29.01.2015

Die Staufer - Wie ein Chamäleon


Ein richtig gutes Eurospiel zeichnet sich ja, nach den üblichen Vorurteilen zumindest, durch eine besonders reiche Anzahl an Aktionsmöglichkeiten aus. Wenn ich jetzt sage, dass man in Die Staufer ganz exakt zwei Aktionsmöglichkeiten in seinem Zug hat, fallen vermutlich einigen Hardcoretaktikern vor Schreck die Siegpunktchips aus den Händen. Doch kein Grund zur Panik. Geben wir dem neuen Vielspielerspiel von Hans im Glück doch erst einmal eine Chance. Es hat sie verdient - keine Frage.


In Die Staufer sind wir Gefolgsleute vom Stauferkönig Heinrich VI höchstpersönlich. Während der nämlich königsmäßig durch seine Ländereien reist und sich dem Volk zeigt, versuchen wir in möglichst vielen Ländereien möglichst viele Amtssitze zu besetzen. Dazu stehen uns Gesandte und leicht wichtigere Adelige zur Verfügung. Und um genau diese zwei "Einheiten" dreht sich auch schon das gesamte Spiel. Denn diese sind gleichzeitig einzige Ressource im Spiel und der Schlüssel zum Amtssitzbesetzen (mal sehen, ob ich das Wort noch unaussprechlicher machen kann im Verlauf der Rezension).
Die Ausgangssituation ist dabei höchst variabel. Nicht nur dass die Ländereien modular zum Spielplan zusammengesetzt werden und dadurch immer neue Konstellationen schaffen. Nein, auch der Runden- und Wertungsverlauf wird zu Spielbeginn immer wieder neu festgelegt. Achja. Und die wertvollen Truhen, welche Sonderfähigkeiten, mächtige Einmalboni oder siegpunktreiche Endwertungen versprechen, werden natürlich auch zu Beginn eines jeden Spiels neu zusammengestellt und positioniert. Die Staufer ist und bleibt in dieser Beziehung eine echte Wundertüte. Aber ich schweife ab. Nochmal zurück zu den Spielabläufen und den zwei Aktionen.
In meinem Zug kann ich nun also wählen, ob ich Nachschub in Form von Truhen und Gesandten/Adeligen benötige, oder ob ich Amtssitze besetze. Wähle ich letzteres, muss ich, je nach Distanz zwischen Königsregion und zu besetzenden Amtssitz meine Gefolgsleute "opfern". Mache ich das geschickt, werden sie im Laufe des Zuges durch den guten Heinrich aufgesammelt und zurück in den königlichen Schoß gebracht. Bin ich dann in der Region meiner Wahl angekommen, besetze ich einen Amtssitz, ergattere mir einen Titel und eine Truhe. Vorzugweise nehme ich natürlich den Amtssitz ein, der mir in einer kommenden Wertung die meisten Siegpunkte bringt.
Nach fünf Runden voller Amtssitzbesetzungen, Wertungen, Reisen und Truhen endet das bunte Treiben und die Siegpunkte werden verglichen. Klingt einfach? Naja nicht so ganz.


Die Staufer hat einen verdammt großen Vorteil - es ist wie ein Chamäleon. Kein Spiel ähnelt dem anderen. Dadurch das allein die Rundenabfolge stets völlig variabel ist, gibt es keine vorgefertigte Starttaktik. Das Spiel hebt sich somit deutlich von anderen klassischen Eurospielen ab, bei denen es, zumeist bei den ersten Zügen, objektiv betrachtet stärke und schwächere Züge gibt. Das Spiel wird so auch nicht nach etlichen Partien langweilig.
Ein weiterer großer Pluspunkt ist die hohe Interaktion. Klar. Ein Mehrheitenspiel ohne Interaktion wäre irgendwie merkwürdig, aber Die Staufer schafft es in vielen unterschiedlichen Spielaspekten Konkurrenz zu erzeugen. Muss ich nun möglichst schnell diesen Amtssitz einnehmen, damit ich mir diese Truhe sichern kann, die doch so perfekt in meine Taktik passen würde? Oder warte ich lieber ab, hole mir Nachschub und sichere mir stattdessen diese Truhe und übertrumpfe später die anderen? Es kommt mir fast so vor, als ob sich Hans im Glück die fehlende Interaktion von Helios für Die Staufer aufgespart hätte und dafür einfach mal die doppelte Portion reingepackt hat.
Die Schattenseiten des Spiels dürfen jedoch auch nicht unbeachtet bleiben. Dadurch das der Titel vollständig ohne verdeckte Informationen auskommt und lediglich das Spielverhalten der Mitspieler als ungewisse Komponente in die eigene Taktik eingreift, besteht erhöhtes Nachdenkpotential bei Grübelspielern. Nicht selten wird bereits weit weit weit voraus geplant, wodurch natürlich der Spielfluss leiden kann. Klar, Eurospiele tendieren stets hierzu, jedoch wird dieses Problem durch die stets offenen Informationen noch mehr gefördert. Ich persönlich bin Bauchspieler. Ich will ein Spiel nicht totdenken - auch wenn ich dadurch vielleicht meine Chancen verkleinere. Aber es gibt halt auch andere Spielertypen. Darüber muss man sich im Klaren sein.
Was ist noch zu sagen? Achja das Thema! Ganz ehrlich? Die Staufer könnte auch Die Rückkehr der Jedi-Ritter heißen oder Die Schlümpfe: Das Spiel heißen. Denn das Thema ist leider austauschbar. Das ist aber nicht weiter schlimm. Okay gewisse Mechanismen könnte man thematisch deuten, aber es bleibt da leider beim deuten. Da befinden wir uns aber jetzt eigentlich mehr beim Meckern auf ganz hohem Niveau, oder?


Die Staufer bleibt im Kopf und vorallem im Spieleschrank. Es spielt sich flott, wird dadurch nicht zu anstrengend und vorallem es spielt sich immer wieder frisch. Es macht Spaß sich bei jedem neuen Spiel auf eine komplett neue Situation einzustellen und mit neuen Taktiken zu hantieren. Die Staufer ist empfehlenswert und sicherlich einen Blick wert.


Die Staufer von Andreas Steding
Erschienen bei Hans im Glück Spiele
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 45 Minuten
Boardgamegeek-Link

Vielen Dank an Hans im Glück für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Hans im Glück Spiele)