15.05.2020

First Contact


Krrkrrkaa Klorrrklaa Larrrblrra Frlrorlaar. So oder so ähnlich muss es sich angehört haben als ich in meiner Erstpartie First Contact in den Genuss kam, auf der Seite der Aliens zu spielen. Denn spielthematisch geht es als Alien darum, den uns anhimmelnden Ägyptern unsere Sprache soweit beizubringen, dass wir ihnen zumindest kommunizieren können, was wir gerne als Geschenk zu Forschungszwecken wieder mit auf unseren Heimatplaneten nehmen wollen. Die Ägypter versuchen wiederum, einzelne Wörter unserer Aliensprache möglichst schnell zu lernen, um so unsere Hinweise – die Geschenke betreffend – richtig deuten zu können. Dafür ist es natürlich absolut nicht nötig, zunächst eine Aliensprache zu erfinden und sie den anderen Mitspielern so leidenschaftlich, wie ich es damals tat, zu präsentieren. Doch ich wüsste nicht, wie man dieser Versuchung widerstehen sollte, vor allem, wenn die anderen mitspielenden Aliens sogleich auf den Zug bzw. das Ufo aufspringen und unter prustendem Lachen der Ägypter mit in das Kauderwelsch einstimmen. Ich denke es liegt auf der Hand, dass wir es hier mit einem sehr thematischen Spiel zu tun haben. Allerdings stellt sich ebenso die Frage, ob es dem Spiel gelingt, eine solch ausgefallene und zugleich spannende Thematik spielemechanisch überzeugend umzusetzen. Bevor wir im Fazit vor allem auch auf diese Frage antworten, schlage ich vor, wir werfen zunächst noch einen kurzen Blick auf das Material und den genauen Spielablauf.


Material

Das Spiel kommt mit hochwertigem und ansprechend gestaltetem Material und beinhaltet 12 Sprachtafeln für die Aliens, die stets eine andere Zuordnung von Symbolen und Alienwörtern (z.B. „rund“ oder „Pflanze“) anzeigen; 12 Auftragskarten, die á la Codenames den Aliens anzeigen, welche der später im 5x5-Raster ausliegenden Gegenstände sie von den Ägyptern geschenkt bekommen wollen; eine abwischbare Schreibtafel, auf der die Aliens mithilfe der Symbole ihr Wünsche kommunizieren; 5 abwischbare Stifte, wie man sie u.a. aus Just One kennt; 75 Gunstplättchen in verschiedenen den Aliens zugeordneten Farben; 4 Notiztafeln, auf denen die Ägypter erlernte Symbole notieren können; 4 Wahltafeln, mit deren Hilfe die Ägypter den Alien ihre Geschenkeauswahl kommunizieren; 60 illustrierte Objektkarten mit möglichen Geschenken (z.B. Stuhl, Elefant, Pyramide oder Amboss); und insgesamt 5 Sichtschirme, ein gemeinsamer für die Aliens und jeweils einer für jeden Ägypter. 


Seit Just One dürfte klar sein, dass die mitgelieferten Stifte nicht ewig halten, aber man kommt zumindest eine Weile mit ihnen aus und kann sich bei Bedarf leicht Nachschub im Schreibwarenhandel besorgen. Ansonsten lässt sich am Material wirklich nichts aussetzen. Es ist alles da, was man braucht, nichts scheint überflüssig, und auch die Qualität des Materials lässt wenig Raum für Kritik – außer ihr habt was gegen aus dicker Pappe massiv zusammengepresste und schlicht aber schön gestaltete Hochglanz-Sprach- und Schreibtafeln.

Ablauf

Obwohl First Contact bereits zu zweit und auch zu dritt spielbar ist, wurde es eigentlich als Team-Spiel designt, in dem auf der einen Seite das Team der Aliens steht und auf der anderen das Team der Ägypter. Allerdings – und das ist schonmal ein interessanter Kniff, wie ich finde, – spielt man in den Teams selbst genaugenommen gegeneinander, da am Ende immer nur genau eines der Aliens und einer der Ägypter gewinnen können.


Das Spiel wird in mehreren Runden gespielt und endet, sobald das erste Alien alle gewünschten Objekte von den Ägyptern erhalten hat. Dieses Alien ist somit gleichsam der Sieger, wohingegen es bei den Ägyptern darauf ankommt, wer zu diesem Zeitpunkt am meisten Gunstplättchen für richtig ausgewählte Geschenke von den Aliens überreicht bekommen hat. In einer Runde gibt es immer eine Ägypterphase und eine Alienphase. In der Ägypterphase kommen die Ägypter der Reihe nach dran und versuchen den Aliens durch das Umdrehen mehrerer der 25 ausliegenden Objektkarten erfolgreich zu kommunizieren, welchen Begriff sie in dieser Runde lernen wollen. Möchte einer der Ägypter beispielsweise das Alien-Wort für ‚wertvoll‘ lernen, dreht er oder sie möglicherweise die Objekte ‚Geld‘, ‚Edelstein‘ und ‚Haus‘ um. Im Anschluss überlegen die Aliens gemeinsam – und weder die Ägypter noch die Aliens dürfen konkrete Begriffe laut aussprechen oder dem jeweils anderen Team zeigen –, welchen Begriff der Ägypter gemeint haben könnte, schreiben anschließend das entsprechende Aliensprache-Symbol für den ausgewählten Begriff – im besten Fall das Symbol für den Begriff ‚wertvoll‘ in unserem Beispiel – auf ihre Schreibtafel und zeigen es dann allen Ägyptern. Danach ist der nächste Ägypter an der Reihe, überlegt welchen Begriff er oder sie erlernen möchte und dreht entsprechende Objektkarten um. Die Aliens überlegen wieder gemeinsam, suchen sich das passende Symbol aus und zeigen es den Ägyptern. Sobald alle Ägypter einmal an der Reihe waren, beginnt die Alienphase, in der die Aliens nun reihum verschiedene bereits kommunizierte Aliensprache-Symbole auf ihre Schreibtafel schreiben, mit denen sie eines der Objekte, die sie geschenkt bekommen wollen, näher umschreiben. Möchte ein Alien beispielsweise einen Elefanten mit auf den Heimatplaneten nehmen, könnte es die Symbole für die Begriffe ‚lebendig‘ und ‚groß‘ kombinieren – sofern sie von den Ägyptern schon gelernt wurden – und hoffen, dass die Ägypter darauf kommen, dass ein Elefant gemeint ist. Im Anschluss dürfen die Ägypter jeweils geheim ihren Tipp notieren und diejenigen Ägypter, die richtig liegen, bekommen vom erfolgreich beschenkten Alien ein Gunstplättchen, die sie sammeln, um am Ende zu gewinnen. Wenn alle Aliens ein Objekt mithilfe der Symbole beschrieben haben und die Ägypter entsprechend versucht haben, das zugehörige Objekt zu erraten, beginnt eine neue Runde mit der Ägypterphase.


Fazit

Ich habe selten ein Spiel erlebt… Nochmals von vorn… Ich habe noch nie ein Spiel erlebt, das es schafft, einfaches Begrifferaten so unheimlich thematisch umzusetzen. First Contact läd dazu ein, alberne Aliensprachen zu erfinden und gemeinsam am Tisch über fatale Missverständnisse zu lachen. Im Vorhinein war ich mir nicht sicher, wie es möglich sein sollte, die Spielidee auch spielemechanisch so umzusetzen, dass ein spielbares und zugleich spaßiges Spiel herauskommt. Doch genau dies ist den Machern von First Contact eindrucksvoll gelungen. Denn der Spielablauf ist klar und logisch, das Wörtererlernen und -raten funktioniert einwandfrei und auch sonst läuft das Spiel recht flüssig und macht sowohl auf der Alien- als auch auf der Ägypterseite grundsätzlich Spaß. Darüber hinaus ist es schön, dass das Spiel eine kurze und eine lange Variante sowie regeltechnisch die Möglichkeit anbietet, den Ägyptern bereits vor der ersten Runde ein erlerntes Wort zu ‚schenken‘. Dadurch kommt das Spiel schneller ins Rollen, wobei es den Anfang natürlich leichter gestaltet und von Vornherein weniger Raum für Missverständnisse bietet. 


Die spannendsten und vor allem auch lustigsten und somit spaßigsten Partien entstehen jedoch genau dadurch, dass es im Laufe der Partie zu richtigen Missverständnissen in der Kommunikation kommt. Einer der Ägypter möchte beispielsweise das Symbol für ‚rund‘ lernen und dreht entsprechend runde Objektkarten um, z.B. den Apfel, die Melone und die Trauben. Im Anschluss überlegen die Aliens gemeinsam, was gemeint sein könnte, sind sich sicher, dass der Begriff ‚lebendig‘ gesucht wird – da der Begriff ‚Pflanze‘ schon beigebracht wurde – und zeigen das Symbol den Ägyptern, von denen mindestens einer nun ebenso sicher davon ausgeht, dass das gezeigte Symbol für ‚rund‘ steht. Später in der Alienphase möchte das Alien mithilfe des zuvor gelernten Symbols für ‚lebendig‘ und eines anderen Symbols für ‚fliegen‘ auf das begehrte Objekt „Vogel“ hinweisen. Der Ägypter versteht sofort: ‚rund‘ und ‚fliegen‘? Er muss den „Lederball“ meinen! Den Machern von First Contact war natürlich ebenfalls bewusst, wie wichtig solche Missverständnisse für den Spielspaß sind und entschieden sich vermutlich auch darum dafür, das soeben skizzierte Beispiel groß auf die Rückseite der Spieleschachtel zu drucken. In meiner ersten Partie ist glücklicherweise ein ähnliches Missverständnis aufgetreten und die Verwirrung der uns gegenübersitzenden Ägypter wurde merklich größer und größer und mein Grinsen immer breiter und breiter. Am Ende haben wir Tränen gelacht und ich war zu 100% begeistert vom Spiel und wollte gleich noch eine Partie spielen.


Allerdings war diese zweite Partie mit der gleichen Gruppe nicht mehr ganz so lustig, da es diesmal zu keinem Missverständnis kam, sondern alles recht flüssig und eigentlich ohne jegliche Fehlinterpretationen ablief. Dasselbe wiederholte sich auch in darauffolgenden Partien immer wieder mal, denn oft sind die Hinweise, die man bekommt, doch recht eindeutig, denn was soll anderes als ‚Werkzeug‘ gemeint sein, wenn der Hammer, das Messer und die Schaufel umgedreht werden. Vielleicht eine „Waffe“… aber wahrscheinlicher ist dann doch das Werkzeug – und so war es auch. Dasselbe gilt dann auch beim Raten der richtigen Objekte, denn es ist wohl keine große Kunst, auf ‚Elefant‘ zu kommen, wenn man die Symbole für ‚groß‘ und ‚lebendig‘ vorgibt. Obwohl es 60 verschiedene Objekte gibt und die Symbole immer anderen Begriffen zugeordnet werden, sind es dennoch in jeder Partie dieselben 25 Begriffe (z.B. ‚rund‘, ‚lebendig‘, ‚Werkzeug‘, ‚fliegen‘ etc.), die man den Ägyptern beibringen muss. Da bekommt man schnell den richtigen Dreh raus und Kommunikationsschwierigkeiten, die das Spiel so interessant machen, tauchen daher nicht immer auf. Und genau hierin liegt auch der größte Kritikpunkt am Spiel: es ist alles in allem oftmals einfach zu leicht und ich würde mir wünschen, es gäbe noch mehr Mechanismen, die das Entstehen von Missverständnissen weiter fördern. Zudem birgt das kompetitive Element, so erfrischend es im Grunde für ein Team-Spiel auch ist, den Nachteil, dass vor allem die Kommunikation zwischen den Ägyptern sehr mager ausfällt und die Downtime, die allerdings nicht allzu groß ist, für alle am Spiel beteiligten eher ereignislos und entsprechend langweilig verläuft – Kroplak prachrrtrol? Das heißt: „Wann geht’s endlich weiter?“ in Alienisch.


Zuletzt stellt sich noch die Frage, für wen ich First Contact nun empfehlen würde, und diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Diejenigen, die Codenames und andere Begriffratespiele bereits liebgewonnen haben und nun nach einer sehr thematischen Perle unter den Genrevertretern suchen, werden bei First Contact sicher fündig. Allerdings wird diese Perle leider nicht für alle so hell glänzen, wie ich es mir wünschen würde, da sich vor allem erfahrene Codenames-Spieler mit diesem Spiel unterfordert fühlen könnten. Solltet ihr jedoch mit unerfahreneren und/oder jüngeren Brettspielern spielen wollen oder an einem gemütlichen Abend mit Freunden bereits die dritte Flasche Wein angebrochen haben, könnte dies das Missverständnispotential erhöhen und für mehr Spielspaß sorgen. Aber das werdet ihr selbst ausprobieren müssen.

Auch ich werde das Spiel gelegentlich in Gesellschaft unerfahrenerer Brettspieler und vielleicht auch in kleineren Gruppen nach der zweiten oder dritten Flasche Wein auf den Tisch holen und hoffen, dass wir uns möglichst nicht verstehen, im Grunde genommen alle ziemlich schlecht spielen und wieder so herzhaft lachen können, wie wir es in unserer ersten Partie und der ein oder anderen Folgepartie konnten. Und genau das wünsche auch ich euch bei Eurem First Contact!


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First Contact von Damir Khusnatdinov
Erschienen bei Huch
Für 2 bis 7 Spieler in ca. 25 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Huch)