10.04.2021

Vinhos


Mit Vinhos von Vital Lacerda verbinde ich eine lange Geschichte. So habe ich mir damals bereits die Erstausgabe (erschienen bei Whats Your Game) geholt und rauf und runter gespielt. Vinhos war damals ein absoluter Brocken. Irgendwann Jahre später kam dann Viticulture heraus - auch ein Wein-Spiel - nur deutlich zugänglicher und mit einem angenehmeren kleinen Glücksanteil. Also verschwand Vinhos dann im Schrank und Viticulture war angesagt. Blöd nur, dass sich mit der Zeit immer mehr herausstellte, dass bei Viticulture garnicht der thematische Weinanbau im Mittelpunkt stand, sondern man doch viel bessere Siegchancen hat, wenn man sich auf die sehr glücksabhängigen Saisongäste beschränkt. Abhilfe schafften da diverse Erweiterungen von Viticulture, die das Gesamtpaket modular komplexer und dadurch auch fokussierter werden lies.


Dann machte sich aber Eagle Gryphon Games dazu auf - mit dem genialen Designer Ian O´Toole - alle Vital Lacerda Titel in einer mega Deluxeausgabe herausbringen zu wollen. So kam auch Vinhos an die Reihe und erhielt eine Neuauflage, die netterweise auch eine leicht ausbalancierte Version des ursprünglichen 2010er-Titels enthält. Diese Rezension beschränkt sich jedoch hauptsächlich auf die modernisierte 2016er-Ausgabe, welche zudem auch Herzstück der neuen Edition ist.


Interessant zu beobachten ist, dass Vinhos den entgegengesetzten Designweg von Viticulture über die Jahre gegangen ist. Während Viticulture mit diversen Erweiterungen und Anpassungen weg vom lockeren Familienspiel gehen und sich mehr den Kennern anpassen wollte, versucht Vinhos mit der Neuauflage das (in seiner ursprünglichen Ausgabe doch sehr starre) Konzept zu vereinfachen. Viele unnötig komplizierte Elemente des Spiels wurden deutlich entschlackt und reduziert. Keine Angst aber. Es handelt sich hier noch immer um einen Lacerda. Und das Wort Lacerda steht auch heute noch für komplexe, gut verzahnte Eurogames. Das hat sich auch hier nicht geändert. Spannend ist die Entwicklung beider Titel aber dennoch.


Anders als bei Viticulte dreht sich in Vinhos spielmechanisch wirklich alles um Weine. In einer Partie versuchen wir Weine aus diversen Regionen Spaniens (und Portugals) anzubauen, reifen zu lassen, zu exportieren, zu verkaufen und (ganz wichtig) auf den regelmäßigen Wein-Messen zu präsentieren. Herzstück dabei ist ein Aktions“rondell“, bei welchem wir uns geschickt von Aktion zu Aktion bewegen und bereits mehrfach im Voraus planen sollten, denn jede Abweichung von den üblichen Bewegungsregeln auf diesem engen Korsett führt zu einer Zwangszahlung von ohnehin schon sehr eng bemessenen Ressourcen.


Mangelverwaltung ist ohnehin ein großes Stichwort in Vinhos.  Wir sind eigentlich chronisch knapp bei Kasse. Starten wir zwar zunächst mit einem scheinbar großzügigen Budget, ist selbiges schnell verbraten. Ein Weinfeld hier, ein Keller da. Geld ist in Vinhos schneller weg, als einem lieb ist. Blöd nur, dass ich mich nicht nur darauf beschränken kann, Geld zu verdienen - denn selbiges bringt am Ende nichts. Während ich eine lange Produktionsstraße für meine Weine aufbaue, muss ich stetig entscheiden, wo schlussendlich meine edlen Tropfen landen sollen. Verkaufe ich sie für Geld, um in meine Infrastruktur zu investieren? Oder Exportiere ich sie lieber, um die wichtigen Siegpunkte zu erhalten. Nicht völlig vergessen sollte ich jedoch die Wein-Messen, welche zum Ende dreier Runden mit massig Siegpunkten locken.


Vinhos bietet viel und ist komplex. Ein knallhartes Wirtschaftsspiel eben. Gefühlt bin ich bei einer Partie Vinhos permanent unter Druck. Die Aktionen sind einfach viel zu knapp bemessen. Das reizt natürlich und belohnt am Spielende enorm, wenn der eigene Plan aufgegangen ist - das straft aber auch schnell ab, wenn man während einer Partie schon recht schnell erkennen kann, wenn man sich nur noch wenige Siegchancen ausrechnen sollte. Bei Vinhos werden keine Fehler verziehen. Vinhos ist daher auch Arbeit und nichts für einen entspannten Spieleabend nach einem langen Arbeitstag mit einem schönen Glas Wein. Dafür eignet sich eher der anfangs genannte Halbbruder. Vinhos ist etwas für Eurofans. Ein enorm gut verzahntes Spiel, was sich in seiner Neuauflage noch eleganter spielen lässt, aber selten (aufgrund seiner Komplexität) zu einer zweiten Runde am selben Tag einlädt. Für mich bleiben beide Titel in der Sammlung.
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Vinhos von Vital Lacerda
Erschienen bei Eagle Gryphon Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 120 Minuten ab 14 Jahren

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Eagle Gryphon Games)