04.11.2022

Ankh mit Pharao, Pantheon und Wächter-Set


Wow. Wenn sich die Kisten von Ankh samt der drei Erweiterungen Pantheon (more of the same: mehr Götter), Guardians (more of the same: mehr Wächter) und Pharao (echte Erweiterung) so auf dem Tisch türmen, dann ist das auf den ersten Blick recht eindrucksvoll. Dermaßen viel Material, da muss was ordentlich Komplexes dahinterstecken. Denkt man sich. Bedenkt man, dass das Ganze von CMON kommt, könnte man aber auch denken, dass es viel Material ist, ohne das ganz große Optimier-Hirnverbrenn-Superduper-Strategiehammer zu sein. Andererseits ist der Autor durchaus für richtig gute Spielerlebnisse bekannt. Hm. Wo nun die Wahrheit liegt, das möchte ich noch nicht verraten, sondern fange wie immer bei den Komponenten an.


Gut, muss ich dazu viel sagen? Die „Miniaturen“ sind toll, wobei die Götterfiguren schon eher kleine Statuen sind, als „mini“. Das Spielbrett ist zweckmäßig minimalistisch gehalten und die übrigen Board sind eigentlich keine Boards sondern recht dünne Pappe, die aber eigentlich ausreicht, denn außer Marker/Minis schieben, macht man auf diesen eigentlich nicht viel. Das eigentliche Geschehen findet überwiegend auf dem echten Brett statt.

Und worum geht’s? Um Verehrung bzw. nüchterner betrachtet, um Siegpunkte. Wer auf der Skala am Ende ankommt gewinnt sofort, ohne Rücksicht auf Verluste, niemand hat mehr die Chance, aufzuholen oder sonst was. Und wer schon mal den einen oder anderen Racer auf einer Konsole oder dem PC gezockt hat, der kennt diese Ausscheidungsrennen, in denen der Letztplatzierte einer Runde rausfliegt. Das gibt es auch bei Ankh. Hat man in einem bestimmten Moment des Spiels (nach ca. 2/3) nicht genügend Punkte, ist man raus. Aber nicht aus dem Spiel. Nein, man „verschmilzt“ dann mit dem Vorletzten, so dass man dann gemeinsam noch versuchen kann, die führende Person einzuholen. Ein nettes System, dass das Rennen nochmal gehörig durchrütteln kann. Denn: die letzte Person verliert alles im Spiel und spielt mit den Ressourcen und Einheiten des Vorletzten weiter. Die vorletzte Person verliert aber den Siegpunkt-Vorsprung zum letzten und muss eigentlich noch mehr Punkte zur Führungsspitze aufholen. Klingt unfair, führt aber im Spiel dazu, dass man niemals die letztplatzierte Person „basht“, solange man nicht sicher auf Platz 1 ist. Und dass man immer wieder Zweckbündnisse schließt und den letzten vielleicht sogar mal eine Wertung gewinnen lässt. Denn wirklich sicher kann man bei Ankh nie sein, denn ratzfatz können alle eigenen Einheiten in einer Region durch eine Plage dahingerafft werden oder ähnliches. Und auch nach einer Fusion hat man nicht viel Zeit, denn nach der nächsten Wertung wird jeder Gott vergessen, der bei der Verehrung nicht im oberen Teil der Wertungsskala angekommen ist. Hier kann das Spiel mitunter auch vorzeitig enden und sogar dazu führen, dass niemand gewinnt. Spannend. Gleichzeitig müssen die „Vergessenen“ aber nicht lange zuschauen, denn es sind nur noch zwei Ereignisse bis Spielende. Da kann man gut mitfiebern.


Aber wie bekommen wir denn nun Verehrung? Durch eine Art gedoppeltes Area Control: Der Spielplan ist in Regionen unterteilt. In diesen Regionen gibt es drei Arten von Monumenten (bzw. mit der Erweiterung Pharao vier). Alle Spieler versuchen diese Monumente zu kontrollieren und je Monumentenart und Region die Mehrheit zu haben, um in den fünf Wertungsrunden, die es gibt, zu Punkten. Die Wertung erfolgt nämlich zunächst je Region: Hat nur eine Mitspielende Figuren in einer Region, bekommt sie 1 Verehrung. Sind mehrere Mitspielende in der Region vertreten, wird gekämpft. Der Kampf läuft dabei über 7 Karten, von denen man je Kampf eine einzige ausspielt. Hier sind so schöne Sachen dabei wie „töte alle Gegner“ aber auch „bekomme zusätzliche Anhänger (im menschlichen Sinne gemeint)“ oder auch „errichte ein Monument“. Der Clou: Es gibt auch eine Karte mit „nehme alle Karten zurück auf die Hand“. Denn: eine einmal ausgespielte Karte kehrt nicht von selbst auf die Hand zurück. Man weiß also eigentlich immer, wer noch welche Karten auf der Hand hat und kann seine Taktik entsprechend ausrichten. Ist diese Kampfphase abgeschlossen wird erstmal geschaut, wer von welchem Monumenttyp die meisten kontrolliert und gleichzeitig auch Einheiten in der Region hat. Diese Person bekommt jeweils 1 Punkt. Und erst dann wird geschaut, wer eigentlich den Kampf gewonnen hat (jede Einheit zählt 1 und die Karten geben Boni). Wer gewinnt, bekommt auch 1 Verehrung und löscht alle gegnerischen Einheiten in der Region aus. Gnadenlos. Und so wird Region für Region abgehandelt.


Das Problem: die anfänglichen Regionen, die durch die Szenarien vorgegeben werden, werden während des Spiels durch Ereignisse in kleinere geteilt und man kann sich nie so ganz sicher sein, wo die Grenzen verlaufen werden, denn diese werden durch einen der Mitspielenden bestimmt. Dadurch bleibt die Spannung konstant hoch und man ist laufend gezwungen, zu taktieren.

Klingt alles vielleicht ein wenig verschwurbelt, spielt sich aber unglaublich flüssig und in einer rasanten Spielzeit. Denn man hat eigentlich nur 4 mögliche Aktionen, von denen man je Durchgang ein bis zwei wählen kann. Einheiten erschaffen, Einheiten bewegen, Anhänger (= „Geld“) gewinnen oder den eigenen Gott entwickeln (pikant: durch opfern der Anhänger…). Der Clou: Wählt man eine Aktion aus, bewegt man ein Standee auf der jeweiligen Leiste vor. Erreicht diese Figur das letzte Feld, kommt es zu einem Ereignis, dass man nach der Aktion abhandelt. Dieses ist dann entweder die Besetzung eines Monuments, das Schaffen einer Karawane (= Abtrennen von Regionen) oder eine Wertungsrunde. Man muss sich also immer gut überlegen, was man wann tut und warum. Denn wenn ich mit meiner ersten Aktion ein Ereignis auslöse, verfällt meine zweite Aktion. Gleichzeitig darf die zweite Aktion, wenn ich sie nutzen kann, nur auf einer Leiste sein, die sich unterhalb der bereits genutzten Leiste befindet. Aber eigentlich will man ja Ereignisse auslösen, damit man selbst davon profitiert. Das sorgt mitunter schon für ordentliches Gehirnfutter, wobei sich die Downtime trotz allem in Grenzen hält. Schick gelöst. Das System gefällt mir wirklich gut!


Dieses Ereignis-System führt nämlich auch dazu, dass man sich nicht ständig irgendwelche Monumente wegschnappt oder laufend am Kämpfen ist, sondern alles passiert sehr reguliert und vorhersehbar zu bestimmten Zeitpunkten im Spiel. Das eigentliche Spiel ist somit eher ein sehr taktischer Positionskampf. Gleichzeitig gilt es, die eigene Spezialfähigkeit (jeder Gott hat eine eigene, was für eine gewisse Asynchronität sorgt) und die Fähigkeiten der Wächter (auch hier hat jeder eine eigene) im Blick zu behalten und sich in die für die persönlichen Erfordernisse richtige Richtung zu entwickeln (hier hat jeder die gleichen möglichen Fähigkeiten, die Anzahl der Auswahlmöglichkeiten ist aber limitiert, was zu mehr und mehr Asynchronität führt). Und nur wer sich entwickelt, bekommt überhaupt Zugriff auf die Wächter, von denen es nicht genügend Figuren für alle im Spiel gibt.


Ist Ankh nun also echtes Gold oder eher ein Blender? Ich sag es mal so, die Tischpräsenz ist fantastisch, aber natürlich hätten auch Pappstandees den Mechanismen keinen Abbruch getan. Trotzdem wirkt das Ganze durch die wirklich großen Götterfiguren und die coolen Wächter etc. gleich ganz anders, schicker, imposanter. Man könnte es fast mit einem Schachspiel vergleichen. Hier gibt es ja auch die Billigplastikvarianten und die schicken Metall- oder Glasfigurensets (oder Star Wars, Herr der Ringe, was weiß ich). Und ein schickes Schachspiel wirkt einfach von Grund auf anders, als eine Billigvariante. Auch wenn das Spiel das gleiche ist. Hier muss also jeder selbst wissen, ob das Spiel den durch die Produktionsqualität bedingten Mehrkosten gerecht wird.

Aber apropos Schach: Der Vergleich zu Schach passt auch zum Spielgefühlt von Ankh. Alles ist extrem taktisch, planbar, frei von Glückselementen. Toll. Im Spiel zu zweit findet der erwähnte Verschmelzungsmechanismus nicht statt (wie auch?), trotzdem spielt sich Ankh auch zu zweit vom Spielgefühl her sehr ähnlich (wenn auch mit weniger Trash-Talk am Tisch) und fühlt sich wie ein echtes, sehr direktes Duell an. Und das, im Unterschied zu Schach, mit einer sehr tollen, kurzen Spielzeit, die fast immer Raum für eine Revanche lässt. Auch wenn man sie vielleicht nicht immer möchte, da das Taktieren durchaus geistig anspruchsvoll ist. Bei Ankh ist man nämlich immer im Kopf bei der Sache, mittendrin im Geschehen. Das strengt an, bringt aber auch echten Spielspaß mit sich, denn man verstrickt sich hier nie in Regelfragen oder muss an irgendwelche komplizierten Mechaniken denken. Nein. Die Regeln sind einfach, schnell gelernt und fast schon simpel. Das Spiel selbst ist aber eine echte Herausforderung. Hat da jemand Schach gesagt?


Und diese geistige Herausforderung wird – zusammen mit dem Spielspaß - durch die Erweiterung Pharao nochmal gesteigert. Während der Pantheon und das Wächter-Set durch neue Fähigkeiten der neuen Götter und Wächter mehr Futter für die Asynchronität (und noch mehr tolle Figuren!) bringen, aber am grundlegenden Spiel selbst nichts ändern, zieht der Pharao direkt man mit einem neuen Board, nämlich seinem Palast, ein. Und natürlich darf auch der Pharao selbst als goldene Figur auf dem Spielbrett mitmischen und bringt eigene Regeln für sein Verhalten mit (z.B. zusätzliche/keine Verehrung im Gebiet des Pharaos oder auch eigene Einheiten des Pharaos, die in den Mehrheitenwertungen eine neue Konkurrenz darstellen). Dieses Verhalten wird durch eine Karte festgelegt, von denen fünf verschiedene mitgeliefert werden. Für Abwechslung ist also gesorgt. Den Pharao selbst steuert niemand aktiv, man muss ihn jedoch in seine Taktiken einplanen, da manche Abläufe sich verändern. Eine schöne Ergänzung, die den Anspruch an das Taktieren nochmal nach oben schraubt, ohne dass man hier endlos Automata-Karten oder ähnliches abhandeln muss.


Der Palast bringt dagegen ein zusätzliches Area Control-Element ins Spiel. Hier bewegen wir unsere neuen Priesterfiguren durch vier verschiedene Räume. Wer während eines Monument-Kontrollieren-Ereignisses die Mehrheit in einem Raum hat, bekommt einen entsprechenden Bonus (eine Agendakarte, das neue Monument Sphinx oder Anhänger), muss aber dafür alle eigenen Priester aus dem Raum entfernen. Die erwähnten Agendakarten haben es in sich. Bei jeder eigenen Aktion darf man nämlich eine dieser Karten ausspielen, was den Spielablauf ein wenig unberechenbarer macht. Und damit nicht genug: Mit der Kampfkarte, mit der man alle Kampfkarten wieder auf die Hand bekommt, bekommt man auch alle Agendakarten wieder auf die Hand. Diese Karten sind also immens wichtig – zumal man damit zusätzliche Bewegungen, Anhänger oder Einheiten bekommt oder auch mal Gegner vom Spielfeld wischen kann. Schön ist: Pro Räumewertung werden bis zu drei Karten verteilt. Es wird also nie unfair.

Unterm Strich steigt durch die Erweiterung also der Anspruch – und damit auch die Spielzeit - ein gutes Stück an, macht das Wettrennen aber noch spannender aber nicht komplizierter, noch kniffliger, noch geistig fordernder aber eben auch noch spaßiger – sofern man diese Art der Herausforderung mag. Ich selbst mag es und freue mich schon auf die nächste Partie und darauf, weitere Wächter und Götter der anderen beiden Erweiterungen auszuprobieren. Fragt man mich, ob Pharao eine Must-Have-Erweiterung ist, die nicht aus dem Spiel wegzudenken ist: Nein, das nicht. Wenn die Zeit knapp ist, dann spielt Ankh ohne Erweiterung. Aber mit ausreichend Zeit und geistiger Fitness würde ich die Erweiterung immer mit dazu nehmen. Die neuen Mechaniken fügen sich nahtlos ins Hauptspiel ein und fühlen sich in keinster Form aufgesetzt sondern im Gegenteil, wirken wie aus einem Guss. Nur sollte man auch ausreichend Platz auf dem Tisch haben.


Lange Rede kurzer Sinn: Ankh bietet jetzt nichts überwältigendes neues (ok, Verschmelzung ist schon recht innovativ), aber die Mischung aus einfachen Regeln, toller Optik und tief-taktischem Gameplay bei gleichzeitig knackiger Spielzeit trifft bei mir einen Nerv und macht Lust auf mehr. Auch ganz ohne Solo-Modus (von David Turczi).
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Ankh: Die Götter Agyptens von Eric M. Lang
Erschienen bei Asmodee
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 90 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Asmodee)
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