20.06.2021

Dragondraft


Mit dem Titel des Spieles, also Dragondraft, schickt HABA-Spiele quasi die Zusammenfassung dessen worum es bei Dragondraft geht schon auf dem Schachteldeckel vorweg. So wiederhole ich hier also nun das Offensichtliche: Bei Dragondraft handelt es sich um ein Spiel, bei dem wir Drachen draften. Das verblüfft den Leser wahrscheinlich jetzt ebenso wenig, wie es den Autor dieses Textes überrascht hat.

Gehen wir also inhaltlich mehr ins Detail: Der jährliche Jahrmarkt ist gestartet und wir sind die Organisatoren der abendlichen Drachenshows. Diese finden an fünf Abenden in Folge statt und wir sind bemüht durch geschickte Wahl der eigenen Drachen mehr Zuschauer zu den Shows zu locken, als dies unseren Mitspieler gelingt. Über fünf Runden wetteifern 2-4 Spielerinnen ab 8 Jahren also um die Zuschauergunst.


Dabei gliedert sich jede Runde in jeweils vier Phasen.

In der Phase 1 Ankunft der Drachen wird der Spielplan wieder mit Drachenkarten aufgefüllt. Vor den Stadttoren stehen nämlich jede Runde bis zu 40 Drachen und Kobolde in vier Reihen an, um von uns für die Drachenshow ausgewählt zu werden.

In Phase 2 Drachen anwerben draften die Spieler reihum solange Karten bis sie ihr Handlimit (anfänglich 9 Karten) voll haben. Hierbei werden aber keine Kartenhände reihum gedraftet, sondern es wird aus der Auslage gedraftet. Man wählt eine Karte aus der Auslage und nimmt sie verdeckt auf die Hand. Für jede Karte, welche man in der gewählten Reihe überspringt, muss man eine Stinkdistelkarte auf die Hand nehmen, welche ebenfalls gegen das Handlimit zählt.


Haben alle Spieler ihr Handlimit erreicht, so endet das Draften und Phase 3 Bühnenvorbereitung beginnt. Hier kann man gedraftete Koboldkarten einsetzen um Zuschauertribünen oder Specials zu erwerben. Koboldkarten sind so etwas wie das Geld bei Dragondraft und dürfen als einzige Karten auch mit in die nächste Runde genommen werden. Erworbene Zuschauertribünen bringen einmalig Zuschauer, welche wiederum die Siegpunkte von Dragondraft darstellen. Mit den Specials erwirbt man Verbesserungen, welche der Spieler Vorteile im weiteren Spielverlauf verschaffen. So erhöht der Erwerb einer Imbissbude das eigene Kartenlimit dauerhaft um 1. Allerdings ist der Erwerb von Specials auf 1 Special pro Runde beschränkt. Somit sind Aufbaustrategien, welche nach hinten heraus zünden ein wenig eingeschränkt.

In Phase 4 Abendshow werden die gesammelten Drachen nun vorgezeigt und man erhält Punkte entsprechen ihrer Eigenschaften. Es gibt insgesamt fünf verschiedene Drachensorten


Roter Feuerdrache, Lila Zauberdrache und Blauer Flugdrache sind in ihrer Funktion ähnlich. Sie geben feste Zuschauerpunkte pro gesammelten Drachen der Farbe, es muss jedoch stets eine Mindestanzahl der Drachen gesammelt worden sein. So bringt jeder blaue Flugdrache 2 Zuschauer, sofern man denn mindestens 2 blaue Drachen vorweisen kann.

Bei den grünen Flugdrachen wächst die Punktzahle entsprechend der gesammelten Drachen an. Klassisch wird hier eine Steigerung nach den Dreieckszahlen genutzt (1,3,6,10,15,21 Zuschauer). Man ist bei grünen Drachen also bemüht, möglich nur diese zu bekommen. Mit 6 grünen Drachen 21 Zuschauer zu erzielen, das wäre eine staatliche Ausbeute.

Gelbe Muskeldrachen bringen nur einen Punkt pro gesammelten Drachen. Jedoch winken dem Spieler mit den meisten gelben Drachen 5 Extrapunkte.


Neben den Punkten der Drachen werfen drei der vier Specials in dieser Phase noch zusätzliche Punkte ab. Sind die Punkte aller Mitspieler auf der Zuschauerleiste abgetragen, so werden alle gedrafteten Drachenkarten auf den Ablagestapel abgeworfen. Ebenso werden die Stinkdistelkarten wieder abgelegt. Und schon geht es in die nächste Runde. Diese startet damit, dass der Ablagestapel gemischt wird und damit die Reihen beginnend von vorne wieder aufgefüllt werden.

Nach fünf Spielrunden ist dann Schluss und es gewinnt wer im Laufe des Spieles die meisten Zuschauer anlocken konnte.

Ich glaube dieser kurze Abriss der Regeln macht schon deutlich, dass Benjamin Schwer mit Dragondraft keinesfalls das berühmte Rad neu erfindet. Ich wüsste bei Dragondraft keine Mechanik oder Spielidee, bei der ich sagen würde: Spannend. So noch nie gesehen. Doch auch, wenn das Spiel nicht vor Innovation strotzt, die Rädchen laufen rund. Man merkt Dragondraft die erfahrene Handschrift des Autors (Hadara, Crown of Emara) deutlich an. 


Schwer bewegt sich mit seinen Spielen sowohl in der Welt der Kinderspiele, als auch dem Bereich der anspruchsvollen Erwachsenenspiele. Und vielleicht auch mit diesem Blick gelingt es ihm Mechanismen, welche man schon zahlreich in Vielspielerspielen gesehen hat, bei Dragondraft für ein Kinderspiel herunterzubrechen.

Dragondraft ist ein schnell erklärtes und eingängiges Spiel. Das Draften aus der offenen Auslage ist ein spannendes Spielelement, welches ein wenig taktisches Abwägen fordert und fördert. Ein bisschen schade ist, dass es keine Anpassung der Auslage auf verschiedene Spielerzahlen gibt. Designbedingt sind die Karten am Ende einer Reihe in einem Zweipersonenspiel deutlich schwerer zu erreichen als in einer Runde in voller Besetzung.

Da die Auslage immer nur mit dem Ablagestapel aufgefüllt wird, kann es in kleiner Besetzung so sein, dass man das Spiel größtenteils immer mit den gleichen Karten bestreitet. Das tut dem Spielspaß aber keinen Abbruch. Dragondraft funktioniert in jeder Besetzung. Wie es bei Draftingspielen aber halt so ist, bringen mehr Mitspieler natürlich nochmal ein wenig mehr Bewegung ins Spiel. Man kann sich eben weniger sicher sein bestimmte Karten zu erlangen und mit den eigenen Plänen durchzukommen.


Die Funktionen der vier Specials sind so gewählt, dass etwas ältere Grundschulkinder sie gut verstehen und nutzen können. Auch wenn das Spiel von HABA kommt, würde ich es frühestens ab der zweiten Klasse empfehlen. Um die Zuschauerwertungen einschätzen zu können macht es einfach Sinn zumindest rudimentär Multiplizieren zu können und sich gedanklich im Zahlenraum bis 100 bewegen zu können.

Durch weglassen der Specials und Nutzung der Rückseite der Spielertableaus kann sich bei Bedarf der Anspruch des Spiels auch noch ein wenig reduzieren lassen.

Das Spielmaterial und die Gestaltung sind qualitativ so wie man es von HABA gewöhnt ist. Illustrator Stephan Lorenz hat hier mit seinem ersten Brettspiel einen tollen Einstand gegeben. Normalerweise ist er eher in der grafischen Gestaltung von Computerspielen beheimatet. Die Specials und das Startspielerschaf (Futter für die Drachen?) sind große Holzfiguren. Optisch wertet dies das Spiel noch weiter auf. Vom Spieldesign her sind die Specials nicht total intuitiv. So ist die Imbissbude, welche das Handkartenlimit erhöht, eine Fleischkeule. Nach ein, zwei Partien hat man dies und die anderen Specials aber leicht verinnerlicht.


Insgesamt ist das Spiel für das was es macht sehr opulent ausgestattet. Bei einem anderen Verlag wäre dieses Spiel vielleicht auch als Kartenspiel mit ein paar Markern und einer Zählleiste umgesetzt worden. So kommt Dragondraft nun mit großem Spielplan, persönlichen Spielertableaus und eben den Holzteilen schick daher. Das freut das Spielerherz.

Um nochmal auf das zuvor erwähnte Rad zurückzukommen. Dragondraft ist sicherlich kein sonderlich innovatives Spiel. Trotzdem ist es aber in meinen Augen ein wirklich gut designtes Spiel; von den Spielmechaniken, als auch von der Gestaltung her. Ich persönlich habe kein Problem damit altes in neuem, verfeinertem Gewand zu sehen und schätze die Rosenbergs und Knizias unserer Spielewelt für die fortwährende Optimierung bewährter Mechaniken.

Im Falle von Dragondraft füllt das Spiel auch eine Lücke und kann als Brückenspiel dienen um den Spielnachwuchs an etwas kompliziertere Draftingspiele wie Sushi Go oder 7 Wonders heranzuführen. Insofern bekommt Benjamin Schwer von mir den Daumen hoch für Dragondraft  Ich kann die Anschaffung für Familien mit Kindern im Grundschulalter wirklich nur empfehlen.


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Dragondraft von Benjamin Schwer
Erschienen bei HABA
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 45 Minuten ab 8 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier HABA)