15.10.2020

Philosophia: Dare to be Wise


“Bevor der Mensch die Welt bewegen kann, muss er sich selber bewegen.” - Sokrates
“Es ist keine Schande nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen.” - Platon

Große Worte von großen Männern und in genau diese Rollen schlüpfen wir in dem Spiel Philosophia: Dare to be Wise von Cogito ergo Meeple, welches erfolgreich über Kickstarter finanziert wurde. In der Tat handelt es sich dabei um das Erstlingswerk der Eheleute Adams, die alles selbst gemacht haben. Dafür schon mal meinen größten Respekt. Und ob das Spiel für 1-6 Spieler ab 14 Jahren auch wirklich Spaß bringt, das schauen wir uns nun genauer an.

[MATERIAL & ANLEITUNG]

Schon das Cover der Schachtel fällt einem ins Auge, sieht es einfach wunderhübsch aus. In der Schachtel selbst folgt ein Auf und Ab der Gefühle. Die 3D-Miniatur-Büsten der griechischen Philosophen sehen einfach toll aus, die grafische Gestaltung des Spielbretts, der Karten und der Boards ist eher Marke Eigenbau. Es ist zwar irgendwie alles stimmig, aber man merkt dennoch, dass da kein professioneller Designer am Werk war und so geht einem an vielen Stellen der Überblick verloren, da einfach sehr viel los ist. Die Qualität hingegen ist durchgehend gut.

Die Anleitung ist inhaltlich gelungen, hin und wieder gibt es auch noch einen Bezug zur Geschichte, womit erklärt wird, warum es die Aktion gibt. Optisch hingegen ist es wie beim Rest, gefühlt fehlt es hier am Feinschliff, aber stören tut es nicht wirklich.


[ABLAUF]

Wir schlüpfen in die Rolle der großen griechischen Philosophen und versuchen unsere Thesen unter die Leute zu bringen und somit der mächtigste Philosoph des Reiches zu werden. Der Spieler, dem es gelingt insgesamt drei Labyrinth-Token zu sammeln und danach die Sanduhr auf der Zeitleiste aufs letzte Feld zu bringen, der beendet das Spiel. Haben zu diesem Zeitpunkt mehrere Spieler bereits die drei Token gesammelt, müssen diese Spieler sich einer letzten, philosophischen Debatte stellen und den Sieg unter sich ausmachen. 
Aber wie kommen wir nun an diese Labyrinth-Token? Die Wege sind hier sehr vielseitig, denn insgesamt gibt es sieben Möglichkeiten, die wiederum zum Teil mit den verfügbaren Aktionen einher gehen. 

Als Philosophen reisen wir durch das antike Griechenland und so beginnt jeder Zug damit, dass wir uns im Land bewegen und einen neuen freien Ort aufsuchen. Dort liegen, gerade zu Beginn des Spiels, noch farbige Token (fünf Farben für fünf Regionen), die mir, wenn ich möchte, Boni bringen. Entscheide ich mich für den Bonus bleibt das Plättchen liegen und der Bonus kann auch von anderen Spieler genutzt werden. Ich kann aber auch auf den Bonus verzichten und das Plättchen auf mein Tableau legen. Schaffe ich es von einer Farbe ALLE Token zu sammeln, würde ich dafür ein Labyrinth Token erhalten. 


Nach dieser Reise und der ersten Entscheidung, muss ich nun eine Standard-Aktion durchführen. In einer Stadt kann ich zum Beispiel Unterricht geben und erhalte dafür eine Münze. Jeder Philosoph hat drei wichtige Thesen, die er im Laufe des Spiels erst entwickeln muss. Für jede bereits entwickelte These erhöht sich mein Einkommen beim unterrichten um 1. Und habe ich alle drei Thesen entwickelt, winkt mir ein weiterer Labyrinth-Token.

Ich kann in einer Stadt aber auch Schulen bauen. Zum einen müssen die Mitspieler mir Geld geben, wenn sie in einer Stadt mit meiner Schule eine Aktion durchführen, zum anderen erhalte ich halt ein Labyrinth-Token, wenn ich alle vier möglichen Schule gebaut habe. Eine Schule bauen kann ich aber nicht einfach so, sondern dafür benötige ich einen Bauarbeiter.

Dies führt zu einer anderen Aktionsmöglichkeit in einer Stadt und zwar einen Bauarbeiter einstellen, was mich wiederum zwei Münzen kostet. 

Statt einer Schule können wir aber auch kleiner anfangen und einfach eine Anhängerschaft gründen, was durch ein kleines Holzwürfelchen in einer Stadt dargestellt wird. Schaff ich es meine 9 möglichen Anhänger zu platzieren, winkt mir ein weiterer Labyrinth-Token. 


Zwei Möglichkeiten fehlen noch. Ich kann in einer Stadt auch einen Sophisten einstellen, was mich eine Münzen kostet, diesen Sophisten kann ich in einer anderen Aktion dafür benutzen um die Anhängerschaft eines Mitspielers aus der Stadt zu entfernen bzw diese so zu bearbeiten, dass sie auf meine Seite wechseln. Das Würfelchen vom Gegner geht weg und wird durch unseres ersetzt.

So das wäre es eigentlich. Genau, nur eigentlich, denn ganz so einfach komm ich dann doch nicht an die Labyrinth Token. Habe ich eine Vorbedingung erfüllt, muss ich nämlich noch mal reisen und die Aktion “Labyrinth Token einsammeln” durchführen. 

Das waren jetzt aber wirklich alle Standard-Aktionen, die ich in einer Stadt durchführen kann, aber es gibt noch andere Orte auf der Karte. So kann ich auch einen Tempel besuchen und dort an meinen Thesen arbeiten. Als erstes zahle ich 4 Münzen und erhalte dafür ein Studier-Token. In einer weiteren Aktion in einem Tempel, kann ich diesen Studier-Token abgeben und kann dafür eine meiner Thesen zu Ende entwickeln. 


Und was wäre das antike Griechenland ohne ein Orakel? Genau, nichts! Also gibt es auf der Karte auch noch drei verschiedene Orakel, die ich besuchen kann. Jedes Orakel hat seinen eigenen Kartenstapel. Besuche ich ein Orakel, kann ich mir den passenden Stapel nehmen und mir eine Karte aussuchen, die mir eine mächtige Aktion zur Verfügung stellt. Jedes Orakel darf allerdings nur einmal besucht werden. In jedem Orakel-Deck gibt es eine spezielle Karte im Hinblick auf ein Labyrinth-Token. Gelingt es mir alle drei zu sammeln, kann ich mir dann ein Labyrinth Token holen.

Ihr glaubt wir wären nun am Ende?! Haha, weit gefehlt, denn es gibt noch mehr Möglichkeiten und zwar kann ich auch zur Akropolis reisen und dort gibt es vier weitere Aktionen. Zum einen kann ich die Sanduhr auf der Zeitleiste nach vorne setzen, auf das letzte Feld allerdings erst, wenn ich bereits drei Labyrinth-Token besitze.

Dann kann ich in der Akropolis der Göttin Athena ein Opfer bringen, dahinter verbirgt sich ein kleiner Biet-Mechanismus und zwar gibt es einen Stapel mit Athena-Scheiben. Wird die Aktion ausgeführt, dürfen nun alle Spieler verdeckt Münzen bieten, um die Belohnung der oben liegenden Scheibe zu erhalten. Der Spieler mit dem höchsten Gebot erhält die Scheibe und gibt die Münzen, die restlichen Spieler erhalten ihr Gebot zurück. 


Zu guter Letzt kommen wir nun zu einem weiteren wichtigen Bereich, der in der Akropolis durchgeführt wird. Das Debattieren! Zum einen kann ich anderen Debattierern zusehen, daraufhin kann ich mir entweder 1 Syllogism-Karte oder 2 Sophistry-Karten nehmen. Diese Karten benötige ich bei der nun wirklich letzten möglichen Aktion “eine Debatte anregen”. Hier wähle ich einen Mitspieler und fordere ihn zur Debatte heraus. Wenn debattiert wird, kann nun jeder Spieler immer eine Syllogism- oder Sophistry Karte spielen. Dahinter stecken quasi ebenfalls Thesen, wobei zu beachten ist, dass Syllogism Karten immer Sophistry Karten schlagen und innerhalb der Syllogism-Karten versteckt sich ein Schere-Stein-Papier-Prinzip. Jede These hat eine Farbe und schlägt bestimmte andere Farben oder wird durch bestimmte andere Farben geschlagen.

Die Spieler wählen stets eine Karte, legen sie verdeckt aus und dann wird überprüft. Der Sieger erhält beide Karten. Dies kann nun über mehrere Runden gehen und der Spieler mit den meisten Karten am Ende gewinnt die Debatte und erhält dafür ein passendes Plättchen. Mit dem Gewinn einer dritten Debatte, hab ich auch hier die Möglichkeit ein Labyrinth-Token zu ergattern.

Wir haben es fast geschafft, versprochen! Zu Spielbeginn hat jeder Spieler eine Götter-Karte erhalten, die gewissen Dinge vorgibt (z.B. habe 3 Schule, 5 Anhänger, etc). Wenn diese erfüllt ist, kann man sofort 3 Labyrinth-Token erhalten!


Sieger des Spiels wird derjenige mit drei Labyrinth-Token bei Erreichen des Endes der Zeitleiste. Haben dann mehrere Spieler die drei Token, führen diese Spieler eine letzte Debatte und der Sieger davon gewinnt das Spiel.

[FAZIT]

Man merkt an jeder Ecke dieses Spiels, dass es sich hier um eine Herzensangelegenheit handelt. Hier wurde mit viel Liebe und Detail eine Menge Mechanik in ein Thema gesteckt, welches nicht alltäglich ist und schon recht speziell wirkt. Aber irgendwie stört das nicht, ganz im Gegenteil, es macht sogar neugierig, sich ein wenig mit der Thematik auseinanderzusetzen. 

Aber bringt das Spiel nun wirklich Spaß? Ja! Der zum Teil doch recht wilde Mechanik-Mix, kann schon überzeugen, auch wenn es zunächst etwas überladen wirkt. Dennoch entdeckt man recht schnell, wie etwas zusammenhängt und so spielt sich das Spiel ab der Mitte doch recht flüssig runter, wenn jeder Spieler sein Ziel vor Augen hat. Man findet hier eine gelungene Mischung aus Euro-Game und Interaktion. Aber ich sehe auch ein paar Problemchen. Spätestens in der zweiten oder dritten Partie wird man nur noch seinen Stiefel runterspielen. Man wird seinen Fokus auf drei Ziele setzen und kann diese auch recht geradeaus erfüllen. Da gibt es wenig was Mitspieler entgegensetzen können. Und so wird schnell fast ein Rennspiel daraus.


Auch die schöne Idee mit dem debattieren funktioniert nur leider bedingt. Ich verstehe nicht, warum es zwei Arten von Karten gibt, wobei eine die andere IMMER schlägt. So ist schnell ersichtlich welchen Spieler ich zum Rede-Duell herausfordern werde, um mir den sicheren Sieg zu schnappen. Auch bei ausgeglichenem Karten-Verhältnis fühlt sich das ganze sehr zufällig an und wenn ich schon Schere-Stein-Papier mache, sollte man in meinen Augen bei drei Faktoren bleiben, hier hat man sich aber für deutlich mehr Farben entschieden. 

Schlussendlich merkt man dann doch einfach, dass es nur ein 2-Personen-Projekt ist. Aber dafür kann man dieses Spiel liebhaben und genau dafür wurde Kickstarter konzipiert. Mit Philosophia hat man einen kleinen Rohdiamanten, dem es noch an Feinschliff fehlt. Die ersten Partien sind noch spannend und auch lustig, aber je mehr man spielt, desto mehr Kleinigkeiten stoßen einem auf, die ein guter Spiele-Redakteur begradigt hätte. Dennoch müssen wir solchen Projekten mehr Unterstützung bringen, denn nur so kommen die guten Ideen am Mainstream vorbei.


[FÜR WEN IST DAS SPIEL?]

Kinder: 0 von 5 [das ist natürlich bei weitem kein Kinderspiel, sei es von der Mechanik oder vom Thema her]

Familie: 2 von 5 [die Masse an Möglichkeit wird den Familienspieler womöglich erschlagen, Optik und Thema könnte aber den Tisch locken]

Kenner: 4 von 5 [Das ist die Zielgruppe, die hier wirklich gut bedient wird!]

Expert: 2 von 5 [für Experten entwickelt zu schnell eine feste Strategie, so dass es auf Dauer nicht fordernd genug sein wird.]

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Philosophia: Dare to be Wise von Joseph und Madeleine Adams
Erschienen bei Cogito ergo Meeple
Für 1 bis 6 Spieler in ca. 90 Minuten ab 14 Jahren
Boardgamegeek-Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Cogito ergo Meeple)