19.09.2018

The Pit: The Boardgame


„Fallout“, Doom“ oder „The Witcher“ sind nur einige Schwergewichte der Videospielwelt, die bereits Brettspielumsetzungen erhalten haben. Federführend waren dabei namhafte Spieleautoren und -verlage, denen die Lizenz überantwortet wurde, mal mit mehr, mal mit weniger großem Erfolg.

Die Indie-Entwicklerschmiede Kerberos Productions nimmt das Vorhaben einer Brettspieladaption selbst in die Hand: Aus ihrer eigenen Videospielkreation „Sword of the Stars: The Pit“ wird somit The Pit: The Boardgame. Wir durften einen Prototyp des auf Kickstarter finanzierten Spiels ausprobieren und fragen uns: Können Games-Entwickler auch analog?

„Sword of the Stars: The Pit“ ist ein rundenbasierter Dungeon-Crawler mit Weltraum-Setting. Die Brettspiel-Variante ist dasselbe, besteht jedoch nicht aus Bits und Bytes, sondern aus Plastik und Pappe. Soll heißen: Spieler stürzen sich kooperativ mit ihren Helden in ein zufällig generiertes Versuchslabor voller mutierter Kreaturen und Aliens und versuchen, den tiefsten Punkt der Anlage, die namensgebende „Pit“ zu erreichen. Dort lauert die Wurzel allen Übels, der Zuul Lord und seine Gardisten, die es allesamt zu vernichten gilt.

Das Spiel ist darauf ausgelegt, immer mit vier Helden (Soldat, Späher, Ingenieur, Sanitäter) gespielt zu werden, das heißt, die Helden werden unter den vorhandenen Spielern aufgeteilt. In der Solo-Variante muss der Spieler also alle vier Helden kontrollieren.


Fünf Ebenen des Labors müssen erkundet werden, die je aus fünf zufällig gewählten Raumkarten und einem Gang bestehen, an dessen Ende es ein Stockwerk tiefer geht. Doch überall lauern Gefahren: Monster können die Spieler in den Gängen und Räumen überraschen und es kommt zum Kampf.

Basierend auf den Angriffs- und den Schicksalswerten von gespieltem Held und gewählter Waffe dürfen unzählige rote und blaue Würfel geworfen werden, die den Schaden und eventuelle Spezialeffekte (positiv wie negativ) anzeigen. Für einen Angriff können dann schon mal sieben, acht Würfel über den Tisch fliegen, ein extrem befriedigendes Gefühl. Der Angegriffene kann sodann den Schaden durch Werfen der grünen Verteidigungswürfel minimieren. Unabhängig davon, ob jemand im Kampf das Zeitliche segnet oder nicht, ist die Klopperei nach einem Angriff zu Ende und der nächste Held bzw. Spieler ist an der Reihe. Waren alle Helden einmal am Zug, dürfen die Monster zurückschlagen.

The Pit legt im Gegensatz zu anderen Dungeon-Crawlern keinen allzu großen Wert auf die Position von Spielern und Monstern. Solange sie im selben Raum oder Gangabschnitt sind, können sie sich mit Nahkampfangriffen beharken. Für weiter entfernte Gegner braucht es Fernkampfwaffen. Taktisches Positionieren fällt also im Großen und Ganzen weg, daher gibt es Zug um Zug eigentlich stets nur auf die Omme bis (hoffentlich) alle Monster im Raum darniederliegen. Dann kann in Ruhe geplündert werden, um neue Waffen, Rüstungen, Gegenstände, Nahrung, Munition und Rezepte zu erhalten. 


Nach dieser Aufzählung ist es nicht verwunderlich, dass dem Spiel eine abnorme Menge an Gegenstandskarten beiliegt. Überhaupt ist der Umfang groß zu nennen: Unzählige Monsterkarten, Skill-Karten für die Helden, Raumkarten und Modifikationskarten, die die Regeln für das aktuelle Stockwerk verändern, sorgen für eine wahnsinnige Abwechslung.

So meint man zumindest. Doch schon nach zwei, drei Stockwerken hat man das Gefühl, dass sich alles wiederholt. Zwar ist die Anzahl der Karten enorm, aber oft ist darauf immer wieder dasselbe zu sehen. Dem Entdeckerdrang folgt bald Ernüchterung, wenn sich schon wieder eine Cafeteria hinter einer verschlossenen Tür befindet. Auch der selbstironische Humor verliert schnell an Spritzigkeit, wenn die dritte Kuh als Gegner aufgedeckt wird. 

Der (stark zusammengefasste) Kernzyklus „Bewegen-Kämpfen-Plündern“ verliert schnell seinen Reiz. Das Werfen unzähliger Würfel, deren Zusammensetzung man immer wieder neu zusammenrechnen muss, weil es einfach so viele sind, artet auch schnell in Arbeit aus. Dann darf man nicht vergessen auch die Monster-Angriffe zu würfeln und selbst zu verteidigen. Also wieder Würfel zusammensuchen, Spezialeffekte abarbeiten, Ergebnisse gegenrechnen und etwaigen Schaden zuweisen. 


Und zuletzt kommt noch das Helden-Management dazu. Alle vier Helden kommen mit Startausrüstung daher, die erst einmal verstanden werden muss und die ziemlich schnell auch noch erweitert wird, da das Spiel nicht mit neuen Gegenständen geizt. Auch die getöteten Monster müssen für jeden Helden separat aufgehoben werde, da mit ihnen Skills gekauft oder Gegenstände aus Rezepten hergestellt werden können. Ich hatte noch kein unübersichtlicheres Spiel auf dem Tisch liegen als The Pit  Alles liegt voll mit Kartenstapeln, Würfeln und Zustandsplättchen. Eine falsche Bewegung und man vermischt Karten, die nicht zusammengehören oder verrutscht die winzigen Marker, mit denen auf einer Leiste Leben, Munition und Nahrung für die einzelnen Helden angezeigt werden.

Die Komplexität von The Pit ist vermutlich auf die digitalen Ursprünge des Spiels zurückzuführen. Was beim Videospiel der Prozessor berechnet und in Sekundenbruchteilen auf dem Bildschirm präsentiert, müssen in der Brettspieladaption die Spieler übernehmen, was gerade bei weniger als vier Spielern, wenn mehrere Helden übernommen werden müssen, viel mentale Kondition erfordert.

The Pit ist ganz schwer zu beurteilen. In einem Dungeon-Crawler ist viel Umfang etwas Gutes. Dazu noch ein schnelles Kampfsystem und die größten Probleme anderer Spiele dieser Art wären umschifft. Beides erfüllt The Pit  Eigentlich. Doch der riesige Umfang ist hier nur leider nicht abwechslungsreich genug und die Zahl der Karten in den Inventaren der Helden läuft irgendwann völlig aus dem Ruder. Das Kampfsystem ist schnell, enthält aber auch keine echte taktische Entscheidung. Letzten Endes entscheidet immer die Ausrüstung des Helden und das Würfelergebnis wie der Angriff verläuft. Der Spieler ist nur dazu da die Würfel zu werfen.


Teilaspekte der Regeln, zum Beispiel wie Monster ihre Ziele aussuchen, das Schlossknacken oder das Herstellen von Gegenständen erwähne ich hier nur am Rande, weil sie dem Spiel zwar mehr Komplexität geben, diese Komplexität aber ohne Mehrwert bleibt. Sie machen The Pit nur komplizierter, ohne eine bedeutsame Wirkung auf das Spielgeschehen auszuüben. Vor allem aber machen sie das Spiel länger. Fünf Stockwerke zu erkunden dauert ewig, selbst dann, wenn man Glück mit den gefundenen Gegenständen hatte und man sich problemlos durch die Gegnerhorden würfelt.

Diese Eigenschaften und Mechaniken sind zusammen mit der schönen Aufmachung aber auch eine Liebeserklärung an den Stil der Videospielvorlage. So direkt dürften selten ein Computerspiel und dessen Eigenschaften und Konzepte in eine Brettspielform gegossen worden sein. Wer daran Gefallen findet, wird mit The Pit definitiv glücklich werden. Alle anderen sollten sich vielleicht nach einem anderen Dungeon-Crawler umsehen.
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The Pit von Martin Cirulis
Erscheint bei Kerberos Productions
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 180 Minuten
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Kerberos Productions)