31.01.2020

Endeavor: Age of Sail


Viele Brettspiel-Begeisterte kennen es: Es gibt haufenweise gute alte Spiele, dennoch sehnt man sich auch so sehr nach dem Neusten. Man will den Puls der Szene erleben und auch den „heißen Scheiß“ auf den Tisch bekommen. Nun gibt es in letzter Zeit immer mehr Verlage, die alte Klassiker wieder neu auflegen. Dabei wird an der Grafik gearbeitet, die Regeln geupdatet und ab und an kommt noch etwas Neues hinzu. Durch all das, wird das Spiel dem Publikum wieder schmackhaft gemacht. Wie groß die Erfolge damit sind, kann man an Roxley’s Brass oder der Neuauflage von Fireball-Island sehen. 

Auch Endeavor ist für Brettspielverhältnisse mit seinen 10 Jahren ein alter Schinken. Aber ein verdammt guter Schinken, soviel sei vorangestellt. Wer das Spiel bereits in seiner alten Form kennt, (es gab es auf Deutsch unter dem Titel ‚Magister Navis‘), der springe direkt zu Punkt zwei, wo auf die Neuerungen eingegangen und diskutiert wird, ob sich diese Neuauflage lohnt. Bei wem der Name Endeavor/Magister Navis keine Glocken erklingen lässt, dem sei angeraten, etwas Seeluft unter Punkt eins zu schnuppern. Und wen nur mein Fazit interessiert, ihr findets in Punkt drei. Los geht’s! 


1.

In Endeavor – Age of Sail, oder der etwas holprigen deutschen Übersetzung Segelschiffära, managet jeder von uns einen Hafen in Europa, von dem aus es gilt die Welt zu erobern. Dabei fängt man klein an, hat in der ersten Runde nur wenige Arbeiter und meistens und ein bis zwei Aktionen zur Verfügung. Doch Runde um Runde kommen neue Gebäude in den eigenen Hafen und erhöhen damit die Aktionsauswahl und -vielfalt. 

Das Hauptelement des Spieles sind die vier Leisten, welche die Kraft des Imperiums darstellen. Industrie, Kultur, Reichtum und Einfluss heißen diese. Einzigartig an Endeavor ist, dass diese Leisten für sehr simple Dinge stehen und dennoch eine enorme Spieltiefe entwickeln können. Die Industrieleiste gibt an, aus welcher Stufe das Gebäude maximal sein darf, welches man am Anfang einer jeden neuen Runde bekommt. Wie viele neue Arbeiter man bekommt, regelt die Kulturleiste und wie viele Arbeiter man aus Aktionsgebäuden zurücknehmen (und damit die Aktion für die nächste Runde verfügbar macht), ist abhängig vom Reichtum. Letztlich bestimmt die Einflussleiste, wie viele Karten man haben darf. Es ist wirklich unglaublich elegant!


Die Grundmechanik des Spieles besteht nun darin, dass die vor dem Spiel auf der Weltkarte verteilten Chips, von den SpielerInnen eingesammelt werden. Fast jedes Mal, wenn man segelt oder etwas einnimmt, legt man seinen Marker auf ein Feld, von dem man sich den Chip nehmen kann. Dieser Chip zeigt dann eines der vier Leistensymbole und man geht in der entsprechenden Leiste einen Schritt nach vorn. Gleiches gilt für Karten: Wenn man eine Karte bekommt, sind auch auf dieser Symbole abgedruckt, welche man auf den Leisten abträgt. Es ist wirklich so unglaublich simpel und so unglaublich schön. Dem geneigten Leser wird meine Meinung zu diesem Spiel wahrscheinlich schon jetzt klar sein, doch sehen wir erst einmal, was die Neuauflage gebracht hat.

2.

Am Autoren-Duo hat sich auch in dieser Neuauflage nichts geändert, es handelt sich immer noch um Carl de Visser und Jarrett Gray. Was haben diese nun verändert?

Zunächst einmal ist die Box größer geworden. Die einzelnen Spielerbögen sind größer, schöner und strukturierter und der größte Unterschied das Basisspiel betreffend, sind die Gebäude. Diese haben ein enormes grafisches Update bekommen und sehen nun wirklich wunderschön aus. Obendrauf kommt, dass diese im Laufe einer Partie Endeavor im eigenen Hafen eine schöne Kai-Reihe bilden. Letztlich hat Endeavor Game-Trayz bekommen und die Sortiereinlage für die Gebäude möchte ich wirklich nicht missen – großartig. 


Die große Neuerung am Spiel selbst bilden die Abenteuer: 15 sind es an der Zahl, wovon jedes Spiel drei Stück entweder zufällig gezogen oder ausgewählt werden können. Ein Abenteuer modifiziert dann Regeln oder bringt zusätzliche ins Spiel. Meistens jedoch bietet ein Abenteuer Möglichkeiten für zusätzliche Punkte. Diese Abenteuer sind dabei an bestimmte Regionen des Spielplans geknüpft und werden erst dann aktiv, wenn beide relevanten Regionen erschlossen sind. Auch darf nur derjenige an den Abenteuern partizipieren, der in beiden Regionen präsent ist. Diese Abenteuer nehmen dabei auch, wie das Spiel selbst, interessante Aspekte der Entdeckungsgeschichte der Welt ins Visier und lassen sie auf dem Spielplan zum Leben erwecken. 

3.

Was bleibt dann noch zu sagen? Das Spiel ist großartig! Ob man die Abenteuer benötigt, darüber kann man streiten, jedoch erhöhen sie fraglos den Wiederspielwert enorm. Wer sie nicht mag, kann diese auch einfach weglassen. Das Spiel besticht durch seine Eleganz und Einfachheit. In den ersten Runden geht alles ganz seicht los und spätestens ab Mitte des Spieles, nach drei bis vier Runden ist man so in die strategische Tiefe hineingewachsen, dass man gar nicht will, dass Endeavor schon nach sieben Runden vorbei ist. Aber es ist gut so! Alles ist ausgewogen und skaliert gut mit Runden und Spielerzahl. Durch diesen seichten Einstieg kommen auch weniger Erfahrene gut ins Spiel rein und finden sich schnell zurecht. 


Die Materialqualität ist ausgezeichnet. Die Game-Trayz sind ein Traum und auch die Pappplättchen fühlen sich gut an. In der Ausstattung gibt es nur eines zu bemängeln: Es wird einem immer wieder vor Augen geführt, wenn man nicht die KS-Version besitzt, denn das Inlay ist extra für diese konzipiert. In meiner deutschen Version liegen dann z.B. ein paar Kanonenmarker traurig in der Box, wo sich in der KS-Version Miniaturen befinden. Aber gut, sowas ist man leider schon oft gewöhnt. 

Wer Endeavor nicht besitzt, sollte die Augen aufmachen und zusehen, wo man dieses Juwel herbekommt. Wer es besitzt und selten spielt, sollte es unbedingt wieder auf den Tisch bringen, und wer es besitzt und häufig spielt, für den lohnt sich unter Umständen sogar die Neuanschaffung, denn diese Abenteuer haben einiges zu bieten. 

Endeavor ist ein rundum schönes Spiel für nahezu alle Alters- und Spielegruppen.


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Endeavor: Age of Mail von Carl de Visser und Jarrat Gray
Erschienen bei Grand Gamers Guild und Burnt Island Games
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 75 Minuten
Boardgamegeek Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Grand Gamers Guild)