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06.08.2019

Champions of Midgard


Schau an, ein Worker-Placement-Spiel mit Wikingerthema! Ja ist denn schon wieder ein Fest für Odin? Nicht wirklich! Denn einerseits ist Champions of Midgard auf Englisch noch vor dem Rosenbergschen Strategie-Monster erschienen, nämlich schon 2015, andererseits sind diese Wikinger keine historischen Wikinger, sondern waschechte Fantasywikinger. Solche, die „Gylfir, der Berserker“ oder „Svanhildr, die Schwertjungfer“ heißen und mit gigantischen Äxten Lindwürmer und Trolle von der Last ihrer hässlichen Köpfe befreien. Dementsprechend ist Champions of Midgard auch mechanisch ein leichtherzigeres Spiel. Wir setzen nicht nur mit Bedacht unsere Arbeiter auf Felder, um Ressourcen zu erhalten und zu tauschen, wir werfen auch Hände voll großer, bunter Würfel drohenden Monsterhorden entgegen und brüllen dabei „HO HO!“, „RRRARGH!“ oder „Bei Odin, bitte töte mich nicht, diesmal bitte nicht!“. – Aber kann diese Mischung funktionieren?


Sie kann! Ich möchte kein großes Mysterium um die Qualität dieses Spiels spinnen. Das englischsprachige Original erfreut sich seit vielen Jahren einer großen Beliebtheit als einsteigerfreundliches und wunderbar thematisches Worker-Placement-Spiel. Nach all der Zeit konnte es nach einer Crowdfunding-Kampagne der Spieleschmiede nun über Corax Games auf Deutsch verlegt werden. Und das ist prima gelungen! An der Produktionsqualität des Spielmaterials gibt es nichts zu bemängeln und alle Texte (v.a. die Anleitung) sind gut übersetzt worden.

Selbst wenn ich einfach mal voraussetze, dass Champions of Midgard ein gutes Spiel ist, lässt das allerdings die entscheidende Frage offen: Warum und für wen ist es ein gutes Spiel? Dieser Frage möchte ich darum für den Rest dieses Reviews nachgehen.


Schauen wir uns zunächst den thematischen Aufhänger des Ganzen näher an: Die Spieler sind ehrgeizige Bewohner einer Wikingersiedlung, deren Jarl leider kürzlich das Zeitliche gesegnet hat. Nun bedrohen Trolle und Draugr das friedliche Leben in der Siedlung, außerdem warten schreckliche Monster jenseits des Meeres darauf, bekämpft zu werden. Ziel ist es, am Ende des Spieles als ruhmreichster Wikinger neuer Jarl zu werden. In nüchternen Worten heißt das: Am Ende einer bestimmten Rundenzahl die meisten Siegpunkte zu haben.

Zu Beginn des Spiels verfügt jeder über drei Arbeiter. Beginnend beim Startspieler wird dann reihum jeweils ein Arbeiter auf den unterschiedlichen Aktionsfeldern eingesetzt. An den meisten Orten ist nur Platz für einen Arbeiter und die gebotenen Boni und Funktionen wirken vertraut: Man kann die Ressourcen Holz und Nahrung oder Krieger in Form von Würfeln bekommen, man kann Karten mit situationsbedingt mächtigen Einmaleffekten oder zusätzlichen Endwertungsmöglichkeiten erhalten, man kann für die nächste Runde das Startspielerplättchen erlangen, man kann seine Ressourcen in nützliche Vorteile investieren – z. B. einen vierten Arbeiter oder ein privates Boot als Aktionsfeld, das nur man selbst verwenden darf. Einige der Felder akkumulieren Ressourcen über die Runden, wenn niemand dort einsetzt, die Söldner- und Händlerstände variieren von Spiel zu Spiel, das Handelsschiffe bietet jede Runde eine andere Aktion an. Der Setzmechanismus lässt sich mit drei Worten zusammenfassen: Elegant, aber konventionell.


Unkonventioneller sind die Felder außerhalb der Siedlung und die Langschiffe. Wenn wir dort Arbeiter platzieren, bedeutet das, dass wir uns einen bestimmten Platz zum Kämpfen reservieren. Wer beim Troll einsetzt, wird am Ende der Einsetzphase, wenn alle Arbeiter platziert worden sind, gegen den Troll kämpfen. Kämpfen funktioniert immer gleich: Zunächst wird ausgewählt, welche seiner Kriegerwürfel man verwenden möchte. Diese werden gewürfelt und die Anzahl der Treffersymbole wird dem Gegner als Schaden hinzugefügt. Danach schlägt dieser zurück, sogar wenn er vernichtet wurde, und man verliert Würfel in Höhe des gegnerischen Angriffswertes – außer man kann einen betreffenden Würfel durch ein gewürfeltes Schildsymbol schützen. Hat man den Gegner nicht beim ersten Wurf bezwungen, behält er den bisher ausgeteilten Schaden und man darf es weiter probieren, bis er Geschichte ist… oder man keine Würfel mehr hat. 


Alle besiegten Gegner bringen Siegpunkte. Trolle zu bekämpfen ist zudem, da sie die Siedlung direkt bedrohen, am wichtigsten für die Ehre: Wenn in einer Runde niemand den Troll besiegt, erhalten alle Spieler ein Siegpunktmalus in Form eines Schande-Plättchens! Wer den Troll besiegt, darf hingegen eigene Schande loswerden und einen anderen Spieler aussuchen, der Schande erhält. Das ist interessant, denn die Auswirkungen der Schande werden umso fataler, je mehr man angesammelt hat. Die Draugr, die auch noch in Nähe der Siedlung hausen, bringen vor allem Geld (das wirklich knapp ist) und einen Set-Collection-Aspekt: Es gibt sie, genauso wie die Monster in Übersee, in drei Farben. Für jedes Set aus drei unterschiedlichen Farben erhält man in der Endwertung extra Siegpunkte.

Setzt man schließlich auf die Langschiffe ein, macht man sich auf den gefährlichen Weg zu besagten Monstern. Diese bringen die meisten Siegpunkte, allerdings braucht man für die Überfahrt Nahrung und ein wenig Glück: Bevor man überhaupt würfeln darf, wird eine Ereigniskarte aufgedeckt. Die Möglichkeiten reichen von „Alles ruhig“ über einen Sturm (verliere Nahrung oder Krieger) bis zu einem Krake, den man als zusätzliches Monster bekämpfen muss! Die Monster selbst haben natürlich auch die höchsten Verteidigungs- und Angriffswerte, und sind manchmal immun gegen bestimmte Würfeltypen.


Derer gibt es übrigens drei: Schwertkämpfer, Speerträger und Axtkämpfer. Diese haben alle eine geringfügig unterschiedliche Symbolverteilung und Trefferchance. Mit einem Schwertkämpfer z. B. würfelt man nur in 50% der Fälle überhaupt ein Symbol! Aber keine Sorge: Mit etwas Planung kann man das Risiko der Kämpfe meistens gut kontrollieren. Für schwere Kämpfe lohnt sich etwa die Anschaffung von Gunstplättchen, die Wurfwiederholungen erlauben. 

Am schwersten wiegt das Risiko, zumindest psychologisch, in den ersten Runden: Wenn die eigenen Ressourcen und Krieger besonders knapp sind, und man gottverdammt noch mal diesen einen Draugr besiegen muss, um endlich wieder an Geld zu kommen. Im späteren Spiel fühlt man sich sehr sicher, und die Frage: „Bei welchem Kampf ist das Risiko tragbar?“ weicht der Frage: „Wo mache ich am meisten Punkte?“. Ich würde trotzdem nicht sagen, dass Champions of Midgard zu Spielbeginn dazu neigt, unfaire Situationen zu erzeugen. Die meisten Fälle, in denen sich jemand das restliche Spiel über geärgert hat, weil er durch misslungene Würfe zu Beginn des Spiels zu viel Tempo verloren hat, waren Fälle, in denen ich mir dachte: Das war ja auch wirklich gewagt von dir! Aber natürlich kommt es vor, dass jemanden das Schicksal beutelt – und auch, dass jemand unverschämt gut wegkommt. 


Das sollte aber niemanden ernsthaft überraschen. Menschen, die gerne so wenig Glück wie möglich in ihren Spielen haben, greifen besser zu anderen Worker-Placement-Spielen. Wer aber die Spannung eines riskanten Würfelwurfs zu schätzen weiß und trotzdem nicht auf die planerischen Freuden eines eleganten Worker-Placement-Mechanismus verzichten möchte, der findet hier einen interessanten Mix. Besonders geeignet ist Champions of Midgard als Einstiegsspiel in das Worker-Placement-Genre. Der Setzmechanismus mit seinen Optionen ist so klar und intuitiv wie etwa Stone Age, das Spielgeschehen allerdings ist verglichen mit den Klassikern peppiger und das Thema düsterer und verspielter. Für ein ideales Einstiegsspiel spricht auch die Spieldauer. 60 bis 90 Minuten sind realistisch und für Einsteiger oder Gelegenheitsspieler wesentlich erträglicher als die zwei bis vier Stunden, die man an manchen Schwergewichten sitzen kann.


Man sollte außerdem bedenken, dass die beiden auf Englisch erschienenen Erweiterungen The Dark Mountains und Valhalla ebenfalls auf Deutsch erscheinen werden. Valhalla erweitert das Grundspiel bekanntermaßen um einen Mechanismus, der es erlaubt, sich für im Kampf verlorene Krieger Boni zu verschaffen. Dies macht für alle, die sich mehr Strategie und weniger Glück wünschen, einen Hauptkritikpunkt mal eben zu einem Plus.

Also: Wen diese Beschreibung anspricht, sollte sich Champions of Midgard jetzt schon genauer ansehen. Wen die Wörter „Würfel“ und „Risiko“ noch zu nervös machen, schaut nach Erscheinen der Erweiterungen nochmal rein!
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Champions of Midgard von Ole Steiness
Erschienen bei Corax Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 90 Minuten

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Corax Games)