25.03.2019

Dwar7s Fall


Wie gemütlich es doch ist, König eines Zwergenreiches zu sein! Nicht viel muss beachtet werden: Hier und da das eigene Königreich erweitern, und natürlich die Zwergenuntertanen zum Schuften in die Edelsteinminen schicken, um rechtzeitig vor dem einbrechenden Winter genug Nahrung zu ertauschen. Da bleibt sicher Zeit, um am Ende des Tages zufrieden die Füße auf einen Sack voller Edelsteine zu legen und… Moment, warum liegt hier kein Sack voller Edelsteine? Wie bitte…? Was soll das heißen, „Wir können gerade keine Edelsteine mehr produzieren“?! Da sitzt ein… ein DRACHE vor der Burg? 

Ja, richtig gehört. Ein Drache blockiert jetzt alle Minen in eurem Königreich. Weil ein anderer Spieler ihn dort platziert hat. Herzlich willkommen zu Dwar7s Fall, einem Spiel von Luis Brüeh für 2-4 Spieler. Es wäre eine sträfliche Untertreibung, zu behaupten, Dwar7s Fall verbinde leichtherzige Worker-Placement- und Legemechanismen mit einem Schuss Take-That. Das Spiel zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass ihr auf jeder Ebene gegen die Interessen eurer Mitspieler arbeiten könnt. Aber fangen wir vorne an:


In eurem Zug spielt ihr Karten aus eurer Hand auf ein gemeinsames Spielfeld, und baut damit sowohl euer Zwergenkönigreich auf, als auch die Aktionsgebiete, auf denen ihr dann eure sieben Zwergenmeeple verteilen könnt um Aktionen auszulösen. Beispielsweise führen drei eurer Zwerge auf einer Rubinmine dazu, dass ihr eine Rubinkarte ziehen dürft. Habt ihr auf diese Weise die richtigen Edelsteine gesammelt, könnt ihr eine Aktion im Handelshaus auslösen, um eines der offenen ausliegenden Handelsziele für euch zu beanspruchen. Der erste Spieler, der drei Ziele erreicht (eines davon kann auch ein geheimes Ziel sein, von denen jeder zu Beginn eines erhalten hat), löst das Spielende aus.

Das heißt allerdings noch nicht, dass dieser Spieler auch gewinnt. Es gewinnt derjenige Spieler mit den meisten Siegpunkten am Spielende, und die lassen sich auch noch auf andere Arten erzielen. Die Handelsziele und das geheime Ziel sind natürlich Siegpunkte wert, aber ein weiterer wesentlicher Faktor ist euer Königreich: Eine der Karten, die ihr ausspielen könnt, um das Spielfeld zu erweitern, zeigt eure Burg, und allgemein sind auf allen Spielfeldkarten Mauern zu sehen. Jede Karte, die sich innerhalb der Mauern befindet, die von eurer Burg ausgehen, gehört zu eurem Königreich, und ist damit am Spielende Siegpunkte wert.


Außerdem fließen Edelsteine mit in die Wertung, die ihr zum Schluss noch in der Hand haltet, sowie besiegte Monster… Und die Monster führen uns jetzt zum radikal interaktiven Teil von Dwar7s Fall.

Zu den 9 identischen „Kingdom Cards“, die jeder Spieler auf der Hand hält, um damit das Spielfeld zu gestalten, gehören zwei Monster: Drache und Frostriese. Diese können im Königreich eines Gegners platziert werden, und verschaffen ihm dort so lange einen Nachteil, bis sie durch das Einsetzen von fünf Zwergen (einer Farbe) auf der Karte besiegt werden. Das bildet aber nur die Spitze des Take-That-Eisbergs.

Grundsätzlich könnt ihr nämlich jeder eure Kingdom Cards ÜBER eine Kingdom Card des gleichen Typs eines Gegners platzieren. So habt ihr oft die Möglichkeit, die Grenzen gegnerischer Königreiche zu verändern. Ihr könnt aber auch eure Zwerge auf jeder beliebigen Karte auf dem Spielfeld einsetzen. Und weil ihr sowieso mehr Zwerge besitzt, als ihr Aktionspunkte pro Zug zur Verfügung habt und die Aktionen kosten, legt euch das Spiel damit nahe, wie nützliches es doch sein kann, Aktionsfelder zu blockieren. Dein Gegner hat bereits vier Zwerge angesammelt, um den Frostriesen aus seinem Königreich zu vertreiben? Stell doch einfach einen deiner Zwerge auf das fünfte Feld. Solange dieser dort stehen bleibt, wird dein Gegner den Riesen nicht entfernen können. Das Leben als Zwergenherrscher ist nicht gemütlich, sondern hart und unerbittlich.


Das einzige Mittel, um im Take-That-Wahnsinn ein As im Ärmel zu behalten, sind Ogerkarten. Diese dürft ihr durch eine Aktion in einer Ogertaverne von einem verdeckten Stapel ziehen. Oger sind wohl so etwas wie die Söldner der Zwergenwelt. Sie erledigen die Drecksarbeit, wie fremde Zwerge von einer Kingdom Card wegbewegen, oder dem Gegner Edelsteine stehlen. Durch die Oger ist es also möglich, sich aus nervtötenden Blockaden zu befreien—ein wenig Glück beim Ziehen der richtigen Ogerkarte vorausgesetzt.

Dwar7s Fall ist ein Spiel, das sich leicht erklären und mitspielen lässt, das aber darum noch lange nicht von jedem Spieler richtig verstanden wird. Das Take-That-Element ist nicht zu unterschätzen: Wer nicht gerne aktiv gegen seine Mitspieler spielt, und wer sich nicht damit arrangieren kann, selbst in seinen Aktionen behindert zu werden, wird keine Freude an Dwar7s Fall haben. 

Es mutiert dabei aber nie zu einer unfairen Angelegenheit: Meistens ist bekannt, welche Möglichkeiten einem Spieler zur Verfügung stehen—einzig die Ogerkarten sorgen für Überraschungsmomente. Aber ein Spieler, der mit den Mechanismen vertraut ist, kann auch das in seine Überlegungen miteinbeziehen. Wenn man wirklich gewinnen will, gibt es außerdem keinen Raum für persönliche Fehden. Vor allem im Spiel mit 3 oder mehr Spielern ist es wichtig, zu erkennen, wann einem das Blockieren eines Gegners selbst mehr schadet als nützt. 


Wenn ich hier immer und immer wieder von Take-That rede, möchte ich also keine Assoziationen an Munchkin und Konsorten wecken. In Dwar7s Fall gibt es keine völlig unvorhergesehenen Schwankungen im Punktestand, weil das Spiel auf Chaos und Schadenfreude basiert, im Gegenteil. Das Behindern der Mitspieler ist vor allem eine taktische Dimension, und insgesamt lädt das Spiel mehr zum Grübeln ein als dazu, darauf zu lauern, jemandem mit fettem Grinsen einen Stein in den Weg zu legen.

Wen diese Beschreibung anspricht, kann dem Dasein als Zwergenherrscher gerne eine Chance geben!

Zumal sich das übersichtliche kleine Spiel mit den Erweiterungen noch einmal um einige interessante Elemente erweitern lässt: Die Royal Decrees Minierweiterung liegt der (über die Verlagsseite von Vesuvius Media erwerbaren) Kickstarter Edition des Spiels bei. Diese fügt vor allem die spannende Möglichkeit hinzu, eure normalen Zwergenmeeple in verschiedene Klassen aufzuwerten, um Spezialfähigkeiten zu nutzen (ein Kriegerzwerg kann bspw. einen gegnerischen Zwerg verschieben!). Darüber hinaus liefert Royal Decrees „Szenarien“, und damit ist nicht anderes gemeint als: Alternative Regeln. Wer nicht genug von Dwar7s Fall bekommen kann, findet hier einen netten Experimentierkasten, um mehr Abwechslung in die Partien zu bringen. Natürlich schwanken die Szenarien in der Qualität. Manche halte ich für unspielbar, andere bieten nette Twists – das ist sicherlich eine Geschmacksfrage. 


Die gesondert verkaufte Empires Expansion fügt weitere spielbare Völker mit asymmetrischen Startbedingungen zu (Elfen, Oger und Kristallzwerge), sowie eine weitere Klasse für eure normalen Zwerge, die Alchemisten. Wunderbar: Das Spiel liefert für jedes Volk und jede Klasse eigens gestaltete Holzmeeple. Weniger benutzerfreundlich ist hingegen, dass alle Sonderregeln (vor allem der Völker, aber auch der Klassen) nur in der Anleitung zusammengefasst sind. Das macht das Erlernen der neuen Möglichkeiten etwas fummelig, eine Spielerhilfe wäre sinnvoll gewesen. Wirklich ärgerlich ist aber ein optischer Makel: Die neuen Kingdom Cards der Empires Erweiterung sind nicht farbidentisch mit den Karten des Grundspiels.

Von diesen kosmetischen Makeln abgesehen ist die Empires Erweiterung für Freunde des Grundspiels sehr zu empfehlen. Wem das Grundspiel aber nicht zusagt, wird hier nichts finden, was seine Meinung ändert.


Als rein kosmetische Upgrades stehen euch außerdem eine Neopren-Spielmatte und ein Stickerpack für die Holzmeeple zur Verfügung. Ob das Aussehen derselben einen Kauf rechtfertigt, könnt ihr anhand der Bilder beurteilen.
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Dwar7s Fall von Luis Brueh
Erschienen bei Vesuvius Media  
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 60 Minuten

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Vesuvius Media)