18.03.2021

Claim


Ich finde Stichspiele wirklich toll und natürlich am liebsten in einer größeren Runde, wo man weniger absehen kann, wie die Chancen wirklich stehen. Doch gerade in diesen schweren Zeiten mit Corona wird es immer schwerer in größeren Gruppen zusammenzukommen. Umso schöner, dass es mehr und mehr 2-Personen-Stichspiele gibt. Mit “Fuchs im Wald” und “Herrlof” gibt es zwei wirklich schöne Varianten und nun habe ich endlich den Klassiker dieses Genres auf den Tisch bekommen: Claim. Und nicht nur das, denn es sind nun gleich drei Erweiterungen erschienen und eine Pocket-Version. Und alles möchte ich nun genauer unter die Lupe nehmen. Erschienen ist alles bei Game Factory.


[MATERIAL & ANLEITUNG]

Die Karten sind von guter Qualität mit Linen-Finish und bewegen sich auf gleichem Niveau wie Wizard, Skull King und Co. Die Optik ist recht düster und eher erwachsen, mir persönlich gefällt es sehr gut, wird aber wohl nicht jeden Geschmack treffen.
Die Anleitung ist ein klassischer Faltzettel, da die Regeln aber generell überschaubar sind, ist alles abgedeckt. 
Kleine Anmerkung zur Pocket Version. Dort sind Karten ungefähr nur ein Viertel so groß, wie klassische Karten und kommen in einer kleinen Metalldose daher. Leider ist die so voll mit Kärtchen und der Anleitung, dass man diese nur etwas mühevoll komplett herausbekommt. Gerne bleiben 1-2 Karten in einer Kante hänge. Auf Dauer lässt dadurch die Optik der Karten zu wünschen übrig. Die Größe ist für unterwegs natürlich perfekt, aber beim Spielen selbst dann doch etwas frickelig. Ansonsten entspricht die Pocket-Version genau dem Basis-Spiel mit einer zusätzlich Fraktion: den Geistern.


[ABLAUF]

Worum geht es bei Claim?  Der König ist tot! Lang lebe der König! Und zwar streiten beide Spieler sich um den Platz auf dem Thron. Zum Ende des Spiels versucht jeder die Mehrheit der fünf Fraktionen auf seine Seite zu bringen, dem Spieler, dem das mindestens bei 3 Fraktionen gelingt, gewinnt das Spiel und ist der neue König.

Dank des Basisspiel, dem Nachfolger “Claim 2” und den nun erhältlichen Erweiterungen gibt es eine Menge Auswahl an Fraktionen, welche man verwenden kann. Wichtig ist halt, dass es stets fünf Fraktionen sein müssen. Die Anleitungen helfen hier aber auch, das Deck zusammenzustellen, da es gewisse Bedingungen einzuhalten gilt. Das Schöne ist, dass jede Fraktion eine spezielle Fähigkeit mit sich bringt, es würde hier aber den Rahmen sprengen alle vorzustellen, ich werde aber zum gegebenen Anlass Beispiele geben.

Schauen wir uns an, wie eine Partie abläuft. Es wird in 2 Phasen gespielt: bei der ersten Phase bereite ich die Handkarten für die zweite Phase vor. Dafür erhält jeder Spieler 13 Handkarten, die restlichen Karten kommen verdeckt in die Mitte. 
Für jeden “Stich” wird nun eine Karte vom verdeckten Stapel aufgedeckt und um diese Karte spielt man nun. Heißt der Sieger des Stichs erhält die Karte und hat sie in Phase 2 als Handkarte zur Verfügung. Der Verlierer des Stichs muss sich die nächste Karte vom Stapel nehmen, mit Glück kann diese auch besser sein. 


Ein Stich funktioniert ganz klassisch, in dem die zuerst gespielte Kartenart (Fraktion) bedient werden muss und der Spieler mit dem höchsten Wert gewinnt den Stich. Bei Unentschieden (ja das ist möglich, da es bei den Gnomen mehrere 0-Karten gibt) gewinnt die erste gespielte Karte. 

In der zweiten Phase nehmen wir dann die 13 gesammelten Karten und spielen diese ebenfalls durch. Ist man damit fertig, schauen wir nach wer von welcher Fraktion die meisten bei sich liegen hat. Hab ich hier die Mehrheit, hab ich die Fraktion auf meine Seite gezogen. Bei Unentschieden wird geschaut, wer die Karte mit dem höchsten Wert bei sich liegen hat. Wie erwähnt, gewinnt der Spieler, der mindestens drei Fraktionen auf seine Seite ziehen konnte.

Hier nun ein paar Beispiele von Fraktionen:

So gibt es in der ersten Grundbox zum Beispiel die “Untoten”. Das Besondere: in Phase 1 gespielte Untote werden nicht abgelegt, sondern werden bereits zum Fraktionsstapel gelegt. Dann gibt es noch die “Doppelgänger”, diese können einfach die Fraktion der erstgespielten Karte annehmen und dürfen somit auch gespielt werden, wenn man eigentlich bedienen könnte.

Schauen wir nun zu den Erweiterungsboxen:


In der Box “Söldner” kommen Zyklopen, Elfen und Orks hinzu. Die Elfen und Orks ersetzen dabei die Gnome und Ritter aus der Grundbox, die normalerweise immer dabei sein müssen. Es gibt hier auch Karten, die Orks und Elfen zeigen, hier muss beim Ausspielen entschieden werden, welche Fraktion gemeint ist. Die Die Zyklopen sind spannend für die Endwertung, denn diese Fraktion gewinnt man nur wenn man die wenigsten davon gesammelt hat.
Zusätzlich zu den Fraktionen, gibt es auch “Helden”-Karten. Um mit diesen zu spielen müssen zunächst die geplanten Fraktionen gemischt werden und dann müssen fünf daraus entfernt. Nun mischen wir alle Helden und ziehen fünf, die wir nun wiederum zu den Fraktionen mischen. 

Die Helden können also ganz normal gespielt werden, nur dass sie keiner Fraktion angehören. Jeder Held bringt eine Stärke mit sich, sowie eine Sonderfähigkeit. Der “Vampirkönig” z.B. hat die Stärke 7 und die gegnerische Karte verliert ihre Fähigkeit. Oder die “Krake”, sie hat Wert 8 und in Phase 2 darf der Gewinner des Stichs, dem Gegenspieler eine Handkarte stehlen und eine zurückgeben. Insgesamt gibt es 18 verschiedene Helden. 

Die Box “Orte” bringt uns drei weitere Fraktionen und zwar Basilisken, Phönixe und Einhörner. Wer meint, dass sei die vermeintliche “Mädchen”-Box, den muss ich enttäuschen, die Darstellung bleibt auch hier recht düster.


Spannend sind die Phönixe, die gleich auch noch ein Set “Feuerphönixe” mitbringen. Verliere ich in Phase 2 einen Stich mit einem Phoenix, darf ich vom Feuerphönixe-Stapel eine Karte ziehen und hab fortan eine Karte mehr als der Gegner. Die Runde endet wenn ein Spieler keine Karte mehr hat. Auch die Einhörner sind interessant, erhöhen diese, sobald sie in meinem Fraktionsstapel liegen, jede weitere Karte, die ich spiele, um 1. 

Nebst den Fraktionen gibt es dann noch die Orts-Karten, die sich wiederum aufteilen in Gebäude und Gegenden. Ich kann vor einer Partie entscheiden, ob ich nur ein Gebäude, nur eine Gegend oder beides verwende. Die Orte sind dann das komplette Spiel über aktiv.
Die Orts-Karten, das kann ich vorwegnehmen, sind für mich die spannendste Erweiterung. Vielleicht erkennt ihr anhand der Beispiele schon wieso. Bei den Gebäuden gibt es z.B. die Pyramide, die bei Spielende dafür sorgt, dass man ALLE Karten mit den Werten 0-3 abwerfen muss, bevor man zählt,wer welche Fraktion gewonnen hat. Oder das “Kloster”, dass dazu führt, dass ich das komplette Spiel verliere, wenn ich mehr als doppelt so viele Karten gesammelt habe, als mein Gegenspieler.
Bei den Orten gibt es den “Gipfel”, ist dieser im Einsatz müssen die Spieler zu Beginn der Phase 2 drei Karten verdeckt tauschen. Und im “Sumpf” muss jeder Spieler zu Beginn der 2. Phase zwei Karten abwerfen.
Auch hier gibt es insgesamt 18 Orte.


Zu guter Letzt gibt es noch die Box “Magie”, welche uns Zauberer, Druiden und Gestaltwandler bringt. 

Gewinn ich mit einem Zauberer einen Stich, darf ich mir eine Karte vom Zaubertrank-Stapel nehmen, die ich verdeckt vor mich auslege. Zusammen mit einer anderen Karte kann ich diesen Zaubertrank dann umdrehen und bekomme einen Boost oder evtl. auch Abzüge von meinem Wert. Auch die Druiden sind ähnlich. Verlier ich mit einem Druiden in der Phase 2, darf ich den Druiden auf den Kopf drehen und vor mich legen. Der Druide hat sich damit in einen Bären verwandelt und gibt mir +3 auf einen folgenden Stich. Der Gestaltwandler tauscht sich in Phase 1 mit der Karte, um die eigentlich gespielt wird. Es wird also dadurch um den Gestaltwandler gespielt und der Spieler spielt nun mit der Karte, die vorher in der Mitte lag.

Und auch in dieser Box gibt es noch 18 Zusatzkarten, die Artefakte. Hier erhält jeder Spieler zu Beginn 3 Stück. Jedes Artefakt gibt vor, wann es eingesetzt werden kann und bringt mir dann ähnliche Vorteile, wie auch schon bei anderen Karten aus den anderen Boxen.

Das als groben Überblick über die verfügbaren Erweiterungen.


[FAZIT]

Warum hab ich mir Claim noch nicht früher angesehen? Ich liebe Stichspiele und finde nach all den Jahren immer noch meinen Spaß an Wizard in großer Runde. Zu zweit konnten der Fuchs im Wald und Herrlof zwar gefallen, aber sie wurden keine wirklich Dauerbrenner. Das kann Claim aber schaffen.

Die Mechanik der zwei Phasen gefällt mir sehr gut und bringt eine nicht zu unterschätzende tiefe Taktik mit sich, die ich vorher so nicht erwartet habe. Die Grundbox allein bringt schon Spaß, doch das Gesamtpaket hebt Claim auf ein gänzlich anderes Niveau. Bin ich bereit 30-50 Euro in die Hand zu nehmen, werde ich wahrscheinlich in der Lage sein, jeden Tag Claim in ein anderen Konstellation zu spielen. Alles ist miteinandern kombinierbar und kann in gewissen Runden zu wahren Gehirnzwirblern mutieren. 

Selten habe ich bei einem Spiel so viel Varianz gesehen, wie bei Claim mit all den Boxen und dabei muss man sich auch nicht all auf einmal holen, sondern kann dies auch Schritt für Schritt tun, so dass es immer mal wieder nur 10 € sind. 

Die Fraktionen bieten eine tolle Vielfalt und auch die restlichen Sonderkarten bieten jede Menge Spielspaß und lädt zum Experimentieren ein. Toll, wie man es mit diesen drei Boxen geschafft hat, ein Spiel, welches schon ein wenig auf dem Markt verfügbar ist, so viel Pepp zu geben, dass einem eigentlich nie langweilig werden kann. 

Klar, ich würde wohl IMMER ein Stichspiel in großer Runde bevorzugen, aber gerade in diesen Corona-Zeiten, kommt es dazu weniger und da ist es wirklich toll, wenn man mit Claim ein Spiel der 1000 Möglichkeiten zur Hand hat.
Für mich hat Claim mit Anlauf die anderen 2-Spieler-Stichspiele von links überholt und wird sicherlich in den kommenden Monaten immer mal wieder auf den Tisch kommen. Sei es Fraktionen zu testen oder eben Kombinationen von Erweiterungskarten. 


Wer also schon Fan von Claim bzw. Claim 2 ist, sollte auf jeden ein Blick auf die Erweiterungsboxen werden.

[FÜR WEN IST DAS SPIEL?]

Kinder: 2 von 5 (Erinnerungsvermögen und Mitzählen sind bei Claim hilfreich, auch die vielen Möglichkeiten und Regeländerungen können überfordern, also je älter das Kind desto besser)

Familie: 3,5 von 5 (das Basis Claim wird auf jeden Fall kein Problem sein für Familienspieler, aber eine Kombi aus den drei Boxen kann schon ziemlich kompliziert werden, grundsätzlich ist es aber dennoch die Zielgruppe)

Kenner: 3,5 von 5 (hier genau anders herum)

Experte: 1 von 5 (die Unplanbarkeit in Phase 1 wird wohl nur schwer zu verkraften sein. Und generell sind Experten eher weniger die Zielgruppe)


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Claim von Scott Almes
Erschienen bei Game Factory
Für 2 Spieler in ca. 25 Minuten ab 10 Jahren
Boardgamegeek-Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Game Factory)