrüßt Lookout-Spiele bereits auf dem Cover der Box die Brettspieler und läd sie dazu ein, eine Farm in der Pionier-Zeit des Wilden Westen aufzubauen, zu leiten und diese zu größtmöglichem Erfolg zu führen. Von vielen als einfacher Mix aus zwei bekannteren Titeln seiner Zunft verschrien, wollte ich mir selbst ein Bild verschaffen. Zu einladend wirkt bereits das Cover. Denn wo sonst wird man schon mal so höflich begrüßt?

Spielverlauf und Spielziel

In Walnut Grove übernehmen 1-4 Spieler die Rolle von Farmbesitzern im Wilden Westen und versuchen dabei den größtmöglichen Profit zu erwirtschaften. Dabei gilt es nicht nur den Hunger der eigenen Hilfskräfte zu stillen und ihnen ein warmes Plätzchen zum Schlafen zu geben, sondern auch vorausschauend Ressourcen zu ernten, Felder anzulegen und weitere Gebäude auf der Farm zu erbauen.




Walnut Grove spielt sich dabei in acht Jahren bzw. acht Runden in ca. 30-40 Minuten. In jeder dieser acht Runden wird eine sogenannte Jahresscheibe aufgedeckt, welche auf die Besonderheiten des aktuellen Jahres hinweist. So zeigt sie beispielsweise an, wie die eigene Farm im Frühling erweitert werden darf, welche Ressourcen im Sommer besonders gut geerntet werden oder im Herbst besonders gut verkauft werden können. Zu guter letzt wird angezeigt, ob ein kalter Winter bevorsteht und welcher Hilfsarbeiter besonders hungrig sein wird. Drei der vier Jahreszeiten können dabei von allen Mitspielern simultan ausgeführt werden.
Die Frühlingsaktion - die Farmerweiterung - erinnert dabei stark an einen beliebten Klassiker der Brettspiele. So ziehen die Spieler reihum Geländeplättchen aus einem Stoffsack und versuchen diese Geländerplättchen möglichst sinnvoll an den eigenen bereits vorhandenen Grundstock anzulegen. Sinn macht es hierbei meistens gleiche Geländetypen aneinander zu legen und Punkte bringt es bei Spielende, wenn Geländestücke von Zäunen vollständig umrahmt werden.
Die Sommeraktion ist ebenso schnell abgeschlossen, wie ihr Vorgänger. Vorhandene Arbeiter werden auf Geländeplättchen der Farm platziert und produzieren die passenden Ressourcen. Je größer das zusammenhängende Gebiet, desto größer auch der Ertrag.
Im Herbst geht es in die Stadt und auch das erste und einzige Mal im Jahr weg von der eigenen Farm. Die Stadt bietet hierbei eine Vielzahl an Aktionsmöglichkeiten, wie den Verkauf von Ressourcen, den Bau von neuen Scheunen, das Anheuern neuer Arbeiter oder die Anschaffung von Siegpunktgebäuden. Da diese vielfältigen Aktionen auf eine exakte Anzahl von acht Aktionen (acht Jahre - acht Herbste) beschränkt ist, entsteht hierbei vielleicht die größte taktische Herausforderung.
Der Winter hingegen macht es den Spielern erneut einfach. Zurück aus der Stadt isst jeder Arbeiter eine Ressource der zu ihm passenden Farbe und verbraucht ein Feuerholz - außer die Jahresscheibe sagt etwas anderes.
Wurde dieses Prozedere acht mal wiederholt, erhalten die Spieler Punkte für Geld, Gebäude, Arbeiter und viele weitere Dinge.

Resume

"Welcome to Walnut Grove!". So einladend und freundlich wie das Cover die Spieler ermuntert die Box zu öffnen, so friedlich spielt sich auch Walnut Grove. Wir bauen eine Farm auf, ernten lecker Ressourcen, abends da gibts ein warmes Feuerchen und in den Topf kommt selbstangebautes Essen. Haben wir uns mal verschätzt mit den Mengen, dann kommen nette Nachbarn und bringen ein Care-Paket vorbei. Nebenbei flanieren wir in der Stadt und verkaufen überschüssige Ressourcen. Wir sind auch glücklich, wenn wir diese zum Nulltarif für einen Bronzetaler verkaufen, denn dann spenden wir diesen einfach für eine neue Kirche oder ein neues Rathaus.
In Walnut Grove sucht man den Konflikt vergeblich. Nur in seltenen Fällen entsteht dieser eher zufällig, wenn mal ein Spieler das benötigte Plätzchen in der Stadt belegt, wo man doch so gerne selbst hingegangen wäre, oder wenn ein Spieler aus purem Egoismus das dringend benötigte Verbesserungsplättchen wegkauft. Meistens gibt es aber dann noch eine suboptimale Alternative, auf welche es sich immer noch lohnt auszuweichen.
Fans von Konflikt und Interaktion kommen bei Walnut Grove definitiv nicht auf ihre Kosten. Das Spiel kommt aber auch ohne ihn ganz gut zurecht. Denn durch die fehlenden Interaktionsmöglichkeiten kann der Großteil des Spiels einfach simultan abgehandelt werden. Im Frühling Teile ziehen und auswählen und im Sommer dann noch schnell Waren produzieren. Im Herbst dann auf den Rest warten, denn schließlich befindet man sich ja in der Stadt. Den Winter kann man eigentlich auch schon wieder direkt durchführen, sobald man seinen Herbstzug gemacht hat.
Dadurch gewinnt Walnut Grove enorm an Tempo und bietet eigentlich keine Downtime. Wichtig ist dabei, dass sämtliche Jahreszeiten sich auch jeweils einzeln flott spielen. Kennt jeder die Regeln und weiß ungefähr auf was es im aktuellen Jahr ankommt, dann ist dieses in Walnut Grove sogar in knapp unter fünf Minuten spielbar. Dennoch entsteht kein Gefühl der Hetze, denn die Entscheidungen in Walnut Grove sind zwar teilweise knifflig, aber werden oftmals doch durch die aktuelle Jahresscheibe vorgegeben. So gibt es fast immer ein enges Korsett an Entscheidungsmöglichkeiten und wenig Spielraum zum Optimieren. Die Arbeiter müssen nunmal essen und beheizt werden. Der Clou und oftmals die Entscheidung über Sieg oder Niederlage liegt bei Walnut Grove in den frei wählbaren Entscheidungen. Davon gibt es wenige, aber diese sind dafür umso entscheidender, führen aber keinesfalls zum langen Nachdenken - maximal zum kurzen Grübler.
Keinesfalls darf man aber Walnut Grove zum einfachen Spieltitel für Einsteiger abstempeln. Dafür ist es viel zu strafend für Fehler. Schnell hat man als Spieleinsteiger mal 6 Minuspunkte, da eine Nachbarschaftshilfe zur nächsten führt und die ganzen Arbeiter doch irgendwie zu viel essen. Und überhaupt. So viel kann ich garnicht anbauen. Walnut Grove ist ein Titel für Optimierer. Aus wenigen Entscheidungen, viel machen. Es ist aber auch ein schnelles, taktisch herausforderndes Fillergame, welches sich angenehm spielt. Das Material, das Thema und der Spielfluss führen rundum zu einem Wohlfühlpaket, welches im Übrigen auch prima solo gespielt werden darf. Durch seine kurze Spieldauer kann Walnut Grove zudem problemlos in jedem Spieleabend Platz finden.

Vielen Dank an Asmodee / Lookout-Spiele für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.

 

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek.com bzw. vom jeweiligen Verlag (hier Lookout-Spiele)