26.02.2020

Villagers


In der Brettspielwelt findet man sie immer wieder – diese Geschichte von kleinen Verlagen, die eine Idee haben, damit auf Kickstarter gehen und vollkommen durchstarten. Ein solches Phänomen habe ich hier mit Villagers vor mir liegen. Bemerkenswert an der Kickstarter-Kampagne von Villagers ist, dass sie sich vollkommen entgegen der üblichen Regeln verhalten hat. Der Normalfall sieht in etwa so aus: Ist das Spiel gut und wurde vorher vielleicht auch ordentlich gehyped, so spielt es in den ersten zwei Tagen Unmengen an Geld in die Kassen und knackt das Finanzierungsziel innerhalb weniger Minuten/Stunden. Dann flacht das alles über den Verlauf der Kampagne wieder ab und in den letzten zwei Tagen gibt es nochmal richtig viel Geld, da viele Menschen ein „Jetzt oder nie!“-Denken besitzen. Nicht so aber bei Villagers  Auch bei ihrer Kampagne ist alles recht gut gestartet, man hatte das Ziel von rund 8000 Pfund am ersten Tag erreicht. Danach kam das typische Abflachen von Unterstützerzahlen und Finanzierungssummen. Etwa zur Hälfte der Kampagne ist dann das Unglaubliche passiert: Mit einem Mal unterstützten so viele Menschen das Spiel, dass der Betrag des Start-Tages ab der Hälfte täglich überboten wurde und in den letzten zwei Tagen vollkommen eskalierte. All das brachte Villagers statt den gewünschten 8000 mehr als 482.000 Pfund ein! Und diverse Verträge mit internationalen Vertriebspartnern, wie dem Kosmos-Verlag hier in Deutschland. Schauen wir nun mal, warum dieses Spiel eine so erfolgreiche Kampagne hatte und was Kosmos aus der Lokalisierung gemacht hat.


Villagers ist ein recht simples Drafting- und Tableaubuilding-Spiel. Thematisch haben es die Entwickler im Mittelalter verortet. Hier herrscht jeder Spieler über ein Dorf und alle Dörfer befinden sich an einer großen Straße, auf welcher Massen von Arbeitskräften durchziehen. Diese warten nur darauf von den Spielern rekrutiert zu werden und einen Arbeitsplatz im schönsten Dorf der Welt – nämlich meinem! – zu erhalten. Das ganze Spiel ist dabei in einer recht einfachen, jedoch schönen Grafik gestaltet. Definitiv ein Herausstellungsmerkmal.

An sich verläuft Villagers dann in Runden zu je zwei Phasen: Einer zum Draften und einer zum Bauen. Dabei schaut man jeweils, wie viele Symbole man besitzt. Grundsätzlich darf man zwei Karten aus der offenen Auslage draften, plus eine pro Schüssel-Symbol, jedoch nie mehr als fünf Karten. Dies geschieht reihum. Im nächsten Schritt dürfen die Karten im Dorf platziert werden, wieder grundsätzlich zwei, plus eine pro Haus-Symbol, jedoch nicht mehr als fünf Stück. Beim Bauen sind wir nun aber in der spannenden Phase von Villagers  Es gilt die Arbeiter geschickt zu Produktionsketten zu vereinen. Dabei muss jedoch die Reihenfolge beachtet werden! So kann der Trüffelsucher beispielsweise nur auf den Schweinehirten gelegt werden. Gleichzeitig besitzen viele Karten ein Schloss-Symbol. Dies bedeutet, dass man Geld zahlen muss, und zwar an die Person, die diese Karte ermöglicht/freischaltet. Hierdurch entstehen wunderbare Spielerinteraktionen und taktische Entscheidungen von Anfang an. Meine persönliche Vermutung für den Erfolg von Villagers sind eben jene Produktionsketten. Diese zu errichten ist unglaublich befriedigend. Und trotzdem ist das alles nicht so hoch komplex, denn die längsten Ketten sind maximal 4-stufig. 


Bevor es zu meinem Fazit geht, müssen wir aber noch über das Material und die Lokalisierung durch Kosmos reden: Uff!
Zunächst: Das Material der Kosmos-Edition ist vollkommen in Ordnung. Auch dass drei Mini-Erweiterungen der Kickstarter-Kampagne implementiert wurden, ist großartig. Nun aber zu Dingen, die ich nicht verstehe: 

1. Die englische Version von Villagers kam in einer super kleinen Kiste, wo alles nur den Platz hatte, den es wirklich brauchte. Es wurde auf unnötige Regalstrapazierung verzichtet – löblich! Und was macht Kosmos? Eine riesige Box für ein paar Karten und Pappmünzen. Das finde ich echt sowas von unnötig!

2. Eigentlich ist Villagers für bis zu 5 Spieler ausgelegt, eine schöne Zahl. Kosmos hat nun aber nur 2-4 auf die Box geschrieben. Macht man die Schachtel jedoch auf und zählt das Material durch, fällt auf, dass genügend Material vorhanden ist, um es auch zu fünft zu spielen. So gibt es 5 Übersichtskarten und 5 Gründungskarten. Warum? Das sind Dinge, die mir absolut schleierhaft bleiben…


Ok, ich habe mich genug aufgeregt, nun zum angenehmen Teil: Villagers – tolles Spiel! Begründen wir das mal noch ein wenig. Es ist einfach und gleichzeitig bietet es einige Kniffe, die man erst nach ein paar Runden heraus bekommt. Das Gefühl des Produktionsketten-Zusammensetzens ist einfach wunderbar. Und wenn man dann auch die Personen im Dorf hat, für die andere Spieler einem Geld zahlen müssen, umso schöner! Eine angenehme Spieldauer ist mit einem angenehmen Anforderungsgrad verbunden. Meiner Meinung nach ist Villagers ein wunderschönes Gate-Way-Game, um andere ans Spielen heranzuführen. Oder aber auch ein gutes Familienspiel. Und natürlich ist es zu zweit oder dritt wesentlich strategischer, als zu fünft. Das ändert aber nichts daran, dass es einfach schön ist. Trotz des Vertriebes von Kosmos.

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Villagers von Haakon Gaarder
Erschienen bei Kosmos
Für 1 bis 5 Spieler in ca. 60 Minuten
Boardgamegeek Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Kosmos)