26.04.2017

Robo Rally - Im Colt Express durch die Autofabrik

 

Es ist schon gut 10 Jahre her, wenn nicht sogar länger, da saß ich in unserer Spielerunde und einer unserer Mitspieler packte ein Spiel samt Erweiterung auf den Tisch, von dem ich davor noch nichts gehört hatte. Auf mein Stirnrunzeln hin bekam ich die Erklärung: „Das ist ein Spiel vom Magic-Macher, hat aber mit Magic absolut gar nichts zu tun. Das hier ist im Prinzip ein Rennspiel, bei dem man sich gegenseitig unfreiwillig – aber komisch - disst“. Nachdem uns dann in 5 Minuten die Regeln erklärt wurden ging es auch schon los und es war wie beschrieben. Ein wildes Checkpoint-Rennen bei dem die eigenen Pläne ständig durch die Mitspieler (und das noch dazu zu großen Teilen tatsächlich ungewollt) sabotiert wurden. Das Spiel war so gut, dass sich der Name Robo Rally tief in mein Gehirn einfraß. Nach diesem Spieleabend klapperte ich diverse Internetseiten nach einem käuflich erwerbbaren Exemplar ab, doch dreistellige Preise für ein gebrauchtes Exemplar schreckten mich ab. In der Folge geriet Robo Rally bei mir in Vergessenheit.


Eines schönen Tages wurde ich darauf Aufmerksam gemacht, dass eine Neuauflage dieses genialen Spiels veröffentlicht wird und ich war direkt Feuer und Flamme. Allerdings mit gemischten Gefühlen, denn Neuauflage heißt ja oftmals auch, dass irgendwas an den Regeln geändert wurde oder neue Dinge hinzukommen, die eigentlich niemand will. Ich war also gespannt.
Und als ich dann die Packung in Händen hielt, grinsten mich bereits aus der Packung heraus die bemalten Roboterfiguren an. Diese machen allesamt einen wirklich guten Eindruck und sind schön gestaltet. Die Qualität ist dabei ähnlich wie bei Arena of the Planeswalkers aus dem gleichen Hause. Auch die übrigen Komponenten überzeugen: Sechs doppelseitig bedruckte Spielbretter, eine Startzone aus dem gleichen Material, eine Sanduhr, die Führungsspielerantenne, diverse Karten und Marker sowie Checkpoints aus Kunststoff. Alles macht einen recht ordentlichen, wenn auch nicht hochwertigen, Eindruck. Lediglich die Ablagen für die einzelnen Roboter sind für meinen Geschmack auf zu viel zu dünne Pappe gedruckt worden. Allerdings macht dies durchaus Sinn, da an den Kanten der Ablagen Karten angelegt werden und eine zu dicke Pappe hier für kippelnde Karten sorgen würde. Trotzdem trübt es etwas den ansonsten wirklich guten Gesamteindruck.


Kommen wir zu den Regeln. Ich gebe es zu, das Regelheft hat mich anfangs wirklich verschreckt, denn es ist ein halbes Buch. Was ist denn nur aus den knackig kurzen Regeln des Originals geworden, fragte ich mich. Doch hier direkt die Entwarnung: Die eigentlichen Regeln lassen sich auf vielleicht grade mal zwei Seiten zusammenkürzen. Alles weitere sind viele Beispiele und Erläuterungen, Tipps, sowie grafische Darstellungen von 16 (!) unterschiedlichen Szenarien, die man mit dem beiliegenden Material gestalten kann, sortiert nach Schwierigkeitsgrad sowie Spieldauer. Kurzum: Allein für die Anleitung verdient Robo Rally ein dickes Lob!

Die Regeln selbst sind so einfach wie eh und je, auch wenn sich am Spiel selbst vielleicht einiges verändert haben mag (ehrlich gesagt kann ich das gar nicht so genau sagen, dafür hab ich das Original ja viel zu wenig gespielt ;). Nachdem man das Spielfeld mit all seinen Lasern, Fließbändern und Fallen bereitgestellt hat, nimmt sich jeder einen Roboter samt dessen Deck. Die Karten in jedem Deck sind identisch und die Roboter haben zunächst keine unterschiedlichen Eigenschaften. Dann zieht jeder Spieler neun Karten von seinem Deck und programmiert mit fünf dieser Karten seinen Roboter. Dies erfolgt, indem man jeweils eine Karte verdeckt auf die Programmplätze 1-5 seines Tableaus hinlegt. Auf den Karten sind in erster Linie verschiedene Bewegungen abgedruckt (bspw. „3 Felder vor“ oder „90 Grad-Drehung nach Links“). Haben alle Spieler ihre Roboter programmiert wird reihum der erste Programmierschritt ausgeführt. Richtig gehört. Man spielt nicht einfach seine Programmierung runter, sondern ist davon abhängig, was die anderen Spieler tun. Bewegt sich nämlich beispielsweise ein Roboter auf das Feld eines anderen, so schiebt er diesen einfach vor sich her. Und wenn er ganz fies ist, schubst er ihn auch einfach vom Spielfeld, so dass er Schaden erhält. Beim Schaden handelt es sich um Karten, die ins Deck gemischt werden und entweder die Programmierung erschweren oder vollständig sabotieren können, je nachdem, welche Art von Schaden (bspw. Spam oder Virus oder auch mal ein Wurm) man genommen hat.


Haben alle Spieler ihre erste Aktion ausgeführt, agiert das Spielbrett. Nun werden die Laufbänder und Laser und Fallen aktiv und schubsen die Roboter noch ein wenig durch die Gegend und beschädigen sie. Außerdem schießt jeder Roboter in Blickrichtung einen Laser ab, der ebenfalls Schaden verursacht. Ist auch das Spielbrett mit seinen „Aktionen“ fertig, geht es wieder mit den Roboterprogrammierungen Nummer 2 weiter. Das ganze Wiederholt sich dann mit allen 5 Programmierschritten und im Anschluss werden neun neue Karten gezogen und die Roboter neu programmiert. Sieger ist, wer als erstes alle Checkpoints auf dem Spielbrett in der korrekten Reihenfolge abgeklappert hat. Ein Checkpoint gilt allerdings nur als erreicht, wenn man am Ende einer Runde auf diesem steht.

Und damit sich die Roboter nicht nur optisch voneinander unterscheiden, kann zudem für jeden Roboter mit Hilfe von Energiewürfeln schicke Upgrades gekauft werden. Und zwar in jeder Runde einmal. Dabei gibt es temporäre Upgrades, die nur einmal genutzt werden können, aber auch dauerhafte Upgrades, die den Rest des Spiels über wirken.


(Sehr) Lange Rede, kurzer Sinn: Robo Rally macht auch heute in der Neuauflage extrem viel Spaß, vor allem in größeren Runden. Denn es gilt: Je mehr Spieler an der Rally teilnehmen, desto übler werden die Schimpftiraden ;). Colt-Express und Mario Kart lassen also grüßen. Was Robo Rally besonders macht ist, dass die eigenen Züge noch viel weniger planbar macht, als es bspw. bei Colt Express der Fall ist. Während man im letzten beispielsweise vielleicht mal versehentlich daneben schießt oder schlägt, weil der Gegner nicht dort steht, wo man dachte, kommt es hier (vor allem bei größeren Gruppen) sehr schnell vor, dass die komplette eigene Programmierung in den Wahnsinn führt, weil man mal eben so ein einziges Feld zur Seite geschubst wurde. Und damals wie heute gilt noch immer: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Und am schönsten ist es, wenn man dann noch selber mitlachen kann.

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Robo Rally (2016) von Richard Garfield
Erschienen bei Hasbro
Für 2-6 Spieler in ca. 90 Minuten
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24.04.2017

Neu auf Kickstarter - 17. Kalenderwoche






Wochen wie diese machen Leute wie mich, die Kickstarternews schreiben, glücklich. Warum? Nunja es gibt ne Menge zu berichten. Derzeit gibts zahlreiche tolle Projekte. Wobei... halt mal! Das bedeutet auch ein beträchtliches Loch im Geldbeutel!
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18.04.2017

Neu auf Kickstarter - 16. Kalenderwoche






Hallo und Manege frei für die Kickstarternews der Woche nach Ostern. Bestimmt hat Euch Opa oder Oma eine kleine Aufmerksamkeit zugesteckt, die Ihr umgehend in neue Kickstarterprojekte investieren könnt. Richtig? Dann lest weiter!
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16.04.2017

Inis - Fantastischer Mix aus keltischer Mythologie und flippiger Tarotkartenoptik


In Inis übernehmen wir die Rollen von Stammältesten, die versuchen zum König des Landes gewählt zu werden. Dabei müssen wir eine von drei Siegbedingungen (militärische Überlegenheit, religiöse Herrschaft oder dominante Ausbreitung) erfüllen.
Gespielt wird mit Handkarten, welche die möglichen Aktionen auf dem sich entwickelnden und modular aufgebautem Spielbrett vorgeben. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob ich mich militärisch durchsetzen möchte, oder ob ich versuche friedlich zu koexistieren.
Die bestimmenden Aktionskarten werden gedraftet und schlussendlich in abwechselnder Reihenfolge von den Spielern ausgespielt. Habe ich eine der Siegbedingungen erreicht, kann ich per Aktion mich für die Ermittlung des Siegers am Rundende qualifizieren - sofern ich sodann diese Bedingung immer noch erfüllt haben sollte.
Hauptgedanke des Spiels ist es aber, dass beim Erreichen der Siegbedingung von mehreren Spielern gleichzeitig, kein Spieler gewinnt, bzw. nur der Spieler, der entweder mehrere Siegbedingungen gleichzeitig erfüllt hat, oder sich in einer anderen Weise für den Sieg qualifiziert hat (z. B. durch das Kontrollieren der Hauptstadtregion).



Inis ist erfrischend anders. Anders genial. Das fängt bereits mit einem mutigen, aber zugleich wundervollen und abgedrehten Grafikstil aus keltischer Mythologie gepaart mit flippiger Tarotkartenoptik an, der sich vom Cover über die einzelnen Planteile bis hin zu den Markern zieht - schlussendlich aber sein Meisterwerk in den Aktionskarten findet, welche jede für sich Kunstwerk genug ist, um in einer alternativ, modernen Kunstausstellung jedes Museums zu Recht seinen Platz zu finden. Wer Inis nicht alleine aufgrund seiner einzigartigen Optik in seine Spielsammlung aufzunehmen gedenkt, der ist schlecht beraten.

Aber auch spielerisch bindet sich der neue Titel wunderbar in die "Großen Drei" der letzten Jahre von Matagot ein. Kyklades, Kemet, Inis. Die Franzosen haben es hier de facto geschafft nicht nur historische Szenarien mit der jeweils passenden Mythologie gekonnt in Einklang zu bringen, sondern dabei auch gezielt spielerische Leckerbissen produziert, welche angefangen vom Material, der Optik, bis hin zum Spielgefühl perfekt aufeinander abgestimmt sind; und so nicht nur jeweils für sich, sondern auch in der Gesamtbetrachtung aller drei, ein stimmiges und feines Miteinander darbieten.


So zeigt auch Inis ein einzigartiges Spielgefühl, welches - vorausgeschickt - jedoch sicherlich auch nicht für jedermann gemacht sein wird. Zuerst sei da der Draftingmechanismus erwähnt, welcher zwar derzeit in aller Munde ist und teilweise vielleicht sogar inflationär in den modernen Spielen verwendet wird. In Inis schafft es der Designer jedoch mit Hinzufügen eines kleinen, jedoch durchaus wichtigen Twists, den Mechanismus abzuändern, aufzufrischen und damit schlussendlich einzigartig und äußerst interessant zu machen. Die Möglichkeit des sich in der Anzahl steigernden Draftings und damit auch der Möglichkeit während der Draftingrunden unmittelbar zuvor getroffene Entscheidungen zu revidieren, verpasst dem Mechanismus eine ganz neue Dimension, als dass er dem Spieler deutlich mehr Flexibilität gewährt. Ich bin nicht an die Entscheidung meiner ersten gezogenen Karte gebunden und muss im Zweifel die anfangs für mich bestimmte Taktik fortführen, sondern habe die Möglichkeit mich an die mir neu gegebene Hand völlig neu anzupassen. Ist die anfangs angedachte Strategie mit den neu erhaltenen Karten noch sinnvoll? Möchte ich meinem Folgespieler vielleicht gewisse Karten vorenthalten? Was kann ich aus den mir überlassenen Karten bezüglich der Strategie meines Sitznachbarn schließen?


Das Kartenspiel in Inis ist Herz und Seele des Spiels zugleich. Alles funktioniert in Inis hierüber. Der Fakt, dass mit Hilfe nur ganz bestimmter Karten gewisse Aktionen überhaupt möglich sind, und selbige teilweise nur einmal bzw. insgesamt nur in sehr begrenzter Anzahl enthalten sind, macht Inis zu einem Taktieren in Perfektion. Man fühlt sich unweigerlich wie ein Löwe, der um seine Beute herumtänzelt und auf die perfekte Situation wartet, sie zu erlegen. Die Anzahl der Angriffskarten ist so beispielsweise begrenzt. Man weiß anhand des Draftings zwar in etwa, wer welche Karten haben könnte, sicher kann man sich jedoch nie sein. Kann mein potentielles Angriffsziel überhaupt zurückschlagen? Oder kann er vielleicht sogar meine Aktion negieren? Das macht Inis zu einem spannenden und äußerst aufregenden Erlebnis. Welche Aktion schicke ich voraus? Was ist mein Ziel in dieser Spielrunde? An welcher Stelle macht es Sinn vielleicht zunächst zu passen und auf die Aktionen der Mitspieler zu reagieren? Wo ist es wichtig, dass ich den ersten Schritt mache?

Doch dann gibt es noch die roten Sonderkarten in Inis. Diese können unter Umständen zwar auch den best durchdachtesten Plan zu Nichte machen, sorgen aber für den Schuss extra Würze im Spiel, welches diesen, und das sei unbedingt angemerkt, aber nicht zwangsläufig benötigt. Denn auch ohne diese Karten wäre Inis durchaus ein grundsolides und gutes Spiel. Mit den roten Sonderkarten wird aus Inis jedoch ein einzigartiges, hervorragendes Spiel. Unbezahlbar sind an dieser Stelle einfach die Blicke der Gegenspieler, wenn mit einer einzigen Karte plötzlich ein sicher geglaubter Sieg abgerungen wird, oder aber aus der ursprünglich sicher geglaubten Eroberung plötzlich nichts wird.


Inis ist ein äußerst strategisches, kommunikatives, wunderbar gestaltetes und äußerst emotionales Spiel, welches ziemlich schnell im Laufe einer Partie an Fahrt aufnimmt und zu Spielsituationen führt, die das Ende des Spiels bedeuten können. Denn die Siegbedingungen sind schnell erreicht - auch für mehrere Personen. Und dadurch, und das wissen wir spätestens seit Highlander, dass es nur Einen geben kann, entwickelt sich Inis schnell zu einem unbarmherzigen Hauen und Stechen, bei dem es, wie in einem Mühle-Spiel, gilt,  die Pattsituationen stückchenweise so für sich zu gestalten, dass letzten Endes die Gegenspieler keine Optionen mehr haben, den eigenen Sieg zu verhindern. Das ist vermutlich auch der Part in Inis, der, wie eingangs erwähnt, Inis nicht zu jedermanns Liebling werden lässt. Denn diese Pattsituationen führen wie von selbst zu einer permanenten "Königsmacher-Bedrohung", welche spätestens ab Runde drei über Inis wie ein Damoklesschwert hängt.

Anders hierbei ist jedoch, dass in Inis die Chancen auf einen Sieg nie wirklich dahinschwinden können und somit jeder Spieler innerhalb weniger Runden die Möglichkeit hat, sich in den Kreis der Bewerber um den Sieg aufzusteigen. In der Tat ist es sogar so, dass es teilweise tendenziell zu empfehlen ist, sich geschickt im Hintergrund zu bewegen, um schlussendlich dann unbemerkt an den derzeit scheinend führenden vorbeizuziehen. Eine Gefahr, dass ein Spieler in einer solchen "Königsmacher-Situation" daher das Spiel zu seinen Ungunsten aufgibt, ist praktisch nicht gegeben. Vielmehr führen diese Situationen zu weiteren schönen interaktiven und zuweilen äußerst kommunikativen Partien, bei welchen beispielsweise unter Umständen gezielt in Spielrunden gepasst wird, um ein Agieren eines bestimmten Spielers zu erzwingen, und somit gleichermaßen seine Aktionen  zum eigenen Vorteil zurückhalten zu können. Ich fühlte mich in solchen Situationen bei Inis gerne und oft an die Krisenphasen in Archipelago und die damit verbundenen Räuberpistolen erinnert. Und selbiges Spiel zählt definitiv zu einem meiner absoluten Lieblinge.

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Inis von Christian Martinez
Erschienen bei Matagot
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 90 Minuten
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15.04.2017

Leo muss zum Friseur - Time Stories meets Memory


Entgegen vieler weitverbeiteter Vorurteile sind Löwen eigentlich keineswegs den restlichen Tieren feindlich gesinnt. Weg mit den Vorurteilen, dass ein Zebra nur als Mahlzeit für den "König unter den Tieren" angesehen wird. Und weg mit den Vorurteilen, dass Kinderspiele zwangsläufig in ausgiebige Gähnorgien für die Erwachsenen ausarten müssen, die sich bereit erklärt haben mit am Tisch zu sitzen. Leo muss zum Friseur ist modern, spannend, fordernd und dennoch kindgerecht! Warum der tropisch bunte Genremix aus Memory und Time Stories so gut funktioniert, sollte Euch nach dem Lesen dieser Rezension klar sein.


Leo muss zum Friseur und das ganz schön dringend. Eigentlich kein Problem, wenn Leo nicht die Else Kling des Dschungels wäre. Mit jedem Bekannten, der sich hinter dem modular ausgelegten Memoryplättchenpfad versteckt und auf den Leo auf dem Weg zum Friseur trifft, hält er ein nämlich Schwätzchen und wird teilweise stundenlang dort aufgehalten. Ergo: Da der Friseur zu einer bestimmten Uhrzeit schließt, kommt Leo selbstverständlich nicht rechtzeitig und geht nach Hause und schläft eine Runde.
Nachdem wir nun eine deutlich bessere Vorstellung des Tagesablaufes von Leo haben, versucht es Leo am nächsten Tag natürlich erneut. Wir lernen aus den Fehlern der Vergangenheit. Ich weiß hinter welchem Memoryplättchen sich welcher Bekannter versteckt. Muss ich mir wirklich noch einmal die selbe Geschichte von Papagei Peter anhören wie gestern? Natürlich nicht, wenn es sich vermeiden lässt.


Vermeiden lässt sich der Zeitverlust dadurch, dass wir unsere Bewegungskarten, welche mit einer Farbe und einer Zahl bestückt sind, so ausspielen, dass Leo auf einer Stelle im Dschungel landet, die farblich zur ausgespielten Karte passt. Spiele ich meine rote 4 und lande auf dem roten Zebra Erwin, halte ich mich kurz und knapp. "Hallo, wie gehts Erwin? Ich bin spät dran, wir telefonieren!" und der nächste Spieler ist dran. Habe ich schon erwähnt, dass Leo muss zum Friseur kindgerecht vollkooperativ ist? So geht es Runde um Runde, bis Leo vor Ladenschluss dann doch seinen dringend benötigten Haarschnitt bekommt. Mit jeder Runde merken wir uns mehr bekannte Gesichter und Farben auf dem Weg. Dass auch teilweise Glück und Pech eine notwendige Rolle spielen (manchmal weiß ich zwar, wo sich wer versteckt, habe aber ganz einfach nicht die passenden Karten), kann unter Umständen zwar zu kuriosen Durchläufen führen, ist aber nicht weiter schlimm bei einem Kinderspiel.


Dass Leo mus zum Friseur ein außerordentlich gutes Spiel ist, sollte spätestens nach der Juryauszeichnung zum Kinderspiel des Jahres jedem bekannt sein. Warum ich es aber bemerkenswert finde, ist die bloße Tatsache, dass es gleichermaßen Kinder und Erwachsene am Spieltisch fesselt. Dafür ist insbesondere die frisch wirkende Verknüpfung von bekannten Kinderspielelementen (Memory) mit modernen Designideen (Time Stories) verantwortlich. Memory ist bewiesenermaßen ein bekanntes und beliebtes Kinderspiel, bei welchem nicht nur Kleinkinder ihr Gehirn trainieren, sondern bei dem sie auch nachweislich Erwachsene schlagen können. Das Time Stories Element besteht im "Zeitreisefaktor" in Leo muss zum Friseur. Der Gedanke des immer wiederkehrenden Tagesablaufs und die Notwendigkeit bzw. Möglichkeit zuvor gewonnenes Wissen in zukünftigen Runden einzubringen, ist modern, frisch und hält die Erwachsenen bei Laune. Dabei ist es aber keineswegs so, dass Leo muss zum Friseur nach mehreren nun erfolgreichen Durchläufen durch gewonnenes Wissen kein zweites oder drittes Mal mehr spielbar wäre. Nein, kein Material wird verändert und keine nicht mehr schließbaren Wissenslücken geöffnet, sodass dem Spielspaß für Jung und Alt (mein Gott, ich hätte mir niemals so eine Phrase zugetraut!!) nichts mehr im Wege steht.

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Leo muss zum Friseur von Leo Colovini
Erschienen bei Abacusspiele
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 30 Minuten
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12.04.2017

Holmes - Detektivarbeit für 2 Personen


Ladies and Gentlemen, ich heiße Sie willkommen. Nehmen Sie Platz und genehmigen Sie sich eine Tasse schwarzen Tee, während Sie meiner Rezension lauschen in der ich Sie unbemerkt dazu verführen werde, Ihr sorgfältig angespartes Geld für dieses Spiel auszugeben, denn glauben Sie mir, das lohnt sich…

Holmes ist ein Zwei Spieler Spiel und ein im Labor gezüchtetes Mischwesen aus Worker Placement und Set Collection: Das heißt man platziert Arbeiter auf Aktionsfelder und sammelt sich so diverse Karten mit verschiedenen Werten und Farben. Dabei spielt ein Spieler Sherlock und der andere seinen Widersacher Prof. Moriarty. 


Die Aktionsfelder werden in Form von Karten bzw. den darauf abgebildeten Personen repräsentiert, die nach jeder Runde, aus einem zufällig gemischten Stapel, dem Spielfeld hinzugefügt werden; eine Karte pro Spielrunde.  Oft hängt der Karteneffekt der ausgelegten Karte von der Rundenzahl ab, in der sie ausgelegt wurde. Das ist ziemlich cool und macht jedes Spiel abwechslungsreich.
Beiden Spielern stehen drei Arbeiter zur Verfügung, die abwechselnd auf Aktionsfelder platziert werden und die Spieler so die Personen „besuchen“. Wird eine Person, in einer Runde, von zwei Spielern besucht, ist sie am nächsten Tag nicht mehr verfügbar und wird umgedreht.

Die verschiedenen Aktionen die die Personen anbieten, geben den Spielern folgende Möglichkeiten:
- Hinweistoken nehmen 
- Ausliegende Karten durch das Ausgeben von Hinweistoken an sich nehmen 
- Durch das Ausgeben von Hinweisokens vom Stapel ziehen und verdeckt an sich nehmen 
- Ausliegende Karten Zerstören und ersetzen 
- Gegnerische Karten stehlen 
- und diverse Kombinationen aus diesen Möglichkeiten 


Ziel des Spiels ist es am Ende der sieben Runden die meisten Punkte zu haben. Dies erreicht man durch das Sammeln der Hinweise. Dazu wird ein Stapel von Karten gemischt und vier Karten offen ausgelegt. Dies sind die Hinweise. Neben den normalen Hinweisen gibt es auch Kartenfragmente, die je nach Anzahl ebenfalls Punkte einbringen können und Joker die für alle sieben Hinweisfarben zählen.

Das spannende an Holmes ist die Art der Punkteauswertung. Denn man muss lediglich die Mehrheit der Hinweise besitzen um zu Punkten. Gleichzeitig verliert man Punkte, wenn der Gegenspieler die selben Hinweise gesammelt hat.
Der Clou hierbei sind die verdeckten Karten, die am Spielende, den bereits ausliegenden hinzugefügt werden und so das Spiel nochmal auf links drehen können. Ich war mir so oft sicher zu gewinnen und wurde am Ende doch böse überrascht.


Holmes ist eine Mischung aus vielen Dingen die ich mag und kombiniert diese so gut, dass man überrascht ist, wie viel Variation dieses kleine Spiel bietet. Ich sag es noch einmal: Workerplacement und Set Collection, dat is ma ‘ne Kombo!
Das Thema ist dabei nicht wirklich präsent und so sind die Hinweiskarten, die Zigarettenstummel, Fingerabdrücke und Patronenhülsen abbilden am Ende doch nur fünfen, sechsen und achten.


Die diversen Peronen, die besucht werden können (die Aktionsfelder) haben zwar alle Namen und sind hübsch gezeichnet,, werden letzen Endes jedoch auch nur auf ihre Symbole reduziert. Ist das tragisch? Ganz und gar NICHT! Denn dafür macht Holmes alles andere schon fast perfekt und das fehlende Thema trübt den Spielspaß nicht im geringsten.
Kosmos hat mal wieder bewiesen, dass sie einen guten Riecher für Zwei-Spieler Spiele haben und Holmes schmiegt sich zwischen die Klassiker wie Targi und Lost Cities, so selbstverständlich an, als ob es wie dafür gemacht wäre.

Von mir gibt’s eine absolute Kaufempfehlung.

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Holmes von Diego Ibanez
Erschienen bei Kosmos
Für 2 Spieler in ca. 30 Minuten
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11.04.2017

Neu auf Kickstarter - 15. Kalenderwoche





Die Kickstarternews gibts diese Woche mit einem absoluten Hammerpprojekt. Welches der drei ausgewählten es aber ist, müsst Ihr selbst herausfinden. Gebt Eure Tipps in den Kommentaren ab.
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03.04.2017

Risiko Europa - Früher war alles...anders


Wer kennt es nicht, das gute alte Risiko-Feeling? Nach und nach mit seinen Armeen die gesamte Welt erobern oder einfach nur geheime Aufträge erfüllen, die einem den Sieg sichern. Dabei massenhaft Armeeminiaturen auf der Weltkarte hin und herschieben und sich tierisch ärgern, wenn das Würfelpech einen trotz deutlicher quantitativer Überlegenheit in den Untergang treibt. Die einen lieben, die anderen hassen es. Für die einen ist es taktisch genau das richtige, für die anderen ein Glückspiel mit leicht taktischer Komponente. Und jetzt kommt mit Risiko Europa auch noch ein „Abklatsch“ hinzu, der wahrscheinlich außer der veränderten Weltkarte nichts zu bieten hat und der vielleicht nur sowas wie ein „Monopoly Frankfurt“ ist…also altes Spiel mit neuen Namensaufklebern.


Stopp! Denn genau das ist Risiko Europa nicht. Genau genommen ist es sogar das krasse Gegenteil. Denn bis auf die Namen einiger Spielkomponenten (Stichwort „Geheimauftrag“ und „Würfel“), hat das Spiel eigentlich nur entfernte Ähnlichkeiten mit dem namensgebenden Klassiker. Und das ist - um einen Teil des Fazits schon mal vorweg zu nehmen – trotz des mittelalterlichen Settings unglaublich erfrischend, statt ganz schön angestaubt.

Aber fangen wir mal am Anfang an: bei den Komponenten. Greift man sich den kompakten Karton fällt einem als erstes das Gewicht auf, das auf viele Komponenten schließen lässt. Und so ist es auch. Individuell gestaltete Armeefiguren der Osmanen, Burgunder, Wikinger und Franken (64 pro Fraktion), ein schönes, großes Spielbrett, schön gestaltete Kronen und Festungen und ein thematisch passender Starspielermarker. Dazu Karten und Pappgeld, Übersichtskarten und die sogenannten Stadtschilder und natürlich das Wichtigste: die Würfel, wenngleich Letztere hier nicht ganz so zentral und spielentscheidend sind, wie im ursprünglichen Risiko.
Das Spiel ist darauf ausgelegt zu viert gespielt zu werden. Mit nur zwei oder drei Fraktionen ist der Spielplan nämlich einfach zu groß, so dass man nur noch neben einander her „siedelt“. Aus diesem Grund greifen bei weniger Spielern die Söldner ein. Diese agieren jede Runde für einen anderen Spieler und zwar, thematisch passend, für den, der sie am besten bezahlt. Die Söldner bestehen dabei aus einer der Fraktionen, die nicht durch die Spieler aktiv gespielt werden. Ein interessanter Kniff, der aber auch noch mehr taktisches Denken von den Spielern fordert, aber eine gute Lösung für das Problem, ein 4-Spieler-Spiel auch mit weniger Personen spielen zu können.


Kommen wir zum eigentlichen Spiel. Anders als beim „großen Bruder“ geht es also darum, Kronen zu sammeln. Diese Kronen erhält man durch das besetzen von Städten in Europa. Jeder Spieler verfügt hierfür über acht Befehlskarten mit jeweils zwei Befehlen (bspw. Einheiten verschieben oder Steuern eintreiben). Von diesen Befehlskarten sucht man sich in jeder Runde zwei aus, die man spielen möchte und legt diese verdeckt vor sich ab. Reihum spielt dann jeder Spieler zunächst seine erste Karte (und wählt hier einen der beiden Befehle aus) und erst dann kommt die zweite Karte zum Zug. Der Effekt ist dabei ein ähnlicher wie beispielsweise bei Colt Express oder auch Robo Rally...man muss versuchen, die Züge des Gegners mitzudenken (ohne natürlich, dass dies auch nur im Ansatz die Komplexität eines Schachspiels erreichen würde). Die gespielten Karten werden abgelegt und kommen erst wieder auf die Hand, wenn man alle Karten einmal durch hat (also nach der vierten Runde), so dass das „Mitdenken“ mit dem Gegner gar nicht mal so schwer ist. Durch die jeweils zwei Befehle pro Karte lässt sich zudem noch auf ungeplante gegnerische Aktionen reagieren.
Neue Einheiten kauft man mit den eingetriebenen Steuern und lässt diese in eigenen Städten oder Festungen starten. Mit dem gleichen Geld darf man aber auch Kronen kaufen und somit quasi auf finanziellem Wege dem Spielziel näher kommen. Besetzt man eine „goldene Stadt“ erhält man zudem deren Stadtschild. Diese bringen weitere dauerhafte Vorteile während des Spiels, wie bspw. kostenlose Einheiten nach bestimmten Aktionen.


Soweit die Unterschiede zum klassischen Risiko. Kommen wir zu den Gemeinsamkeiten:
a) Treffen zwei feindliche Armeen auf einem Feld auf einander, kommt es zum Kampf mit Würfeln
b) Es gibt eine Spielvariante, in der Geheimaufträge eine Rolle spielen

Soweit also die Gemeinsamkeiten zum klassischen Risiko. Widmen wir uns wieder den Unterschieden:
Kommt es zu einem Kampf, greifen die unterschiedlichen Einheiten in einer festen Reihenfolge an. Bei Belagerungsgeräten, Bogenschützern und Reitern gibt es eine Anzahl an Würfeln entsprechend der Anzahl an Einheiten und jeder Spieler Würfel zuerst für eine dieser Einheiten. Wirft man einen Würfel dabei über eine bestimmte Zahl (bspw. bei Reitern mindestens eine 3), gilt dies als Treffer und der Gegner verliert eine Einheit seiner Wahl.

Jetzt werden die Nostalgiker sagen „aber das ist doch gar kein Risiko mehr, sondern Axis & Allies“. Richtig. Aber es macht Spaß und reduziert das reine Würfelglück ein gutes Stück (und es macht das Spiel einfach flüssiger ;).
Aber Hasbro hat all jene, die sich nach dem Altbekannten sehnen, nicht ganz vergessen: Nachdem die drei genannten Einheiten angegriffen haben werden die übrigen Einheiten inklusive der Fußsoldaten addiert und es darf noch einmal gewürfelt werden. Hier greift nun aber das klassische Risiko-Würfelsystem: Der Angreifer hat max. 3, der Verteidiger max. 2 Würfel und die jeweils höchsten Würfel werden verglichen. Jeder Treffer bedeutet eine verlorene Einheit und wenn die Spieler noch Einheiten übrig haben, beginnt das Ganze wieder bei den Belagerungsgeräten und wird solange wiederholt, bis eine (oder auch beide) Armee(n) am Boden liegt (liegen).
Zu guter Letzt (alle Nostalgiker setzen sich jetzt bitte nochmal kurz hin) sind auch die Geheimaufträge nicht mehr das, was sie einmal waren. Nutzt man dieses Spielelement, darf man keine Kronen mehr kaufen, sondern muss sie sich durch das Erfüllen der Geheimaufträge verdienen.


Was bleibt also vom „guten alten“ Risiko noch übrig, außer dem Namen? Nicht wirklich viel. Das ist aber auch nicht wirklich schlimm. Wenn ich das „alte“ Risiko spielen möchte, brauche ich keine neuplakatierte Spielwelt, dann bleibe ich direkt beim Original. Insofern ist Risiko Europa eine wirklich gelungene Weiterentwicklung und Abwandlung des bekannten Klassikers.
Aber nicht falsch verstehen: Noch immer fahren die taktischen Anforderungen in seichten Gewässern und noch immer ist eine nicht zu unterschätzende Glückskomponente an Board. Grundsätzlich ist der Anspruch aber ein gutes Stück gestiegen und Risiko Europa bietet vor allem Gelegenheitsspielern einen schönen Ausblick, wie es ist, komplexere taktische Strategiespiele zu spielen. Mehr nicht. Aber mehr will es auch nicht sein. Von daher: alles richtig gemacht!

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Risiko Europa Erschienen bei Hasbro
Für 2-4 Spieler in ca. 120 Minuten
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sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Hasbro)

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