24.06.2020

Betrayal at House on the Hill


Als ich mit dem Brettspielen begann, gab es für mich drei Spiele am Brettspielhimmel, die auf meiner Must-Have-Liste standen. Diese waren seinerzeit Winter Der Toten, Twilight Struggle und Betrayal at House On The Hill (Betrayal). Während ich mir die ersten beiden Spiele schnellstmöglich besorgte, musste Betrayal leider im Schaufenster verweilen, da ich wusste, dass man in diesem Spiel, im geheimen lange Texte lesen musste und ich dies nicht all meinen Freunden zutraute. Nicht das Lesen an sich traute ich meinen Freunden nicht zu, sondern das Übersetzen aus dem englischen, denn Betrayal gab es die meiste Zeit nur auf englisch. Und heute, knapp 6 Jahre und über 200 Brettspiele später erscheint Betrayal endlich auch auf deutsch, und das ganze 16 Jahre nach seinem Release Termin. Ob sich das lange Warten gelohnt hat?


Betrayel at House On The Hill lässt sich relative schnell in die Ameritrash-Schublade stecken; Laufen, Sammeln, Kämpfen und viele Würfel würfeln. Zwischen drei und sechs Spieler starten das Abenteuer in einem weiten Flur, eines verfluchten Hauses. Jeder Spieler kontrolliert einen Charakter mit individuellen physischen und psychischen Werten, wie Tempo, Stärke, Verstand und Wissen. Diese Werte werden im Laufe des Spiels manipuliert, sodass die Protagonisten stärker bzw. schwächer werden oder sogar sterben, wenn auch nur einer dieser Werte auf 0 sinkt. Zunächst haben jedoch alle ein gemeinsames Ziel, nämlich die Erkundung dieses verfluchten Anwesens und das Ausfindigmachen des grausamen Fluchs der hier lastet. Nach und nach werden dabei neue Räume aufgedeckt, die, je nach dem auf welcher Etage sich die Figuren befinden, an die vorhandenen Plättchen angelegt werden und so nach und nach eine riesige Villa entstehen lassen. Außerdem haben manche Räume besondere Eigenschaften, die euer Würfelglück auf die Probestellen und euch u. U. bestrafen, wenn ihr beispielsweise einen gefährlichen Abhang überqueren oder auf dem Friedhof nicht dem Wahnsinn verfallen dürft. Die meisten Räume aber, tragen ein Symbol, das auf einen der drei Kartenstapel verweist. Entweder ihr bekommt einen Gegenstand, wie z. B. eine Waffe oder eine merkwürdige Schatulle, löst ein Ereignis aus, dass u. U. auch andere Spieler beeinflusst oder ihr zieht eine Omen Karte, die entweder einen Gegenstand oder ein Ereignis darstellt, darüber hinaus aber, den Fluch antreibt. Jedes Mal, wenn eine solche Omenkarte gezogen wurde, muss ein Spieler alle sechs Würfel würfeln, um zu sehen, ob der Fluch ausgelöst wurde. Dabei gilt, ist die Augenanzahl der Würfel kleiner als die Summe aller Omenkarten, geht der Horror los, ansonsten bleibt erstmal alles wie gehabt.


Wird der Fluch ausgelöst, kippt das Spielgeschehen und aus dem kooperativen Spiel, wird eine „einer Gegen alle“ Menschenjagd, wenn man denn bis dahin noch menschlich ist. Nun muss der Verräter, den der Fluch meist zufällig trifft, über die letzte Omenkarte und den Raum, in dem er sich befindet, in dem Verräterhandbuch nachschlagen, welcher Fluch ihn jetzt getroffen hat und wie dieser das Spielgeschehen verändert. Gleichzeitig dürfen alle anderen Spieler im Überlebendenhandbuch nachschlagen, wie sie den besagten Fluch nun besiegen und sicher aus dem Anwesen entkommen können. An diese Stelle möchte ich nicht viel mehr verraten, da die Szenarien alle wirklich sehr vielseitig und abwechslungsreich sind, und ich nichts von den Überraschungen vorwegnehmen möchte, die euch hier erwarten können. Nur so viel sei gesagt, der Verräter bekommt Wissen und Fähigkeiten, die den anderen Spielern verwehrt bleiben und wird so zum mächtigen Bösewicht, der Monsterhorden kontrollieren oder Fallen auslösen kann.


Betrayal at House On The Hill hat sich nach knapp 16 Jahren, als ein absoluter Klassiker beweisen können. Es wird immer noch gespielt und sogar eine Legacyversion gibt es mittlerweile. Wenig verwunderlich also, dass lediglich der Text übersetzt und ansonsten nichts modernisiert oder verbessert wurde. Dabei schaue ich besonders auf die Charakterkarten. Diese Pentagon-förmigen Pappplättchen werden mit kleinen Plastikschiebern versehen um die Statuswerte der Charaktere zu trecken. Diese Plastikschieber sind aber so verdammt eng, dass es unmöglich ist sie zu schieben. Stattdessen muss man sie abnehmen und am entsprechenden Wert wieder anbringen. Das ist nicht nur nervig, sondern zerstört auch langsam aber sicher die Charakterkarten. Meine Recherche hierzu ergab, dass die Trecker irgendwann ausleiern und dann so lose sind, dass sie sich immer wieder von selbst verschieben werden. Das heißt, dass es irgendwann zwischen diesen beiden Extremzuständen, eine Phase geben wird, wo die Trecker so funktionieren wie gedacht…


Nach dieser sehr speziellen Kritik möchte ich aber nun sagen, dass Betrayal ein wirklich einzigartiges und extrem spaßiges Spiel ist. Das Earlygame spielt sich zwar meist gleich, hier geht es darum zu looten und zu leveln, schnell so viele Räume wie möglich aufdecken und so viele nützliche Gegenstände wie möglich sammeln, bevor der Verräter deklariert wird, wird durch die zufallsbasierende Raumgestaltung aber immer wieder neu erfunden. Glänzen tut das Spiel aber natürlich dann, wenn der Verräter deklariert wird. Pech nur, wenn der Verräter derjenige mit dem stärksten Loot und den höchsten Stats ist. Dann haben die anderen meist keine Chance und es gibt nichts, was das Balancing wieder herstellt. Andersherum hat der Verräter keine Chance, wenn er im Early Game Pech hatte. Aber darum geht es hier eigentlich auch nicht, denn wer sich auf Betrayal einlässt, akzeptiert, dass hier fast alles vom Würfelglück abhängt; es ist nun mal Ameritrash durch und durch. Dafür wird man jedoch vom Anfang bis Ende mit einem so starken Thema zugeschüttet, dass tatsächlich eine Horrorfilm-ähnliche Stimmung entsteht. Viele Szenarien sind nämlich direkt von Filmen wie SAW, Dracula oder Zombi inspiriert und strotzen nur so vor Anspielungen. Die Regeln sind sehr schnell erklärt und eine Runde dauert gerade so lang, dass das nicht vorhanden Balancing schnell vergessen ist und man gleich die nächste starten möchte. Außerdem gibt es vorbemalte Miniaturen, die zwar aus Gummi sind, das Thema aber dennoch deutlich aufwerten. Betrayal at House On The Hill ist ein verdienter Klassiker, der bei uns ab jetzt öfter auf den Tisch kommen wird. Trashig und spaßig, genau wie ein guter Horrorfilm a lá The Cabin In The Woods.

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Betrayal at House on the Hill von Bruce Glassco, Rob Daviau, Bill McQuillan, Mike Selinker, Teeuwynn Woodruff
Erschienen bei Avalon Hill Games
Für 3 bis 6 Spieler in ca. 60 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Avalon Hill Games)