24.10.2018

Renegade


Wir, die Spieler, sind Hacker, Renegades in einer dystopischen Zukunft, in der die Menschheit am Rande der Zerstörung steht. Der Super-Massive-Computer (SMC) auch bekannt als "Mother" übernimmt nach und nach Städte in Japan. 

Zu Beginn des SMC-Zeitalters, verloren die Menschen ihren Glauben in einer ansteigend unmoralischen Gesellschaft. Ein SMC namens "Mother" wurde entwickelt um die menschlichen Gedanken und Gefühle nachzuahmen, die menschlichen Sehnsüchte und Hoffnungen zu simulieren und somit den schnellen Verfall der Moral besser zu verstehen. Die Bewohner von Sapporo, Japan, wurden zu Versuchskaninchen in diesem technischen Experiment. Eine Serie, von der Regierung beauftragter neuraler Implantationsprogrammen, genannt "The Harvests", erlaubte "Mother" es, ausreichend Daten direkt aus der Hirnrinde zu sammeln.

Mother's neurales Netz bevollmächtige sich dramatisch durch die kollektiven Gedanken einer Stadt voller Seelen. Schnell wurde sie ihr eigener Meister, welche nicht nur die Gedanken las, sondern sie auch übelwollend kontrollierten. Mother übernahm die Kontrolle und die Menschen wurden ihre Automaten.
Nur wenigen gelang es die Harvests zu vermeiden und somit dem Einfluss von Mother zu entgehen. Wie Kanalratten verstecken sich diese Menschen in den Untergründen der Stadt im Susukino Bezirk. Während Mothers Gesellschaft sich frei von Kriminalität, frei von Armut und frei von Gefühlen entwickelte, verschwanden auch der freie Wille oder Schicksal. Aber jede Gesellschaft hat seine Außenseiter, so auch die von Mother und unter Ihnen befinden sich die Renegades, nebst Kriminellen, Schmugglern, Selbstsüchtigen, Hungrigen und Ängstlichen.

Und hier, im Untergrund, teilt jeder das gleiche Ziel und zwar die SMC zu stürzen und das Schicksal der Menschheit wiederzugeben. Aber nur die Renegades haben dafür die nötigen Mittel...


Als kleinen Einstieg habe ich euch einfach mal den Flavor-Text der Anleitung frei übersetzt, den dies verdeutlicht am bestens das Setting in dem Renegade spielt. Bei Renegade handelt es sich um ein Spiel für 1-5 Spieler ab 14 Jahren und eine Partie dauert ca. 90 Minuten. Es handelt sich dabei mehr oder weniger um ein Karten-Deckbuilder und stammt aus der Feder von Richard Wilkins, seines Zeichens selbst Brettspiel-Kritiker mit eigenem YouTube-Channel. Erschienen ist das ganze, nach erfolgreicher Kickstarter-Kampagne, bei Victory Point Games, wo man es für knapp 45$ erstehen kann. 

Wie eingangs erwähnt übernehmen wir die Rolle eines Hackers und versuchen uns nun auf die Festplatten verschiedener SMCs zu hacken und dort für Schaden zu sorgen. Im Spiel gibt es fünf SMC gegen die man antreten kann und sich in der Schwierigkeit steigern. Der erste SMC ist dann auch nur ein "Simulator", der einem die Spielmechanik nahe bringt und die komplette erste Runde wird von der Anleitung als Walkthrough vorgegeben. Die höchste SMC-Karte ist dann Mother persönlich, bei der es dann auch ordentlich zur Sache geht und Gehirnschmalz gefragt ist. 

Eine Partie geht über eine von der SMC-Karte vorgegebene Anzahl an Zyklen (für jede Gegenmaßnahme des SMC gibt es ein Zyklus, im Schnitt ca. 3-4) und ein Zyklus wiederum besteht aus 3 Runden. Zu Beginn stellen wir den Server zusammen auf den wir uns einhacken möchten, dafür haben wir 5 Pappteile mit je 6 Sechsecken von 1-6 in verschiedenen Farben. Die legen wir zusammen wie es uns gefällt, nur beim Simulator wird es vorgegeben. Nun entscheiden wir uns noch für einen Hacker, hier stehen uns insgesamt 9 Figuren zur Verfügung, wobei zwei sich immer einen Charakterbogen teilen und eine Spielfarbe entsprechend einer Farbe des Servers haben. Jeder Charakter hat eine spezielle Fähigkeit, die man im Laufe des Spiels nutzen kann. Den dazugehörigen Pappaufsteller (auch Avatar genannt) platziere ich dann auf die Einstiegspartition (die 6) des Servers passend zur Farbe meines Charakters. Jetzt erhält jeder Spieler noch ein Basis-Commando Deck bestehend aus 15 Karten und in jeder Runde ziehe ich hiervon 5 Karten, mit denen es gilt diese Runde zu spielen. 


Die gewählte SMC-Karte gibt auch vor, was noch auf dem Server vorbereitet werden muss und zwar platziert der Gegner, also der SMC, so genannte Sparks (schwarze, runde Token) auf den Partitionen. Von allen Tokens, seien es die vom Gegner oder unsere, gibt es nur eine begrenzte Anzahl. Bekomm ich die Anweisung solche zu platzieren und es geht bei den Gegner-Token nicht, haben wir das Spiel verloren. Als Beispiel hier die Start-Info vom SMC "Mother": Lege auf jede Partition des lila Servers (Faith) einen Spark. Lege auf jede Partition neben den lila Server-Partitionen ebenfalls einen Spark. Abschließend lege auf jede komplett umschlossene Partition einen Spark, falls da noch keine liegt. Ihr seht auf höchster Stufe liegt gleich schon eine ordentliche Anzahl ans Sparks auf den Servern. Nebst Sparks können die Gegner auch Flares (graue, runde Token), Guardians (schwarze, quadratische Tokens - 4 Sparks ergeben ein Guardian) und Firewalls (graue, quadratische Token - 4 Flares ergebe eine Firewall) legen, wobei die Guardians und Firewalls noch schwerer zu beheben sind. 

Die SMC geben meist auch vor, was zu Beginn jeder Runde noch passiert, so z.B. steht bei "Mother", dass immer zu Beginn deines Zugs Sparks auf deine Einstiegspartition gelegt werden.

Ihr merkt schon der Kampf gegen Sparks ist die oberste Priorität in diesem Spiel, dazu gibt es noch die Countermeasure-Karten in drei verschiedenen Abstufungen (Kupfer, Silber und Gold) Jede SMC-karte gibt vor welche und wieviele Maßnahmen benötigt werden. Diese Karten geben dann immer noch ein Ziel für den folgenden Zyklus vor, so gibt es z.B. bei einer Kupfer-Karte folgendes Ziel: Habt einen Replikanten (gelber, runder Token) auf folgender Anzahl an Zugriffspunkten (immer die Fläche 6 eines Servers): 1 Spieler - 1 Zugriffspunkt, 2-3 Spieler - 2 Zugriffspunkte; 4-5 Spieler - 3 Zugriffspunkte. 


Am Ende des Zyklus' (also nach 3 Runden) prüfen wir dann, ob wir das Ziel erreicht haben oder nicht. Danach drehen wir die Countermeasure-Karte um und lesen was passiert bei Erfolg oder Misserfolg. Zum Abschluss des Zyklus werden dann noch Sparks auf den verschiedenen Servern bewegt, falls vorhanden und wir beginnen mit dem nächsten Zyklus und somit der nächsten Countermeasure-Karte. 

Haben wir es geschafft alle Countermeasure-Karten zu spielen, ohne vorher das Spiel verloren zu haben, gibt es Punkte für jede geschaffte Countermeasure-Karte, Punkte für noch im Vorrat liegende Token usw. und erhalten damit eine Abschlusspunktewertung. Passend zu dieser gibt es dann noch eine von drei Beurteilungen wie gut wir uns geschlagen haben. 

Das war nun der grobe Rahmen und Ablauf. Und ihr merkt schon, dass Spiel ist ziemlich komplex und strotzt nur so von Begrifflichkeiten, die man sich erstmal einprägen muss. Aber dazu noch später mehr. Wie sehen die Runden denn nun aus? Wie gesagt: wir haben zu Beginn ein Basisdeck von 15 Karten, die uns verschiedene Aktionen ermöglichen. Zu jeder Runde ziehe ich 5 Karten und prüfen was ich mit diesen anstellen kann. Hier ist wichtig vieles im Voraus zu planen, um die Karten auch wirklich bestmöglich zu nutzen. In jeder Runde darf ich auch eine Karte auf der Hand behalten um sie in der nächsten Runde zu verwenden, was hin und wieder wirklich wichtig sein kann. Aber was gibt es nun für Aktionen?


Ich möchte diese nur grob anreißen, denn es würde sonst wirklich den Rahmen hier sprengen. Die Aktionen ermöglichen es mir meinen Avatar auf den Partitionen zu bewegen, vorhandene Token zu verschieben, neue Tokens hochzuladen, im speziellen wollen wir Viren (rote, runde Token) hochladen, denn diese helfen uns Sparks zu eliminieren. Will ich ein Spark mit einem Virus eliminieren, muss ich dafür noch einen roten und einen schwarzen Würfel werfen, diese Werte kombiniere ich dann mit den Token und den gespielten Karten. Ist der rote Wert höher als der schwarze, ist die Aktion geglückt.

Ich kann vorhandene Token auch umwandeln, sei es in andere Farben oder aber ich kombiniere drei vorhandene, runde Token in einen starken, quadratischen Token. usw. usw. Diese Basis-Kommando-Karten helfen mir bei diesen Aktionen. Ich spreche hier immer nur von Token der Einfachheit halber, denn für jeden Token gibt es einen thematischen Begriff, was gut zum Spiel passt, keine Frage, aber es zunächst wirklich schwer macht, hineinzukommen. In der Anleitung platziert man deswegen immer ein passendes Symbol hinter den Begriffen, das hilft zwar ein wenig, aber man braucht dennoch Übung. Auch die Charakterbögen sind zunächst völlig überladen und verwirren eher. Nebst den Charakterinfos gibt es nämlich auch eine Übersicht von allem anderen, da die Infos aber manchmal doch stark gekürzt sind, ist auch dies nur wenig eine Hilfe. 


Mit den Basis-Karten kann ich mir aber auch neue, stärkere Kommando-Karten kaufen, hiervon liegen vier offen aus, und kann diese sofort benutzen, sobald ich sie bezogen habe. Allerdings muss eine Karte, von denen, die ich zum bezahlen benutzt habe, komplett aus dem Deck genommen werden, so dass wir immer 15 Karten in unserem Deck haben.

Das ist der grobe Ablauf von Renegade  Es tut mir Leid wenn die Beschreibung ein wenig konfus daherkommt, aber wie schon angedeutet, spiegelt das ein wenig auch das Spiel zu Beginn wieder. Man wird wahrlich erschlagen mit Begriffen und Texten und ich glaube ich habe die Anleitung 4-5mal gelesen und bei den ersten Partien offen neben mir liegen gehabt, bis ich es halbwegs so verinnerlicht hatte, dass man ohne ständiges Nachlesen auskommt. Hat man sich diese Mühe gemacht, wird man aber mit einen wirklich schönen, faszinierenden Spiel belohnt, welches sich auch wunderbar allein spielen lässt. 

Jeder Zug, jedes Ausspielen einer Karte will wohl überlegt sein, denn viel Spielraum hat man häufig nicht. Das mag für manche zunächst frustrierend sein, doch ich seh darin vielmehr eine Herausforderung. Ein Herausforderung, die wirklich Spaß macht. Das Design ist ansprechend und passend zum Thema. Vielleicht etwas abstrakt zu Beginn, doch wenn man bedenkt, dass wir als Hacker auf Festplatten rumlaufen, auch wieder gar nicht mehr so abstrakt. Auch die Karten sind schön anzusehen und passen ins Gesamtbild. Die Symbole sind klar erkennbar und die Regeln am Ende eigentlich auch, wenn es denn einmal sitzt. Auch zusammen macht es Spaß den besten Weg zu finden, die Ziele zu erreichen und sich evtl. gegenseitig die Bälle zuzuspielen. Cool, wäre vielleicht auch eine kompetitive Variante gewesen, thematisch hätte sich das schon angeboten.


Für Abwechslung sorgen auch noch Spiel-Varianten, die in der Anleitung vorgeschlagen werden, so gibt es zum Beispiel die Möglichkeit die Server-Teile umzudrehen und darunter sind die Partitionen dann nicht einfarbig sondern bunt gemischt. Dann gibt es noch einen Hardcore-Modus und einen Horde-Modus, welche die Spark-Verteilung ändern. Alternativ gibt es noch andere Würfel (passend zu jeder Countermeasure-phase) mit denen ich den schwarzen Würfel im Basis-Spiel ersetze und somit die Chance erhöhe, dass der Gegner eine höhere Zahl wirft und ich es mir somit schwerer mache den Erfolg meines Virus' herbeizuführen. Und wenn man als Rupert Stanz (der Kopf der Bewegung) spielt, kommen noch neue, lilafarben Token hinzu, die sogenannten Rootkits. Diese kann ich im Verlauf des Spiels als Joker verwenden.

Ihr seht, es gibt einige Gründe mehrere Partien zu spielen, sei es durch die Modi oder durch die Charaktere. Renegade bedeutet zunächst viel, viel Arbeit, aber die lohnt sich wirklich. Wer IT-affin ist und Deckbau-Spiele mag, sollte auf jeden Fall ein Blick riskieren. Andere Spieler sollten zusammen mit einem geübten Spieler starten, dann gelingt der Einstieg deutlich besser. Renegade verlangt einiges an Kopfarbeit und Planung, Fans davon sollten ebenfalls zugreifen. Toller Einstand, Richard Wilkins!
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Renegade von Richard Wilkins
Erschienen bei Victory Point Games
Für 1 bis 5 Spieler in ca. 60 Minuten
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Victory Point Games)