03.05.2019

Vejen


Seit Tagen ruckeln wir über die unebenen Wege mit unserem Ochsenkarren. Angefangen in Itzehoe über Heide, Tönning nach Flensburg. Fisch wollen wir kaufen, denn der Kurs in Dänemark ist günstig zum einkaufen, aber kaum in Flensburg angekommen, stellen wir fest, dass in unserem Lederbeutel nur Deutsche Taler sind und keine Dänischen Kronen. Mist. So können wir nichts kaufen, aber mit Glück haben wir in einem unserer Kontore Ware gelagert, dann können wir diese nun in Flensburg verkaufen, erhalten Kronen (zum jetzt wiederum schlechten Kurs) und können dann endlich Fisch kaufen. Puuh...

So in etwa könnte man sich eine Spielszene aus dem Erstlingswerk Vejen vom Verlag SpieleFaible und Autoren Kai Starck & Thomas Nielsen vorstellen. Das Spiel ist lt. Verlag ein strategisches Handelsspiel für 2-4 Spieler ab 14 Jahren. Ich würde schon mal dazu setzen, dass es sich hierbei um ein "Pick up & Deliver"-Spiel handelt, in dem vorab jeder seine Routen planen muss. Wie erwähnt ist es ein Erstlingswerk der Autoren, wobei Kai Starck für manche vielleicht kein Unbekannter ist. So hat er nämlich die Luftschiff-Erweiterung für Scythe als Fan-Projekt entwickelt, welches Jamey Stegmaier so begeisterte, dass er diese umgesetzt hat. Schon mal ein starkes Brett in der Vita und nun schon schauen wir uns mal das nächste Werk genauer an. 


Vejen ist dänisch und steht für Ochsenweg und zwar für einen ganzen bestimmten Ochsenweg, welcher im Mittelalter die Haupthandelsroute zwischen Deutschland und Dänemark gewesen ist. Damals verlief die Grenze aber deutlich weiter im Süden, wie auf dem Spielbrett auch zu sehen ist. So gehört z.B. Flensburg noch zu Dänemark. Und genau mit dieser Grenzsituation spielt das Spiel, denn ein wichtiger Bestandteil ist es, dass beide Länder mit unterschiedlichen Währungen Handel betreiben. In Dänemark gibt es die Krone und in Deutschland den Taler und wie das alles genau funktioniert, erkläre ich euch nun genauer. 

Wir spielen insgesamt über 12 Runden, welche am rechten Rand des Spielbretts durch eine Aufreihung von 12 Ereigniskarten dargestellt werden. Zu Beginn jeder Runde wandert unser Ereignismarker eine Stelle weiter und das sich dort befindliche Ereignis ist für die kommende Runde aktiv. Ereigniskarten teilen sich immer in zwei Hälfte, zum einen verändert sich meistens eine Währung im Wert, wobei sie immer zwischen 1 und 3 liegen wird. Und zum anderen gibt es dann Ereignisse, die entweder zu Rundenbeginn, während der laufenden Runde oder am Rundenende aktiviert werden. Beispiele gebe ich euch später. 
Jeder Spieler erhält sein eigenes Spielertableau, welches per Zufall ausgeteilt wird und bestückt diese mit Spielsteinen in seiner gewählten Farbe. Die Spielertableaus geben vor in welcher Stadt wir unser Start-Kontor haben. Es gibt hier Husum und Schleswig auf der dänischen Seite, Heide und Plön auf der deutschen Seite. Jede Stadt liefert eine andere Ware, mit der wir zu Beginn handeln können, auch die Bau- und Upgradevoraussetzungen unterscheiden sich jeweils leicht. Auf dem Spielertableau halten wir fest, welche Waren wir im Lager haben (zu Beginn max. 5), welche Ausbauten wir schon erfolgreich durchgeführt haben und wieviel Geld wir zur Verfügung haben. Zu guter Letzt finden wir dort auch noch die Bewegungspunkte, die wir zum Reisen verwenden können. Zu allem kommen wir noch im Detail. 


Zu Spielbeginn legen wir auch noch zwei zufällig gewählte Wertungskarten, die uns anzeigen, wofür es zum Spielende Sonderpunkte (bzw. Geld) gibt. Die restlichen Karten kommen aus dem Spiel. Dann mischen wir noch die Bonuskarten, legen zwei offen aus und die restlichen kommen daneben als Nachzugstapel. Bonuskarten kann ich im Laufe des Spiels erwerben, die mir beim Ausspielen gewisse Vorteile bringen, aber auch darauf kommen wir noch zu sprechen. 

Eine Runde spielt sich in vier Phasen. Wir beginnen mit der Ereignisphase, bei der die erwähnte Ereigniskarte der jeweiligen Runde geprüft wird und jeweilige Anpassungen durchgeführt werden. Zum einen Kurs-Änderungen bei Krone und Taler, zum anderen andere Effekte. So können Städte gesperrt werden, weil dort die Pest ausgebrochen ist oder manche Waren werden zum Rundenende wertvoller und bringen Extra-Einkommen. Wir decken dann auch immer die nächste Ereigniskarte auf und können somit einplanen, was in der folgenden Runde auf uns zukommt. 


Weiter geht es mit der Einkommensphase. Hier setzen wir zunächst die Bewegungspunkte wieder auf den Startwert. Zu Beginn des Spiels 3. Um von einer Stadt zur nächsten reisen zu können, muss ich die aufgedruckten Bewegegungspunkte abgeben, dies sind immer 1 oder 2 zwischen zwei Städten. Durch Aufrüstungen unseres Ochsenkarrens können wir den Startwerte auf 5 und dann auf 7 erhöhen. Durch diese Aufrüstungen erhöht sich auch meine Waren-Kapazität, die zu Beginn bei 5 liegt, auf 7 und dann auf 9. Dann erhalte ich in der Phase auch noch jeweils die Waren von den Städten, in dem ich ein Kontor stehen habe. Es gibt Fisch, Getreide, Lehm, Stein und Holz. Obwohl es Einkommen heißt, gibt es aber KEIN Geld!! 
Es geht weiter mit der Aktionsphase und somit der Hauptphase des Spiels und folgende Aktionen stehen mir zur Verfügung:

- Kaufen: Ich kann natürlich die Waren kaufen, die auf dem Ortsfeld dargestellt sind. Der Preis für die Ware hängt vom Kurs der Währung ab. Bin ich also z.B. in Schleswig (Dänemark) und der Kurs der Krone liegt bei 3, kostet mich ein Lehm 3 Kronen! Wäre ich aber in Itzehoe (Deutschland) und der Kurs vom Taler ist 1, dann würde mich das Lehm nur 1 Taler kosten. In Kolding (Dänemark) kann ich zum jeweiligen Kurs-Preis eine Bonuskarte kaufen und in Hamburg, Lübeck und Kopenhagen stehen mir mehrere Waren zur Auswahl. Übrigens, wenn ich ein Kontor in Kolding baue, bekomme ich in der Einkommensphase immer ein Bonuskarte, statt einer Ware! In Rendsburg und Tönning, den damaligen Städten direkt an der Grenze kann man mit beiden Währungen zahlen. Gibt man hier eine Münze ab und eine Ware, kann man sich eine Bonuskarte nehmen. Ein Kontor bauen geht dort aber nicht. 


- Verladen: Wenn wir uns in einem Ort befinden, in welchem wir auch ein Kontor stehen haben, können wir nun Ware aus dem Warenlager auf die Kontorkarte legen. Nur Ware die auf Kontorkarten liegt, steht uns zum Verkaufen zur Verfügung. Waren im Lager werden verwendet um zu bauen oder aufzurüsten. Zu Beginn des Spiels hat jedes Kontor nur Platz für eine Ware. Gelingt es mir allerdings an meinem Ochsenkarren auf Speichenräder umzurüsten, kann ich fortan auch zwei Waren in die Kontore legen. 

- Veredeln: um Ware zu veredeln muss ich zuvor irgendwo eine Mühle gebaut haben, wobei die Städte vorgeben, ob es dort möglich ist, eine Mühle zu bauen oder nicht. Habe ich eine Mühle, kann ich, egal wo ich stehe, meine Waren veredeln. Heißt, durch Abgaben von je einem Getreide und Fisch erhalte ich ein Nahrungsplättchen. Und wenn ich zwei von drei verschiedenen Waren (Holz, Lehm oder Stein) abgebe, bekomme ich ein Werkzeugplättchen. Diese edlen Waren kann ich zum einen nutzen um bestimmte Gebäude zu bauen oder Upgrades auszuführen und zum anderen kann ich sie, wie die anderen Waren verkaufen. Zum Verkaufspreis kommt dann noch ein Bonus hinzu, der sich auf der Rückseite der jeweiligen Plättchen befinden, wie z.b. sechs zusätzliche Münzen oder zwei Bonuskarten. 

- Verkaufen: Als guter Händler will ich natürlich nicht nur kaufen sondern auch verkaufen. Wie schon erwähnt kann ich nur Ware verkaufen, die in meinen Kontoren liegt. Das Geld, welches ich einnehme berechnet sich dann wie folgt: der aktuelle Kurs (der Stadt/Land wo ich verkaufe) PLUS die Entfernung vom Kontor aus dem die Ware kommt. Hier werden die Strecken selbst gezählt und nicht die Bewegungspunkte. Liegen also z.B. drei Strecken dazwischen und der Kurs liegt bei 2, erhalte ich am Ende 5 Münzen in der jeweiligen Währung je Ware. Man sollte also versuchen, so weite Strecken wie möglich zurückzulegen und hoffen, dass der Kurs steigt, zumindest wenn man verkaufen möchte. Wichtig zu beachten ist, dass ich eine Münze abgeben muss, wenn ich in einer Stadt verkaufe, in dem ein Kontor eines Mitspielers steht, dieser erhält dann die Münze.


- Gebäude bauen: durch Abgabe von Ware, kann ich in den Städten, in denen ich mich befinde Gebäude bauen. Natürlich muss dafür noch ein Bauplatz frei sein bzw. dort vorgesehen sein. Nebst Kontor und Mühle, auf die ich ja schon eingegangen bin, gibt es noch die Möglichkeit ein Schiff zu bauen. Dies geht nur in Hamburg, Kiel, Ribe und Kopenhagen. Habe ich ein Schiff, kann ich für 3 Bewegungspunkte mich frei zwischen diesen vier genannten Städten bewegen. Das tolle: beim Verkauf zählen dann trotzdem die Ochsenkarren-Strecken bei der Ermittlung des Preises. 

- Ausbauen / Aktivieren: unterscheidet sich vom Prinzip nicht vom Gebäude bauen. Auch hier geben wir Waren ab und werten unseren Karren auf. Sei es mit Speichenrad oder mehr Bewegungspunkte sowie Lagerkapazität. 

Dann kommt die letzte Phase und zwar das Rundenende. Hier werden aber nur Ereignisse ausgeführt, die für das Rundenende bestimmt sind, wie z.B. extra Geld für Ware die in Kontoren oder im Warenlager liegen.

Es gibt auch Aktionen, die quasi nicht als Aktionen gewertet werden, das heißt, ich kann sie immer durchführen und dennoch einen der o.g. Aktionen durchführen, bevor der nächste Spieler dran ist. So ist z.B. das Reisen selbst keine Aktion. Und dann gibt es gerade zu Beginn noch eine Sache, die hilft und zwar kann ich einen Kredit aufnehmen. Insgesamt dreimal im Spiel und das bedeutet nichts anderes als das ich mir eine Ware nehmen kann und dafür ein kleines Würfelchen in meiner Farbe in den Kreditbereich des Bretts lege. Am Spielende muss ich dann in der Lage sein können, die genommene Ware wieder zurückzugeben, kann ich das nicht, zahle ich 10 Münzen Strafe. 


Auch das Ausspielen der Bonuskarten kostet keine Aktion. Die Bonuskarten haben immer zwei Optionen, aus denen ich eine wählen darf, z.B. extra Bewegungspunkte oder mehr Geld, wenn man in bestimmten Orten ist. Zu beachten ist auch, dass man nie mehr als zwei Bonuskarten besitzen darf, heißt horten bringt nichts!
So geht es, wie erwähnt, dann 12 Runden lang und der Spieler mit den meisten Münzen am Spielende gewinnt das Spiel. Vorher prüft man noch die Wertungskarten und verteilt dementsprechend Münzen. 

Das Spiel macht vieles richtig. Das Material ist absolut hochwertig und lässt keine Wünsche offen, die grafische Darstellung weiß ebenfalls zu gefallen und passt sehr gut zum Thema. Spielerisch ist es sicherlich kein Spiel, welches man mal eben weg spielt. An vielen Stellen muss man sich gut überlegen, welchen Schritt man als nächstes unternimmt, denn es herrscht vor allem eins: Mangel! Mangel an allem! Und genau das ist für mich auch ein kleiner Kritikpunkt, denn durch den Mangel an Rohstoffen, Wegpunkten und somit an Möglichkeiten, kommt das Spiel nur etwas behebe in Fahrt. 

Diese Behebigkeit zu Beginn vermag viele und mich zum Teil auch, ein wenig abschrecken, aber lasst euch gesagt sein, dass ihr dran bleiben solltet, denn ab Mitte des Spiels nimmt es dann noch Fahrt auf und entwickelt sich zu einem spannenden Handelsspiel. Der Kniff mit dem Währungen gefällt mir gut, auch dass dies durch die Ereigniskarten je Runde abgehandelt wird. Dies bringt Abwechslung in jede Partie, hätte meines Erachtens aber noch mehr sein können, denn je Runde gibt es nur 2-3 Möglichkeiten, aber das reicht auch für einige Spielrunden. 

Der Preis mit über 50€ ist natürlich recht happig, aber auch nachvollziehbar in Anbetracht des Materials und der wahrscheinlich geringeren Auflage, dafür bekommt man aber ein tolles Spiel in dem viel Herzblut steckt. Fans von Spielen mit kaum Glückselementen, sollten hier auf jeden Fall einen Blick riskieren, denn die richtige Strategie ist gefragt, wie man mit den Mängeln richtig umgeht. Spieler mit Erfahrung sind hier etwas im Vorteil, können sie sich über die vorherigen Partie eine Vorgehensweise erarbeiten, das könnte in manchen Fällen den Wiederspielreiz drücken. Ich vermute auch, dass man nach 2-3 Partien eine dauerhafte Strategie erarbeiten kann. Die Frage stellt sich nämlich nur, ob man erst auf Ware geht, um die Wegpunkte zu vergrößern oder mehr Kontore zu bauen etc. und wenn da jemand einen funktionierenden Weg gefunden hat, wird er davon wenig abrücken, denn gefühlt haben die Ereigniskarten dann doch nicht so viel Einfluss auf die Strategie. 

Vejen ist für Taktik-Fans ein tolles Spiel und bietet viele Möglichkeiten und bringt somit einige Stunden Spielspaß mit sich, wenn man sich darauf einlässt. Eine Partie kann schnell 2-3 Stunden dauern, je nach Spieleranzahl und Grübel-Faktor. Kann man mit Behebigkeit, Mangel-Management (gerade zu Beginn) und nur sehr wenigen Glücksfaktoren nichts anfangen, sollte man wohl auch einen Bogen um Vejen machen. Vejen will eine bestimmte Spieler-Gruppe ansprechen und das gelingt hervorragend, also liebe Taktiker, gebt Vejen eine Chance!

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Venen von Thomas Nielsen und Kai Starck
Erschienen bei Spielefaible
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 80 Minuten
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Spielefaible)