02.12.2020

Paradise Lost


Brrr! Die Eiskönigin ist erwacht und möchte sich in einem teuflischen Vorhaben alle möglichen Märchen- und Sagenwelten untertan machen. Als ein bunt zusammengewürfelter Haufen an Charakteren aus diesen Welten liegt es an 2 bis 5 Spieler*innen die magischen Reiche nach Hinweisen zu durchforsten, um am Ende den Schurken, den die Eiskönigin einsetzt sowie die Waffe, mit dem man ihn besiegen kann, zu offenbaren.

Paradise Lost ist ein stark aufgebohrtes Cluedo mit Märchensetting. Neben euren Deduktionskünsten müsst ihr auch etwas bluffen können und effizientes Worker Placement beherrschen.

Aber der Reihe nach, eins nach dem anderen, damit man nichts übersieht. Das ist auch bitter nötig, denn im kleinteiligen Spielaufbau kann schon mal was schief gehen oder aufgrund der manchmal etwas unpräzisen Spielanleitung missverstanden werden. 
Zunächst wird verdeckt eine Schurken- und eine Waffenkarte in einen Umschlag gesteckt. Sie ergeben zusammen die richtige Lösung. Die übrigen Karten werden zusammengeworfen und gemischt. Je eine dieser Karten wird zufällig unter eines der vier Orakel auf dem Spielbrett gelegt, der Rest wird gleichmäßig an die Mitspieler*innen verteilt. So hat jeder eine Hand von Karten, die individuell aufzeigen, welche Schurken oder Waffen NICHT die Gesuchten sind.


Sobald die Spieler*innen dann ihren Helden (z.B. Rotkäppchen, Merlin, Alice oder eine Ziege) gewählt, ihre Startausrüstung erhalten und die Spieler*innenreihenfolge erwürfelt haben, geht es auch schon los. Durch vier Reiche reist die Heldengruppe, an deren Ende immer ein Orakel auf sie wartet, das ihnen erlaubt, mögliche Schurken und Waffen auszuschließen, bevor sie am Ende der fünften Etappe der Eiskönigin gegenübertreten müssen. Wer dann die richtige Antwort geben kann, der gewinnt das Spiel. 

In welcher Reihenfolge die Spieler*innen das dann tun dürfen, das wird über mehrere Mechaniken bestimmt. Auf dem Weg durch die einzelnen Reiche kann man an unterschiedlichen Feldern Halt machen, um etwa seinen Vorrat an Ressourcen aufzubessern. Es gibt Münzen, Mana und „Seeker Cubes“. Hier ist immer der- oder diejenige am Zug, der oder die am weitesten hinten liegt und auf ein beliebiges freies Feld oder bis zum nächsten Orakel vorrücken darf.


Zu Beginn des Spiels wird durch Würfelwurf bestimmt, welche Ressource am Ende ausschlaggebend ist, um als Erster raten zu dürfen: Ist es der- oder diejenige Spieler*in mit den meisten Münzen? Mit dem meisten Mana? Oder der Summe aus beidem?
Um ehrlich zu sein, ist das in den meisten Fällen zweitrangig, denn unabhängig von den zu sammelnden Ressourcen darf zunächst diejenige Person einen Rateversuch unternehmen, die das Versteck des Schurken enttarnt hat. Jedem Spielenden wird zu Spielbeginn eines der fünf möglichen Verstecke verdeckt zugeteilt. Sobald alle Spieler*innen ein Orakel erreicht haben, haben sie die Möglichkeit Hinweistäfelchen zu spielen, die einen Hinweis auf das Versteck geben. Dafür werden die äußerst seltenen Seeker Cubes benötigt. Das Versteck, auf das bei Spielende die meisten Hinweistäfelchen zeigen, ist das Gesuchte und die Person, die es besitzt, darf als Erste, noch vor allen anderen, raten.

Daneben darf bei den Orakeln reihum eine Frage an die Person links vom aktiven Spieler gestellt werden, um mehr über die korrekte Schurke/Waffe-Kombination zu erfahren. Es darf nach zwei Schurken oder Waffen oder einer Kombination gefragt werden und hat die befragte Person mindestens eine zugehörige Karte auf der Hand, muss sie diese dem Fragenden offenbaren (und nur diesem!). So lassen sich nach und nach durch geschicktes Fragen die möglichen Verdächtigen eingrenzen, um am Ende die richtige Kombination zu erhalten. 


Alternativ kann man auch versuchen, eine Schriftrolle des Feuers oder des Eises zu vervollständigen. Hierfür muss man die entsprechenden Felder besuchen und eine Karte vom entsprechenden Stapel ziehen. Hat man alle fünf Karten einer Schriftrolle zusammen, weiß man automatisch, wer der Schurke oder was die gesuchte Waffe ist. Es muss am Ende also gar nicht mehr in dieser Hinsicht geraten werden.
Doch Obacht, hier verstecken sich auch Nieten, die den „Rage Tracker“ der Eiskönigin voranschreiten lassen, dadurch kommen negative Effekte ins Spiel. Hat der Marker das Ende des Trackers erreicht, werden die Spieler*Innen sofort zur Eiskönigin teleportiert und müssen sofort ihren Rateversuch unternehmen.

Ihr merkt schon, Paradise Lost steckt voller Mechaniken und Systeme, die ineinandergreifen und für ein tieferes Spielerlebnis sorgen. Im Kern geht es aber nur darum, am Ende richtig kombiniert zu haben. Daher fühlt sich der ganze spielerische Aufriss, mit Worker Placement, Ressourcenmanagement und Verstecksuche, an, als wäre es zu viel des Guten. Es fühlt sich überladen an und unnötig kompliziert. Das merkt man allein schon diesem Text an, in dem ich versucht habe, zumindest grob alle Konzepte einmal anzureißen.


Aber gerade durch diese Aspekte kommt erst richtig Stimmung am Spieltisch auf. Es fühlt sich wirklich so an, als wären alle Spieler*innen auf einer epischen Reise, um der Eiskönigin das Handwerk zu legen. Man erreicht neue Orakel, häuft massig Ressourcen an und kann die Suchen nach Schriftrollen, Verstecken und dem korrekten Schurken und der passenden Waffe immer weiter eingrenzen. Eine unglaubliche Spannung baut sich am Tisch auf, die sich dann in einem kurzen Moment des Ratens schlagartig auflöst, ja, geradezu verpufft.

Auch muss man etwas Geduld mitbringen, um die Anleitung zu verstehen und um zu kapieren wofür die einzelnen Felder auf dem Spielbrett stehen. Diese sind nur farblich und durch Zeichnungen von Gebäuden markiert, was allein aber nicht hilft, um zu verstehen, welche Aktionen man durchführen darf. Hier muss ständig die Legende auf dem Notizzettel oder die Anleitung zu Rate gezogen werden.

Visuell hat Paradise Lost einiges zu bieten. Die Minis sehen toll aus, die Artworks auf den Karten sind großartig, haben aber einen eigenwilligen Stil. Das fünfeckige Spielbrett, das wir auch als Spielmatte vorliegen haben, sieht in beiden Versionen herausragend aus. Auf dem Karton kommen die Farben aber etwas besser zur Geltung, was es auch einfacher macht, die Spielfelder zu identifizieren. Trotzdem haben wir immer mit der Matte gespielt, da sie einfacher auf- und abzubauen ist. Nachteil ist, dass sie leider zu groß ist, um in die Schachtel zu passen.

Für Fans von Fantasywelten, Abenteuer- und Deduktionsspielen kann man Paradise Lost uneingeschränkt empfehlen. Brettspiel-Einsteiger sollten sich aber eher anderweitig umsehen, zu überladen ist das Regelwerk und zu umfangreich fällt die Spielerklärung aus.
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Paradise Lost von Tom Butler
Erschienen bei Green Feet Games
Für 2 bis 5 Spieler in 40 Minuten ab 10 Jahren
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Green Feet Games)