29.11.2021

Lass Dich nicht erwischen!


Hey, könntest du mir bitte kurz die Schuhe zubinden – isch hab Rücken! Unsere Eltern haben uns gelehrt, stets freundlich und hilfsbereit zu sein; drum würden einige von uns wohl dazu neigen, unserer armen von Rückenschmerz geplagten Freundin mit den Schnürsenkeln zu helfen… erwischt! Denn was du vergessen hast: wir spielen immer noch Lass dich nicht erwischen von Big Potato Games. Hier geht es nämlich darum, in einer unbestimmten Zeit, drei von insgesamt fünf Missionen zu erfüllen, und eine Mission von unserer Ulrike war es eben, jemand anderen dazu zu bringen, ihr die Schuhe zu binden. Tja, deine Eltern hätten dich wohl besser darüber aufgeklärt, absolut niemandem zu trauen! Naja, zumindest, wenn du gerade mitten in einer Partie Lass dich nicht erwischen gefangen bist… Dieses Party-Meta-Game wird die Fehler in deiner Erziehung wieder wettmachen und dich vernünftigerweise die Vorzüge vollumfänglichen Misstrauens mit einer gesunden Spur von Paranoia lehren. Und egal, was du tust, Lass dich nicht erwischen!


Material

Ein Haufen dünne Missionsstreifen (186 insgesamt), zehn Brieftaschen aus Plastik zum Unterbringen derselben sowie ein recht schlankes Regelwerk – mehr gibt es in Lass dich nicht erwischen nicht zu bestaunen. Doch es geht ja nicht immer nur um Quantität, sondern vor allem auch um Qualität, und die Plastikbrieftaschen sind schon cool, bieten Platz für sechs Missionsstreifen und lassen sich nach Platzieren eben jener Missionen ganz einfach zuklappen und verstauen. Die Missionen halten und die Brieftasche hat in jeder Hosen- oder Handtasche Platz. Und auch die Missionsstreifen selbst sind so designet, dass man durch einfaches Knicken nach vollendeter oder gescheiteter Mission, eben eines von beidem ganz leicht in seiner Brieftasche anzeigen kann. Das Material ist also durchaus gelungen. Auf zum Spielablauf!


Ablauf

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist Lass dich nicht erwischen ein Meta-Game, d.h. man setzt sich nicht zusammen an einen Tisch und sagt Lass uns ne Runde spielen, sondern man verteilt geheim die Missionen und Brieftaschen, und dann geht es auch schon los. Sobald die Missionen verteilt wurden, sollte jeder auf der Hut sein, denn man kennt die Missionen der anderen nicht, kann sich jedoch gewiss sein, dass sie dich dazu bringen wollen, Dinge zu tun, die es ihnen erlauben, ihre Missionen erfolgreich abzuschließen.

Doch sie sollten dies nicht allzu offensichtlich angehen, denn werden sie bei einem Versuch, einen ihrer Missionen erfüllen zu wollen, erwischt, gilt die Mission sofort als gescheitert. Würde sich also eine Person in Ulrikes Schuhbindcoup weigern ihrer Bitte nachzukommen und ihr zudem noch vorwerfen, die Bitte sei doch nur eine heimtückische List, dann müsste sich Ulrike schweren Herzens zu erkennen geben und die Mission in der eigenen Brieftasche so knicken und neu platzieren, dass die rot herausstechende „Gescheitert“-Seite mit traurigem Smilie nach oben zeigt. Fällt jedoch jemand auf ihre List herein und verfällt seiner eigenen Empathie und dem naiven Drang zu helfen, so wird er sich sogleich Ulrikes Ausruf Erwischt! gegenüber sehen, und Ulrike darf ihre Mission genüsslich auf die grüne „Geschafft“-Seite mit lachendem Smilie drehen. Wer zuerst drei seiner Missionen erfüllt hat, gewinnt.


Und hier ein paar Beispielmissionen, wobei ich diese aus Spoilervermeidungsgründen nicht dem Spiel selbst entnehme, sondern mir einfach mal selbst ausdenke, angelehnt an die Missionen, die ich bereits kennenlernen durfte: 
Bring einen Mitspieler dazu, mit dir zu deinem Lieblingslied zu tanzen. 
Lege dich auf den Boden und sorge dafür, dass sich ein Mitspieler auf dich setzt. 
Bringe einen Mitspieler dazu, „Supercalifragilisticexpialigetisch“ zu sagen. 
Sprich einen Mitspieler mit starkem russischen Akzent an und bring ihn dazu, mit russischem Akzent zu antworten. 
Bastle einen Papierflieger und bring einen Mitspieler dazu, ihn gegen einen anderen Mitspieler zu werfen. 

Ob es diese Beispielmissionen im Spiel tatsächlich gibt, weiß ich nicht, aber ich denke, sie geben einen Eindruck dessen, was auf euch zukommen könnte. Und euch ist wahrscheinlich nicht entgangen, dass die Missionen gar nicht ohne sind, und genau deshalb gibt es neben den fünf Hauptmission eine sechste, die man ebenfalls ganz normal erfüllen kann, die aber bei einem Scheitern jedoch weiterhin im Spiel bleibt, bis man sie bestenfalls dich noch erfüllt bekommt. Fragt man einen Mitspieler nämlich Weißt du was? und dieser antwortet mit Was?, zählt dies sofort als erfolgreiches Erfüllen dieser Mission, wohingegen – wie schon gesagt – nichts passiert, wenn der Mitspieler die Finte erkennt und dich dabei erwischt, wie du versuchst ihn oder sie zu erwischen. Und das war es auch schon mit den Regeln… Auf zum Fazit!


Fazit

Die grundlegende – aber natürlich nicht ganz neue und sich doch frisch anfühlende – Idee eines Mega-Games, also eines solchen, dass man im Hintergrund über einen längeren Zeitraum spielt, während man unterwegs ist und andere Dinge tut, hat in jedem Fall schnell mein Interesse geweckt. Allerdings ist es bei diesem Spiel ganz entscheidend, in welchem Rahmen und mit wem man es spielt. Bei meiner ersten Proberunde habe ich es zu einem Spieleabend mitgebracht und die Missionen an die Spieler verteilt, ehe wir mit dem Spieleabend begonnen haben. Das Problem mit diesem Setting ist, dass der Zeitraum beinahe zu kurz ist und sich viele der für die Missionen benötigten Szenarien bei einem solchen Spieleabend einfach nicht ergeben. Zu Beginn ist jeder höchst wachsam und es ergibt natürlich keinen Sinn, sofort zu versuchen, eine Mission zu erfüllen. Doch auch im Laufe des Spieleabends, könnte ich mir keine Situation vorstellen, in der jemand tatsächlich einen von mir gebastelten Papierflieger gegen einen anderen Mitspieler werfen würde, eben weil man ja mit billigen Täuschungen und Tricks rechnet.


Doch die Sache sieht natürlich schon ganz anders aus, wenn man mit seinen Freunden für ein gemeinsames Spielwochenende auf eine Berghütte fährt und den Mitspielern die Missionen schon vorab zukommen lässt, sodass sich jeder vorbereiten und etwaige benötigte Materialien mitbringen kann. Dann spielt man über mehrere Tage im Hintergrund mit (und eventuell gewinnt auch am ersten Tag schon jemand), und der anfängliche Argwohn weicht dann doch recht schnell, sobald genügend Ablenkung ins Spiel kommt, der gewohnten Gelassenheit mit einer unterschwelligen Alarmbereitschaft. Allerdings haben es manche Missionen echt in sich, während andere überraschend leicht zu erfüllen sind. Somit kommt es schon stark darauf an, welche Missionen man zu Beginn zugeteilt bekommt. Vielleicht könnte man darüber nachdenken, dass alle nochmals 1-2 Missionen vorab austauschen dürfen, wobei dadurch natürlich die ausgetauschten Missionen verschwendet würden, da man sie dann ja schon kennt und nie wieder darauf hereinfallen wird. Nachdem man also alle 186 Missionen durchgespielt hat, ist das Spiel auch durchgespielt und es werden neue Missionen benötigt.


Auch für eine Hausparty könnte ich mir das Spiel im Übrigen ganz gut vorstellen, wenn auch hier die Missionen bestenfalls schon im Voraus verteilt werden. Und obwohl eine solche Party i.d.R. wohl nicht über mehrere Tage gehen wird – zumindest in meinem Alter nicht mehr… –, wird der Alkohol voraussichtlich dafür sorgen, dass Missionen auch innerhalb einer kürzeren Zeitspanne deutlich schneller zu erfüllen sind. Das Setting ist bei diesem Partyspiel also ganz entscheidend, sodass ich es eben nur für solche Anlässe und Gegebenheiten empfehlen kann. Hat man sich also das richtige Setting mit den richtigen Leuten ausgesucht, steht einem misstrauischen Partyspaß nichts mehr im Weg. Und besonders lustig ist es dann natürlich, noch mehr Argwohn zu sähen, indem man die Mitspieler versucht dazu zu bringen, gewisse Dinge zu tun, die jedoch gar nicht Teil der eigentlichen Missionen sind. Denn im Grunde kann einem ja nichts passieren, solange man nicht versucht, die tatsächlichen Missionen zu erfüllen. Für den ein oder anderen Lacher sollte also auf alle Fälle gesorgt sein. Und weißt du was?: Lass dich nicht erwischen!
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Lass Dich nicht erwischen von Zoe Lee und James Vaughan
Erschienen bei Big Potato Games
Für 2 bis 10 Spieler in ca. 20 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Big Potato Games)
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