07.03.2022

Kokopelli


Ich falle jetzt mal mit der Tür ins Haus: Kokopelli hinterlässt bei mir einen zwiegespaltenen Eindruck. Im Kern ist es ein echt gutes Spiel. Es sieht toll aus und hat ordentliche Komponenten, leicht zu lernende Regeln, gute Mechaniken und macht im Kern auch wirklich Spaß – ab drei Spielern zudem ganz anders als zu zweit. Aber nach einer gespielten Partie bin ich auch ganz froh, dass ich es wieder einpacken kann. Lust auf eine Revanche kommt nicht auf, gleichzeitig hole ich es aber dann ein paar Tage später gerne wieder auf den Tisch. Merkwürdig…

Aber fangen wir wie immer mal bei den Komponenten an. Das Spiel kommt mit vier identischen Kartensätzen in ordentlicher Standardqualität daher, mit ganz vielen Siegpunktmarkern und 16 Plättchen für die Zeremonien, um die es hier geht. Das Ganze wurde mit einem Inlay versehen, dessen Sinn sich mir nicht mal im Ansatz erschließen will. Selbst im Hinblick auf die anstehende Erweiterung verstehe ich ganz ehrlich nicht, was mir das Inlay bringt. Ohne Inlay hätte die Packung nur halb so groß sein können und die Erweiterung hätte auch gepasst. Hm.


Spielerisch tut sich dagegen folgendes: von den 16 Zeremonien liegen 10 in der Tischmitte aus und auf jeder liegen zwei Siegpunkteplättchen (3 Punkte und obendrauf 4 Punkte). Alle bekommen ein Tableau sowie ein Kartendeck, bestehend aus je 3 Karten jeder Zeremonie und sechs Jokern (den namensgebenden Kokopelli), mischen dieses kräftig durch und schon geht es los.

Ist man an der Reihe, darf man aus fünf möglichen Aktionen je zwei wählen: Eine Karte ziehen, Handkarten tauschen, eine Zeremonie eröffnen (= Karte an einen freien Platz im eigenen Tableau anlegen), eine Karte spielen (= identische Karte an bestehender anlegen) oder eine Zeremonie abbrechen. Klingt simpel und ist es auch. Eine Besonderheit ist dabei, dass es neben dem eigenen Dorftableau auch einen Spielbereich gibt. Dieser umfass auch immer die beiden ersten Dorfplätze der Nachbarspieler. Spiele ich eine Karte, kann ich diese also sowohl bei mir, als auch bei meinen Nachbarn anlegen (sofern dort eine entsprechende Zeremonie vorhanden ist). Und eröffne ich eine Zeremonie in meinem Dorf, darf diese in meinem Spielbereich (also auf den Nachbarfeldern) nicht schon vorhanden sein.


Warum machen wir das? Weil jede eröffnete Zeremonie besondere Fähigkeiten oder Boni gibt. Da bekommt man z.B. zusätzliche Karten beim Kartenziehen oder zusätzliche Siegpunkte beim Kartenspielen oder man braucht weniger Karten, um eine Zeremonie zu beenden. Und hierdurch wird das Spiel, das durch die Kartenziehmechanik doch recht glückslastig ist, durchaus taktisch. Denn: eine Zeremonie wird eigentlich beendet, sobald die vierte gleiche Karte angelegt ist. Die Besitzerin der Zeremonie verliert durch das beenden die besondere Fähigkeit, der Beender der Zeremonie bekommt Siegpunkte - nämlich den Chip, der in der Tischmitte auf der Zeremonie liegt. Und da je Zeremonie nur 2 Punktechips liegen, aber jeder Karten für jede Zeremonie hat, ist es manchmal attraktiver und manchmal weniger attraktiv eine Zeremonie zu beenden. Und wie schon gesagt, haben alle nur jeweils drei Karten je Zeremonie.

Dies führt dazu, dass man doch recht oft abwägt, wann man denn eine eigene Zeremonie eröffnet, welche Fähigkeiten und Boni man in einem Moment wirklich braucht, wann man eigene Karten „opfert“, damit man einem Gegner eine ihrer Zeremonien beendet, selbst Punkte einstreicht und damit eine gegnerische Fähigkeit unschädlich macht. Manchmal möchte man eine eigene Zeremonie eröffnen, um eine Fähigkeit zu bekommen, manchmal sie beenden, um die Siegpunkte einzustreichen, manchmal hebt man sich Karten auf und beendet eine Zeremonie nicht, damit wenn sie jemand anders beendet, man sie sich selbst wieder neu eröffnen kann. Und selbst das Karten-Nachziehen ist hier taktisch. Sobald ich keine Karten mehr habe, bekomme ich nämlich einen Siegpunkt und drei neue Karten und wenn ich eine bestimmte Zeremonie habe, winken sogar drei Siegpunkte. Dafür beschränke ich aber natürlich gleichzeitig im Vorfeld meine Handlungsalternativen. Da muss man schon mal gut überlegen, was in den einzelnen Momenten Sinn macht.


Und es erfordert eine durchaus ordentliche Portion Flexibilität in den eigenen Strategien. Letztlich hat man es also selbst in der Hand, wie stark man sich durch den Kartenzieh-Glücksfaktor des Spiels lenken lässt oder es schafft, das Beste aus seinen Karten zu machen. Und das Schöne daran: Die Downtime hält sich wirklich in Grenzen, da man durch die in der Regel wenigen Karten auf der Hand und die maximal sechs möglichen Einsatzorte doch in seinen Entscheidungen limitiert ist, ohne sich eingeengt zu fühlen. Und das war’s auch schon. Ein Spiel endet, wenn eine Mitspielerin keine Karten mehr auf dem Deck liegen hat oder die vorher festgelegte Anzahl an Zeremonien in der Tischmitte alle ihre Punkte losgeworden sind.

Das klingt jetzt alles vielleicht viel tiefgründiger als es ist, denn Kokopelli bewegt sich definitiv eher im (leicht gehobenen) Familiensegment, als im Kennerspielbereich und das ist auch gut so, denn es dürfte allen Konstellationen am Spieletisch Spaß machen, völlig unabhängig von Alter, Spielerfahrung oder anderem. Warum bin ich dann also so zwiegespalten? Ich kann es nicht genau sagen, denn Spaß macht es mir definitiv. Vielleicht liegt es daran, dass es mit seiner Spielzeit von knapp einer Stunde definitiv kein Absacker, aber für ein abendfüllendes Spiel aber dann doch zu seicht ist? Vielleicht. Denn spielmechanisch passt hier alles toll zusammen, aber irgendwie ist halt – wie schon gesagt – nach einer Partie auch irgendwie die Luft raus. Und das, obwohl es sich doch recht locker flockig spielt. Vielleicht liegt es daran, dass die hohe Interaktion und das ständige umdenken müssen (auch, wenn man nicht dran ist), auf Dauer vielleicht auch ein wenig anstrengend sind? Hm. Ich weiß es nicht. Das ist aber zugegebenermaßen auch sehr subjektiv. Und es wird definitiv erstmal in der Sammlung bleiben, denn genug habe ich nicht davon.


Ach ja, eins noch. Ich sagte zu Beginn, dass es zu dritt/viert ganz anders ist, als zu zweit. Das liegt daran, dass zu zweit fast das komplette Dorf des Gegenübers zum eigenen Spielbereich wird und da immer nur eine Person als „Zielscheibe“ dient, wird das Ganze zum direkten Schlagabtausch, wodurch sich sich das Konfliktpotential sowie der taktische Anspruch nochmal ein wenig erhöhen. Hier kann man eben nicht hoffen, dass die vierte Karte einer Zeremonie an einem vorbeigeht, weil jemand anders getroffen wird. Hier ist klar: wenn ich meinem Gegenüber Möglichkeiten zum Punkten eröffne, wird sie es auch nutzen. Das macht nicht weniger Spaß als zu dritt oder viert, aber anders.

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Kokopelli Stefan Feld
Erschienen bei Queen Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 45 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Queen Games)