12.10.2018

Tsukuyumi

Die Story hinter Tsukuyumi ist eine abgefahrene. In Kürze? Der Mond ist auf die Erde gecrasht und hat die Ozeane austrocknen lassen und somit das gesamte Land verändert. Dann hat sich auch noch rausgestellt, dass es gar kein Mond war, sondern der weiße Drache Tsukuyumi  der nun versucht die Welt einzunehmen. Doch das ist noch immer nicht genug. Durch die „Mondlandung“ sind verschiedene Tierarten derart mutiert, dass sie nun extrem mächtig sind und sich einen kompromisslosen Kampf untereinander (und mit den verbliebenen Menschen) liefern, um die Vorherrschaft über den Planeten zu erlangen. Krasse Story? In der Tat. Gut, dass wir uns nicht mit diesem kleinen Fetzen zufrieden geben müssen. Die gesamte Story wurde ausführlich in einem Comic durch den Designer Felix Mertikat festgehalten. Bruchstücke der Geschichte werden auch in Kurzcomics innerhalb der Spielanleitung mitgeliefert. Der Designer kommt nämlich ursprünglich aus der Comicszene. Thematische Untermalung des gesamten Spiels also großartig.


Kommen wir doch mal kurz auf die Ausstattung von Tsukuyumi zu sprechen. Das ganze war ja ein erfolgreiches Kickstarterprojekt, sodass den Wünschen des Designers also fast keine finanziellen Grenzen gesetzt waren. Die Box kommt groß und in einem ungewöhnlichen Format daher. Unfassbar stabil wirkt sie nicht, erfüllt aber ihren Zweck. Schade nur, dass sie völlig ohne Tiefziehteil daherkommt, sodass die zahlreichen Komponenten in Ziptüten in der Schachtel hin- und herrollen. Neben dem bereits erwähnten Comic und dem ausgegliederten Glossar zu Regelfragen (tolle Sache!), gibt es eine sehr gut strukturierte Anleitung, die den Einstieg ins Spiel enorm erleichtert. Und dann gibt es noch Pappe. Viel Pappe. Tsukuyumi kommt mit unzähligen Einheiten für die vereinzelten Fraktionen (später mehr), die erstmal auf Standfüße gesetzt werden müssen. Leider passierte hier ein Fauxpas. Es ist nicht nur enorm anstrengend gefühlte 1000 Miniaturen einzeln in Standfüße zu stecken, nein, diese sind auch noch zu eng, sodass die schicke Grafik leider abblättert an den Steckstellen. Schade, dass sich so ein Produktionsfehler eingeschlichen hat. Die vom Verlag angebotene Umgehungslösung funktioniert zwar, kostet aber eine erhebliche zeitliche Mehrarbeit, sodass ich meine Minis einfach normal aufgesteckt habe. Die restliche grafische Gestaltung ist im sehr eigenen Stil des Autors und Zeichners Felix Mertikat gehalten. Diesen Stil kann man mögen, muss man aber nicht. Mir persönlich gefällt der minimalistische Stil sehr!

Aber kommen wir doch nun endlich mal zum Spielprinzip. In Tsukuyumi übernehmen wir im oben bereits dargestellten Setting die Rolle einer von 5 mitgelieferten Fraktionen. Mit Erweiterungen folgen weitere Fraktionen (bereits 4 weitere gibts aktuell). Ziel ist es noch einer zuvor definierten Anzahl an Runden die meisten Siegpunkte zu haben, bzw. thematisch gesehen den meisten Einfluss zu haben. Tsukuyumi bietet an dieser Stelle die Möglichkeit von verschieden langen Spielrunden, was ich prinzipiell immer gut finde. Aber egal ob man die kurze oder die längeren Runden spielt, Tsukuyumi ist ein abendfüllendes Spiel.


Der Hauptmechanismus in Tsukuyumi ist zu Beginn einer jeden Runde ein Draftmechanimus, bei welchem ich meine gesamten Aktionen der nun folgenden Runde bereits abschätzen und planen muss. Unterteilt ist eine Spielrunde nämlich in farbliche Phasen. Weiß, blau, grün und rot. Thematisch gesehen, gehts in rot meistens kampftechnisch zur Sache und in blau rekrutiere ich. Verschiedene Karten bestätigen dabei aber die Ausnahme. Habe ich mich also für eine Aktionskarte entschieden, werden die farblichen Phasen in Spielerreihenfolge abgehandelt. Durch die unterschiedlichen Aktionskarten (deswegen driften wir ja auch) hat aber jeder Spieler eine völlig andere Anzahl an Aktionen pro Phase. Manchmal habe ich sogar gar keine.

Hier geht also bereits der erste große Taktikgedanke ans Werk. Ich muss bereits zu Beginn einer jeden Runde planen, in welcher Phase ich meinen großen Auftritt haben will - natürlich ohne zu wissen, was die anderen Spieler denken. In den Phasen selbst bin ich dann aber so flexibel, dass ich meine Strategie an die Situationen auf dem Brett anpassen kann. Dieser Mechanismus von Tsukuyumi gefällt mir außerordentlich gut. Ich kenne ihn in dieser Art auch noch aus keinem anderen Brettspiel. Er ist frisch, komplex und bietet genug Optionen für kurzfristige taktische Änderungen, aber auch langfristige strategische Überlegungen. Chapeau!


Der Rest in Tsukuyumi ist glücksloses Taktieren in seiner Reinstform. Es geht darum Gebiete einzunehmen. Hierzu hat jede Fraktionen völlig unterschiedliche Einheiten und Sonderfähigkeiten. Wir haben ein zerg-artiges Bienenvolk oder aber auch kampfbetonte Maschinen, die sich alle erstaunlich gut balanciert spielen. Ich bin ja ein Fan von asymmetrischen Spielen. Tsukuyumi schlägt hier genau in die richtige Kerbe. Der Nachteil eines solchen Spiels ist es natürlich, dass man einige Partien braucht, um reinzukommen. Ich muss eben nicht nur meine eigenen Einheiten und Fähigkeiten kennen, sondern auch die des Gegners, bzw. der Gegner. Ansonsten entfaltet Tsukuyumi nicht seinen vollen Reiz.


Warum? Hier kommt der nächste Mechanismus zum tragen. Kampf gibt es natürlich auch. Starte ich anhand meiner Aktionskarte eine Angriffsaktion muss ich zunächst anhand meiner fraktionspazifischen Karten entscheiden, ob ich ein Gebiet erobern will, die gegnerischen Einheiten angreifen, oder eine meiner Sonderaktionen starten will (auch hier unterschieden diese sich je nach Fraktion enorm!). Der Clou hierbei ist, dass diese Aktionen vollkommen durch planbar sind. Jeder Einheit sind nämlich verschiedene Werte und Fähigkeiten zugeordnet, die im groben Stärke, Angriff und Leben widerspiegeln. Will ich ein Gebiet erobern oder gegnerische Einheiten angreifen, kann ich also bereits vor der Aktion exakt sagen, ob die Aktion gelingt, bzw. was passieren wird. Es gibts keine Würfel oder sonstige Glückselemente. Dem Verteidiger stehen nämlich dann genaue - durch die gewählte Angriffskarte vorgegebene - Aktionen zur Verfügung, die mich genau ausrechnen lassen, was wohl passieren wird. Toll!


Tsukuyumi ist so an manchen Stellen natürlich anstrengend. Es kommt im Verlauf des Spiels häufig zu extremen Ansammlungen von Einheiten und Tokens, sodass es an manchen Stellen schwer fällt den Überblick zu behalten. Was für Werte hat nochmal diese Einheit? Was für Tokens liegen dort? Tsukuyumi ist an dieser Stelle viel Kopfrechnen. Was passiert wenn. Okay, nochmal die Alternative durchrechnen. Manchmal will ich mir fast einen Block und Stift nehmen, um meine Alternativen auf Papier durchzurechnen. Das führt zu Downtime. Auch, dass die Einheiten auf Papp-Standees geliefert werden, und man diese auch noch oft drehen muss, um zu sehen, welche Werte auf ihnen sind, hilft nicht bei der Übersichtlichkeit. Miniaturen mit beiliegenden Karten hätten das Problem aber auch nicht gelöst.


Tsukuyumi ist daher kein Spiel für jedermann. Es ist ein Liebhaberprodukt, ein Spiel in welches man sich reinbeißen muss. Tsukuyumi belohnt aber diejenigen, die das wollen und getan haben. Die unfassbare Asymmetrie und das tolle Thema lassen jedes Herz höher schlagen. Spiele ich mit ebenfalls erfahrenen Spielern zusammen, kann ich viele viele schöne Stunden in dieser Welt verbringen. Es lohnt sich aber definitiv eine Probepartie. Mich hat das Spiel aber überzeugt!

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Tsukuyumi von Felix Mertikat
Erschienen bei King Racoon Games
Für 3 bis 5 Spieler in ca. 150 Minuten
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier King Racoon Games)