20.03.2021

The Castles of Tuscany


Die Burgen von Burgund oder auch liebevoll “BuBu” genannt, ist für mich ein Klassiker, der in jede Sammlung gehört und, für mich, den Würfeleinsetzmechanismus zu dem gemacht hat, was er heute ist. Ja, ich gebe zu, nicht der hübscheste Titel, aber hier kommt es auf die inneren Werte an. Nun also der geistige Nachfolger Castles of Tuscany, ebenfalls aus der Feder von Stefan Feld und ebenfalls erschienen bei Alea (Ravensburger). Das Spiel ist für 2-4 Spieler ab 10 Jahren. Aber ohne Würfel!? Dann wollen wir doch mal schauen, ob Castles of Tuscany auch das Zeug zum Klassiker hat.

[MATERIAL, DESIGN & ANLEITUNG]

Aus meiner Sicht bestechen die ALEA-Titel nicht gerade durch ihre hohe Produktqualität. Da macht auch Castles of Tuscany keine Ausnahme. Die Plättchen sind wie bei Burgen von Burgund recht dünn und fühlen sich billig an, auch die Karten sind nicht wirklich herausragend. Einzig allein die Holzbestandteile wissen zu gefallen. 


Das Design ist an Burgen von Burgund angelehnt und wie ich schon in der Einleitung erwähnte, ist dies für mich nicht das hübscheste. Die Gebäude auf den Plättchen sind eher schwer zu erkennen, die Boards auf die man diese Plättchen legt sind einfach nur bunte Sechsecke. Auch die runde Punktetafel in Optik eines Türklopfers macht eher einen biederen Eindruck. Kleiner Lichtblick sind für mich die Karten, die ich hübsch finde, aber ich bin einfach kein Fan von kleinen Karten, so dass von der Illustration auch wieder viel verloren geht, wie schon bei den Plättchen. 

Material und Design machen insgesamt einen billigen und langweiligen Eindruck, wie es auch schon bei Burgen von Burgund der Fall war. Das Spiel muss also bei der Mechanik punkten. Ich verstehe einfach nicht, warum Alea da nicht langsam die Kurve bekommt. Man kann klassische Euro-Games doch mittlerweile ansprechend und funktional designen.

Was Alea aber wirklich kann, das sind Anleitungen. Bestens strukturiert und für Anfänger gut zu lesen. Für erfahrene Spieler, gibt es wie immer die Infos an der Seite, damit man diese kurz auffrischen kann. Ich wünschte andere Verlage würden sich hier eine Scheibe von den Alea-Spielen abschneiden.


[THEMA & MECHANIK]

Hat man sich optisch an Burgen von Burgund orientiert, ist man spielerisch zum Teil einen anderen Weg gegangen. Statt Würfel gibt es nun einen Karten-Mechanismus, der an Zug um Zug erinnert, welcher uns Gebäude in unser Land platzieren lässt. Der Platzierungsmechanismus hingegen ist mehr oder wenig derselbe wie bei Burgen von Burgund. Es gibt farbige Regionen, in die ich passende Gebäude setzen kann und bekomme Punkte, wenn ich komplette Region gefüllt habe oder alle Regionen einer Farbe. Zum Platzieren der Gebäude muss ich zwei passende Karten ablegen können. 

Bin ich an der Reihe habe ich nun also die Wahl aus: Karten nehmen, Gebäudeplättchen nehmen oder platzieren. Wie schon im Burgund muss ich die Plättchen also erstmal in den Besitz nehmen, um diese dann zu verbauen. Nehm ich mir ein Plättchen aus der allgemeinen Auslage, ersetze ich dieses von meinem verdeckten Vorrat, welcher aus drei gleich großen Stapeln besteht. Sobald ein Stapel leer ist, wird eine Zwischenwertung ausgelöst und nach dem dritten Stapel endet das Spiel. Dabei zählt immer der erste Stapel aus der Phase die zu Ende geht.

Das Legen der Gebäude bringt mir gewisse Vorteile, wie z.B. Marmor oder Arbeiter. Mit Marmor kann ich eine zusätzliche Aktion ausführen und mit dem Arbeiter kann ich eine fehlende Karte ersetzen. Man merkt auch hier die Ähnlichkeit zum geistigen Vater des Spiels. 


Ein gewisse Besonderheit ist noch die Punktewertung, denn es bringt einen deutlichen Vorteil, die Punkte so früh wie möglich zu machen. Es gibt zwei runde Punkteleisten: die äußere Leiste erhält meistens die Punkte im Laufe der Runde und bei der Zwischenwertung gehen diese dann auf die innere Leiste über, wird dann, aber nicht zurückgesetzt. Heißt, Punkte aus der ersten Phase erhalte ich dann nochmal bei der zweiten Zwischenwertung und bei der Endwertung. Am Ende zählt der Punktestand der inneren Leiste, denn wer dort die meisten Punkte nach der dritten Wertung hat, gewinnt das Spiel. 

Kurzes Wort zum Thema, welches ich hier mehr als generisch empfinde. Zu keinem Zeitpunkt habe ich das Gefühl eine toskanische Region aufzubauen, auch bei den Burgen von Burgund kam dies nur schwer auf, aber deutlich mehr, als nun bei Castles of Tuscany.  In Burgund gaben einem der Plan und der “Markt” mehr das Gefühl, etwas aufzubauen, als hier mit den generischen Platten und einer Auslage ohne thematische Einbindung. Stefan Feld ist sicherlich bekannt für seinen mechanischen Ansatz, der hier einmal mehr stark durchkommt. Das erfolgreiche Burgen von Burgund als Thema zu nehmen, wenn man so will, ist zwar verständlich, aber eigentlich auch nebensächlich, wenn nicht sogar ein wenig gefährlich, doch dazu mehr jetzt in meinem Fazit.


[FAZIT]

Warum ist es etwas gefährlich, dieses Spiel in eine Reihe mit Burgen von Burgund zu stellen? Nun ja, ich denke das BuBu viele Fans hat und ein Nachfolger in erster Linie etwas fortschrittliches verspricht, spielerisch ist Castles of Tuscany allerdings ein Schritt zurück. Es ist eher eine Einstiegsvariante von einem Spiel, wo ich die Einstiegshürde noch nie hoch empfunden habe und ich mich nun frage, ob es sowas braucht. Die Frage wäre mir aber nicht gekommen, hätte das Spiel ein komplett anderes Setting. 

Denn, und da möchte ich nicht falsch verstanden werden, Castles of Tuscany funktioniert gut und bringt Spaß, gerade durch seine Leichtigkeit und Geradlinigkeit. Es ist wie bei Zug um Zug, jeder versteht sofort was zu tun ist und man ist schnell im Spiel selbst, wobei das Niveau bei Tuscany noch ein wenig höher ist als bei Zug um Zug. Aber die Mischung aus eben Zug um Zug und Burgen von Burgund ist gut gelöst, hier wurden zwei wirklich gut funktionierende Mechaniken verbunden, die gerade Einsteigern behilflich sind. Castles of Tuscany ist ein Spiel, welches den Familienspieler zum Kennerspiel vorsichtig heran führt. 


Was mir persönlich nicht so gut gefällt ist die Art und Weise wie hier Punkte gezählt werden. Die zwei runden Leisten verkomplizieren das ganze ein wenig und fühlen sich nicht intuitiv an. Außerdem erweckt es den Eindruck, dass große Abstände kaum einzuholen sind, auch wenn dies gar nicht der Fall ist. Und man will am Ende einer Wertung alles auf Null setzen, so steckt es, zumindest mir, im Blut. Bei den Burgen von Burgund finde ich das eleganter gelöst, da dort frühes Vervollständigen von Regionen einfach mit mehr Punkten belohnt wurde. 

Castles of Tuscany ist ein schönes Spiel und bringt Spaß, welches leider am Thema und dem aufkommenden Vergleich mit dem großen Bruder leidet. Außerdem möchte ich noch erwähnen dass ich den UVP (lt. Ravensburger) von weit über 40€ als viel zu hoch empfinde. Material und Spielidee geben den Preis auf jeden Fall nicht her. Zum Glück findet man es aktuell aber im Bereich von 30€ was dann schon eher zutreffend ist, wobei ich auch bei dieser Preisklasse mir besseres Material vorstellen kann.


[FÜR WEN IST DAS SPIEL?]

Kinder: 1 von 5 (es ist natürlich kein Kinderspiel, aber die Abläufe sind so eingängig, dass mit ein wenig Hilfe auch Kinder ab 8 Jahren mitspielen können)

Familie: 4 von 5 (es läuft sicherlich offiziell als Kennerspiel, aber für mich stellt es eine Brücke vom Familienspiel zur Kennersparte dar und sollte daher von Familienspielern angesehen werden)

Kenner: 3 von 5 (der voll involvierte Kennerspieler wird hier eher müde lächeln und wohl lieber die Burgen von Burgund auf den Tisch holen. Spieler, die im Kennerbereich erst einsteigen, finden hier das passende)

Experte: 1 von 5 (das Kartenziehen ist eine recht hohe Glückskomponente und es lässt sich nur schwer planen, welches Plättchen als nächstes gelegt werden kann. Das wird den Experten nicht so gefallen)


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The Castles of Tuscany von Stefan Feld
Erschienen bei Ravensburger
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 45 Minuten ab 10 Jahren
Boardgamegeek-Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Ravensburger)