02.08.2019

Victorian Masterminds


CMON hat bereits seit ein paar Jahren eine eigene Sparte an Spielen, die ganz ohne Kickstarterfinanzierung auskommen. Diese Projekte bekommen zwar nicht ganz so viel Aufmerksamkeit, wie ihre Crowdfundingbrüder, aber spielerisch und materialtechnisch brauchten sie sich nicht hinter den restlichen Titeln verstecken (okay optisch bei Ethnos dann doch eher).


Victorian Masterminds stammt auf der Feder von CMON Chefdesigner Eric M. Lang und Fernostexperte Antoine Bauza. Da stellt sich zuerst die Frage, welcher Stil der beiden Designer sich wohl durchsetzen konnte? Ich finde, dass Victorian Masterminds eher ein Bauza-Titel ist, als ein Lang-Spiel. Simple Regeln, schnelles Spiel und Entscheidungen, die zwar nicht banal sind, aber dem Spieler auch nicht unbedingt Kopfzerbrechen bereiten. Victorian Masterminds ginge schon fast als Absacker durch, wenn man eine Gruppe hat, die gerne 45-60 Minuten absackt.


Doch um was geht es bei Victorian Masterminds  Thematisch gesehen befinden wir uns in einer Steampunkwelt, in der Sherlock Holmes gerade von uns gegangen ist und wir nun als Kriminelle par excellence versuchen uns an die Spitze der Kriminellengruppe zu setzen. Dabei bauen wir unser viktorianisches Gefährt aus, terrorisieren die großen Städte der Welt (wo ist Frankfurt?), nehmen Wissenschaftler gefangen und setzen uns mit Ellenbogen gegen unsere Schurkenfreunde durch, die dasselbe versuchen zu tun.

Der tragende Mechanismus in Victorian Masterminds ist eingängig und geht schnell von der Hand. Jeder von uns entsendet nämlich in seinem Zug den obersten Agenten seines Agentenstapels (verdeckt) in eine Stadt seiner Wahl. Dann ist der nächste dran. Damit auch wirklich keinerlei Downtime aufkommt, darf ich mir den nun folgenden Agenten bereits anschauen, wenn die anderen Spieler noch munter setzen. Somit bin ich direkt bereit, wenn der Zug wieder bei mir ankommt.


Sobald ich aber in eine Stadt den nun mittlerweile dritten (gesamt) Agent setze, wachen die Schläferagenten auf und aktivieren sich – und zwar in der Reihenfolge „first come, first served“. Wie Ihr bereits vermuten konntet, hat jeder Spieler genau 5 unterschiedliche Agenten, über die die echte Würze in Victorian Masterminds kommt. Zwar bekomme ich in jeder Stadt – egal welcher Agent dort ist – einen fixen Bonus, aber die zusätzliche Aktion orientiert sich am Agenten selbst. Manche erledigen Aufträge, andere sabotieren den unter sich liegenden Agent und andere wiederum nehmen Gebäude gefangen. Richtig gelesen: Gebäude gefangen. Alles andere wäre vermutlich politisch nicht korrekt.

Gefangene Gebäude bringen nicht nur Boni – Bauteile für die Maschine, Wissenschaftler oder Siegpunkte – sondern alarmieren auch den Secret Service, der es fortan erschwert Gebäude zu fangen. Will ich das weiterhin tun, brauche ich eine stärkere Feuerkraft zum… Fangen, was ich wiederum über den Bau meiner Maschine bekomme bzw. als Boni in einer Stadt.


Im Großen und Ganzen war das auch bereits alles, was Victorian Masterminds zu bieten hat. Macht das Spaß? Oh, ja! Bietet es Langzeitreiz? Für eine gewisse Zeit. Zunächst einmal bietet Victorian Masterminds erstklassige Komponenten. Nicht nur, dass die Gebäude aus 3D-Miniaturen sind (dabei hätte es das nicht mal gebraucht) oder die Wissenschaftler (mit denen ich übrigens Doppelzüge aktivieren kann) kleine Büsten sind, nein, die Agenten sind der Hammer. Das sind nämlich tolle Pokerchips im Steampunk-Zahnrad-Look. Das sieht nicht nur toll aus, sondern fühlt sich auch unfassbar gut an. Es ist äußerst befriedigend während einer Runde Victorian Masterminds mit den vor sich liegenden Agentenchips herum zu klimpern, als ob man einem Pokertisch säße und sie dann gefällig auf eine Stadt fallen zu lassen. KLACK!


Nach ein paar Runden habe ich aber das Gefühl an Victorian Masterminds alles gesehen zu haben. Klar, die Maschinen sind unterschiedlich und man kann unterschiedliche Wege zum Sieg ausprobieren, aber die Möglichkeiten erschöpfen sich schnell. Victorian Masterminds punktet aber eher durch seine äußerst schnelle Spieldauer und die teilweise simplen Entscheidungen. Oft habe ich in Victorian Masterminds das Gefühl, dass ich etwas durchrechnen könnte, bzw. über eine Situation grübeln könnte. Ich entscheide mich dann aber eher für das Bauchgefühl und setze den Chip. KLACK! Das ist auch gut so. Victorian Masterminds will nicht zu anspruchsvoll sein. Es will unterhalten ohne zu überfordern und eignet sich daher perfekt in allen Spielrunden als Absacker oder in Familienrunden sogar als Hauptspiel.


Wer Spiele einer Komplexität wie Majesty oder Splendor mag, wird Victorian Masterminds lieben. Wer beim Verlag CMON einen Strategiebrecher mit verdeckten Aktionschips vermutet, der sollte Kampf um Rokugan oder Forbidden Stars in Erwägung ziehen.
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Victorian MAsterminds von Eric M. Lang und Antoine Bauza
Erschienen bei CMON
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 60 Minuten
Boardgamegeek Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier CMON)