15.03.2024

The Great Split


„Die Sommernächte hindurch drang Musik aus dem Haus meines Nachbarn [, dem großen Gatsby]. In seinen blauen Gärten schwirrten Männer und Mädchen wie Motten umher zwischen Geflüster, Champagner und Sternen.“ (F. Scott Fitzgerald: The Great Gatsby)
So ähnlich dürfen wir uns das Setting vorstellen in The Great Split von Hjalmar Hach und Lorenzo Silva, einem Spiel, in dem wir als Kunstsammler unsere Sammlung von Runde zu Runde vergrößern und so versuchen, die meisten Prestigepunkte zu erzielen.

I split, you choose

Der zentrale Mechanismus, der das Gameplay bestimmt, ist „I split, you choose“, der uns in unsere Kindheit mit unseren Geschwistern zurückversetzt, mit denen wir uns um das größere Stück Pizza gezankt haben. Damals wie heute gilt: Einer setzt das Messer an und teilt, der andere hat die erste Wahl. Bei The Great Split funktioniert dies über Handkarten, die wertvolle Bücher, Kunstwerke, Edelsteine, Gold, Siegel oder Prestigepunkte zeigen. Diese teilen wir in zwei Hälften, geben das so geteilte Paket nach links weiter und unser linker Nachbar hat nun die Wahl, welche Hälfte er oder sie für seine Sammlung auswählt.


Natürlich müssen wir dabei sehr darauf achten, welche Karten für die Nachbar-Sammlung besonders attraktiv sein könnten und dürfen dabei keinesfalls aus den Augen verlieren, was wir eigentlich brauchen und wollen. Wenn wir eine Hälfte zu unattraktiv ausstatten, bleibt sie am Ende dann eben bei uns hängen. Wir selbst wiederum erhalten das Päckchen unseres rechten Nachbarn und müssen uns für eines entscheiden. Die Karten, die wir von rechts behalten und die wir von links zurückbekommen bilden dann unsere Ausbeute in jeder der 6 insgesamt zu spielenden Runden, in denen von Runde zu Runde dann auch stärkere Karten ins Spiel kommen.

Leisten schieben und Punkte sammeln

Im Anschluss an diese erste Phase kommt das zweite zentrale Element von The Great Split zum Zuge. Für jedes Symbol auf unseren Karten rücken wir auf der entsprechenden Leiste nach vorne und lösen dort weitere Soforteffekte aus. Auf der Goldleiste, für die wir später selbst keine Punkte bekommen, können wir beispielsweise Felder erreichen, die uns wieder auf anderen Leisten voranbringen.


Schließlich gibt es in The Great Split drei Wertungsphasen, zwei Zwischen- und eine Endwertung, die über Sieg und Niederlage bestimmen. Jede Leiste wird dabei unterschiedlich gewertet, was einen Reiz des Spiels ausmacht. Besonders hervorzuheben ist dabei die Kunstwerk-Leiste, die über einen zufällig gesteuerten Markt-Mechanismus bestimmt wird und darüber die Siegpunkte verteilt. Die im Spiel gesammelten Siegel helfen uns nicht für die Zwischenwertungen, dienen aber zum Spielende als Multiplikatoren und können die Ergebnisse noch einmal sehr durcheinanderwirbeln zum Ende des Spiels hin. Weiterhin gibt es Charaktere mit Start- und Endboni, die das Spiel aber nicht verkomplizieren, dafür aber etwas Richtung bieten beim Einstieg.

Beschränkte Interaktion und gleichzeitiges Spielen

The Great Split spielt sich einerseits sehr interaktiv, wobei sich die Interaktion ausschließlich auf die beiden Nachbarn beschränkt und gleichzeitig doch am Ende recht solitär, wenn jeder sich gleichzeitig über sein Tableau beugt und seine Schätze einträgt. So ist in dieser zweiten Phase jeder doch sehr mit sich selbst beschäftigt und das Spiel scheint nur für Runden geeignet, in denen man seinen Mitspielenden absolut traut, nicht absichtlich zu Schummeln. Der große Vorteil der beschränkten Interaktion in der ersten Phase und des gleichzeitigen Spielens: Es gibt im Spiel kaum Wartezeit, wir sind immer gefordert und das Spiel wird auch bei einer größeren Spielerzahl nicht wesentlich länger. Insofern sind die angegebenen 45 Minuten bei 7 Spielern (vielleicht nicht in der Erstpartie) vollkommen realistisch.


Weiterhin hervorzuheben ist die Gestaltung des Spiels. Angefangen beim wunderbar reduzierten Artwork von Weberson Santiago, über die Schachtel mit hervorgehobenen Gold-Buchstaben bis hin zu den Dual-Layer-Boards, auf denen wir unsere Würfel auf den Leisten voransetzen haben die Horrible Guild und in der deutschen Version der HeidelBär-Verlag ganze Arbeit geleistet. Dies gilt auch für die klar verständlich und gut gestaltete Regel.

Fazit: Kein Feuerwerk, aber wunderbar für größere Runden

Insgesamt hat mir The Great Split sehr gut gefallen. In größeren Runden greift man doch oft zu Party- oder Deduktionsspielen und wer hier etwas Handfesteres haben möchte, ist mit The Great Split bestens bedient. Der Teilungs-Mechanismus wirkt recht unverbraucht und kann auch über die etwas trockene Leisten-Phase hinwegtrösten. Hier hätte ich mir mehr Spieltiefe gewünscht. So bleibt The Great Split aber ein sehr zugängliches Spiel, das in Runden bis 7 Spielenden wunderbar funktioniert und auch Wenig-Spieler abholt. In dieser Hinsicht eine klare Empfehlung!
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The Great Split von Hjalmar Hach und Lorenzo Silva
Erschienen bei HeidelBÄR Games
Für 2-7 Spielende in ca. 45 Minuten ab 8 Jahren

Sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (HeidelBÄR Games)
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13.03.2024

e-Mission



"e-Mission"
Kein Thema beschäftigt oder besser gesagt sollte die Menschheit mehr beschäftigen als der Klimawandel. Die unabwendbaren Folgen, die uns dieses Ereignis bescheren wird, werden verheerend sein und sollten so schnell wie möglich eingedämmt werden, bevor es endgültig zu spät ist. Auch in der Brettspielwelt möchten uns Matt Leacock und Matteo Menapace darauf aufmerksam machen und geben uns mit "e-Mission" die Möglichkeit diese Katastrophe abzuwenden, zu mindestens auf dem Spielbrett. 




Überblick
"e-Mission" ist ein kooperatives Spiel, bei dem die Spieler über sechs Runden versuchen, den durch den Klimawandel verursachten Temperaturanstieg so gering wie möglich zu halten. Jeder Spieler repräsentiert ein Land wie die USA oder China und hat das Ziel, den CO2-Ausstoß seines Landes zu reduzieren, während er gleichzeitig versuchen muss den Energiebedarf seines Landes zu decken.
Die Spieler können Projektkarten ausspielen, die verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes darstellen, wie zum Beispiel den Bau von Atomkraftwerken, den Fokus auf Solarenergie oder die Errichtung von CO2-Filtern. Diese Karten haben direkte oder indirekte Auswirkungen auf die Art der produzierten Energie oder die Abhandlung der Emission.
Auf einem Tableau vor den Spielern sind zwei Arten der Energieproduktion zu finden: fossile und erneuerbare Energie. Das Ziel ist es, die fossile Energie vollständig zu ersetzen und Industrie und Infrastruktur grüner zu gestalten. Dazu gehören Maßnahmen wie die Abschaffung der Massentierhaltung, die Reduzierung des Autoverkehrs und die Eindämmung umweltschädlicher Industrien. All dies wird durch den Einsatz der eigenen Projektkarten erreicht.
Zusätzlich zu den eigenen Projekten können die Spieler auch globale Projekte unterstützen, die allen Spielern helfen und Boni bieten. Krisen müssen ebenfalls bewältigt werden, die zu Beginn jeder Runde auftreten und durch den Einsatz von Handkarten gelöst werden können.
Wenn alle Spieler gepasst haben, wird der Kohlenstoffausstoß aller Länder addiert und das CO2 auf der Weltkarte verteilt. Wenn das ausgestoßene CO2 auf natürliche Weise, durch Wälder und Meere, nicht vollständig absorbiert werden kann, führt dies zu einer Erwärmung des Klimas und Katastrophen wie Waldsterben und Gletscherschmelzen. Durch das Waldsterben beispielsweise, verliert die Erde noch mehr Potenzial CO2 zu binden, was zu einem Teufelskreis führt der im schlimmsten Fall nicht mehr abwendbar ist.


Fazit
"e-Mission" erinnert auf den ersten Blick an "Pandemie", was nicht weiter verwunderlich ist, denn schließlich wurden beide Spiele von Matt Leacock entworfen. Die Parallelen spiegeln sich in den Krisenkarten, der Ausbreitung böser Würfel auf der Weltkarte und dem ernsten Thema, das die Weltbevölkerung bedroht, wider. Allerdings hören hier die Parallelen auch schon auf, denn während "Pandemie" ein relativ direktes Spielgeschehen lieferte und die Aktionen überschaubar sind, sollte bei "e-Mission" jeder Zug genauestens überlegt sein, um das Beste herauszuholen.
Der Aufbau der eigenen Projekte und der damit verbundene Fokus auf Kartensynergien, stehen hier im Vordergrund. Allerding ändert sich dieser recht schnell wieder, sodass man nicht in eine statische Rolle verfällt, die typisch für kooperative Spiele ist, sondern sich immer wieder neudefinieren muss und nicht bloß „gut für eine bestimmte Aktion“ bleibt. So kann ich am Anfang des Spiels zunächst meine braune Energie beseitigen und gegen Spielende die Krisen in Schach halten, oder zunächst meinen Mitspielerinnen dabei helfen Ihre Emissionen zu minimieren und dann globale Projekte ansteuern. So sind meine ausgebauten Projekte irgendwann nicht mehr relevant und können durch neue ersetzt werden. Dies ist ein zweischneidiges Schwert, denn zum einen baue ich mir etwas auf, was nur von kurzer Dauer ist, zum anderen bleibt das Spiel dadurch dynamisch. "e-Mission" ist kein klassischer Enginebuilder, der viel Hirnschmalz voraussetzt, sondern viel mehr flexible Anpassung an neue Umstände erfordert. 

Besonders gefallen haben mir die Symbole und Effektbeschreibungen, die allesamt eindeutig sind. So hatte ich nie das Gefühl überfordert zu sein oder etwas nicht ganz zu verstehen. Das doppelschichtige Spielertableau und die Illustrationen waren ebenfalls ein kleines Highlight. Überhaupt nicht gefallen haben mir hingegen die vielen Kleinteile, die man sich wirklich hätte sparen können, wenn man einfach eine Skala verwendet hätte. So hat man beim Auf- und Abbau sehr viel Fummelarbeit, die besonders dann frustriert, wenn jemand gegen das Tableau kommt und alles rausfliegt.
Es gibt viel was man im Blick haben muss: die Krisen, die dafür sorgen können, dass man immer weniger Karten ziehen kann, die wachsende Bevölkerung, die immer mehr Energie braucht oder die Stabilitätsplättchen, die man dringend im Vorrat haben muss. All diese Aspekte führen dazu, dass man am liebsten alles gleichzeitig tun möchte und darunter leidet, dass man es nicht kann. Jede Karte, jede Entscheidung und jedes Projekt, müssen wohl überlegt sein und haben Gewicht. Ich kann "e-Mission" jedem empfehlen, der ein etwas anderes kooperatives Spiel erwartet, das weniger von der Interaktion untereinander lebt und dennoch ein gemeinsames Ziel verfolgen möchte. Wer Pandemie mag und eine etwas andere Herausforderung sucht, die mehr Tragweite und Enginebuilding beinhaltet, wird hier fündig.
 


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e-Mission von  Matt Leacock, Matteo Menapace
Erschienen bei Schmidt Spiele
Für 1-4 Spieler in ca. 60-120 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Schmidt Spiele)


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11.03.2024

Surfosaurus MAX


Der noch recht junge Verlag Loosey Goosey Games hat es sich zur Aufgabe gemacht, Fillergames für Erwachsene zu publizieren, die man wunderbar nebenbei spielen kann, während man ein Bier oder einen Kaffee trinkt - so zumindest die Aussage des Verlags selbst. Ich möchte hinzufügen, dass das Portfolio auch einen gewissen Touch Extravaganz hat. Neben dem Bag of Butts ("Tüte mit Ärschen") und abgefahrenen Laser Fröschen kommt nun ein T-Rex, der surft. Richtig. Was könnte naheliegender sein, als ein Dinosaurier auf einem Surfbrett.

Tatsächlich nimmt auch dieses Gimmick einen beträchtlichen Anteil in der kleinen Box ein. Der überdimensionierte Holz-T-Rex und die verschiedenfarbigen Surfbretter dienen nämlich allein dazu, um anzuzeigen, wer in der aktuellen Runde Startspieler ist. Im Rezensentensprech würde man vermutlich ein Wort wie "überproduziert" droppen.


Generell trägt aber eben jene Verspieltheit mit dem absurd witzigen Thema zum Gesamtkonzept bei. Dazu kommen noch bunte, schrillige Farben und ein recht guter Preis. Da lässt es den Spieler schon fast vergessen, dass das eigentliche Spielprinzip in Surfosaurus MAX eher unspektakulär ist. Im Grunde haben wir es hier mit einem semi-kooperativen Pokerspiel zu tun. Wir legen - je nach Spieleranzahl - nacheinander Spielkarten vor uns ab. Liegen am Ende einer Runde dann diese aus, bilden wir aus diesen Karten das beste Pokerblatt. Straight, Flush, Paar, High Card. Ihr kennt das. Habe ich eine Karte für das gemeinsame Blatt als Einziger gespielt, bekomme ich die Karte unter meine ganze Kokosnuss. Haben mehr Spieler die selbe Karte beigesteuert, wird sie unter die halbe Kokosnuss geschoben.

Kokosnuss? Richtig. T-Rexe lieben Kokosnüsse! Dabei gilt: Je kleiner der Zahlenwert der Karte, umso mehr Punkte bringt sie unter den Kokosnüssen, denn je unwahrscheinlicher ist es statistisch, dass sie in einem besten Pokerblatt mit dabei ist. Logisch, oder?

Der strategische Anteil beim Spiel liegt aber schlussendlich darin, zu schauen, welche Karten ich beisteuern will und damit zu manipulieren, welches Blatt sich am Ende als bestes herausstellt. Das hört sich erstmal spannend an, ist aber am Ende meistens nicht ganz so spektakulär. Denn meistens kristallisiert sich schon nach wenigen Karten ein vermeintlich bestes Blatt heraus. Dann gilt es lediglich zu schauen, ob ich etwas beisteuern kann, oder nicht. Selten habe ich tatsächlich die Möglichkeit anderen in die Suppe zu spucken - noch am ehesten als letzter Spieler der Runde.

Doch das alles tut dem Spielspaß keinen Abbruch. Die Frage ist nur, ob Surfosaurus MAX auf den Tisch käme, hätte es das Thema und den surfenden Saurier nicht. Vermutlich nein. So, macht es aber doch irgendwie Spaß und passt perfekt ins Portfolio des Verlags.

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Surfosaurus MAX von Ihkwan Kwon
Erschienen bei Loosey Goosey Games
Für 2 bis 6 Spieler in ca. 20 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Loosey Goosey Games)
*es handelt sich um einen Affiliate Link. Für Euch entstehen dabei keine Kosten, wir erhalten jedoch eine kleine Provision
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08.03.2024

Twilight Struggle: Red Sea




Ich bin ein großer Fan von “Im Gleichgewicht des Schreckens” (im Original “Twilight Struggle”), aber leider hat das Spiel eine ziemlich hohe Zeithürde, denn eine Partie geht schnell mal ein paar Stunden, auch wenn diese wie im Flug vergehen. Nun gibt es bei GMT allerdings eine Spielereihe die sich “Lunchtime Series” nennt und eine ähnliche Erfahrung in kürzerer Zeit verspricht. Gepaart mit Twilight Struggle wurde ich gleich hellhörig und bin gespannt was uns Autor Jason Matthews bietet und ob sich trotz der kürzeren Spieldauer ein episches Gefühl entwickelt.

Obwohl wir uns ins Jahr 1974 begeben, ist das Thema dieses Spiels leider immer noch sehr aktuell, denn es geht um den Konflikt rund um das Rote Meer, welchen wir derzeit auch wieder erleben und zum Teil davon betroffen sind. Zurück in der Geschichte: Haile Selassie, Imperator Äthiopiens und Verbündeter der USA wurde gestürzt und eine marxistische Koalition übernahm die Macht, was zu einigen Ereignissen führte, die wir hier nun mehr oder weniger nachspielen.



Mechanisch begeben wir uns in bekannte Gefilde, in denen wir Karten entweder für das genannte Ereignis spielen oder für Operationspunkte, mit denen wir dann weitere Aktionen wie Einfluss und Putschversuche unternehmen können. Einfluss in den Großteil der Länder zu erhalten ist essentiell, denn es gibt immer mal Wertungen einzelner Regionen, über die ich Punkte sammeln kann. Sollte es einer Seite gelingen, den Punktemarker auf die 10 zu bringen, gewinnt sie das Spiel, aber wie schon beim großen Bruder, ist es mehr ein Tauziehen. Sollte also z.B. die amerikanische Seite gerade mit 6 Punkten führen und die Russen bekommen Punkte, bewegen wir den Punktemarker zunächst Richtung Null und falls diese überschritten wird, wechselt die Seite und es geht für die Russen ins Positive.

Es gibt aber auch weiterhin den DEFCON-Status, also die Gefahr vor einem Atomkrieg, sollte hier ein Spieler für Status 1 verantwortlich sein, verliert derjenige. Die Kürze des Spiels kommt aber nicht nur von der kleineren Karte, die nur 11 Länder plus See beinhaltet, sondern auch, dass nur zwei vollständige Runden gespielt werden.



Das macht TS: Red Sea zu einem super knackigen Spiel, in dem man sich kaum Fehler erlauben kann, da es kaum Zeit gibt, diese wieder auszubügeln. Optional kann man mit Karten aus dem Grundspiel noch eine dritte Runde hinzufügen. Andersrum kann man die Red Sea Karten auch im Grundspiel verwenden.

Was soll ich sagen, das Prinzip Twilight Struggle gefällt mir auch weiterhin sehr gut und bringt mir Spaß. Red Sea wäre jetzt vielleicht nicht mein persönlicher Top-Pick als herausgehobenes Thema innerhalb des Kalten Krieges, aber das ändert nichts daran, dass man sich hier ein knallhartes Duell liefert. Im Grundspiel war Aufmerksamkeit gefragt, um zu erahnen, in welcher Region eventuell eine Wertung ansteht, das ist hier nicht vorhanden. Hier ist von vornherein klar: zwei Regionen und auch nur zwei Runden, also jedes Land ist wichtig, wobei es natürlich hier noch mal herausgehobene Regionen gibt, wie z.B. Ägypten oder Saudi-Arabien. Man schenkt sich nichts und jede Aktion will gut überlegt sein.



GMT verspricht ein Mittagspausen-Spiel und ja, das wird eingehalten. Das Spiel spielt sich flott runter und bringt einem trotzdem das Twilight Struggle Gefühl und eignet sich auch hervorragend, einem neuen Spieler das Prinzip beizubringen. Also für mich ein Must-Have-Titel, wenn man in diesem Bereich anfangen möchte oder andere dazu bringen möchte. Chapeau, GMT - alles richtig gemacht!


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Twilight Struggle: Red Sea von Jasen Matthews
Erschienen bei GMT Games
Für 1-2 Spieler in ca. 35 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier GMT Games)

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07.03.2024

Ninja Academy



Ein roter Ninja, ein grüner Ninja und ein gelber Ninja in Kampfanzug und mit Waffen in der Hand, zieren das Cover von Ninj Academy. "Das sind doch Loyd und Kai!", meint mein 7 jähriger. Er kennt die Figuren aus dem Lego Comic "Ninjago". 
Ja, das Thema Ninjas ist aktuell sehr präsent bei meinen Jungs. Da hat sie auch das Cover von Ninja Academy überzeugt. 

Aber überzeugt auch das Spielprinzip? 



Ninja Academy ist ein Wettstreit um gute Konzentration und Geschicklichkeit. Dabei schlüpfen wir in die Rolle von Ninjas und versuchen in unterschiedlichen Szenarien, besser als unsere Mitspieler zu sein. 

Jeder Spieler erhält eine Tatamikarte mit einer Spielerzahl darauf. Je nach Spieleranzahl wird die passende Aufrufkarte genommen. Ein Spieler ist der Klassensprecher, er nennt, anhand der Aufrufkarte, die jeweilige Herausforderung (Gruppe oder Duell) und die jeweiligen Spieler, die sich duellieren z.B. Spieler 1 und Spieler 3. Er liest die Herausforderungen vor und verteilt am Ende der Herausforderung die Siegmünzen. Der Klassensprecher nimmt nicht am Wettkampf teil. 



Sind alle 11-13 Herausforderungen, davon 3 Gruppenherausforderungen bewältigt, gewinnt der Spieler, mit den meisten Siegmünzen. 

Jede Herausforderungen ist unterschiedlich aufgebaut z.B. werden bei der Gruppenaufgabe "Beobachtung" alle Meeple unter dem Schachteldeckel geschüttelt und dieser anschließend hoch gehoben. Wer als erstes die Anzahl der stehenden Meeple benennen kann, gewinnt diese Runde. 

Oder die Spieler versuchen bei dem Duell "Beweglichkeit" mithilfe des Spielbodens und des Spieldeckels einen Meeple auf die gegnerische Spielseite zu werfen bzw. aufzufangen. 



Als Material dienen dabei je 5 schwarze und weiße Meeple, sowie 10 Holzbalken, die Spieleschachtel und die Karten und die Personen an sich. 

Während des Duells können alle Zuschauer, die nicht aktiv teilnehmen, ihre Wetten darauf platzieren, wer wohl als Sieger hervorgehen wird. Durch eine richtige platzierte Wette können sich so zusätzliche Siegpunkte gesichert werden. 



Fazit:
Tolles Design, "schwieriges" Spiel, wenn die Spielgruppe nicht dazu passt!
Als ich Ninja Academy bei meinen 3 Ninjago-Fans ausgepackt hatte, waren sie total begeistert von dem Spielthema und der Aufmachung. Sofort starteten wir die erste Runde. 
Aber bereits bei der ersten Gruppenaufgabe "Kampf" kam es zum Streit. 
Es wurden alle Meeple und Holzbalken locker auf dem Tisch verteilt. Die Kinder mussten versuchen, mit nur 1 Hand so viele Meeple wie möglich zu schnappen und sollten dabei keine Holzbalken erwischen. 



Und schon ging es los! "Du hast die Hand über den Meepeln gehabt!" "Du hast 2 Hände verwendet! Das gilt nicht!" 
Ok wir versuchten eine andere Gruppenaufgabe "Prügelei". Hier zeigen die Spieler gleichzeitig eine Zahl zwischen 0-5 mit den Fingern. Wer die gleiche Zahl hat fliegt raus. Die 2 Spieler die zuletzt übrig bleiben vergleichen ihre Zahlen. Wer die höhere Zahl hat gewinnt. 
Nun gut, diese Aufgabe funktionierte ohne Streit. Aber ich muss zugeben, ich fand die Aufgaben merkwürdig. 
Wir kamen zum ersten Duell, dem "Sprung". Hier müssen die Meeples von einem Schritt entfernt in den Schachtelboden geworfen werden. Wer am meisten Ninjas rein trifft (diese dürfen auch nicht wieder herausfallen), gewinnt die Runde. 
Diese Aufgabe bewältigten beide Kinder problemlos. So dass wir das ganze 3 mal wiederholen mussten, bis ein Spieler ein Meeple aus der Spieleschachtel geflogen war. 
Inzwischen war der 3 Spieler bereits mit etwas anderem beschäftigt und er zeigte kein Interesse mehr am Spiel. 
Schlussendlich haben wir das Spiel abgebrochen. 



Ein tolles Design, aber ein schwieriges Spiel! Nicht weil das Spiel an für sich kompliziert ist, sondern weil die Spielgruppe zu diesem Spiel passen muss.
Und das war in meinen Gruppen leider nicht der Fall. 

Ich habe das Spiel noch weitere 3 mal getestet. Einmal nur mit größeren Kindern 10, 11 und 16, einmal zu dritt als Erwachsene und einmal in der gemischten Familiengruppe. 
Aber wir haben das Spiel nur ein einziges Mal zu Ende gespielt, weil es bei den Spielern eher schlecht ankam. 
Sehr oft kam es zu Diskussionen über die Einhaltung der korrekten Regeln, was die Stimmung leider sehr trübte. Waren die Aufgaben sehr einfach für die Spieler, dauerte es manchmal mehrere Durchläufe bis ein Sieger ermittelt war. War ein Spieler tendenziell ungeschickter, als die anderen und hat oft verloren, war dieser schnell deprimiert. 
In einer Aufgabe wurde mit dem Spielboden und dem Spieldeckel gegeneinander gespielt, was mir ungerecht erscheint, da diese nicht die gleiche Form haben! 



Prinzipiell empfanden wir weder die Aufgaben als interessant, noch dass zuschauen als spannend. 

Das soll aber nicht heißen, dass Ninja Academy prinzipiell kein gutes Spiel ist. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass wir die falschen Spieler waren, da wir weder Partyspiele noch Bewegungsspiele gerne spielen und Ninja Academy eher in diese Richtung geht. 

Ninja Academy ist ein Spiel für Wettkämpfer, die sich gerne duellieren und sich dabei auch zum Affen machen können. Für Spieler, die gerne aktiv sind und Bewegungsspiele mögen, die über sich und andere Lachen können, ohne einander böse zu sein. Die Mischung aus Herausforderung und Schadenfreude macht dabei den Spielreiz aus. 
Auch als Party oder Trinkspiel kann ich mir Ninja Academy gut vorstellen. 

Ninja Academy ist schnell ausgepackt und erklärt. Die Illustrationen und Aufgaben sind kreativ gestaltet und optisch gut umgesetzt. In der passenden Spielgruppe sorgt es bestimmt für einige Lacher.


 
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Ninja Academy von Antoine Bauza, Corentin Lepra, Ludovico Maublanc, Theo Riviere
Erschienen bei Spiel Das
Für 3 bis 5 Spieler in ca. 20 Minuten ab 8 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Spiel Das)
*es handelt sich um einen Affiliate Link. Für Euch entstehen keine Kosten, wir erhalten eine Provision.
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06.03.2024

Kingscraft



Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen craft ich mir einen König! Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich…

So ungefähr lässt sich der Titel “Kingscraft” von Skellig Games umschreiben, denn hier geht es wirklich darum, dass wir uns einen Anwärter auf den Thron craften, um die alles entscheidende Schlacht zu schlagen. Der Titel stammt aus der Feder von David Kühn und ist sein Erstlingswerk und es wurde hübsch illustriert von Roman Kucharski.

Normalerweise heißt es ja “DER KÖNIG IST TOT - LANG LEBE DER KÖNIG!”, aber bei Kingscraft geht es gewisser Weise moderner zu, denn hier hat sich der König freiwillig entschieden seinen Thron abzugeben, um selbst sein Land zu erkunden und die letzten Jahre zu genießen. Aber natürlich kann nicht irgendjemand daher kommen und König werden, nein - vielmehr muss der Anwärter selbst den König in einem Duell 1 gegen 1 schlagen!




Um diesen großen Schritt zu wagen, muss er aber natürlich ausreichend vorbereitet und gewappnet sein und genau darum geht es in diesem Spiel. Wir übernehmen die Rolle eines Helden und wollen ihn nun entsprechend dahin bringen. Jedem Spieler stehen sieben Aktionskarten zur Verfügung, wovon man sich eine zu Beginn einer Runde aussucht und verdeckt auslegt. Dann werden alle gleichzeitig aufgedeckt und die entsprechenden Aktionen werden in einer vorgegebenen Reihenfolge ausgeführt. Wenn Aktionen mehrfach gewählt wurden, dann entscheidet der entsprechende Geschwindigkeitswert des Helden, wer beginnt. Bei weiterem Unentschieden gibt es einen Kampf, allerdings ohne Schaden am Ende. So, und welche Aktionen gibt es?

Die erste Aktion (wenn sie denn gespielt wird) wäre immer der Angriff gegen den König! Denn es handelt sich bei Kingscraft auch um ein Wettrennen, gewonnen hat der Spieler, welcher zuerst den König schlagen kann. Die zweite Aktion wäre die Heilung, bei der wir unsere Helden wieder auf Vordermann bringen, sollten sie bei vorherigen Angriffen eins auf die Mütze bekommen haben.



Als drittes in der Reihe wäre dann schon ein Angriff der Stufe 1 - also gegen Monster der Stufe 1. Die sind relativ einfach zu besiegen und als Belohnung bekommen wir einen Gegenstand der Klasse 1 und ich darf danach eine Schmieden-Aktion ausführen. Ihr erinnert euch an das Wort “Craft” im Spieletitel?! Genau, darum geht es hier nämlich. Auf einem großen Brett liegen die Gegenstände (Waffen, Helme, Rüstungen, etc.) in drei Klassen aus. Besitze ich zwei benachbarte Dinge von diesem Brett, darf ich sie zu dem dargestellten Gegenstand aus der nächsthöheren Klasse schmieden. Als Beispiel: ein hübscher Anhänger und ein Helm ergeben zusammen einen hübsch verzierten Helm, welcher mir mehr Schutz gewährt.

Nach Angriff der Klasse 1 folgt die Wache, hier dürfte ich mir einfach so einen Gegenstand der Klasse 1 nehmen und falls jemand anderes den König in dieser Runde angreifen möchte, wird dieser dadurch stärker. Dann gibt es den Angriff Stufe 2 und als Abschluss die Stufe 3. Wobei diese Angriffe keine Schmiede-Aktion beinhalten, denn zwischen diesen Angriffen könnte jemand die Aktion “Schmieden” wählen.



Schmieden habe ich soweit schon erklärt, wie gesagt, wir können uns ausrüsten mit Rüstung/Waffen/Gegenständen am Fuß, Körper, Kopf und Hand, die uns im Kampf stärker machen oder uns in der Verteidigung helfen.

Wie läuft der Kampf ab? Ganz einfach eigentlich: Der Held bestimmt die Anzahl der Würfel, die er werfen darf, und ein Mitspieler übernimmt auf Basis der gewählten Kreatur ebenfalls Würfel und wirft diese für das Monster. Nun kann jeweils noch Einfluss genommen werden durch z.B. Tränke, um abschließend die Kampfkraft beider Seiten zu bestimmen. Derjenige mit der größeren Kampfkraft entscheidet den Kampf für sich. Siegt der Held, verschwindet das Monster und ein neues wird in der entsprechenden Stufe aufgedeckt. Verliert der Held, gibt es keine Belohnung. Und egal ob Sieg oder nicht, der Held hat immer die Gefahr, Lebensherzen zu verlieren, denn für je 10 Schaden verliert man immer ein Herz.



So kämpfen wir uns durch diverse Gegner, verbessern unsere Ausrüstung, bis wir der Meinung sind, jetzt den Kampf gegen den amtierenden König aufzunehmen, sollte dieser Kampf gelingen, dann gewinnen wir das Spiel!

Im Spiel sind 6 Helden mit unterschiedlichen Eigenschaften enthalten und es gibt 4 unterschiedliche Könige/Königinnen jeweils in einer alten und jungen Version. Es gibt also ausreichend Abwechslung.

Kingscraft ist ein sehr fluffiges Spiel, denn jedem wird von Anfang an klar sein, worum es geht. Man verschafft sich einen Überblick über die Gegenstände, zumal die Spieler mit zufälligen Startkarten beginnen und sich nun daran setzen, die jeweiligen Bereiche zu verbessern. So klar, so “einfach” - nicht ganz so einfach dagegen sind die Kämpfe selbst - hier muss man eine kleine Einstiegshürde meistern, denn gerade zu Beginn sind nicht alle Symbole, gerade bei den Monstern 100% eindeutig. Und kann teilweise in etwas Arbeit ausarten: da werden bestimmte Gegenstände ausgenommen oder man muss die Würfel neu werfen, wenn bestimmte Werte zu sehen sind etc. Also Mathematik “Grundschule” sollte man beherrschen, aber wer das kann, wird die Hürde relativ schnell meistern.



Die bisherigen Partien haben mir auf jeden Fall Spaß gemacht und wenn beim Spielen noch ein wenig Trashtalk entsteht und man sich gegenseitig beim Würfeln anfeuert bzw. dem Gegenspieler eine Pechsträhne wünscht, dann kann hier eine tolle Stimmung entstehen. Und am Ende wird eine Person am Tisch das Hochgefühl erleben, den entscheidenden, siegreichen Wurf gegen den König zu haben und kann sich für den Rest des Abends dafür feiern lassen (oder?). Aber es kann auch toll sein, den König zu vertreten und dem Mitspieler den sicher geglaubten Sieg zu vermasseln.

So oder so ist David Kühn ein schönes Erstlingswerk gelungen, gerade im Bereich gehobenes Familienspiel bzw. seichtes Kennerspiel mit einer guten Mischung aus Planung und Glück.

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Kingscraft von David Kühn
Erschienen bei Skellig Games
Für 2-4 Spieler in ca. 45-60 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Skellig Games)

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04.03.2024

Lisboa


Am 1. November 1755, an Allerheiligen, wurde Lissabon von einem Erdbeben der geschätzten Stärke 8,5-9,0 erschüttert, gefolgt von einem Tsunami. Die Stadt brannte drei Tage und wurde fast vollständig zerstört – so wirft uns die Anleitung direkt in das große Unglück, welches Lissabon im 18. Jahrhundert widerfahren ist. In Lisboa (der portugiesische Name für Lissabon) spielen wir Adelige, die mit König, Minister/Marquis und Baumeister der Stadt zusammenarbeiten. Wer bei diesem Neuaufbau Lissabons am besten mitwirkt, wird dem wertvollsten Gut des neuzeitlichen Portugals für Adelige belohnt: Perücken! Und was will man mehr als dieses wunderbare, weiße Fakehaar auf dem Kopf? Also strengen wir uns an, damit Lissabon in neuem Glanz erstrahlt!


[Wie wird gespielt?]

Grundsätzlich dreht sich alles um den Wiederaufbau im Gebiet der Baixa de Lisboa. Hier sollen Geschäfte und öffentliche Gebäude errichtet und der Schutt beseitigt werden. Zudem versuchen wir dabei Edikte zu ergattern, welche uns Punkte auf verschiedenste Dinge geben. Diese Aktionen, weitere sechs sogenannten Staatsaktionen und anderes wird über Karten gesteuert. Dabei wird Lisboa über 2 große Abschnitte gespielt, innerhalb welcher durch das Abspielen einer Karte eine Aktion getriggert wird. Das Abspielen einer Karte gestaltet den Ablauf dabei relativ übersichtlich und zügig. Beim Spielen einer Karte habe ich drei Möglichkeiten, was dadurch passieren soll. Als absolute Verzweiflungstat kann damit ein Real (Währung in Portugal) erhalten werden – die sichtlich schlechteste Option. Die anderen beiden Arten unterscheiden sich durch den Abspielort der Karte.


Einerseits kann eine Karte in das eigene Portfolio, das persönliche Tableau, gespielt werden oder zentral auf den Spielplan, den sogenannten Königshof. Beim Spielen ins eigene Portfolio kann die Karte oberhalb oder unterhalb eingeschoben werden. Dies hängt von der Art der Karte ab. Das Spielen ins eigene Portfolio gibt mir entweder Zugriff auf Staatsaktionen oder auf den Handel mit Schiffen, welches die größte Einnahmequelle von Réis (plural von Real) darstellt. Spiele ich meine Handkarte auf den Königshof, habe ich Zugriff auf die drei eingangs skizzierten Adelsaktionen: Edikte erhalten, Geschäfte und öffentliche Gebäude eröffnen. Gebäudeaktionen bringen dabei in der Regel Siegpunkte – äh Perücken – und räumen zudem den Schutt auf den Straßen auf, da dieser damals direkt in den Gebäuden verbaut wurde. Die Besonderheit besteht nun darin, dass andere Adlige aka. die lieben Gegner einem bei dieser Aktion folgen können. Dafür benötigt man Gunsttoken, man spart sich aber eine ganze Aktion, was im Verlauf des Spiels durchaus einen guten Vorteil bringen kann!


Diese Aktionen mögen wahrscheinlich etwas verwirrend wirken, sind aber an vielen Stellen historisch begründet. Die Anleitung ist dahingehend richtig gut geschrieben, da sie verschiedenste Aktionen immer wieder im Kontext der Zeit des neuzeitlichen Lissabons erklärt. Beispielsweise, dass es zwei verschiedene Arten von Architekten gibt, Mardal und de Santos, welche damals auch beide tatsächlich die Gebäude designt haben. Dies ist nur ein Beispiel der vielen kleinen historischen Anspielungen. Vital Lacerda leistet mit diesem Spiel ein Tribut an sein Heimatland – das ist ihm wahrlich gelungen.


[Von der Ausstattung zu einem Fazit]

Eine weitere historische Anspielung stellt das Design von Ian O’Tool dar. Dieses mag auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig wirken, imitiert aber eine neuzeitliche portugiesische Fliesenoptik. Das mag zunächst stören, hat aber mit dem Hintergrundwissen auch einen gewissen Charme.


Alles in allem wirkt das gesamte Spiel äußerst wertig produziert, die persönlichen Tableaus sind auf raffinierte Art und Weise duallayered: zum einen lassen sich Dinge verrutsch frei positionieren und zum anderen können Karten durch Aussparungen sehr gut untergeschoben werden (anders als bei Revive bspw.). Die Pappe ist wunderbar dick und viele Holzelemente sind auch bedruckt. Einzig das Inlay hätte echt ein wenig besser sein können, zumal die Kartenslots zu klein für Sleeves sind. Da hier die Karten permanent in den Händen gehalten werden und das Spiel über 150€ UVP hat, sind Sleeves angebracht. Und nein – ihr habt euch nicht verhört. 150 Tacken. Das ist eine wahre Ansage, für die ganzen Lacerda-Spiele aber keine Seltenheit. Wäre das Spiel, so wie es vor mir steht, für unter 100€ zu haben – dann gäbe es eine bedenkenlose Empfehlung. Aber so? Es gibt halt auch echt viele gute Spiele, die weit weniger als die Hälfte kosten! Daher – wen Geld nicht sonderlich juckt, schlagt zu, es ist ein großartiges Spiel. Oder aber man hat sich die Last auferlegt und zählt zu den unzähligen Lacerda-Fans weltweit. Dann führt wohl auch kein Weg dran vorbei. Viele von diesen halten Lisboa übrigens für eines der besten Spiele aus dem Hause Lacerda.

Wenn euch meine ganze Berichterstattung also neugierig gemacht habt – vielleicht könnt ihr dieses schöne und geschichtsträchtige Spiel selbst mal irgendwo ausprobieren. Und dann muss wohl jeder für sich selbst entscheiden, ob es einem das Geld wert ist.

PS: Historischer Sidefact: Wenn ich über den gesamten Artikel den Begriff neuzeitlich nutze, referenziere ich dabei auf die historische Epoche der Neuzeit. Diese ging in Europa von etwa 1500 bis 1806/heute, je nachdem, wen man fragt.

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Lisboa von Vital Lacerda 
Erschienen bei Skellig Games/Eagle Gryphon Games
Für 1 bis 4 Spieler in 60 - 120 Minuten ab 14 Jahren
Sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Skellig Games/Eagle Gryphon Games)
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