11.01.2017

Fury of Dracula - Scotland Yard 2.0


Prinzipiell ist es ein gutes Zeichen für ein Brettspiel, wenn es eine Neuauflage erfährt. Die Nachfrage der Spielerschaft war anscheinend so hoch, dass der Verlag Nachschub brauchte. Ein umso besseres Zeichen ist es also, dass Fury of Dracula in der mittlerweile dritten Auflage existiert. Dass diese Edition aber zeitgleich auch die letzte sein wird, lässt keine Rückschlüsse auf die Qualität ziehen, sondern ist vielmehr Ergebnis einer Lizenzschlacht zwischen zwei größeren Firmen. Fury of Dracula ist aber, und soviel sei vorweggenommen, besser und aufpolierter als seine Vorgänger und bildet einen würdigen Abschluss.

Sogenannte Detektivspiele haben in der Spielelandschaft eine Geschichte. Und ich meine damit solche, in denen eine Gruppe von Ermittlern einen einzelnen Bösewicht mit vereinten Kräften versucht zur Strecke zu bringen. Der Vorteil des Bösewichts ist dabei seine Unsichtbarkeit. Er agiert im Geheimen und Verborgenen und wird nur durch die Ermittler aufgedeckt, wenn sich das Ermittlungsnetz enger und enger gezogen hat und schließlich sein Aufenthaltsort bestimmt werden kann.


In grauer Vorzeit begann alles mit Scotland Yard. Während die berühmte Londoner Polizei sich auf die Suche nach Mr. X. machte, fuhr dieser entspannt mit mitgelieferter Schirmmütze per Taxi, U-Bahn oder Bus durch die Gegend. Hach war das eine Zeit. Dann kam lange nix. Einen kurzen Umweg nahmen die Detektivspiele über die Akte Whitechapel, in welcher der berühmte Schlitzer Jack the Ripper mit handfester Detektivarbeit zur Strecke gebracht werden musste. Angekommen sind wir nun bei Fury of Dracula, wo wir als Vampirjäger niemand geringeren als Graf Dracula zur Strecke bringen müssen. Der fährt aber nicht Taxi, U-Bahn oder Bus, sondern wandert durch Europa, fährt Boot oder nimmt den guten alten Zug. Vom Prinzip hat sich also nicht viel geändert. Nur die Mütze fehlt.


Die Kurzbeschreibung? Wir haben es hier wohl mit der ausgefuchstesten Version dieser Spielertypreihe zu tun. Nicht nur, dass wir den Bösewicht finden müssen, nein, wir müssen ihn dann auch noch bekämpfen und besiegen. Noch dazu hat Graf Dracula ein ganzes Repertoire an zusätzlichen Tricks, von denen ein Mr. X. zu seinen Zeiten nur träumen konnte. Neue Vampirbräute erschaffen, sich in Nebel auflösen, einen wütenden Mob hinterlassen usw.
Die Evolution des Systems besteht darin, dass wir als Ermittler den Bösewicht viel öfter zu Gesicht bekommen. Was in Scotland Yard noch mit dem direkten Erfolg der Guten endete, führt in Fury of Dracula nur zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Kampfmechanisch wurde hier stark vereinfacht ausgedrückt eine Art Schere, Stein, Papier Mechanismus eingebaut. Beide Parteien legen im Showdown eine Kampfkarte ab (z. B. Schlag, Ausweichen oder Knoblauch) und schauen dann welche die jeweils andere schlägt. Ziel der Ermittler ist es also nebenbei noch ihre zu Anfang recht abwechslungslose Hand gewaltig aufzubohren mit allerlei Utensilien, die als Kampfkarte mächtiger sind als der bloße Faustschlag.
Wird Dracula gefunden und im direkten Zweikampf erledigt, gewinnen die Ermittler. Kann Dracula lange genug wegrennen und genug Punkte sammeln, um die Finsternis voranzutreiben, so gewinnt der Vampirfürst.


Ich habe es oben ja bereits anklingen lassen: Die dritte Edition ist gleichzeitig auch die beste Version des fast schon modernen Klassikers Fury of Dracula. Als Klassiker fühlt sich der Titel nicht allein schon deswegen an, da die Grundmechaniken bzw. das Prinzip durch den Urvater Scotland Yard fast jedem bekannt sein sollte und sich somit das Spiel für jedermann schnell vertraut anfühlt.
Fury of Dracula ist jedoch kein Spiel für Quereinsteiger und Brettspielnovizen. Wer Scotland Yard kennt, wird Fury of Dracula nicht zwangsläufig als den logisch nächsten Schritt seiner Brettspielevolution wählen. Es ist und bleibt ein Vielspielerspiel, welches sich jedoch in seiner letzten Edition mehr denn je dem Massenmarkt annähert.


Fury of Dracula versteht es ein altbekanntes Prinzip der Jäger und des Gejagten zu modernisieren und schlussendlich in der dritten Edition auch noch den sogenannten "Chrom" (die modernen zusätzlichen Spielmechanismen) der Vorgängereditionen zu entschlanken. Elegantes Spieldesign ist heutzutage wohl der passende Begriff dafür. So wurde beispielsweise die Spieldauer drastisch verkürzt, sowie die oft in Vorgängerversionen angelastete Downtime zwischen den Ermittlern. Der Kampf fühlt sich abwechslungsreich an und unterbricht geschickt die Suchphase des Spiels von Zeit zu Zeit.

Alles in allem ist Fury of Dracula ein Spiel, was in keiner Sammlung fehlen sollte. Das Prinzip des Suchens und Versteckens wird den Spielern bereits in die Wiege gelegt. Wer hat als Kind nicht schon gerne Verstecken gespielt? Es ist vielleicht gerade dieses Prinzip, was diese Art von Spiel ausmacht und gleichzeitig auch so beliebt.

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Fury of Dracula von Kevin Wilson
Erschienen bei Fantasy Flight Games
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 150 Minuten
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