12.01.2022

Resident Evil 3: The Board Game plus Expansion


Unfassbar, wie schnell die Zeit verfliegt. Mir kommt es vor, als wäre es gestern gewesen, als ich das erste Mal Resident Evil (1) auf einer Playstation (auch 1) über den (4:3 Röhren!-)Bildschirm flackern sah. Es war aber nicht gestern, sondern vor unfassbaren 25 Jahren (+/- ein oder zwei Jahre vielleicht). Seitdem hat sich die Serie tief in mein Spielergedächtnis gebrannt und natürlich durfte da auch Resident Evil 3 nicht fehlen. Dass es offenbar nicht nur mir so geht, zeigen zum einen die durchaus recht erfolgreichen unzähligen Remakes für allerlei Konsolen und PC (aktuell ja passenderweise Teil 3 ;), und zum anderen auch die Brettspielumsetzungen von zunächst Teil 2 (das ich leider nicht gespielt habe), dem hier vorliegenden Teil 3 und dem zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen frisch gefoundeten Brettspiel zum ersten Teil der Reihe.

Aber bleiben wir noch kurz beim digitalen Spiel: Mit dem namensgebenden Nemesis wurde damals ein Spielelement in den dritten Teil eingeführt, dass man bereits aus anderen Spielen von Capcom kannte: Nemesis tauchte immer wieder auf, man wusste nie, wann und wo und völlig egal, wie viel Schaden man ihm schon beigefügt hat. Und allein das sorgte für eine ungemein spannungsgeladene Atmosphäre…Aber nun gut, wir wollen hier ja nicht über ein Videospiel sprechen, sondern über ein Brettspiel. Und somit stellt sich die Frage: Kann eine derartige Atmosphäre überhaupt auf ein Brettspiel übertragen werden? Wird erwartungsgemäß ordentlich Fanservice geboten? Macht Resident Evil 3 als Brettspiel denn überhaupt Sinn oder, noch viel wichtiger, Spaß? Fragen über Fragen und (zumindest meinerseits) wirklich hohe Erwartungen. Wer sich an so ein Franchise herantraut, muss qualitativ was bieten. Wobei, RE6, also…ähm, egal. Also: Wer sich an ein Brettspiel zu so einem Franchise herantraut, muss (mir) qualitativ was bieten.

 
Der erste Blick nach dem Öffnen der Packung zeigt auch ein schickes Foto mit der Begrüßungs-Warnung aus dem alten PSOne-Klassiker. Schick. Dreht man dieses Blatt Papier um, offenbart es sich allerdings als das Kampagnen-Dashboard. Meine erste Reaktion: Echt jetzt? Auf einem dünnen Blatt Papier? Da muss doch ein Board drin sein. Aber nein, da ist kein Board drin. Hm. Bei dem veranschlagten Preis frage ich mich durchaus, warum man ein so zentrales Spielelement nur auf einem Blatt Papier ausliefert… Geht man die Packung weiter durch, zeigen sich einem diverse Tiles und Marker aus ordentlich dicker Pappe (es geht also), viele Karten in solider Qualität und sauber gearbeitete Miniaturen. Also eigentlich alles gut, bis auf das Kampagnen-„Board“…und die Marker für Türen, Durchgänge, etc. Denn diese sehen zwar schick aus, sind aber während des Spiels leider nur bei guten Lichtverhältnissen so wirklich voneinander unterscheidbar. Da will man schnell man eine Tür schließen, die gar keine ist. Da empfiehlt es sich tatsächlich, sich die 3D-Terrainelemente zuzulegen…die aber leider KS-exklusiv waren. Hmpf….Sei’s drum. In Summe sind die Komponenten (mit den genannten Abstrichen) wirklich gut. Die Qualität zieht sich natürlich auch durch die Erweiterung hindurch, die mit nochmal größeren Endboss-Miniaturen aufwartet.

Spielerisch wird uns mit Resident Evil 3: The Board Game ein waschechter, vollkooperativer Dungeoncrawler samt Kampagne geboten. Jede Person am Tisch bekommt einen Charakter, das Spielfeld einer Mission wird zusammengebaut, das Missionsziel erklärt und dann geht es los. Wer dran ist hat vier Aktionen, anschließend schlurfen alle Zombies (und auch andere Gegner) im gleichen Raum sowie aus den benachbarten Räumen (sofern sie nicht durch geschlossenen Türen davon abgehalten werden) auf einen zu und danach wird eine sogenannte Tension-(also Spannungs-)Karte gezogen, bevor die nächste Mitspielerin dran ist. Und eins kann ich an dieser Stelle schon mal sagen: Spannung ist hier Programm. Zwar sind anfangs noch viele Tension-Karten ohne Effekt – was sich im Lauf der Kampagne ändert – aber eigentlich hofft man mit jeder Karte, die man ziehen muss, dass jetzt nichts Schlimmes passiert, was zur allgemein angespannten Spielsituation deutlich beiträgt. Die Karten haben aber auch noch eine weitere Funktion: Ist der Stapel leer und hat man keine rettenden Farbbänder, die man in einer nahestehenden Schreibmaschine einsetzen kann, dann hat man die Mission verloren. Die Karten sind also auch ein Timer. Wer trödelt, verliert. Wobei der Zeitdruck hier nie unfair wird. Und während der Startmissionen gilt die Timer-Regel auch nicht. Doch nicht nur die Zeit arbeitet gegen die Spielenden. Stirbt auch nur eine/r, ist die Mission in der Regel verloren.


Apropos Startmissionen: Man kann zu Beginn wählen, mit welcher von drei möglichen Missionen man beginnen möchte. Grundsätzlich hat dabei jede Mission immer ein bestimmtes Ziel, das es zu erreichen gilt. Außerdem gilt es meistens, mindestens einen Story-Marker sowie ein bestimmtes Item einzusammeln. Schafft man eine Mission, ohne beide Dinge einzusammeln, darf man die Mission beliebig oft wiederholen. Schafft man alles, wird die Mission gesperrt, weil es unnötig wäre, sie nochmal zu spielen. Story-Marker bringen einem neue Orte auf dem Kampagnen-Board, die man mitunter mit den speziellen Items (auch aus anderen Missionen) freischalten muss. Ihr merkt also: man darf immer wählen, mit welcher der freigeschalteten Missionen man seine Kampagne fortsetzen möchte. Ziel der Kampagne ist es, vier ganz besondere Gegenstände einzusammeln, damit in den Uhrenturm zu gelangen und am Ende Nemesis – Achtung Spoiler, aber mal ehrlich, wer hätte es gedacht(?) – endgültig den Garaus zu machen. Und wenn man dann die Erweiterung hat, geht es ganz ohne Kampagnenboard, ganz linear durch weitere Stories, denn so ganz war Nemesis…aber genug gespoilert. Das Schöne an der Kampagne ist, dass man die Missionen nicht gewinnen muss, um in der Kampagne voranzuschreiten. Eigentlich reicht es, die Story-Marker und die besonderen Items einzusammeln. Aber eine verlorene Mission erhöht immer den City-Danger-Level deutlich mehr, als eine gewonnene Mission. Und erreicht dieser Level einen bestimmten Punkt, dann heißt es Game Over. Aus und vorbei. Bitte die Kampagne von vorne beginnen. Und wer will das schon?

Das Spiel selbst spielt sich schön flott und sehr eingängig. Wer schon mal irgendeinen Dungeoncrawler gespielt hat, fühlt sich hier sehr schnell heimisch. Neulinge brauchen dagegen genretypisch ein wenig Einarbeitung in Themen wie Sichtlinie, Reichweite, Trefferwürfeln, etc. Richtig gut finde ich, dass man in jeder Mission nur einige wenige Gegner sieht, obwohl der komplette Plan vor einem ausgebreitet liegt. Viele Gebäude und Straßenabschnitte haben nämlich kleine Marker auf sich liegen. Öffnet man eine Tür zu solch einem markierten Tile und betritt dieses, muss man Würfeln. Je nach Marker und Würfelergebnis kommen dann ganz unterschiedliche Gegner oder Ereignisse auf das Tile. Das sorgt für Abwechslung und – wieder einmal – für eine ordentliche Prise Spannung am Spieletisch.


Wie schon gesagt besteht ein Zug aus vier Aktionen, die man beliebig kombinieren kann: ein Feld laufen, angreifen, Türen öffnen/schließen, Gegenstände aufnehmen/tauschen/benutzen. Mache ich eine Aktion (außer anzugreifen) und stehe dabei mit einem Gegner auf dem gleichen Feld, muss ich ihm oder ihr erst ausweichen, bevor ich meine Aktion machen darf. Greife ich an, werden Feinde durch den Kampflärm angezogen und laufen auf mich zu, und wenn ich meinen Angriff verfehle und mit einem Gegner auf einem Feld stehe, greift der mich dann auch noch unblockbar an. Aber Angriff ist ohnehin selten die richtige Aktion. Ganz wie im Original muss man hier mit der Munition richtig gut haushalten, denn so viel Ersatz gibt es nicht. Und nur mit dem Messer lässt sich wenig gegen die schlurfenden Gegner ausrichten. Während viele Dungeoncrawler die Kämpfe auf ein simples Rechenspiel reduzieren (ich brauch genug Stärke und dann einen Treffer und der Gegner ist vom Tisch), muss man bei Resident Evil 3 zunächst mal gewillt sein, die Munition sprichwörtlich zu verballern. Denn: echte Treffer, die Schaden machen, sind eher selten. Die Würfel, die man hierfür werfen muss, geben das nicht wirklich her. Oftmals schießt man dann doch daneben oder trifft die Gegner vielleicht, aber schubst sie nur weg, statt ihnen zu schaden. Zwar lassen sich bei manchen Waffen gegen Munition zusätzliche Würfel in nur einem einzigen Angriff werfen, aber auch da ist die Wahrscheinlichkeit für echte Treffer nicht all zu hoch. Und mit jedem Angriff kommen halt auch alle anderen Gegner in Hör- und Sichtweite immer näher und näher und umzingeln einen. Da ist Flucht oftmals die sinnvollere Aktion – zumal die Zeit ja auch gegen uns arbeitet. Blöd ist dann nur, wenn man auf der Flucht vergisst, Türen hinter sich zu schließen oder über eine auf dem Boden liegende Leiche stolpert, die dann – wenn man Pech hat – sich ebenfalls als Zombie entpuppt. Außer man hat ein explodierendes Fass in der Nähe. Denn die trifft man immer und die machen dann auch ordentlich Schaden.

Ihr seht also: Das Spiel ist nicht nur wirklich thematisch, sondern es fühlt sich auch tatsächlich wie Resident Evil 3 an. Fans kommen hier absolut auf ihre Kosten. Durch den (natürlich) sporadisch auftauchenden Nemesis, die ständig auf einen zu schlurfenden Zombies, die ständige Bedrohung durch die Tension-Karten, die geringe Munition und den immer vorhandenen Zeitdruck, wird eine wirklich zum Videospiel passende, spannungsgeladene Atmosphäre geschaffen, die sich schlicht wie Resident Evil anfühlt. Und das ganz ohne Gamepad in der Hand. Und praktisch ohne jede Downtime. Und schafft man es dann, eine Mission erfolgreich zu beenden, führt das nicht selten zu echten High-Five-Momenten. Gar nicht mal, weil der Erfolg nur ganz knapp geschafft wurde, sondern vielmehr, weil die Spannung, die das Spiel aufbaut, von einem abfällt.



Und jetzt setze ich mal die Fanboy-Brille ab und versuche, das Spiel losgelöst von seinem Thema zu sehen. Und das fällt mir zugegebener Maßen wirklich schwer. Denn vor dem thematischen Hintergrund macht jede einzelne Spielmechanik durchweg Sinn. Nüchtern betrachtet bietet das Spielsystem aber für Dungeoncrawler-Fans wenig wirklich Neues oder Innovatives – mit Ausnahme der Kämpfe, denn da bieten die meisten Crawler ja durchaus eher Gemetzel, als subtiles Abwägen der Fluchtmöglichkeiten samt Ressourcenmanagement. Aber das macht nichts, denn Resident Evil 3: The Board Game spielt sich locker flockig dahin, ist mega spannend und macht richtig viel Spaß. Und wer davon nicht genug bekommen kann, schnappt sich die Erweiterung. Diese bietet neue (End)Gegner und eine direkte Fortsetzung der Kampagne sowie ein paar kleine zusätzliche Mechaniken – wie bspw. Vergiftungen. Im Kern erfindet die Erweiterung das Spiel aber weder neu noch bringt es echte Neuerungen ins Spiel ein, sondern bringt allen, die mehr wollen genau das: mehr mehr mehr…

Zu guter Letzt noch ein Wermutstropfen. Aber auch das ist einer, der vielen Dungeoncrawlern eigen ist: Der Aufbau einer Mission dauert gefühlt ewig. Einmal hatte ich sogar das Gefühl, dass der Auf- und Abbau mehr Zeit in Anspruch genommen haben, als das eigentliche Spiel selbst. Da mag der Schein trügen, aber man sollte sich hier durchaus bewusst sein, dass man mit Resident Evil 3: The Board Game weder Ringbuchmissionen wie bei den Pranken des Löwen noch eine App-gesteuerte Spielfeldentwicklung wie bei Legenden der Finsternis geboten bekommt, sondern klassisches „erstmal alles aufbauen und dann spielen“. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau.

So. Ich setze jetzt meine Fanboy-Brille wieder auf und starte die nächste Kampagne.

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Resident Evil 3: The Board Game von Sherwin Matthews
Erschienen bei Steamforged Games Ltd.
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 60 - 90 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Steamforged Games)
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