21.05.2021

Die Verlorenen Ruinen von Arnak


Ich weiß es zwar nicht mit genauer Sicherheit, doch ich würde darauf tippen, dass der gemeine Leser unserer Rezensionen doch hin und wieder auch mal auf ein Spiel stößt, das er oder sie nicht auf dem Schirm hatte. Allerdings weiß ich mit genauer Sicherheit, dass Die Verlorenen Ruinen von Arnak nicht dazugehört. Vielmehr handelt es sich hierbei um eines der am meisten gehypten Kennerspiele der letzten Monate. Und endlich habe auch ich meine Finger an ein Exemplar bekommen und hatte das Vergnügen, in diesem Worker-Placement-Deckbuilding-Ressourcen-Management-Spiel allerlei Abenteuer zu erleben. Ich habe nützliche Gegenstände besorgt, Artefakte entdeckt, neue Orte erkundet, gegen uralte Wächter gekämpft, die Insel beforscht, Gehilfen angeheuert und neben Goldmünzen und wertvollen Schriftrollen sogar den ein oder anderen Rubin gefunden.


Und doch birgt ein besonders gehypter Titel immer auch die Gefahr, angesichts der hohen Erwartungen für große Enttäuschung zu sorgen. Ob Arnak meinen Erwartungen gerecht wurde oder doch für Ernüchterung am Spieletisch gesorgt hat, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen. Doch werfen wir zunächst wie immer einen Blick aufs Material.

Material

Die Landschaft vielversprechender Neuerscheinungen ist groß, und es mag diverse Gründe geben, die uns Spieler dazu bewegen, dem Erscheinen eines Titels entgegenzufiebern: der Autor? Das Thema? Die Mechanik? Fette Miniaturen? Bei Arnak sind das Thema und die Spielmechaniken mit Sicherheit ansprechend, doch was in erster Linie die Spielerherzen hat höher schlagen lassen ist die atemberaubende Optik des Spiels. Denn da haben der Verlag und die doch eher weniger bekannten Autoren „Mín“ und „Elwen“ sichtlich großen Wert draufgelegt. 


Bereits das Cover zieht den abenteuerlustigen Spieler in seinen Bann und beim Öffnen der Schachtel bricht das Staunen nicht ab: ein doppelseitiges, wunderschön illustriertes Spielbrett; vier doppelseitige Spielertableaus mit ebenfalls stimmiger Illustration; diverse große und massive Wächter-, Orts- und Gehilfenplättchen (43 an der Zahl); insgesamt 110 Basis-, Furcht-, Gegenstands- und Artefaktkarten; Ressourcenmarker aus dicker Pappe und Plastik für die fünf vorkommenden Hauptressourcen; Spielfiguren und Forschungsmarker aus Holz; sowie einiges mehr gibt es hier zu entdecken. Selbst die 15 Gegner-Aktionsplättchen fürs Solospiel sind aus dicker, massiver Pappe und somit genauso hochwertig, wie der Rest der Komponenten. Für die Optik und die Materialqualität gibt es, wie nicht anders zu erwarten war, schonmal ein dickes Plus. Lediglich die Spielkarten könnten sich nach einigen Partien eventuell etwas abnutzen, sodass ich alle Karten vorsorglich gesleevt habe. 


Doch Material und Optik allein machen natürlich noch kein gutes Spiel. Drum werfen wir als nächstes doch mal einen Blick auf den Spielablauf, ehe ihr im Fazit erfahrt, wie Arnak nun bei mir und meinen Spielegruppen angekommen ist.

Ablauf

Eine Partie Die Verlorenen Ruinen von Arnak geht über fünf Runden und innerhalb der Runden wechseln sich die Spieler im Uhrzeigersinn solange mit ihren Aktionen ab, bis alle gepasst haben. Pro Spielzug dürfen die Spieler jeweils eine Haupt- sowie beliebig viele Nebenaktionen machen. Nebenaktionen sind in der Regel Kartenaktionen, die mit einem Blitz markiert sind.

Und als Hauptaktion dürfen wir so einiges tun auf Arnak  Einerseits können wir „an einem Ort graben“, also einen verfügbaren – also nicht von Gegenspielern belegten – bereits entdeckten Ort wählen, einen unserer zwei Abenteurer dort hinstellen und den Ortsbonus (für gewöhnlich Ressourcen) erhalten. Allerdings müssen wir für die Orte unterschiedlich viele Bewegungsschritte zahlen, was durch die Karten geschieht, die sowohl für ihren Effekt als auch für ihre Bewegungsschritte ausgespielt werden dürfen. Alternativ können wir jedoch auch „einen neuen Ort entdecken“, indem wir je nach Ortsstufe (II oder I) mehr oder weniger Kompasse zahlen, dafür jedoch ein entsprechendes Ortsplättchen neu auf dem Spielplan platzieren und sogleich den dort angegebenen Ortseffekt nutzen dürfen. Außerdem bekommen wir noch die auf dem Ort liegenden Totemplättchen, die einerseits einen positiven Soforteffekt haben, am Spielende Siegpunkte wert sind, und andererseits zusätzlich und einmalig als Nebenaktion genutzt werden dürfen, um im Laufe des Spiels zur richtigen Zeit an Extraressourcen zu gelangen oder einen weiteren Soforteffekt auszulösen, wobei man dafür ein paar Siegpunkte abgeben muss.


Doch der neu entdeckte Ort wird unglückerweise stets von einem Wächter bewacht, sodass neben dem Ortsplättchen sogleich auch ein Wächterplättchen auf dem Ort platziert wird und mir eine Furchtkarte beschert, falls ich mich am Ende der Runde immer noch auf dem Ort befinde. Glücklicherweise erlauben es manche Karteneffekte, mich von einem Ort wegzubewegen und an einem anderen Ort zu graben. Zudem kann man natürlich versuchen, den „Wächter zu bezwingen“. Hierfür muss man einfach die auf dem Wächter angegebenen Kosten bezahlen und erhält dafür dann das Wächterplättchen, das einerseits Siegpunkte am Spielende bringt und andererseits einen einmaligen Nebenaktions-Effekt bringt, der zu jederzeit im Laufe der Partie eingesetzt werden kann.

Doch wie eingangs erwähnt ist Worker-Placement nur eine der Hauptmechaniken in Arnak  Kommen wir nun zum Deckbuilding-Part. Denn als Hauptaktion kann man für Goldmünzen auch eine neue „Karte kaufen“ oder „ausspielen“, wobei immer nur eine der sechs ausliegenden Karten gekauft werden kann. In der ersten Runde handelt es sich dabei um genau ein Artefakt und fünf Gegenstände. Doch am Ende jeder Runde wird es ein Artefakt mehr und ein Gegenstand weniger. Gekaufte Gegenstände kommen direkt unters eigene Kartendeck und bringen in der Regel Ressourcen und andere Effekte, die es einem beispielsweise erlauben, Karten zu ziehen, Ressourcen auszutauschen oder eigene Karten dauerhaft aus seinem eigenen Deck zu verbannen. Artefakte hingegen werden gleich beim Kauf aktiviert, sodass man den Karteneffekt gleich nutzen darf. Dafür kommen sie jedoch nicht unters Deck, sondern auf den Ablagestapel, wo sie erst am Rundenende mit den restlichen Karten des Ablagestapels gemischt und ebenfalls unters Deck kommen. Außerdem muss man später Schriftrollen zahlen, um sie erneut zu aktivieren. 


Zuletzt gibt es noch die Möglichkeit zu „forschen“. Jeder Spieler hat zwei Forschungsmarker – ein Notizbuch und eine Lupe. Bei einer Forschungsaktion sucht man sich einen dieser Marker aus und wandert mit ihm auf ein Feld nach oben, das mit einer Brücke mit dem Ausgangsfeld verbunden ist, wobei es verschiedene Verzweigungen und somit verschiedene Wege gibt, die man wählen kann. Jedes Überqueren einer solchen Brücke kostet unterschiedliche Ressourcen, doch ist man schnell genug und landet vor allen anderen Spielern erstmals auf einem Feld, erhält man sofort den einmaligen Bonus des dort liegenden Bonusplättchens, das anschließend aus dem Spiel entfernt wird. Außerdem erhält man je nach dem, mit welchem Forschungsmarker man vorangerückt ist, unterschiedliche Boni, die jedoch für alle Spieler immer gleich sind, egal wie schnell oder langsam sie ein Feld erreichen. Für die Lupe gibt es hauptsächlich Ressourcen (i.d.R. Kompasse) und für das Notizbuch Gehilfen, die von einem der drei ausliegenden Gehilfenstapel genommen werden können. Gehilfen lassen sich einmal pro Runde als zusätzliche Nebenaktion nutzen und bringen einem ebenfalls einen kleinen Bonus wie Ressourcen oder Bewegungsschritte, wobei jeder Spieler nur drei Gehilfen haben kann, die jedoch bei weiterem Forschen mit dem Notizbuch aufgewertet werden, wodurch wiederum der Effekt verstärkt wird. Allerdings darf die Lupe auf den Forschungspfaden niemals hinter dem Notizbuch zurückfallen, während man sich mit der Lupe theoretisch völlig unabhängig vom Notizbuch bis ganz nach oben forschen darf. Oben angekommen, darf man dann noch Extrasiegpunkte bei der „Erkundung des verschollenen Tempels“ ergattern, indem man gewisse festgelegte Ressourcen abgibt. Am Ende des Spiels gibt es für beide Marker je nach Forschungsfortschritt Siegpunkte, und je schneller man mit seiner Lupe den verschollenen Tempel erreicht, desto mehr Extrapunkte gibt es.


Die Runde endet, wenn kein Spieler mehr eine Hauptaktion ausführen kann oder will. Und vor Beginn einer neuen Runde werden die Karten im Ablagestapel, wie bereits erwähnt, gemischt und unter das eigene Deck gelegt. Dann ziehen alle Spieler 5 Handkarten nach und die neue Runde beginnt. Am Ende des Spiels gibt es dann Siegpunkte für die Forschungsmarker (und das Erkunden des verschollenen Tempels), für die gesammelten Totems, bezwungene Wächter sowie Artefakte und Gegenstände. Minuspunkte gibt es hingegen für Furchtkarten im eigenen Deck, die zwar keinen eigenen Effekt haben, aber zumindest einen Bewegungsschritt bringen, also nicht völlig nutzlos sind.

Fazit

Das wir es hier mit einem ausgesprochen hübschen Spiel zu tun haben, wurde bereits zu Beginn dieser Rezension klar herausgestellt. Doch auch spielmechanisch weiß das Spiel auf verschiedene Arten und Weisen zu überzeugen. Obwohl die Mechaniken selbst natürlich sehr klassisch sind und das Rad nicht wirklich neu erfinden, greifen sie doch ganz wunderbar ineinander und werden dabei noch gekonnt mit dem Thema verknüpft. Eben jenes Verknüpfen von Mechanik und Thema beginnt bereits bei den Karten, denn irgendwie ergibt es Sinn, dass es mir ein Packesel erlaubt, zwei Karten nachzuziehen, da ich nun ja auch mehr verstauen bzw. tragen kann. Und auch die Tatsache, dass es zu Beginn viele Gegenstände zu kaufen gibt, da man ja noch nicht allzu weit in die Tiefen der Insel vorgedrungen ist und man noch gut vom Lager her versorgt wird. Doch im Laufe des Spiels werden es mehr und mehr ausliegende Artefakte, denn je tiefer man „ins Herz der Insel vordringt“ – wie es sehr treffend in der Anleitung beschrieben wird –, desto mehr Artefakte findet man schließlich auch.


Gepaart mit den tollen Illustrationen sind es für mich persönlich auch solch kleine Details, die mir den Eindruck vermitteln, tatsächlich mit meinem Expeditionsteam Arnak zu erkunden. Und das tut es, obwohl es i.d.R. doch fast immer darum geht, Ressourcen zu erhalten und abzugeben, und gelegentlich vielleicht noch eine Karte zu kaufen, zu verbannen oder auszuspielen, was jedoch auch zumeist Ressourcen bringt, oder eine Gratisverbannung – aber beispielsweise auch Extrabewegungsmöglichkeiten für meine Abenteurer. 

Besonders gut gefällt mir auch, dass man sich zu Beginn des Spiels beim Belegen der Orte in die Quere kommt, später aber neue Orte entdeckt werden, die in Folgerunden dann auch von allen Spielern genutzt werden können – insofern man schnell genug seinen Abenteurer darauf platziert. Solche neuentdeckten Orte bringen natürlich mehr (oder wertvollere) Ressourcen oder haben stärkere Effekte, sodass man sich auch um diese Orte streiten wird. Allerdings muss man für diese Orte auch mehr Bewegungskosten bezahlen, sodass man sich genau überlegen muss, ob man seine Handkarte nun für den Bewegungswert oder für den Karteneffekt ausspielt. 


Und insgesamt sind es immer wieder solche kleinen Entscheidungen, die Arnak so reizvoll machen. Gehe ich auf den Forschungspfaden nun auf das Feld, dessen Bonusplättchen schon von einem anderen Spieler weggeschnappt wurde, oder schnappe ich mir das Bonusplättchen des alternativen Feldes, gebe dafür aber auch eine Ressource aus, die ich eigentlich für das Bezwingen eines Wächters brauche? Gehe ich mit dem Notizbuch oder der Lupe vor? Investiere ich in eine Karte, die ich später, wenn ich sie dann endlich auf die Hand bekomme, einmalig nutzen kann, um drei Extrakarten zu ziehen, oder wähle ich ein Artefakt, das mir jetzt sofort etwas bringt, später aber auch schwerer erneut zu aktivieren ist? Bleibe ich auf dem Wächterfeld stehen ohne diesen zu bekämpfen, riskiere somit eine Furchtkarte und erlaube es meinen Mitspielern so eventuell, den Wächter später selbst zu bezwingen und die Siegpunkte abzugreifen, oder nutze ich einen meiner gesammelten Totems, um an die nötigen Extraressourcen für den Wächter zu kommen, bezahle dafür aber auch Siegpunkte, die mir später vielleicht fehlen?


Des Weiteren gefällt mir der Deckbuildingaspekt in Arnak  der sich aber irgendwie anders anfühlt als in anderen Deckbuildern, da man hier das Deck im Regelfall nicht wieder und wieder durchspielt, sondern einzelne Karten vielleicht nur ein einziges Mal je nach Rundenfortschritt zu Gesicht bekommt – abhängig davon, wie viele Karten man sich im Laufe der Partie zulegt und verbannt. Doch in vielen Partien hatte ich mehr als in anderen Deckbuildern das Gefühl, mein Deck zu meinen Gunsten manipulieren und möglichst effektiv nutzen zu können. Es macht halt einfach Spaß, einen besonders begehrenswerten Gegenstand zu kaufen, unter seinem Deck zu platzieren und dann mit der Handkarte „großer Rucksack“ die unterste Karte vom eigenen Deck, also die soeben gekaufte Karte, auf die Hand zu ziehen.

Arnak hat, wie man wahrscheinlich mitbekommen hat, einiges zu bieten und wird die Brettspielkenner unter euch mit Sicherheit begeistern. Allerdings ist es am Ende halt auch ein Kennerspiel und die Optionen, so zahlreich sie auch sind, sollten nicht mit den vielfältigen strategischen Möglichkeiten eines guten Expertenspiels verwechselt werden. Gut gelungen ist hierbei in Arnak jedoch, dass man zwar einen strategischen Fokus legen kann, doch einen Bereich nicht ganz ignorieren sollte, vor allem nicht das Forschen. Hierdurch kann man es sich nicht mit einer simplen Standardstrategie gemütlich machen, wobei man mit der Zeit natürlich mehr oder weniger effektive Herangehensweisen auf der Jagd nach Siegpunkten für sich entdeckt. 


Ein wenig lahm ist einzig vielleicht das ganze Wächtertamtam, denn hier hatte ich mir anfangs mehr versprochen. Im Grunde kämpft man ja nicht wirklich gegen den Wächter, sondern „bezahlt“ ihn nur, und auch die Furchtkarte, die mir schlimmstenfalls durch einen Wächter blüht, ist nicht ganz so furchteinflößend, wie es der Name der Karte vielleicht suggeriert. Spielmechanisch fügen sich die Wächter zwar wunderbar in das Gesamtkonzept des Spiels ein, doch thematisch ist es halt wenig aufregend. Und obwohl es doch einiges an Karten, Orten und Gehilfen gibt, wünscht man sich natürlich noch mehr für noch mehr Abwechslung. Doch bei einem solchen Erfolg sind Erweiterungen selbstverständlich vorprogrammiert. Und am Ende werden sie – zumindest für mich – hinsichtlich des Langzeitspielspaßes nötig sein, denn obwohl durch den Spielaufbau und die zufällige Verteilung von Bonusplättchen etc. eine gewisse Varianz vorhanden ist, spielt sich jede Partie dennoch sehr ähnlich. Damit möchte ich nicht sagen, dass die Partien dadurch keinen Spaß mehr machen, denn auch nach einigen Partien macht mir Arnak immer noch Spaß und wird mir mit Sicherheit auch noch in weiteren Partien Spaß bringen. Doch wie das ohne zusätzliches Material in ein paar Monaten aussieht, kann ich noch nicht sicher sagen.


So oder so kann ich Die Verlorenen Ruinen von Arnak aber jedem (Kenner)Spieler – und durch den doch recht einfachen Einstieg auch dem ein oder anderen ambitionierteren Familienspieler – ohne Einschränkung empfehlen, außer ihr habt eine Abneigung gegen Worker-Placement und Deck-Building. Doch so verrückt wird wohl niemand sein!? 

Ich wünsche euch jedenfalls viel Spaß beim Erkunden von Arnak!

 

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Die Verlorenen Ruinen von Arnak von Elwen und Min
Erschienen bei Heidelbär Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 75 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Heidelbär Games)