10.02.2020

Movie Empire


„And the Oscar goes to….“…. Movie Empire? Das werden wir gleich noch sehen. Aber mal ganz ehrlich: Ist es fair, einem bekennenden Movie-Nerd kurz vor der alljährlichen Oscar-Verleihung eine Brettspiel zum rezensieren in die Hand zu drücken, das mit viel Liebe zum Detail und einem grandiosen Artdesign in das Thema Filmproduktion getaucht wurde? In dem ein Großteil der Karten vor Verweisen auf bekannte Filme und Stars nur so strotzt bzw. das ganze Thema mit einem großen Augenzwinkern ordentlich durch den Kakao zieht, ohne es lächerlich zu machen. Ein Spiel, das noch dazu irgendwie an den PC-Klassiker „Mad TV“ erinnert, auch wenn das Setting ein etwas anderes ist. Kann so eine Rezension denn überhaupt objektiv sein? Nein…aber welche Rezension ist das schon?


Bis zum erscheinen dieser Rezension ist die diesjährige Oscarverleihung sicherlich längst Geschichte und die Preisträger dürften angesichts der Nominierten sowie der bisherigen Preisverleihungen keine großen Überraschungen gewesen sein. Ebenso sind die Mechaniken von Movie Empire alles andere als überraschend. Wir haben hier astreines Workerplacement vor uns, was im Rahmen des Gesamtsettings allerdings absolut konsequent ist. Aber der Reihe nach: Das „Spielbrett“ besteht aus vier modularen Spielfelder, die jeweils andere Bereiche der Filmproduktion abdecken. Außerdem erhält jeder Spieler noch ein eigenes Tableau, das leider nicht auf dem gleichen Material gedruckt wurde, wie die Spielfelder, was aber zu verschmerzen ist. Schönes Detail am Rande: Sowohl die Spielfelder als auch die Spielertableaus sind zweiseitig bedruckt und bieten jeweils ein abgewandeltes Design des Geschehens. Zu Beginn jeder Runde erhält jeder Spieler ein (zusätzliches) Budget, das davon abhängt, wie wohlgesonnen einem der Studioboss ist (erkennbar auf dem eigenen Tableau). Dieser teilt den Spielern dann auch mit, welcher „Jahresplan“ für diese Runde gilt. Diese Pläne setzen bestimme Sonderregeln für die aktuelle Runde.


Genug mit dem Boss geplaudert, geht es los und die Produzenten schicken ihre Produktionsassistenten (Worker) raus ins Studiogelände, um den eigenen Film zu produzieren. Zwei davon darf man pro Runde kostenfrei losschicken, der Rest kostet Geld. Zur Produktion eines Films benötigt man natürlich ein Drehbuch, das klar vorgibt, welche Produktionsschritte (in Form von Produktionskarten einer bestimmten Farbe) zur Fertigstellung benötigt werden. Ganz im Sinne der Spielmechanik bekommt aber nicht jeder in jeder Runde ein Drehbuch und überhaupt bekommt es nur einer kostenlos, unabhängig davon, wie viele Spieler eigentlich mitspielen. Apropos Anzahl der Spieler: aus Gründen des Balancings sind natürlich alle relevanten Spielfelder mit der Anzahl der benötigten Spieler gekennzeichnet. Aber zurück zum Thema: Hat man schon ein Drehbuch oder kann oder will man aktuell keines Einkaufen, dann gibt es noch diverse andere Handlungsmöglichkeiten, wie bspw. einen Star zu casten, mehr Geld erhalten, Startspieler werden, andere sabotieren oder beim Boss anschwärzen – oder sich selbst beim selbigen einschleimen, schwarze Akten erhalten, oder einen fertigen Film veröffentlichen. Die wichtigste ist jedoch, die eigene Produktion vorzubereiten (auch wenn man noch gar kein Drehbuch hat!). Die eigentlichen Produktionskarten sind nämlich in vier Kategorien unterteilt (Vorproduktion, Dreharbeiten, Postproduktion, Marketing) und jeder Film benötigt eine andere Kombination dieser vier Kategorien, damit der Film überhaupt fertiggestellt werden kann. Die Karten, die die Assistenten einsammeln, landen (nach ihrer Bezahlung) zunächst auf der Hand des Produzenten, wobei er niemals mehr als 4 Karten besitzen darf. In dieser Phase darf allerding jeder Spieler auch immer seinen Film produzieren, d.h. beliebig viele Karten in die eigene Produktionslinie legen, wobei jeder Spieler maximal zwei davon gleichzeitig vor sich liegen haben darf (wenn der Boss einem wohlgesonnen ist!) und diese grundsätzlich mit einem Drehbuch und einer Produktionskarte beginnen müssen. 


Das Erweitern der Produktionslinie ist jedoch nicht ohne: neue Karten dürfen nur ganz links oder ganz rechts angelegt werden. Klingt zunächst nicht schlimm. Aber nehmen wir mal an, das Drehbuch verlangt jeweils mindestens 2 Vorproduktions-, 2 Dreharbeiten und 2 Postproduktionskarten und man hat 2 - 1- 2 vor sich liegen, dann kann man hier keine zweite Dreharbeiten-Karte mehr anlegen. Heißt: Die eigene Produktion will ordentlich vorab geplant sein, sonst hat man am Ende entweder keinen guten Film oder aber man muss ständig Handkarten abwerfen (da man ja nur 4 gleichzeitig besitzen darf). Außerdem kommen hier noch Upgradekarten hinzu, die bestehende Karten besser machen und Sonderboni geben sowie Joker, die für jede beliebige Kategorie stehen können. Hat man einen Star für sein Projekt gewonnen, kann dieser an einer beliebigen Stelle in der Produktionskette eingesetzt werden, ohne dass diese dadurch gestört wird. Stars haben jedoch gewisse Faible und Ablehnungen bei ausgewählten Genres oder andere „Macken“, auf die geachtet werden muss. Um das Spiel dann (noch) dynamischer zu machen, können Spieler sogenannte schwarze Akten einsetzen, um anderen Spielern zu schaden oder sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Diese lassen jedoch das Ansehen beim Boss sinken. Diese Mechanik ist jedoch komplett freiwillig und kann beim Spielen auch komplett weggelassen werden.


Ist diese Phase rum, kommt es - sofern jemand einen Film veröffentlichen möchte – zur Premiere. Im ersten Schritt muss sich jeder Spieler, der einen Film veröffentlicht, für einen Markt (USA, Europa, Asien oder das Interner) entscheiden und dann geht es ans Siegpunkte (Prestige) vergeben: Die einzelnen Karten haben aufgedruckte Prestigepunkte, die nun addiert werden. Die Punkte des Drehbuchs bekommt man jedoch nur, wenn man die dort genannten (Mindest-)Bedingungen erfüllt hat. Gleiches gilt für die Stars und ihre Macken. Zu guter Letzt wird noch geschaut, wie opulent das eigene Meisterwerk war: Hat man mehr als 5 Produktionskarten genutzt, gibt es zwei zusätzliche Prestige-Punkte, aber gleichzeitig verliert man einen Punkt beim Boss-Ansehen. Außerdem bieten die einzelnen Märkte noch besondere Belohnungen. Und da dies noch nicht genug ist, prüft man nach der Premiere noch, ob man auf der aktuellen Trend-Welle surft und bekommt hierfür eventuell auch noch Boni und vielleicht sogar eine goldene Statue, die hier leider keinen Namen hat ;). Anschließend legt man alle Karten des eigenen Films ab und behält zum Andenken nur noch die Drehbuchkarte.


In der vierten und letzten Phase kehren alle Assistenten zu den Produzenten zurück, die auf den Spielbrettern ausliegenden Karten rutschen weiter und werden teilweise abgeworfen und der Startspielermarker wird weitergegeben. 

Nach insgesamt 10 Runden endet das Spiel (gekennzeichnet dadurch, dass nur noch eine Trendkarte vorhanden ist) und die Schlusswertung beginnt. Hier gibt es noch Siegpunkte für die Boss-Sympathie, das restliche Geld und ungenutzte schwarze Akten. Außerdem bekommen die Spieler zusätzliche Siegpunkte durch die Art und Anzahl der veröffentlichten Filme (meiste Filme insgesamt, meisten in einem Genre, meisten in einem Markt veröffentlichten, ein Film in jedem Markt, ein Film in jedem Genre) und der Spieler mit den meisten Statuen bekommt auch nochmal einen ordentlichen Bonus.


Eurogame hin oder her, grundsätzlich austauschbares Setting, klar, aber die Vielzahl an Anspielungen, die Liebe zu jedem noch so kleinen Detail und die gewaltige Prise Humor, machen Movie Empire zu einem absoluten Highlight für jeden Filmfan. Und auch abseits dieser Zielgruppe macht das Spiel aufgrund seiner letztlich simplen Workerplacement-Mechanik mit ordentlichen Auswahlmöglichkeiten wirklich Spaß. Hinzu kommen noch die beiden Erweiterungen „Blockbuster“ und „Horror“, die wir ebenfalls testen durften und die sich (fast) reibungslos ins Hauptspiel integrieren lassen. Das einzige was stört, ist, dass man daran denken muss, dass Stars und Jahrespläne, die sich auf Actionfilme beziehen, nun auch für Horrorfilme gelten. Das ist etwas schade, aber zu verschmerzen. Das Hauptspiel selbst bringt zudem eine Kurzfilm-(= Kurzspiel)-Variante sowie eigene Karten und Regeln für das Solo-Spiel mit, was vielleicht den ein oder anderen in einer langen Oscar-Nacht auch mal wachhalten könnte.

In Summe ist Movie Empire also vielleicht kein Blockbuster im eigentlichen Sinne, aber für jeden Movie-Nerd mit Brettspielambitionen sicherlich die perfekte Mischung und ein optimales Geburtstagsgeschenk. Und in jedem Fall bekommt es einen Oscar für „Best Visual Effects“, denn der hierüber transportierte Humor trifft bei mir genau ins Film-Nerd-Herz. Für alle anderen gilt: Wer Eurogames und Workerplacement mag (und eine ordentliche Prise Humor mitbringt), kann hier nichts falsch machen!

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Movie Empire von Karsten Schulmann
Erschienen bei Stimulus Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 120 Minuten

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Stimulus Games)