30.01.2014

Patchistory - Die Welt als Flickenteppich



Messehalle Essen 24.10.2013:

9:30 Uhr: Eine Gruppe von Personen schachert um die besten Plätze am Eingang
9:50 Uhr: Die Masse wird unruhig. Gleich öffnen die Tore
9:59 Uhr: Der Countdown für die letzte Minute läuft
10:00 Uhr: Die Tore öffnen. Die Massen stürmen die Hallen
10:15 Uhr: Patchistory von Deinko ist ausverkauft

Umso glücklicher war ich, dass ich eins der nur 50 Exemplare mein Eigen nennen konnte.

Die Box stabil, das Artwork ansprechend, das goldene Label "Limited Edition" leicht erhaben. Vorfreude machte sich breit, als ich die Packung öffnete. Der Inhalt dann weniger ansprechend. Pappcounter für Siegpunkte, Geld und Gebäude in Prototypenqualität. Das Regelbuch zwar in englisch, aber aufgrund der mäßig bis schlechten Übersetzung hätten die Jungs von Deinko es auch einfach beim koreanischen belassen können. Nur gut, dass es Boardgamegeek gibt. Denn hier empfehle ich dringend die Regelneufassung eines Spielers herunterzuladen. Die dem Spiel eigentlich beigelegte Regel dient im Anschluss daran bestenfalls als Sammlerstück - oder Brennstoff für den Wohnzimmerkamin. Und wo wir gerade bei Tipps sind: Bitte unbedingt die Landkarten eintüten, wenn man Patchistory mehr als einmal spielen möchte. Ich erlaube mir an dieser Stelle mal Schleichwerbung: Die "squared sleeves" von Fantasy Flight Games passen perfekt. Sind sämtliche Vorbereitungen getroffen, kann es dann auch endlich an den Spieltisch gehen.


Patchistory faszinierte bereits vor dem Erscheinen mit einem bisher einzigartigen Mechanismus. Noch nie gab es ein Zivilisationsspiel, in welchem man seine eigene Landkarte anhand einzelner Landschaftsplättchen selbst zusammenbasteln konnte. Die Frage, ob der Mechanismus auch praktikabel ist, musste sich erst noch herausstellen.

Vom Grundgerüst gliedert sich Patchistory in bekannte Muster eines Zivilisationsspieles ein. Wir spielen über drei verschiedene Zeitalter, in welchen wir friedliche Wege, aber auch militärische aggressive Wege gehen können. Beide Optionen sind interessant und fordernd. Am Ende des dritten Zeitalters treten wir dann vor eine übergeordnete moralische Instanz, welche entscheidet, ob unser Weg der richtige war - ergo die meisten Siegpunkte eingebracht hat. Unser Handwerkszeug sind 6 verschiedene Ressourcen, über welche wir permanent recht umständlich Buch führen müssen und welche wir in den unterschiedlichen Phasen einer Runde zu Dingen wie Diplomatie, Aggressionen, Bewegung, Handel, Politik oder Infrastruktur einsetzen können. Dieses Füllhorn an möglichen Aktionen wird, Gott sei Dank, auf dem beigefügten Sichtschirm sehr übersichtlich aufgeführt. Soweit hört sich das noch nach klassischem Zivilisationsaufbau an.


Zwei Mechanismen treten jedoch bei Patchistory hervor, welche aus einem normalen Zivilisationsspiel ein besonderes, einzigartiges Zivilisationsspiel werden lassen. So erinnern geheime Ziele und damit verbundene Siegpunkte fast ein wenig an Archipelago und geben dem Ganzen einen kleinen Schuss Deduktion.

Der zweite Mechanismus, der Patchistory von anderen Zivilisationsspielen abhebt, ist der des "patchens". "Patchen" - Patchistory. Klingelt´s? Durch neue Landschaftskarten wird die eigene Produktion der sechs Rohstoffe völlig frei durch die Spieler bestimmt. Da die Landschaftskarten nicht nur Rohstoffe, sondern auch Helden und Wunder mit Spezialfähigkeiten aufzeigen, sind der Entwicklung der eigenen Zivilisation und der eigenen Ausrichtung fast keine Grenzen gesetzt. Tatsächlich hat man das Gefühl ein großer Anführer einer Zivilisation zu sein, der losgelöst von allen Instanzen nach eigenen Maßstäben über die Zukunft seines Volkes entscheidet.
Beim ründlichen Bieten der Spieler auf die neu ausgelegten Landkarten spielen jedoch mehr Gedankengänge eine Rolle, als zunächst vermutet, sodass viel Gedankenschmalz und damit auch Zeit in diese Spielphase investiert werden muss.


Die eigene Zivilisation als Flickenteppich. Was so lapidar klingt, ist die uneingeschränkte, unbezweifelte Stärke von Patchistory. Die eigene Zivilisation ist völlig frei in der Gestaltung. Das in Zivilisationsspielen oftmals aufgezwängte Korsett an Entscheidungen, welche unabhängig vom Spielverlauf auf jeden Fall getroffen werden müssen, ist bei Patchistory auf ein Minimum beschränkt. Es steht so jedem Spieler völlig frei wie und in welche Richtung er sich weiterentwickeln will, denn viele Wege führen zum Sieg. So ist sowohl eine Strategie, welche auf Politik und die damit verbundene Dominanz in den drei Endwertungen ausgerichtete erfolgsversprechend, eine Strategie mit vielen Helden und Wundern, als auch eine auf Militär ausgerichtete, kriegerische Strategie, welche sich im Zweifel an den Siegpunkten der unterjochten Gegenspieler bedient.

Verschweigen darf man dabei jedoch nicht, dass eine militärische Übermacht eines Gegenspielers nicht vollkommen unberücksichtigt bleiben darf. Ist erst einmal das Militär eines Gegenspielers übermächtig und verfügt dieser über die entsprechenden notwendigen hohen Werte im Transportbereich, kann es schnell zum wiederholten Siegpunktverlust kommen. Will man nicht als Siegpunktselbstbedienungsladen für diesen Spieler enden, so muss man zwangsläufig ebenfalls etwas ins Militär investieren. An dieser Stelle hätte ich mir eine diplomatische Lösung im Spiel gewünscht.

Patchistory macht Lust auf mehr. Es sollte nur eine Frage der Zeit sein, bis der Hauptmechanismus des Spiels sich auch in anderen neuen Titeln wiederfindet. Interessierte dürfen sich im Übrigen auf eine Neuauflage eines amerikanischen Verlages im März/April 2014 freuen.



Patchistory von Yeon-Min Jung und Jun-Hyup Kim
Erschienen bei Deinko
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 160 Minuten
Boardgamegeek-Link







sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek.com bzw. vom jeweiligen Verlag (hier Deinko)