09.10.2021

Paper Dungeons


Bei Paper Dungeons handelt es sich um ein Roll & Write-Spiel im Dungeon Crawler-Gewand. Designer des Spieles ist Leandro Pires, welcher einigen schon durch das Spiel Rock `n Roll Manager bekannt sein dürfte. Im Frühjahr diesen Jahres lief eine erfolgreiche Finanzierungskampagne über die Spieleschmiede, welche 1351 Unterstützer fand sowie gut 30.000€ einsammelte, so dass Paper Dungeons auf Deutsch lokalisiert werden konnte. Ursprünglich erschienen ist das Spiel 2020 beim brasilianischen Verlag MeepleBR. Die Auslieferung an die deutschen Schmiede ist mittlerweile erfolgt. Aktuell ist das Spiel vergriffen. Eine Nachlieferung wird für Februar 2022 erwartet. Ob es sich darauf zu warten lohnt, das werde ich euch im Folgenden verraten.

Mit Paper Dungeons kauft man ein Spiel, welches sich mit 1-8 Spielern in 30 Minuten spielen lässt. Dafür braucht es aber ein wenig Disziplin und Übung. Bei den ersten Partien sollte man eher eine knappe Stunde einplanen.


Jeder Spielende schickt bei Paper Dungeons eine Heldengruppe in einen Dungeon und versucht diesen möglichst erfolgreich zu erkunden. Konkret bedeutet dies: Monster und Bossmonster zu besiegen, Edelsteine, Heiltränke und Magische Gegenstände einzusammeln, Helden aufzuleveln, sowie persönliche und allgemeine Aufträge zu erfüllen. 
Dies findet auf einem Spielbogen statt, welcher beschriftet wird. Jeder Spieler erhält einen eigenen identischen Spielbogen und über eine Szenariokarte wird dieser für alle Spieler angepasst.

Zusätzliche Wände sowie die Aufenthaltsorte der Bossmonster werden dazu eingezeichnet.

Der Clou des Spiels: Alle Mitspielenden bewegen sich im selben Dungeon, haben aber leicht andere Ziele sowie Voraussetzungen und zeichnen ihre Bewegungen plus Fortschritte jeweils auf dem eigenen Spielbogen ein. Dadurch entsteht in gewisser Weise ein Wettlauf im Dungeon. Paper Dungeons währt nämlich acht Runden und am Ende dieser geht es sehr klassisch darum, wer die meisten Siegpunkte erreichen konnte. Am punkteträchtigsten dabei: Edelsteine. Derer acht sind auf dem 6x7-Felder großen Dungeon-Plan aufgedruckt. Leider bekommen diese aber immer nur die Spielenden, welche sie als erstes erreichen. Des Weiteren lassen Bossmonster ebenfalls Edelsteine verschwinden. Es gilt also die Wege im Dungeon gut zu planen und schneller als die Mitspieler zu sein.

Sehr schön dabei: Die Vorrausetzungen zum Handeln sind für alle Mitspieler zu Beginn einer Runde fast gleich. Denn es werden am Beginn einer jeden der acht Runden sechs Würfel geworfen (drei schwarze und drei weiße). Mit diesen Würfeln planen die Spieler ihre Aktionen.
Jeder sucht sich aus der Auswahl dafür drei Würfel aus und notiert auf seinem Spielbogen welche er benutzt hat (die Würfelseiten sind hierfür nummeriert).


Dies geschieht gleichzeitig. Ebenfalls in dieser Spielphase zeichnet man auf dem Spielbogen ein, wofür man die Würfel verwendet. Dies kann das Bewegen im Dungeon sein, das Aufleveln von Helden oder das Herstellen magischer Gegenstände und Heiltränke. Am Ende dieser Phase sagen sich die Spieler dann an welche Edelsteine sie diese Runde eingesammelt haben. Spieler, welche diese nicht erreicht haben, müssen diese dann auf dem eigenen Spielplan durchstreichen und können sie nicht mehr einsammeln. Nach den Runden 3, 6 und 8 folgt noch jeweils ein Kampf gegen ein Bossmonster. Ansonsten werden die Würfel nach der Beendigung der Aktionsphase auch schon wieder neu gewürfelt und die nächste Runde beginnt.

Wenn wir uns die Würfel und die darauf abgedruckten Symbole anschauen, dann sehen wir drei schwarze und drei weiße Würfel und auf diesen jeweils abgedruckt Symbole für die Helden der Spieler, ein Jokersymbol, ein Bewegungssymbol sowie Totenköpfe. Totenköpfe und die vier Heldensymbole sind auf allen Würfeln abgebildet. Das Bewegungssymbol findet sich jedoch nur auf schwarzen Würfel und das Jokersymbol nur auf weißen Würfeln.

Die Würfel lassen sich vielfältig einsetzen. Eine Möglichkeit wäre das Aufwerten von Helden der eigenen Gruppe. Jede Heldengruppe besteht klassisch aus Krieger, Zauberin, Kleriker und Schurkin. Alle diese Helden starten bei Stärke 1 und können bis Stärke 6 hochgelevelt werden. Dies hilft beim Kampf gegen Monster, bringt Siegpunkte und schaltet ab Level 4 Sonderfähigkeiten der Helden frei. Das Aufleveln der Helden zeigt man dadurch an, dass man auf dem Spielbogen in der Spalte des Helden ein Kästchen ausmalt und ebenso an anderer Stelle des Spielbogens auf einem Balken einen weiteren Punkt ausmalt um die Gesamtstärke der Heldengruppe zu erhöhen Überhaupt: Ob man Heiltränke erhält, Monster besiegt, magische Gegenstände herstellt. Es gibt für all dies auf dem Spielbogen Stellen an denen man dann Kästchen ausmalt um anzuzeigen, dass man dies getan hat.


Noch sehr wichtig beim Aufleveln der Helden: Es funktioniert nur, wenn der Würfel die passende Farbe hat sowie das jeweilige Heldensymbol oder das Jokersymbol zeigt. Zu Spielbeginn wählt man nämlich für sich eine Spezialfähigkeit aus zwei Karten aus. Mit dieser legt man auch fest welche Würfelfarben die jeweiligen Helden der eigenen Gruppe benötigen (zwei Schwarz, die anderen beiden Weiß). 

Ebenso wählt man zu Spielbeginn auch ein individuelles Ziel aus zwei Karten aus. Abgesehen vom gleichen Dungeon, in welchem man sich bewegt, haben also alle Spieler mit ihren Heldengruppen leicht andere Vorrausetzungen und Ziele. Dies ändert sich im Spielverlauf auch noch ein wenig mehr durch hergestellte Magische Gegenstände, welche dauerhafte Sonderfähigkeiten ermöglichen oder Einmaleffekte haben.

Besagte Magische Gegenstände erhält man durch den Einsatz von Würfeln oder indem man im Dungeon ein Feld passiert auf dem das Ringsymbol für Magische Gegenstände abgebildet ist. Allerdings benötigt es für jeden magischen Gegenstand zwei ausgemalte Kästchen auf dem eigenen Spielbogen. Man könnte also zum Beispiel zwei Würfel einsetzen um einen dieser Magischen Gegenstände freizuschalten. Ganz gut: Magische Gegenstände sind weitgehend von Symbol und Farbzwang befreit. Es gibt nur vier Gegenstände, welche an bestimmte Heldensymbole gebunden sind. Die Farbe ist dann aber auch nicht entscheidend.
So kann man also fast jeden Würfel einsetzen um Magische Gegenstände freizuschalten. Gleiches gilt für Heiltränke. Auch hier kann man fast alle Würfelsymbole nutzen. Mit jedem genutzten Würfel erhält man zwei Heiltränke, welche man im Spielverlauf einsetzen kann um Schaden zu vermeiden.


Dieser Schaden entsteht durch Monster, Boss-Monster, Fallen und Totenkopfsymbole auf den Würfeln. Fallen letztere beim Würfelwurf, so bedeutet dies einen Schaden pro Totenkopfsymbol für jeden Spieler. 
Schaden zu vermeiden ist nicht ganz unwichtig bei Paper Dungeons. Im Idealfall verhindert man Schaden größtenteils durch Einsatz von Heiltränken. Hat man keine mehr und muss Schaden nehmen, dann wird es schnell bitter. So trägt man sich jeden zu nehmenden Schaden neben dem Stärkebalken der Heldengruppe ab. Jeder Schadenspunkt ist gleichbedeutend mit Minuspunkten am Ende des Spiels. Darüber hinaus steigern sich die Minuspunktauswirkungen von Schaden je höher man auf dem Balken eintragen muss. 

Gerät man irgendwann im Spiel sogar in die Situation mehr Schaden genommen zu haben als dass die Heldengruppe als Gesamtstärke aufweisen kann, so stirbt die Heldengruppe. Man darf zwar trotzdem weitermachen, muss dafür aber das Auferstehungsfeld ankreuzen, welches einem weitere neun Minuspunkte einbringt.

Sehr positiv an Paper Dungeons finde ich, dass es recht zufallsfrei ist und Auswirkungen des Spielerzuges voraussehbar sind. Beim Laufen im Dungeon begegnet man ja einigen Monstern. Kämpfe mit diesen werden nicht ausgewürfelt. Vielmehr verlangt jedes Monster einen bestimmten Helden aus der Gruppe als Gegner. Die Monsterstärke (3-5) wird dann einfach mit der Stärke des Helden verglichen. Für jeden Stärkepunkt, welches das Monster mehr hat erhält man Schaden. Besiegen tut man das Monster in jedem Fall. Man kann also gut abwägen ob die Belohnung des Monsterfeldes in Relation zu dem Schaden steht, welchen man dafür vom Monster nehmen müsste.

Auch auf die Boss-Monster-Kämpfe nach den Runden 3, 6 und 8 kann man gut hinplanen. Die Bossmonster liegen seit Spielbeginn offen aus. Man kann auf den Bossmonsterkarten ersehen welche Stärke man braucht um das Bossmonster zu besiegen und welche Belohnungen winken, wenn man die stärkste Heldengruppe in den Kampf geschickt hat.


Um gegen ein Bossmonster zu kämpfen muss man bis zur jeweiligen Bossmonsterphase den entsprechenden Raum des Bossmonsters durchquert haben. Dann kann es zu einem Kampf mit diesem kommen, wofür Siegpunkte ausgelobt sind. Abhängig davon wieviel Stärke man in den Kampf einbringt winken mehr oder weniger Siegpunkte in drei Abstufungen sowie auch immer Schaden. Ist die Heldentruppe zu schwach für das Bossmonster oder hat den Raum gar nicht erreicht, so hilft nur die Flucht. Schändlich wie diese nun einmal ist führt diese folgerichtig auch zu ... Minuspunkten.

Jedes Bossmonster hat einen Helden aus der Heldengruppe für welchen es anfällig ist. Dessen Heldenstärke wird im Bossmonsterkampf gleich doppelt gezählt. Dies ist ein wichtiges Element um gegen die Bossmonster zu bestehen und so wird man die eigenen Züge vor den Bossmonsterkämpfen zumeist zu planen, dass man den jeweiligen Spezialisten vor dem Bossmonsterkampf hochleveled.

Dies ist wie gesagt über die Heldensymbolwürfel möglich. Alternativ gibt es noch Aufwertungsymbole in den Räumen des Dungeons aufgedruckt. Erreicht man diese ermöglichen sie ein einmaliges Aufwerten eines Helden.
Überhaupt sind fast alle aufgedruckten Belohnungen oder Monster im Dungeon nur einmal von jedem zu erlangen bzw. zu besiegen. Danach kreist man diese ein. Einzig Fallen machen jedes Mal einen Schadenspunkt, wenn die Heldentruppe den Raum mit Falle durchquert. Mit einem guten Gedächtnis scheinen unsere Heldengruppen also nicht gesegnet zu sein.

Kommen wir damit zur letzten und bis jetzt unerwähnten Möglichkeit die Würfel zu nutzen: Bewegung. Jedes Würfelsymbol (außer natürlich die Totenköpfe) kann man zur Bewegung einsetzen. Dabei ist ein Würfel für 2 Bewegungspunkt gut. Man kann sich also zwei Räume weiterbewegen. Das spezielle Bewegungssymbol auf dem schwarzen Würfel ermöglicht sogar 3 Bewegungspunkte. Dies ist sehr stark und meines Ermessens meist die stärkste Option. Bei der Bewegung zeichnet man Strecken von der Mitte des Startraumes zur Mitte des Zielraumes. Für mich persönlich bewährt hat sich dabei vorab zu markieren wo man am Beginn einer Runde gestartet ist. Da man auf seinem Weg einige Kämpfe, Aufwertungen etc. im Laufe der Runde abhandelt, besteht sonst die Gefahr nur zu leicht durcheinander zu geraten.

Man notiert sich zwar jede Runde, welche Würfel man nutzt. Dies hilft aber wenig dabei die Übersicht zu behalten, wenn man sich bspw. dafür entscheidet sich in einer Runde acht Felder weit zu bewegen. Gerade auch im Mehrpersonenspiel macht es meines Ermessens Sinn, dass die Spieler durch eine kleine Markierung festhalten wo sie starten. Ansonsten haben Mitspieler keinerlei Möglichkeit mehr nachzuvollziehen was auf dem Tableau des Mitspielers gelaufen ist. Gerade in größeren Runden ist dies bei Paper Dungeons auch kaum möglich – schließlich wird die Aktionsphase ja simultan abgehandelt. Ein gewisses Grundvertrauen in die Mitspielenden sollte also gegeben sein.


Ist man ein eher skeptischer Mensch und hat weniger Vertrauen in die anderen Spieler, dann lässt sich Paper Dungeons auch ganz wunderbar alleine spielen. Die Spielregeln sind beinahe identisch. Im Grunde werden nur die allgemeinen Auftragskarten anders gewertet und die Bossmonster geben keine Belohnungen. Bei den allgemeinen Auftragskarten ist es so, dass sie im Solo-Modus mehr Punkte geben um so früher im Spiel man den Auftrag erfüllt. Auch im Solospiel geht es darum möglichst viele Punkte innerhalb der acht Spielrunden zu erreichen. Leider fehlt dabei eine Einteilung um die erreichten Punkte in Relation zu setzen. Es gibt diese aber wohl inoffziell. In der Anleitung ist eine derartige Einteilung jedoch nicht enthalten. Man spielt also eher Just for fun und versucht vielleicht immer wieder persönliche Bestmarken zu erreichen.

Da der Spielaufbau durch die wechselnden Szenariokarten, Bosskarten, Auftrags- und Fähigkeitskarten modular ist, trägt das auch einige Zeit und man kann viel entdecken und ausprobieren.
Stark aufgekommen ist bei mir jedoch der Eindruck, dass die Fähigkeiten nicht ausgeglichen stark sind und man mit bestimmten Auslagen in Punktebereiche vordringen kann, welche mit anderen Auslagen nicht möglich wären. Im Solospiel Ergebnisse zu vergleichen wäre dann demnach eher schwer. Als besonders stark habe ich dabei die Fähigkeit Waldläufer erlebt, welche der Heldengruppe mehr Bewegungsschritte erlaubt. Dies ist meines Ermessens wesentlich stärker als alle anderen Fähigkeiten. Im Solospiel mag das nicht tragisch sein. Im Spiel gegeneinander leidet darunter das Balancing schon ein wenig. Ich bin gespannt ob es zu dieser Fähigkeitenkarte zukünftig eine Anpassung geben wird.

Realistisch muss man aber vielleicht sagen, dass man mit Paper Dungeons ein schnelles Roll & Write im Dungeonsetting spielt, welche genreuntypisch schon recht wenig Unwägbarkeiten und Glückselemente hat. Vielleicht ist das nicht ganz gelungene Balancing unter diesem Gesichtspunkt dann auch zu verschmerzen.

Was Paper Dungeons hervorragend gelingt ist es das Dungeon Crawling auf ein knackiges Roll & Write mit übersichtlichen Regeln herrunterzubrechen. Heldenentwicklung, Finden von Gegenständen, spezielle Fähigkeiten, Bewegen in einem Dungeon, Monsterkämpfe. All das bietet Paper Dungeons bei einem Spiel, welches man schon fast als Absacker spielen könnte. Da ist das Genre wirklich wunderbar zu einem kompakten Spiel komprimiert worden. Auch atmosphärisch ist meiner Meinung nach viel richtig gemacht worden. Der Spielbogen ist dem Genre entsprechend gestaltet aber trotzdem übersichtlich geblieben. Nahezu alle eingesetzten Grafiken und Ikone sind funktional.

Ein wenig mehr austoben konnte sich der Grafiker nur bei den Bossmonstern und der Schachtelgestaltung. Das soll keinesfalls heißen, dass ich hier ein Manko sehe. Ich finde der Grafiker Dan Ramos hat hier einen richtig guten Job gemacht. Gerade die Gestaltung des Spielbogens finde ich in seiner Funktionalität sehr gelungen. Wunderbare Fantasygrafiken zaubert er dazu dann noch auf der Schachtel und bei den Bossmonstern.

Um letztendlich auf die Ausgangsgangsfrage zurück zu kommen: Lohnt es sich auf die zweite Auflage von Paper Dungeons zu warten? Dies würde ich mit einem klaren Ja beantworten. Paper Dungeons ist in der Tat, wie es der Claim des Spieles verspricht, eine kurzweilige Kritzelkerkerei. Dabei sucht es auch seinesgleichen. Vergleichbar gut herunter brechen das Thema Dungeon Crawling meines Wissens nur die Spiele A4 Quest und Boss Monster. Beide jedoch mit ziemlich anderen mechanischen Ansätzen und meiner Einschätzung nach auch nicht so gut und zugänglich.

Von mir eine klare Empfehlung für Paper Dungeons als schnelles, flott erklärtes Roll & Write im Fantasy-Dungeon-Crawler-Gewand.
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Paper Dungeons von Leandro Pires
Erschienen bei Grimspire
Für 1 bis 8 Spieler in ca. 30 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Grimspire)