16.10.2023

Das Artemis-Projekt


Treffen sich zwei Vielspielende. Sagt A zu B „Hey, kennst Du schon Spiel x?“, worauf B erwidert „Ja, ist ganz ok und macht was her. Ich mag den Mechanismus m, der ist echt gut, aber ansonsten hat das Spiel mich nun nicht so wirklich mitgerissen“. Dazu A: „Ich find grade m auch echt gut und das macht doch 70% des Spiels aus und schnell gelernt ist das Spiel auch“, B: „Ja, das stimmt, aber m allein trägt dann irgendwie auch nicht über die ganze Spielzeit und irgendwie fehlt am Ende dann doch der letzte Biss.“

Kennt ihr solche Gespräche? Vermutlich ja. Und ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich mag Diceplacement wirklich sehr. Nicht umsonst gehört Rajas of the Ganges zu meinen Lieblingsspielen. Und da kommt nun also Das Artemis-Projekt daher und sieht aufgebaut auf dem Tisch irgendwie überraschend „kompakt“ aber doch recht schick aus. Mit seinen bunten Würfeln, den halbtransparenten Energiewürfeln, den Mini-Meeplen in 4 Farben und Formen und auch dem restlichen Design. Die Komponenten sind echt toll - auch wenn ich das Schüttel-Raumschiff für die mini-Meeple nicht brauche und lieber den alternativ beigelegten Beutel nutze. Und der Verdrängungsmechanismus, der hier eine zentrale Rolle einnimmt ist auch wirklich gut, macht Spaß und bringt einerseits Kopfzerbrechen und andererseits einen fairen Ausgleich für schlechte Würfelwürfe mit sich. Und irgendwie will ich das Spiel wirklich mögen, denn eigentlich passt alles (inkl. der wirklich guten Anleitung und einer Rundenübersichtskarte). Aber bevor ich mich verzettle, erzähle ich erstmal, worum es geht.


Wir besiedeln Europa. Nicht den Kontinent, sondern den Jupitermond. Grundsätzlich könnte es aber auch der Südpol sein. Oder irgendetwas anderes, denn das Thema spielt eigentlich nur eine Nebenrolle. Ist aber auch nicht schlimm, denn bei einem Euro kann eine gute thematische Einbettung meiner Meinung nach eigentlich nur ein Pluspunkt sein, während ein aufgesetztes Thema nie Minuspunkte gibt. Der Aufbau geht ruckzuck: Brett auf den Tisch, Gebäudeplättchen in zwei Stapeln mischen, 6 Ereigniskarten zufällig auswählen und mischen, Expeditionskarten mischen, alle bekommen ein Playingboard und Startressourcen und Würfel und los geht’s mit der Rundenvorbereitung: Ereignisse, Gebäude und Expeditionen für diese Runde aufdecken, verfügbare Ressourcen und Arbeitende (die Mini-Meeple) bereitstellen. Alle würfeln und reihum darf nun jede/r einen Würfel einsetzen und erst wenn alle Würfel gesetzt sind, werden die Aktionen abgehandelt. Die Einsatzfelder sind hierfür von 1 bis 6 nummeriert. Nur ein Feld springt aus der Reihe und darf sofort nach Würfeleinsatz genutzt werden. Letzteres ist der Ausrüster, der uns sofort neue Werkzeuge gibt. Werkzeuge kann ich nutzen, um meinen Würfelwurf um 1 nach oben oder unten zu „korrigieren“. Und natürlich darf ich auch mehrere Werkzeuge einsetzen.


Bei den anderen sechs Feldern handelt es sich zunächst um die Expeditionen. Diese verlangen, dass die Summe aller Würfelaugen mindestens einen bestimmten Schwellenwert erreichen. Schafft man dies, gilt die Expedition als gelungen und diejenigen beiden Spieler die jeweils die höchste Augensumme beigesteuert haben, bekommen bestimmte Belohnungen (Ressourcen, Meeple, etc.) – wobei die Person mit der Mehrheit zuerst wählen darf - sowie Expeditionsabzeichen. Wer am Ende des Spiels weniger als 3 von letzteren hat, bekommt Minuspunkte und Pluspunkte gibt es erst bei mehr als 5. Pro Runde werden so viele Karten aufgedeckt, wie Spielende am Tisch sitzen. Das Problem bei den Expeditionen ist, dass man sich nicht gern beteiligt, wenn schon jemand eine 6 draufgelegt hat. Denn dann fehlen zum Gelingen der Mission meist nur 2-3 Würfelaugen und um hier die Mehrheit zu bekommen, muss ich ebenfalls eine 6 sowie einen Pionier (dann zählt mein Würfel als 7) einsetzen oder gar zwei Würfel. Das lohnt oft nicht. Also lässt man die Person, die eine Mission begonnen hat, einen zweiten Würfel setzen, damit sie nicht leer ausgeht (nicht erfüllte Missionen bringen nichts und werden am Ende der Runde abgelegt) und wirft dann als „Abstauber“ doch noch schnell einen Würfel dazu. Das kann ab und an schonmal etwas nerven. Gut. Die zweite und dritte Station bringt Energie bzw. Mineralien und die fünfte bringt Personal. In allen drei greift der bereits erwähnte Verdrängungsmechanismus: Die gesetzten Würfel werden hier nämlich nach ihrer Wertigkeit sortiert. Kleine Zahlen links, große rechts. Lege ich eine Augenzahl, die bereits liegt, sortiere ich meinen Würfel rechts von den bestehenden ein. Am Ende der Runde werden die verfügbaren Ressourcen von links nach rechts auf die Würfel verteilt. Jeder Würfel bekommt so viele Ressourcen, wie seine Augenzahl besagt. Oder anders: zu hohe oder zu spät gesetzte Würfel gehen gerne mal leer aus, wobei ihre Besitzenden dann einen Schritt auf der Hilfsmittelleiste gehen dürfen und dort einen Trostpreis erhalten (wobei es diesen im gesamten Spiel maximal 5 Mal gibt, absichtlich auf Trostpreis spielen bringt also nicht so viel). Während Energie und Mineralien einfach nur verteilt werden, müssen für das Personal pro Person 2 Energie gezahlt werden und man kann auch auf das Anheuern verzichten (sodass mehr Figuren für die anderen übrigbleiben können). An Station 4 gibt es Gebäude zu kaufen. Hier lege ich meinen Würfel hin und wenn ich bis zum Ende der Runde nicht überboten wurde, kaufe ich das Gebäude, indem ich so viele Mineralien abgebe, wie meine Würfelaugen anzeigen. Habe ich jemanden überboten und kann das Gebäude nicht bezahlen (weil ich beim Mineral verdrängt wurde), darf die überbotene Person das Gebäude für ihre Augenzahl kaufen, usw. Hier gilt aber: Wer eine 6 gelegt hat, kann nicht mehr überboten werden und ein unterbieten ist verboten. Wurde jemand überboten und wird das Gebäude auch gekauft, bekommt die Überbotene Person ebenfalls einen Schritt beim Trostpreis. Zu guter Letzt gibt es noch Feld 6. Hier kann ich meine eigenen Arbeitenden gegen andere Arbeitenden tauschen, wobei der Vorrat und die Felder stark begrenzt sind. Pro Runde gibt es ein Ereignis, dass zu unterschiedlichen Zeitpunkten triggert, was immer etwas frischen Wind und besondere „Problemchen“ mit sich bringt und spielmechanisch wirklich schön gelöst wurde.


Doch kurz zurück, warum möchte ich überhaupt bestimmte Meeple? Hier kommen die Gebäude ins Spiel, die der eigentliche Dreh- und Angelpunkt des ganzen Spiels (und somit auch das eigentliche Problem, doch dazu später mehr) sind. Die Gebäude sind in zwei Arten unterteilt: Meeresgebäude und Oberflächengebäude. Erste kann man in den ersten drei Runden kaufen, letztere in den letzten drei Runden und beide bringen unterschiedliche Boni zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Meeresgebäude bringen Ressourcen und kleinere Boni am Ende einer Runde (und manchmal auch innerhalb einer Runde), wenn denn alle ihre Plätze mit den geforderten Personen besetzt sind. Oberflächengebäude bringen nur bei der Endabrechnung Siegpunkte, wenn sie entsprechend belegt sind. Am Ende des Spiels gibt es aber nicht nur Siegpunkte für die besetzten Gebäude, sondern einen Punktesalat aus Ressourcen, Meeplen, Expeditionsabzeichen und überhaupt die Menge eigener Gebäude. Unterm Strich heißt das: Gebäude zählen irgendwie doppelt, sodass hier der grundsätzliche Fokus drauf liegt. Heißt: Eigentlich ist alles, außer Gebäudesammeln (und besetzen, wobei das nicht so schwer ist), nur Mittel zum Zweck. Spätestens nach der ersten Kennenlernpartie stürzen sich alle nur noch auf die Gebäude und das Spiel wird etwas „blutarm“. 


Unterm Strich bleibt vom Artemis-Projekt eigentlich ein durchaus positiver Eindruck zurück: Sieht schick aus, ist schnell auf dem Tisch und super-schnell erklärt, die grundlegende Taktik ist allen klar oder kann mitgegeben werden und man spielt seine 90 Minuten und kann wirklich Spaß haben. Wie schon gesagt, kann ich dem Spiel eigentlich nichts vorwerfen und glaube durchaus, dass einige ihre Freude daran haben können. Aber uneigentlich reicht es bei mir nicht für mehr als für ein „ok, ganz nett“, denn es fühlt sich irgendwie „flach“ an, hat mir dann doch zu wenig Tiefgang und wirkt auf mich so, als hätte man etwas vergessen – etwas, das dem Spiel ein bisschen mehr Biss verpasst.

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Das Artemis-Projekt von Daryl Chow und Daniel Rocchi
Erschienen bei Grimspire
Für 1 bis 5 Spielende in ca. 60 bis 75 Minuten ab 13 Jahren


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Grimspire)
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