03.09.2020

Skytear


I need a hero, I'm holding out for a hero 'til the end of the night! He's gotta be strong and he's gotta be fast, and he's gotta be fresh from the fight!

Bonnie Tyler hätten die heute so angesagten Moba-Computerspiele wie Vainglory, DOTA 2 und League of Legends sicher gefallen! Schließlich spielt man in diesen tapfere und immer stärker werdende Helden, scharrt seine Lakaien um sich, kämpft gegen die Helden der anderen und versucht deren Türme und Basis zu zerstören. Und genau darum geht es auch in Skytear, das eben genau von jenen Moba-Games inspiriert wurde. Inwiefern dies gelungen ist und ob dieses für 2 Personen konstruierte Miniaturenspiel unserer lieben Bonnie gefallen hätte, werde ich euch in dieser Rezension verraten!


Material

Der Inhalt des Basisspiels beschränkt sich auf vier Fraktionen mit jeweils zwei Helden- und vier Minion-Miniaturen, der großen Außenseiterminiatur, ein doppelseitig bedrucktes Spielbrett, 88 Karten (Kraft-, Helden-, Siegbedingungs- und Übersichtkarten) sowie diverse Marker aus Pappe für die Türme, Helden, Fraktionen, Zustände etc.. An der Qualität der Miniaturen gibt es nichts auszusetzen. Das Material ist hart und stabil und Details sind sehr gut zu erkennen. Auch die Karten- und Markerqualität ist auf einem guten Standardniveau und das Spielbrett ist zwar etwas karg - dafür übersichtlich -, die Karten dafür aber sehr hübsch und stimmungsvoll illustriert. Nur die Anleitung ist etwas sprunghaft gestaltet und hätte meiner Meinung nach etwas übersichtlicher sein können.


Ablauf

Eine Partie Skytear läuft über höchstens fünf Runden, in denen jeder Held genau ein Mal aktiviert wird. Jede Runde ist wiederum in eine Helden- und eine Minionphase unterteilt. In der Heldenphasen aktivieren die zwei Kontrahenten nacheinander jeweils immer genau einen ihrer Helden und führen mit ihm oder ihr bis zu drei Aktionen aus, wobei jeder Aktionstyp pro Aktivierung nur einmal genutzt werden darf. Ein aktivierter Held kann sich für einen Aktionspunkt entweder um bis zu drei Felder bewegen, einen gegnerischen Helden oder gegnerische Minions angreifen, durch eine Anbeten-Aktion eine dem Helden eigene Spezialfähigkeit aktivieren, die sich von Fraktion zu Fraktion unterscheiden, die Minions anführen, sodass sie in der Minionphase später erfolgreicher kämpfen, oder eine Scharmützel-Aktion durchführen, die zwei einzelne Bewegungsschritte und einen geschwächten Angriff in Kombination erlaubt.


Manche Helden greifen mit Nahkampf-, andere mit Fernkampfattacken an. Während man für eine Nahkampfattacke benachbart zu einem gegnerischen Helden oder Minion stehen muss, reicht bei einer Fernkampfattacke eine Sichtlinie von drei Feldern, die jedoch durch die weiße Linie unterbrochen wird, die das Zentrum des Spielfelds vom Rest des Spielfelds trennt. Darüber hinaus gibt es Felder, die einen Helden verbergen, sodass ein solcher verborgener Held nur dann durch Fernkampf getroffen werden kann, wenn ein verbündeter Held benachbart zum Angriffsziel steht - dieser Held gibt seinem Mitstreiter über die Ferne sozusagen den Hinweis, wo sich der verborgene Held genau befindet. Bei einem Angriff wird je nach angreifendem Helden eine gewisse Anzahl an Kraftkarten gezogen und diejenige mit dem höchsten Modifikator wird zum Grundangriffswert hinzugefügt, was dann den Gesamtschaden darstellt, von dem ggf. noch der Rüstungswert des angegriffenen Helden abgezogen wird. Fallen dadurch die Lebenspunkte des Helden auf Null, wird dieser vom Spielplan genommen und kommt je nachdem, ob er in dieser Runde bereits aktiviert wurde oder nicht, entweder in der kommenden oder eine Runde später wieder zurück ins Spiel. 


Bei einem Scharmützelangriff wird neben den zwei einzelnen Bewegungsschritten ein Angriff ohne Grundangriffswert durchgeführt, sodass nur der Modifikator der Kraftkarten entscheidend ist. Außerdem können die Spieler in der ersten Runde für jeden Helden genau eine Kraftkarte der Stufe 1 ausspielen, in der zweiten Runde jeweils eine der Stufe 2 usw., wobei nicht alle Kraftkarten von allen Helden ausgeführt werden können. Manche Kraftkarten können nur während der Aktivierung eines Helden ausgespielt werden, andere sogar als Konter bzw. Reaktion während eines gegnerischen Zugs. Die Kraftkarten, die nach jeder Runde nachgezogen werden, haben verschiedenste Effekte, die sowohl die eigenen Helden stärken, gegnerische Helden schwächen oder gegnerische Minions vernichten können - und vieles mehr. 

Wurden alle Helden einmal aktiviert - und somit erschöpft -, findet vorm Rundenende die Minionphase statt, in der geschaut wird, wer die Kontrolle über die drei sich auf den Flanken und im Zentrum des Spielplans befindlichen Kontrollpunkte hat, wofür die Anwesenheit eigener Helden und Minions sowie Extrapunkte durch die Anbeten-Aktion, in der man eine Handkarte oder eine verdeckt gezogene Karte unter den Helden schiebt, zusammengerechnet und dem Gegner gegenüberstellt wird. Der Sieger vernichtet je nach Überlegenheit eine bestimmte Anzahl gegnerischer Minions und rückt mit dem Kontrollpunkt näher an einen der gegnerischen Türme heran, der Schaden nimmt, sobald die Minions ihn erreichen und noch Angriffskraft übrighaben. Von dort aus ginge es als nächstes zur gegnerischen Basis, dem Nexus, bei dessen Zerstörung das Spiel sofort endet. 


Alternativ endet das Spiel, wenn einer der Spieler eine der drei ausliegenden Siegbedingungen im Laufe des Spiels erfüllt. Diese können beispielsweise verlangen denselben gegnerischen Helden zwei Mal zu besiegen oder den rechten gegnerischen Turm zu zerstören. Im Zentrum des Spielplans gibt es zudem einen weiteren Kontrollpunkt, der darüber entscheidet, wer den Außenseiter, eine große monströse Kreatur, zusätzlich zu seinen Helden für die folgende Runde kontrollieren darf. Diese darf sich zwar nicht bewegen, kann dafür aber gegnerische Helden in Sichtlinie über Fernkampf angreifen und Spezialfähigkeiten ausführen.

Fazit

Das tolle an Skytear ist, dass es durchaus strategischen Tiefgang bietet und trotz allem eine recht kurze Spieldauer hat, was für Miniaturenspiele dieser Art doch sehr ungewöhnlich, aber tatsächlich sehr erfrischend, ist. Auf diese Weise ist eine Partie schnell gespielt und die nächste kann kommen. Inwiefern bei euch das Spielgefühl der Moba-Games aufkommt müsst ihr selbst beurteilen, da in der Brettspielvariante zwar viele der Dinge passieren, die man auch aus jenen Spielen am Computer oder der Konsole kennt, aber das Ganze natürlich nicht in Echtzeit abläuft. Neben dem Design und der Spieldauer war ich auch vom Angriffssystem recht angetan. Denn Skytear kommt - Gott sei Dank! - ohne Würfel, kritischen Schaden und Fehlschlägen aus, sodass sich der Glücksfaktor, obwohl er durch die Kartenmodifikatoren (0-3) natürlich vorhanden ist, doch in Grenzen hält. 


Auch sehr schön sind die verschiedenen Siegbedingungskarten, die mehr Abwechslung ins Spielgeschehen bringen. Allerdings muss einem bewusst sein, dass die Partie auch sehr sehr wahrscheinlich durch die Erfüllung einer dieser Siegbedingungen enden wird, da die Zerstörung des gegnerischen Nexus unheimlich schwer zu bewerkstelligen ist. Und beim Vergleich der zehn verschiedenen Siegbedingungen wird man schnell merken, dass einige wiederum deutlich schwerer zu erreichen sind als andere. Hier hätte ich mir zumindest noch mehr Abwechslung gewünscht. 

Mehr Abwechslung kommt jedoch durch erweiterte Regeln und zahlreiche Erweiterungen zustande. Man kann entweder à la Magic sich der Mechanik des Stapels bedienen, mit einem Draftmechanismus die Fraktionen zu Beginn des Spiels verteilen oder gleich ein eigenes Deck aus Kraftkarten nach vorgegebenen Regeln zusammenstellen. Vor allem in der Wettbewerbsvariante, die davon ausgeht, das jeder Spieler ein eigenes Exemplar von Skytear besitzt, ergibt der Deckbau sicher Sinn. Außerdem lässt sich die Spieldauer durch das alternative Spielfeld, das deutlich größer ist, fünf Kontrollpunkte aufweist und über acht Runden geht, beträchtlich erhöhen, was meinen eingangs erwähnten Positivpunkt zwar leicht kontrakariert, aber für diejenigen, denen 30-minütige Heldenbattles nicht ausreichen, sicher eine willkommene Bereicherung darstellt. 


Schließlich muss einem jeden Käufer von Skytear bewusst sein, dass es nicht bei diesem einen Kauf bleiben wird, da das Basisspiel alleine zwar schon einiges zu bieten hat, allerdings auf Dauer doch recht eintönig wird. Hier schaffen bereits vorhandene Erweiterungen Abhilfe mit neuen Fraktionen, Helden, Außenseitern und vielem mehr. Somit ist Skytear definitiv eines der Spiele, für die man am Ende des Tages dann doch den einen oder anderen Euro investieren muss. Dafür bekommt man jedoch ein originell anmutendes kurzweiliges Miniaturenspiel mit überraschend hoher taktischer Tiefe. Mir persönlich hat Skytear gefallen und auch unsere Bonnie käme durchaus auf ihre Kosten, denn mutigen und tapferen Helden begegnet man in Skytear allemal!

In a nutshell…

Skytear ist ein von den Moba-Computerspielen inspiriertes Miniaturenspiel für 2 Personen, in dem man wie schon in League of Legends und co mit eigenen Helden die Helden des jeweils anderen sowie dessen Lakaien, Türme und Basis angreift, um die Kontrolle über verschiedene Kontrollpunkte auf dem Spielfeld zu erlangen und das Spiel am Ende entweder durch dir Erfüllung einer von drei ausliegenden Siegbedingungen oder durch die Zerstörung der gegnerischen Basis für sich zu entscheiden. Die Miniaturen und das restliche Material haben eine gute Qualität und auch am Design ist nichts auszusetzen. Skytear ist ein sehr schönes, kurzweiliges und schnell gespieltes Miniaturenspiel mit überraschend hohem strategischen Tiefgang und einem überschaubaren Glücksfaktor, das durch einige bereits vorhandene Erweiterungen jedoch den ein oder anderen Euro aus euren Geldtaschen rauben wird.

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Skytear von Giacomo Neri, Riccardo Neri, Riccardo Parmeggiani
Erschienen bei PvP Geeks
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 45 Minuten ab 13 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier PvP Geeks)