15.04.2021

Die Abenteuer des Robin Hood


Robin Hood ist das Spiel, was Designer Michael Menzel eigentlich nie entwerfen wollte. Zumindest äußerste sich der Andor-Erschaffer damals dahingehend, dass sein Ausflug in die Designer-Welt mit Andor abgeschlossen sei, und er fortan nur noch als Grafiker arbeiten wolle. Pustekuchen. Jetzt ist Robin Hood da, und auch ich muss zugeben, dass ich dem Hype des Titels im Vorfeld der Veröffentlichung komplett erlegen bin. Geschickt hat der Kosmos-Verlag das Geheimnis um das Spiel gehütet, wie Prinz John die Schätze von Nottingham Forest. Gut, dass ich nicht enttäuscht wurde, als ich das Spiel endlich spielen dürfte.


Ich will an dieser Stelle bereits vorweg nehmen, dass Robin Hood für mich ein heißer Kandidat auf den Gewinn eines Pöppels im Jahre 2021 ist. Ob es eher für die rote Kategorie, oder eher die braune Kategorie nominiert wird, vermag ich nicht zu sagen. Ich tippe aber eher auf das Spiel des Jahres. Generell muss ich diese Rezension ein klein wenig anders aufbauen, als ich es sonst tue, da es sich bei Robin Hood um ein storygetriebenes Abenteuerspiel handelt, welches mit einem wunderschön gebundenen Buch daherkommt, über das die gesamten Partien getrieben wird. Da der große Reiz von Robin Hood im Erkunden des Spiels liegt, und diese Rezension spoilerfrei sein soll, gehe ich hier viel eher auf die Mechanismen ein, die Robin Hood einzigartig, innovativ und (meiner Meinung nach) genial sowohl für Familien- als auch für Vielspieler werden lässt.


Robin Hood kommt bereits mit einer großen Versprechung auf der Packung daher: Direkt losspielen. Kein Aufbau notwendig. Und das ist auch wirklich so gemeint. Es gibt Holzteile, die in einem Stoffbeutel daherkommen und einen 6-teiligen Spielplan, den ich zu Beginn einer Partie zusammen-puzzle. Das Säckchen wird einfach ausgeleert und schon gehts im Buch weiter. Dort wird nun stückchenweise der Aufbau des aktuellen Szenarios und einzelne neue Regeln den Spieler näher gebracht. Richtig. Regeln lesen vor einer Partie? Pustekuchen. Die neuen Regeln in Robin Hood werden aber so geschickt und behutsam eingeführt und stets durch spannende Erzählungen und Storyelementen unterbrochen, sodass die Stimmung am Tisch stets mit Spannung geladen ist. Die Story in Robin Hood reißt wirklich mit. Und das zieht sich tatsächlich bis zum Ende der Kampagne, welche nach 7 Partien erreicht ist.


Mechanisch ist Robin Hood auch höchst ansprechend und vor allem innovativ. Der große Spielplan besteht nämlich nur aus einer schick illustrierten Landschaft. Viel Wald, ein Dorf und eine Burg. Darin versenkt sind zahlreiche Plättchen, die man bei Bedarf und entsprechender Anweisung im Buch, herausnehmen, umdrehen oder wenden muss. Bewegen tue ich mich auf dem Spielplan mit meiner Figur anhand einzelner Bewegungsschablonen, welche - je nach Zusammenstellung - symbolisieren, ob ich mich langsam fortbewege oder eben renne. So ein kleiner Hauch von Tabletop liegt in der Luft. Das ganze fühlt sich enorm frei an, ist es aber nicht vollends. Zwar habe ich durchaus die Möglichkeit den ganzen Spielplan zu erkunden (schließlich bin ich ja neugierig, was sich hinter den ganze Plättchen versteckt), aber die Story der einzelnen Szenarien ist doch so eng gestrickt, dass keine Zeit für größere Ausflüge abseits der vorgeplanten Route bleibt.

Doch keine Freiheit? Doch schon irgendwie. Robin Hood besticht nämlich durch diverse Lösungswege, sodass theoretisch einem nochmaligen Durchspielen am Ende der Kampagne, nichts im Wege steht. Einerseits gibt es ab Kapitel 4 zwar völlig unterschiedliche Lösungswege, andererseits gibt es auch innerhalb der einzelnen Szenarien diverse kleine Entscheidungen, die zu einem anderen Ausgang führen, bzw. die Spieler an völlig unterschiedliche Orte führen. So ist es beispielsweise auch so, dass man nach einer kompletten Kampagne nicht alle Plättchen auf dem Spielplan einmal gedreht hat. Potential für diverse Erweiterungen ist ohnehin da.


Materialtechnisch bekommt Robin Hood einen Abzug in der B-Note. Diverse Plättchen auf dem Spielplan muss man ununterbrochen hin- und herwenden. Dadurch ist bereits nach kürzer Zeit entsprechender Abrieb an diesen Plättchen zu verzeichnen. Für mich persönlich keine große Sache. Das Brett ist weiterhin voll funktionsfähig und zeigt mir als Spieler eher an, dass das Spiel oft gespielt und geliebt wurde.

Insgesamt hat mich Robin Hood vollends überzeugt. Dabei sehe ich nicht nur den großen Reiz für Familien mit Kindern, die eine tolle Story erleben wollen, sondern aber auch den Reiz für Vielspieler, für welche die Partien zwar vermutlich etwas zu leicht vom Schwierigkeitsgrad sein dürften (wir haben in unserer Expertenrunde nicht einmal verloren), aber die innovativen Mechanismen und die spannende Story durchaus fesseln werden. Robin Hood ist für mich ein großer Wurf auf allen Ebenen. Uneingeschränkte Kaufempfehlung.
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Die Abenteuer des Robin Hood von Michael Menzel
Erschienen bei Kosmos
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 60 Minuten ab 10 Jahren

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Kosmos)