19.12.2018

1500 m


Ich mag Sportspiele und ich mag Rennspiele. Um mal einige meiner Favoriten zu nennen: Formula D, Flamme Rouge, Race! Formula 90. Perfekte Voraussetzungen für 1500 m vom mir bisher völlig unbekannten spanischen Verlag Lucky Loser? Eben jener Verlag ist sozusagen exklusiv für Sportspiele fokussiert. In seiner äußerst jungen Historie hat der Verlag bis dato Basketball Age (ein Basketball-Spiel) in seinem Portfolio, Segundos…Fuera! (ein Box-Spiel) in der Pipeline, sowie eben jenes angesprochene 1500 m  Autor aller Spiele ist Eduardo Crespo, selbsternannter Sportfreak und auch Chef des Verlages.

Auf 1500 m wurde ich durch meine Liebe zu Sportspielen aufmerksam. Eine realistische andere Möglichkeit gab es im Vorfeld zur Messe 2018 auch irgendwie nicht. Der Verlag ist in der deutschen Bloggerszene eher unsichtbar und das Cover des Spiels auch nicht wirklich ein Eyecatcher. Hier müssen wir unsere Rezension leider auch beginnen. Das Cover! Für viele Spiele ein Türöffner. In 1500 m ist es eher ein Riegel, der die Tür blockiert. Die Läufer auf dem Cover (1500 m ist ein Leichtathletik Laufspiel, wenn man es nicht bereits erraten hat) wirken äußerst komisch gezeichnet. Die Muskelpartien stechen merkwürdig hervor, die Gesichter wirken entstellt und warum zur Hölle laufen die Damen und Herren aus der Kurve heraus?!? Eine Mitspielerin am Tisch meinte sogar, dass 1500 m auch gut als Zombiespiel durchgehen könnte, da die Läufer eher wie solche wirken. Nein, ansprechend ist etwas anderes.

Der Inhalt weiß da schon eher zu gefallen. Wir erhalten eine Aschenbahn, die durchaus Erinnerungen an die Bundesjugendspiele hervorruft, mittelmäßig gezeichnete Handkarten, aber auch schicke individuelle Läuferfiguren aus einem durchsichtigen, glasähnlichen Material. Die wirken nicht nur einzigartig, sondern sehen auch schick aus. Großes Lob an dieser Stelle. Die Schönheit hat aber auch ihren Preis. Denn vermutlich sind es genau diese einzigartigen, schicken Läuferfiguren, die den Stückpreis für eine Kopie 1500 m auf 40,00€ steigen lassen. Und das ist schon ein ganzer Brocken, wenn man bedenkt, wie spärlich das restliche Material ist.


Kommen wir aber mal zum Hauptgang - der spielerischen Komponente in 1500 m  In 1500 m müssen wir eben jene Distanz als erster auf der Aschebahn zurück legen. Das sind genau 3 Runden á 400 m und eine 3/4 Runde. Sinn ergibt eine Partie 1500 m aber erst ab 5 Mitspielern, auch wenn die Regeln für die das Feld auffüllende Bots erstaunlich klasse funktionieren. Im Herzen ist 1500 m ein Konditionsspiel, denn natürlich macht es überhaupt keinen Sinn die ganze Zeit im Läuferfeld vorneweg zu laufen und volles Tempo zu gehen. Daher starten alle Spieler mit einer gewissen Anzahl an Kondition, die es im Verlauf einer Partie einzuteilen gilt. Logischerweise gilt: Je mehr Tempo ich mache, umso mehr Kondition verbrauche ich.

Die Regeln bei 1500 m sind dabei schnell erklärt. Jede Runde startet damit, dass die Spieler verdeckt mit Kondition auf gewisse Sonderaktionen bieten. Wer mehr bietet, erhält ein Erstwahlrecht. Dabei kann ich im groben wählen mich zu erholen, das Tempo anzuziehen oder schneller zu laufen. Wurde das ausgewählt, kommt es zur Laufphase, in welcher die Spieler eine zuvor abgelegte Tempokarte aufdecken und die darauf abgebildete Anzahl an Feldern zurücklegen. Wichtig dabei sind zwei Dinge: Jeder Spieler hat genau 4 identische Tempokarten, die man erst wieder auf die Hand bekommt, wenn man alle ausgespielt hat UND dass das sich diagonal bewegen in einer Kurve durchaus problematisch sein kann, da man nicht immer glasklar sehen kann, welches denn nun das diagonal vorne liegende Feld ist. Hier wären kleine Pfeile zur besseren Sichtbarkeit auf dem Plan toll gewesen.

Es folgt bei 1500 m jedoch noch eine zweite Laufphase in der selben Runde, wonach jeder Spieler so viele Felder vorrückt, je nachdem wie hoch sein Grundtempo ist (separate Leiste auf dem Plan). Je nachdem wie hoch sein Grundtempo ist, desto mehr Kondition verliert der Läufer. Ein hohes Grundtempo kann man also logischerweise nicht lange durchhalten und muss dieses vermutlich von Zeit zu Zeit deutlich drosseln. Das gibt dem Konditionsmechanismus noch eine weitere sehr interessante Komponente. In welchem Moment ziehe ich das Tempo an? Reicht meine Kondition dafür aus? Was machen die anderen? Können sie mir vielleicht garnicht folgen, wenn ich jetzt anziehe, da sie ein viel zu niedriges Grundtempo haben?


Das sind im Prinzip auch schon die ganzen Regeln von 1500 m  Es gibt noch einige kleine Stellschrauben, die zwar als Module für Fortgeschrittene im Regelbuch aufgeführt sind, aber meiner Meinung nach das Spiel sofort verbessern. Dabei bekommt beispielsweise der Führende Spieler stets einen zusätzlichen Konditionsverlust bzw. ab einer gewissen Stelle auf der Konditionsleiste verliert der Spieler auch mehr Punkte (die Lunge ist quasi am Anschlag).

Wie gefällt mir 1500 m?  1500 m erinnert sehr stark in seinen Grundprinzipien an eines meiner Lieblingsrennspiele Flamme Rouge. Das Managen der Kondition, das sich Aufhalten im Windschatten, um ja nicht den Malus für den Führenden Spieler zu früh abzubekommen, oder aber das Renntaktikelement. 1500 m ist kein Sprint. Man muss sich schon sehr genau überlegen, in welcher Situation man sein Tempo erhöht und wann man zum Überholen ansetzt. Interessant ist es beispielsweise auch, wenn man relativ weit hinten im Feld liegt. Hier kommt noch ein weiterer sehr interessanter Aspekt zum Tragen - das Positionieren. In 1500 m kann man nämlich nicht ganz einfach eine Läuferfigur überspringen, sondern muss an ihr vorbeilaufen. Das kostet zusätzliche Bewegungspunkte (wenn ich eine Bahn nach außen wechsle) und will gut geplant sein. Plane ich diese Aktion nicht im richtigen Zeitpunkt, kann es gut sein, dass ich im Läuferfeld nach außen gedrängt werde und wertvolle Energie für nichts verschwende. Für solche Situationen gibt es aber ein Feld auf das ich zu Beginn der Runde mit Kondition bieten kann, mit wessen Hilfe ich durch Figuren durchziehen kann und meine Tempokarte als Erster ausführen darf. Durch wie viel Kondition muss ich bieten, um auch sicher Zugriff darauf zu erhalten?


1500 m bietet sehr viele taktische Überlegungen während des Rennens. Ich muss die Mitspieler im Auge haben. Wie viel Kondition haben diese? Werden sie den folgenden Zug vielleicht dazu nutzen, um ein wenig zu regenerieren? Ist das dann meine Möglichkeit an ihnen vorbei zu ziehen? 1500 m gefällt mir an dieser Stelle unheimlich gut. Dabei spielt es sich auch verdammt schnell mit eigentlich keiner Downtime. Wie viele Rennspiele macht es aber mit mehr Spielern deutlich mehr Spaß. In 1500 m würde ich zudem empfehlen mindestens 5 Mitspieler an einen Tisch zu bringen. Das restliche Läuferfeld wird stets mit Bots aufgefüllt, welche stets im Gleichschritt laufen und sich am derzeitigen Höchsttempo orientieren. Das funktioniert dabei erstaunlich gut und es ist nicht selten vorgekommen, dass die Bots auch mal ein Rennen gewonnen haben. In 1500 m ist das obligatorische Auffüllen des Feldes mit Bots also keine bloße Notwendigkeit, sondern auch gut gelöst.

Auch der gesamte Konditionsmechanismus wirkt rund. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Punkte, scheint ziemlich gut ausgetestet. Der Gewinner einer Partie 1500 m kam eigentlich immer ziemlich am Ende seiner Konditionsleiste am Spielende an. Dabei gibt es natürlich Phasen, in welchen man sich zwangsläufig regenerieren muss, um die Distanz durchhalten zu können. 1500 m ist dabei an jeder Stelle spannend. Das Positionieren im Feld ist äußerst wichtig. Die optimale Position ist dabei stets direkt hinter dem Führenden im Windschatten bzw. gerade so weit hinter ihm, um im entscheidenden Moment den Energieüberfluss ausnutzen zu können und zum Überholen anzusetzen.

Fans von Rennspielen müssen unbedingt einen Blick auf 1500 m werfen und eigentlich darf es bei Fans dieses Genres in keiner Sammlung fehlen. Es ist schnell, bietet interessante Entscheidungen und weckt Emotionen. Eine kleine Perle im Spielejahrgang 2018.
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1500 m von Eduardo Crespo
Erschienen bei Lucky Loser Games
Für 3 bis 8 Spieler in ca. 60 Minuten
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Lucky Loser Games)