29.07.2018

State of Wonder


Age of Empires und Stronghold sind weltbekannte Computerspiel-Klassiker bei denen es darum geht Armeen auszubilden, Festungen zu erbauen und die gegnerische Zivilisationen zu bekriegen. Beide Spiele haben bereits eine analoge Umsetzung, wobei Stronghold, wie auch sein digitales Vorbild, den Fokus auf die Belagerung einer Burg legt und Age of Empires sich auf den Aufbau der Zivilisation und die Erschließung neuer Gebiete und Ressourcen konzentriert. Beide Spiele kommen mit einem Spielbrett, Karten und vielen Kleinkram und Miniaturen daher um den Flair der Computerspiele rüberzubringen.

Und nun kommt State of Wonder, ein Spiel, das sich thematisch in dieselbe Kategorie einordnen lässt. Hier werden ebenfalls Truppen ausgebildet, die eigene Festung samt Zeitalter entwickelt und die gegnerische Burg belagert… und das alles in Form eines Sammelkartenspiels? Mit knapp 18 Karten pro Fraktion? Ohne Spielbrett oder Minis? Geht das überhaupt?


Um diese Fragen zu beantworten schauen wir uns zunächst die Spielmechanik von State of Wonder an:
Mein Rezensionsexemplar stellte uns zwei Fraktionen zur Verfügung, den Kult der Stimmen und die Eiserne Legion. Diese zwei rivalisierenden Gruppen kämpfen im zerfallenen Königreich Scathia um die schwarze Krone, die den Träger zum mächtigsten Wesen und Herrscher über das Land machen soll.

Man entscheidet sich also für eine Fraktion und nimmt das dazugehörige Deck auf die Hand. Das erste was einem auffällt ist, neben der geringen Kartenanzahl, eine doppelseitige Karte. Diese Karte stellt den Staat bzw. die Hauptfestung unserer Fraktion dar und wird vor uns ausgelegt. Und nun kommt die erste Besonderheit von State of Wonder: Es gibt keinen Nachziehstapel! Alle Karten einer Fraktion stehen dem Spieler sofort zur Verfügung, das heißt, dass weder eine Deckbuilding Mechanik noch Kartenglück eine Rolle spielen.


Die Strategie die man wählt, ist also von Beginn an offen… zumindest fast, denn um Karten auszuspielen, das heißt Gebäude zu errichten oder Einheiten auszubilden, muss die Festung genug Gold produzieren. Dies tut sie am Anfang nur im begrenzten Maße, sodass am Anfang nur eine begrenzte Anzahl an Karten ausspielbar sind. Das ist sehr thematisch und hervorragend umgesetzt.

Eine weitere Besonderheit ist, dass die ausgespielten Karten zunächst verdeckt hingelegt werden. Das soll zeigen, dass eine Einheit oder ein Gebäude in der Mache ist, der Gegner aber nie sehen kann welches. In der nächsten Runde darf die Karte dann umgedreht und genutzt werden. Handelt es sich dabei um ein Gebäude, wird es an unsere Stadt angelegt. Ist unsere ausgespielte Karte eine Einheit, kann diese erst in der nächsten Runde angreifen und wartet zunächst in der Stadt. Handelt es sich bei der Karte um eine Schutzmauer, wird die Karte vor unsere Festung gelegt und hindert unseren Gegner daran Schaden an unserer Festung oder unseren Soldaten innerhalb der Mauern Schaden zuzufügen.


Viele Karten haben besondere Effekte, ähnlich einem Kartenspiel wie Magic oder Netrunner, sodass einige Einheiten sofort angreifen dürfen, oder Gebäude zusätzliche Einheiten in Form von Tokens produzieren, dabei werden die Karten wie gewohnt um 90 Grad gedreht um anzuzeigen dass die Sonderfähigkeiten genutzt wurden. 
Das Produzieren von Tokens umgeht dabei geschickt die Kartenknappheit und zwingt euch eigenes Material ins Spiel zu integrieren. 

Eine weitere Besonderheit ist, dass besiegte Karten, die in die Ablage wandern, am Ende der Runde wieder in eure Hand kommen und zur Verfügung stehen.
Die letzten beiden Dynamiken lassen das Spiel größer erscheinen als man zunächst vermutet da hier die Karten und Funktionen das Spiel in einem positiven Sinne aufpusten.

Innovativ ist auch die Schlachtdynamik bzw. Verteidigungsdynamik. Zwar sind die beiden einzigen Kartenwerte „Kampfstärke“ und „Gesundheit“, die jeweils auf den unteren Kartenecken angegeben sind und im Kampf voneinander subtrahiert werden, so ausgelutscht wie es nur geht, ist es die Art wie ihr eure Truppen bewegen könnt. 
Entweder Ihr lasst eure Truppen in der Stadt um sie zu verteidigen oder ihr schickt sie los, wobei ihnen auf halber Strecke des Schlachtfeldes die gegnerischen Truppen entgegentreten können, oder, wenn letzteres nicht eintrifft, eure Truppen die gegnerischen Stadtmauern erreichen und diese belagern.


Die beiden Fraktionen, die uns zur Verfügung standen, waren aber mehr oder weniger auf eine Kampfstrategie spezialisiert. Die eiserne Legion hatte zahlreiche, starke Truppen und belagerte die gegnerische Burg, während diese versuchte durch Verharren und Verteidigen das letzte Zeitalter zu erreichen.

Ja ihr könnt bzw. müsst auch Gold ausgeben um bestimmte Zeitalter eurer Zivilisation zu erreichen und ein Wunder zu erbauen. Dieses Wunder am Ende der dritten Phase eures Zeitalters erbaut und führ bei Erfolg zum Sieg.
Thematisch ist auch, dass jedes neue Zeitalter Boni mit sich bringt und beispielsweise eure truppen stärker macht. Das ist vergleichbar mit der Entdeckung von Metall und dem Schmieden von Eisenrüstung in AOE. Ihr könnt aber auch gewinnen indem Ihr den Staat eures Gegners dem Erdboden gleichmacht.

Kommen wir also zurück zu unserer Ausgangsfrage: Hält State of Wonder was es verspricht? Diese Frage lässt sich mit einem ganz klaren JA beantworten!
State of Wonder ist bei weitem nicht episch und es gibt auch nicht viel Material, aber das was State of Wonder da versucht, nämlich besagtes Spielerlebnis in Kartenform zu packen, schafft es mit Bravur!
Es gibt keine überflüssigen oder athematischen Aktionen. Alles was ich tue lässt mich meine Armee stärker und meine Stadt größer werden. Ich kann aber auch falsche Entscheidungen treffen und meinem Gegner hinterherhinken. Das Spielgefühl eines Aufbau/Belagerungsspiel ist in jedem Zug und jeder Karte präsent.

Ich hätte zwar lieber ein LCG als ein CCG, aber so oder so will ich mehr von State of Wonder!
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State of Wonder von Emelie Rodin

Erschienen bei BetterBuild Studio
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 30 Minuten
Boardgamegeek-Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier BetterBuild Studio)