24.04.2014

Relic Runners - Das Königreich des Kristallschädels II

Hätte in der Spieleklassikershow Familienduell Werner Schulze-Erdel jemals die Frage gestellt: „100 Leute haben wir gefragt: Nennen Sie eine Besonderheit bei Spielen aus dem Hause Days of Wonder.“ Die Topantwort wäre vermutlich „tolle Komponenten“ gewesen.

Es gibt nur wenige Verlage die den berühmten „Extraweg“ gehen und so viel Liebe zum Detail in Komponenten stecken. Angefangen von der Spieleschachtel bis hin zu den Spielfiguren. Anders, und so sei es bereits vorweggenommen, ist es bei Relic Runners, in Deutschland vertrieben durch Asmodee, auch nicht.


Relic Runners wirbt offensiv auf der Schachtel mit dem Schatzjäger-Thema. Natürlich darf auf dem Titelcover – und schlussendlich auch auf den Charakterbögen – nicht der berühmte Mann mit dem Fedora und der Lederjacke fehlen. Die paar Indiana Jones Fans greift man mal eben schnell mit ab. Mich jedenfalls haben sie damit überzeugt. Den Kristallschädel gibt es dann auch noch gratis als Relikt dazu. Folie ab, Packung auf, Schädel ausgepackt. Ich könnte schwören, dass er mich darum gebeten hat ihn heim zu bringen! Keine Chance also der Testrunde zu entkommen.

Warum eigentlich Relic Runners? Mal ganz von der verkaufswirksamen Alliteration abgesehen, ist spielerisch der Name bei Relic Runners Programm. Tatsächlich rennen bis zu fünf Schatzjäger, wie von tropischen Insekten gestochen, durch den Urwald von Tempel zu Ruine und begeben sich Etage um Etage auf die Suche nach gewinnbringenden Siegpunkten oder Spezialfähigkeiten. Dass es dabei thematisch nicht immer Sinn macht, dass nicht die Tempel nacheinander abgearbeitet werden dürfen und dass es um Siegpunkte und nicht um Gold und Ruhm geht, ist in vielen Fällen der Spielmechanik geschuldet. Und wo verdammt kommen eigentlich die ganzen Sonderfähigkeiten her?
Genauso wenig macht es Sinn, dass wichtige Werkzeugkisten, die jedem Spieler bei seiner Expedition helfen, nur bei Flüssen zu finden sind und sich nach einer gewissen Zeit, wie von Geisterhand von selbst auffüllen. Hat da etwa doch der Kristallschädel seine Finger im Spiel?


Wurde nach einigen Spielrunden die Infrastruktur einer jeden Expedition ausreichend im Jungel ausgebaut (der Mensch kann eben doch nicht aus seiner Haut), dann kommt es zum eigentlich wichtigen Teil des Spiels – dem „Relic Run“. Wurde ein Tempel nämlich bis auf den letzten Stein erforscht, so offenbart sich ein siegpunktreiches und gleichzeitig wunderschön gestaltetes Relikt. Zu einfach wäre es allerdings, wenn dieses mit einer einfachen Aktion eingesammelt werden könnte. Vielmehr muss ein zweites derselben Sorte entdeckt und dann in einem Dauerlauf von A nach B eingesammelt werden. Logisch. Wohl so eine Art Falle. Wer kennt nicht die Szenen mit den Waagen, wo jeder gute Schatzjäger immer ein kleines Sandsäckchen dabei hat. Ohne Fleiß – keinen Preis!

Das richtige Timing ist dabei essentiell. Verläuft der erste Part des Spiels noch recht seicht, umso wichtiger ist es später im richtigen Augenblick sich korrekt im Urwald zu positionieren, um dann nicht die mächtigen Relikte um Haaresbreite zu verpassen und zusehen zu müssen, wie die Konkurrenz die Lorbeeren der eigenen Arbeit absahnt.


Relic Runners ist ein Familienspiel. Mehr will es dabei aber auch nicht sein. Spielerisch wirkt es auf mich als Vielspieler dann doch allzu oft zu mechanisch. Würde man durch die entsprechenden optischen Anreize nicht permanent daran erinnert werden, dass es hier um den Urwald geht, ich würde vermutlich noch öfter auf das nackte Logistik-Grundgerüst von Relic Runners durchblicken können.
Die Spieldauer ist dabei jedoch angenehm kurz, auch wenn das Spiel erst so richtig interessant im zweiten Teil - dem Relic Run - wird. Gut gelöst und frisch wie eine tropische Jungelfrucht ist dabei das Verbesserungsmodul. Oft beginnt die taktische Ausrichtung im Spiel dabei also schon beim richtigen Schieben der Kisten auf dem eigenen Tableau.
Ein glückliches Händchen sollte jeder Schatzjäger bei Relic Runners dennoch haben. Offenbaren manche Tempel bereits aus der Ferne, was für Geheimnisse sie bereit halten, so wird es bei anderen oftmals zum russischen Roulette, ob die gewünschte und sinnvolle Spezialfähigkeit gezogen wird.
Toll allerdings ist der stufenweise Einstieg für Familien- und Gelegenheitsspieler, der Relic Runners zu einem optischen Leckerbissen in der Reihe der komplexeren Familienspiele macht. Auf einer Familienspielerkomplexitätsskale des Verlags Days of Wonder ordnet sich Relic Runners also irgendwo zwischen Zug um Zug und Smallworld ein.

Vielen Dank an Asmodee für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!

Relic Runners von Matthew Dunston
Erschienen bei Asmodee
Für 2-5 Spieler in ca. 60 Minuten
Boardgamegeek-Link


Relic Runners mit Manu und mir bei Insert Moin




sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek.com bzw. vom jeweiligen Verlag (hier Asmodee)