22.12.2019

Ecos: Der Erste Kontinent


Wer Ecos gespielt hat, weiß warum viele ältere Menschen gerne Bingo spielen. Das Mitfiebern beim Ziehen der Zahlen, das Missgünstige Beäugen der Gegenspieler, wenn sie eine Zahl ankreuzen, das Adrenalin, wenn gerade noch eine einzige Zahl fehlt und dann natürlich die unbändige Freude, wenn es heißt: Bingo! Ich habe ein Bingo! Her mit der Salatschleuder von Tupper. Ich bin der Größte! Bingo! Bingo!! 

Wer nun bereits nach dieser Einleitung mein beschriebenes Gefühlschaos nachempfinden kann und wen es nun auch dringend in den Fingern juckt ins nächste Seniorenstift zu fahren, um beim Nachmittagskaffee eine gepflegte Runde Bingo zu spielen, der kann den Mantel und die Keksdose wieder in den Schrank räumen. Ecos: Der Erste Kontinent von AEG bringt genau diese Emotionen auf den heimischen Spieletisch - nur noch besser.


Das Grundprinzip von Ecos habe ich ja nun bereits geschildert. Mit bis zu 6 Spielern bauen wir am namensgebenden Ersten Kontinent, der aus Wasser, Grasland, Wüste, Bäumen, Bergen und massig Tieren besteht. Doch all das will erst einmal gebaut werden. Was bei Ecos bereits zu Anfang auffällt, ist die Schönheit des Materials. Ja, Gras- und Wüstenlandschaften hätten ein wenig Detailverliebtheit nötig gehabt, aber nicht nur die kleinen hölzernen Bäume und Berge lassen das Spielerherz höher springen, sondern auch, dass die individuellen Pappschälchen für die Ressourcen mit einem Deckel ausgestattet wurden, der das lästige Herumpurzeln in der Schachtel verhindert und somit bares Geld für ein teures Inlay eines Drittanbieters spart. 

Ecos wird über individuelle Karten getrieben, die ich mir wahlweise in einer Anfängervariante in einem Deck bereits zusammengestellt aus der Schachtel nehmen kann oder wahlweise (und das empfehle ich spätestens ab der 4ten Partie) zu Beginn einer Runde Ecos draften kann. Auch ein Mix zwischen den Spielern ist (bei unterschiedlichen Erfahrungsleveln) möglich, was von mir ein Sonderlob verdient. Alles, was auf dem Ersten Kontinent passiert, wird über Karten aktiviert. Wie aktiviere ich selbige? Über einen Bingomechanismus. Während ein Spieler (wir nennen ihn in unseren Runden „Gott-Spieler“) aus einem Sack fertige Holzplättchen mit Symbolen zieht, können alle Spieler selbiges Symbol mit einem Klötzchen abdecken. Habe ich bei einer Karte alle Symbole abgedeckt, rufe ich laut Bing… ähm Ecos und handle selbige Karte ab. Das geht so lange, bis ein Spieler 60 oder wahlweise 80 Siegpunkte generiert hat.


Was macht Ecos nun zu so einem guten Spiel? Zuerst wird Ecos zeitgleich gespielt. Alle Spieler schauen gleichzeitig auf ihren ausliegenden Karten nach dem gerade gezogenen Symbol, decken es ab oder drehen ihre Startkarte um 90° weiter, um ggf. neue Karten zu spielen oder Klötzchen zu bekommen. Hierdurch kommt selbst in größeren Runden wenig Downtime auf. So ganz ohne kleinere Pause kommt Ecos dann aber doch nicht aus. Sobald nämlich einer oder gar mehrere Spieler Ecos ausgerufen haben (was ab dem 5ten bis 6ten Zug durchaus regelmäßig vorkommt), heißt es nämlich warten, bis alle Spieler ihre Karten abgehandelt haben. Nicht selten führt das auch zu echten Kettenreaktionen. Ich rufe Ecos  baue eine Graslandschaft, baue einen Baum, bekomme Punkte und erhalte zwei Jokersymbole, die ich dann wieder hier einsetze und wieder ein Ecos habe, dann mache ich… und so weiter. Aus diesem Grund empfinde ich eine Partie Ecos auch am elegantesten mit 3 oder 4 Spielern.


Der wahre Reiz bei Ecos entsteht durch das Finden von Kombinationen in den eigenen Karten und ggf. das spontane Wechseln der eigenen Strategie, wenn die Mitspieler den Kontinent anderweitig umbauen, sodass er nicht mehr zur eigenen Spielweise passt. Baue ich mir beispielsweise eine Strategie mit viel Wasser auf, die Fische produziert und die dann durch Haie gefressen werden, was mir massig Punkte generiert, aber die Mitspieler Wasser oft austrocknen lassen, um ihre Strategie zu verfeinern, muss ich mich spontan anpassen und andere Wege finden. Dieses Finden von mächtigen Kombinationen macht nicht nur in den vorgefertigten Decks enormen Spaß, sondern auch im fortgeschrittenen Drafting. Um nicht völlig dem Glücksfaktor beim Ziehen der Plättchen ausgesetzt zu sein, macht es zum Beispiel durchaus Sinn auch sogenannte „Support-Karten“ ins Deck zu nehmen, welche mit einfachen Mitteln zwar keine Punkte aber mächtige und seltene Symbole generieren, welche wiederum kompliziertere Karten aktivieren.


Emotionstechnisch bietet Ecos aber großes Kino, welches ich bereits in meiner Einleitung habe anklingen lassen. Ich würde sogar soweit gehen, dass Ecos für mich ein heißer Kandidat auf den Spiel des Jahres Preis 2020 ist. Klar ist diese erste deutsche Auflage von AEG nicht ganz frei von Fehlern und die Anleitung liest sich teilweise etwas holprig, aber Ecos überzeugt mit einem altbekannten Prinzip (Bingo) und verpackt es nicht nur optisch, sondern auch spielerisch in ein überzeugendes Gesamtpaket. Die Emotionen, die Bingo hervorruft, locken jedermann an den Tisch, jeder versteht das Prinzip innerhalb weniger Minuten und dennoch ist es eine Herausforderung die möglichen Kombinationen zu finden, der man sich bereits nach einer Erstpartie durchaus gewachsen fühlt und die dennoch jedes mal eine neue Herausforderung (auch für Kennerspieler) bietet.

Ecos: Der Erste Kontinent von AEG. Großes Kino!
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Ecos: Der erste Kontinent von John D. Clair
Erschienen bei AEG
Für 2 bis 6 Spieler in ca. 60 Minuten
Boardgamegeek Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier AEG)