08.06.2021

Die Seher von Santiiba


Es gibt bei der Masse an Spielen, die im Laufe eines Jahres auf den Markt kommen, leider immer welche, die komplett unter dem Radar laufen. Sie tauchen kaum in Preview-Listen auf und finden generell in den sozialen Medien kaum statt. Auch Die Seher von Santiiba vom Zoch Verlag ist so ein Titel. Wenn man sich nun nicht gerade mit dem Portfolio von Zoch beschäftigt, wird man wohl bisher von diesem Titel kaum bis gar nicht gehört haben. Ob das vielleicht auch besser so ist oder ob sich hier eine unentdeckte Perle versteckt, wollen wir uns nun zusammen ansehen. Der Titel ist für 2-4 Spieler ab 8 Jahren und die Autoren sind Leo Colovini und Teodoro Mitidieri.

[MATERIAL, DESIGN & ANLEITUNG]

Die Seher von Santiiba kommen in einer recht klassischen Brettspiel-Box daher, wie man sie von Zug um Zug oder dergleichen kennt. Ich kann verstehen, dass es sich hierbei mehr oder weniger um das Standardformat vom Zoch Verlag handelt, aber leider wird hier ein weiteres Mal mein Regalplatz völlig verschwendet. Das Material hätte man auch locker in einer Box mit der halben Größe packen können, zumal die Punkteleiste, die als einziges recht groß ist, auch anders hätte sein können. Ansonsten finden wir Karten im kleinen Format, die Qualität ist okay, aber nicht premium. Dazu kommen Würfel, so eine Art Spielerboards, allerdings nur aus festerem Papier und Drehscheiben in Form von Kristallkugeln. Beim Zusammenbau der Drehscheiben habe ich mir fast die Finger gebrochen, so schwer ging es. Das geht besser!. Alles in allem ist das Material guter Durchschnitt und für den Preis von gut 20€ vertretbar. 


Das Design spaltet mich ein wenig. Karten und Schachtel gefallen mir recht gut, auch wenn ich kein Fan von weißen Rändern bei Karten bin, aber die Würfel und die Punkteleiste sprechen mich weniger an. Ich frage mich desweiteren, ob Rot-Grün-Farbblinde evtl. Probleme bei den Würfeln in Grün und Braun (recht rötliches braun) bekommen könnten.

Die Anleitung ist ein wenig gequetscht, aber erklärt soweit alles gut, wobei ich persönlich lange gebraucht habe, eine der Kernmechaniken zu verinnerlichen. Aber das liegt mehr an mir als an der Anleitung. Evtl. hätte ich mir zu diesem Problem, was ich noch erläutere, eine Denkstütze auf dem Spielerboard gewünscht.


[THEMA & MECHANIK]

“In den Weiten von Santiiba, dem Tal der Ahnungsvollen, messen Seher ihre okkulten Kräfte.” - ich hab den Inhalt mal 1:1 von der Zoch Homepage genommen und ihr seht schon, da steckt ordentlich Thema in der Box! Spaß beiseite. Schon etwas mau, was hier geliefert wurde. Natürlich hätte das Thema auch alles andere sein können. In der Anleitung schmückt man das “Tal der Ahnungsvollen” noch ein wenig aus und zeigt den Pfad auf, der gegangen werden soll, um das Luftschloss der Weisheit zu erreichen. Warum man dies dann nicht auf dem eigentlichen Pfad (Punkteleiste) im Spiel umgesetzt hat, ist mir ein Rätsel, hätte es zumindest ein Mü mehr Thema gegeben. 

Kommen wir aber zum Spiel selbst. Worum geht es nun. Der aktive Spieler nimmt sich die fünf, verschiedenfarbigen Würfel und wirft diese. Daraufhin werden die Würfel den passenden Karten, die ausliegen, zugeordnet, so dass unter jedem Kartenstapel der passende Würfel liegt. Die Karten zeigen Symbole wie Kräuter, Skorpione, Amulette, etc. was allerdings auch keine weitere Bedeutung hat, wichtiger sind hier eher die Zahlenwerte, die sie auch noch haben. So bringen Kräuter keine Punkte, die Amulette hingegen 4. 


Nach dem Wurf wählen die Mitspieler mit Ihren Kristallkugeln (Drehscheiben) das Symbol/Farbe aus, von dem sie glauben, dass der aktive Spieler den Würfel wählt. Das macht jeder für sich und legt die Drehscheibe dann verdeckt auf den Tisch. Der aktive Spieler wählt nun einen Würfel und wechselt dessen Position über die Karte. Nun wird geprüft, ob jemand diese Farbe gewählt hat. 

Gehen wir zunächst davon aus, dass keiner diese Farbe gewählt hat: so darf der aktive Spieler nun entscheiden, ob er sich den Würfel nimmt oder die dazugehörige Karte nimmt und bei sich in das Areal der Ungewissheit (über dem Spielerboard) legt. Jetzt kommt die Mechanik zum Tragen, bei der ich etwas länger gebraucht habe, diese zu verinnerlichen, denn je nachdem was ich wähle und was der Würfel zeigt, entscheidet sich, ob der aktive Spieler einen weiteren Würfel wählen MUSS oder ob er auch abbrechen DARF. 


Kurzes Wort zu den Würfeln: die zeigen bei den Werten 1 bis 3 den Wert in Stern-Symbolen und bei 4-6 in klassischen Zahlen. Dies dient einfach dazu, die Bereiche besser zu unterscheiden, denn zeigt der Würfel eine 1 bis 3 und ich nehme den Würfel, darf ich nun aufhören als aktiver Spieler, nehme ich allerdings die Karte, muss ich weitermachen. Anders bei der Zahl (4-6), wenn ich da den Würfel nehme, MUSS ich weitermachen und falls ich die Karte nehme, darf ich aufhören. 

Nun stellt man sich die Frage, warum muss man sich entscheiden? Ganz einfach: mit den Werten des Würfels, darf ich meine Figur auf dem Pfad entsprechend viele Felder bewegen. Die Karten hingegen sammel ich an passender Stelle auf meinem Board, falls ich rechtzeitig aufgehört habe. 

Und was passiert, wenn jemand es richtig vorhergesehen hat? Hier muss unterschieden werden, ob ALLE oder nur einzelne Mitspieler es vorhergesehen haben. Bei einzelnen, nimmt sich der aktive Spieler entweder den Würfel (bei 1-3) oder die Karte (bei 4-6) und legt dies in sein Areal der Ungewissheit. Die Seher dürfen je nach Wert Ihre Figur sofort bewegen (1-3) oder sich auch eine Karte nehmen (4-6). Der aktive Spieler darf nun aufhören oder weitermachen und Würfel/Karten aus dem Areal der Ungewissheit sichern.
Denn falls ALLE Seher die Farben vorhergesehen haben, dann muss der aktive Spieler alles wieder abgeben, was in seinem Areal der Ungewissheit liegt und bekommt als Trostpflaster eine weiße Gefäßkarte. 


So geht es reihum weiter bis ein Spieler Feld Nr. 30 (Lichtung der Erleuchtung) erreicht hat. Nun kommen die gesammelten Karten zum Einsatz. Diese werden von links nach rechts (auf dem Spielerboard) gezählt. Angefangen bei den Kräutern, muss ich immer den rechts daneben liegenden Stapel umdrehen, wenn ich ich die wenigsten habe. Also hab ich die wenigsten Kräuter muss ich alle Amulette umdrehen, die jetzt keine Punkte mehr wert sind, statt eigentlich vier. So geht es von links nach rechts weiter. Danach werden alle Kartenwerte summiert und ich darf mit meiner Figur nochmals so viele Schritte gehen. Der Spieler, welcher nun am nächsten zum Ziel, also dem Luftschloss, steht, hat das Spiel gewonnen. 

[FAZIT]

Was soll ich sagen? Ihr habt gemerkt, dass ich die thematische Umsetzung eher etwas hölzern und plump finde, muss aber im gleichen Atemzug sagen, dass es besser ist, als hätte man das ganze mit Zahlen-Karten und Würfel allein umgesetzt. Aber Fakt ist nunmal, dass man sich nich wirklich wie ein Seher fühlt, der einen Pfad entlang schreiten will. Daher bin ich auch der Meinung, dass man z.B. diese Leiste hätte ersetzen können, durch einen Block, auf dem man die Punkte notiert. Ja, ich weiß, das ist weniger thematisch, so hätte man aber die Hälfte der Box einsparen können.


Aber kommen wir zum Spiel selbst und was soll ich sagen? Das macht mir wirklich Spaß. Ganz klassisch haben wir hier wieder das “Ich denke, dass du denkst, dass ich denke…”-Prinzip, was seinen Reiz versprüht. Langsam und etwas zitternd bewegt man die Hand zu einem Würfel und versucht dabei schon zu erkennen, ob einer der anderen sich darüber freut oder nicht. Man hadert mit sich. Nehm ich das offensichtliche, in der Hoffnung, dass niemand einen für so plump hält oder eben doch nicht.

Dennoch kommt das nicht über den Status eines guten Auftaktspiels hinaus, obwohl die Box evtl. was anderes verspricht und auf Dauer fehlt es hier ein wenig an Varianz, mich hätten z.B. wechselnde Werte auf den Karten interessiert oder auch unterschiedlich Werte auf den Würfeln, so dass z.B. der blaue Würfel erst bei 3 anfängt dann aber bis 8 geht oder so ähnlich. 


Auch mit meiner Tochter (8 Jahre mittlerweile) hat es viel Spaß gemacht, sogar zu zweit, muss aber sagen, dass das Spiel mit mehr Spielern gewinnt. Zu Zweit kann man relativ schnell einen großen Abstand aufbauen, wenn man Glück bzw. Pech hat.

Aus meiner Sicht ist Die Seher von Santiiba ein gutes Spiel für die Familie, was evtl. so manchem Lust auf mehr macht. Es funktioniert gut, es fehlt schlichtweg ein wenig an Masse.


[FÜR WEN IST DAS SPIEL?]

Kinder: 3 von 5 (je nach Alter des Kindes funktioniert es gut. 8 aufwärts ist schon gut, kann aber auch ab 6 Jahren funktionieren, das Kind muss aber eine gewissen Frustresistenz mitbringen)

Familie: 5 von 5 (die Zielgruppe des Spiels, dort sollte es auch gut funktionieren und Spaß bringen)

Kenner: 2 von 5 (hier fehlt es an Varianz auf Dauer. Aber für 2-3 Auftaktrunden kann es sich trotzdem gut eignen)

Experte: 0 von 5 (wohl eher nichts für den Experten-Spieler)

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Die Seher von Santiiba von Leo Colivini und Theodoro Mitdieri
Erschienen bei Zoch
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 30 Minuten ab 8 Jahren
Boardgamegeek-Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Zoch)