31.05.2021

Avignon


Avignon gehört in die Sparte der sogenannten Micro-Games, d. h. dass es mit sehr wenig Material und sehr schlanken Regeln maximal runter reduziert wurde und damit ein ganz bestimmtes Publikum ansprechen soll. Doch so faszinierend, wie ich Micro-Games finde, umso schwieriger haben sie es bei mir letztendlich zu punkten. Bekanntester Vertreter dieser Zunft ist wohl Love Letter, was ich durchaus aber als gelungen bezeichnen würde.

In Avignon haben wir nun ein Micro-Game, bei welchem wir versuchen im Wettstreit der Päpste zwischen Avignon und Rom die Oberhand zu erlangen und möglichst viel Einfluss zu erlangen. Das war es bereits auch in Bezug auf Thema, denn Avignon ist ein höchst abstraktes Spiel, bei welchem wir versuchen 3 ausliegende Charakterkarten auf unsere Seite zu ziehen, bevor es der Gegenüber schafft. Klar, es gibt noch Sonderkonditionen, die ein vorzeitiges Ende herbeiführen, aber die bilden eher die Ausnahme - wenngleich sie etwas Würze ins Spiel bringen.


Dass Avignon nicht zum bloßen Hin- und Herschieben der ausliegenden Karten wird, hat jede Karte eine Sonderfunktion - die sogenannte Bittschrift. So kann ich beispielsweise bei der Bittschrift des Kardinals alle Karten der Fraktion Kardinal (es gibt 2) zwei Felder in meine Richtung bewegen, wenngleich ich im Umkehrschluss 2 beliebige Karten in die Richtung des Gegenübers schieben muss. So sind diverse Überraschungseffekte möglich, sodass es stets gilt, die ausliegenden Karten im Blick zu haben und ggf. frühzeitig zu exkommunizieren, d. h. in Avignon gegen eine neue Karte aus der Reserve auszutauschen.

Avignon braucht 1-2 Runden bis man den Dreh raus hat, denn gerade bei den Erstpartien ist es doch ziemlich viel Text auf den Karten, den es zu beachten gilt, dann aber nimmt das Spiel Fahrt auf und entwickelt sich zu einem Tauziehen, was zwischen 5 und 10 Minuten dauert. Folgepartie vorprogrammiert. Klingt gut? Ist es auch beinahe. Avignon leidet aber an der selben Kinderkrankheit wie viele Micro-Games - man hat nach 5 Partien alles gesehen. Mir fehlt der Anreiz ein Avignon auf den Tisch zu bringen, wenn es so viele gute 2-Personen-Spiele auf dem Markt gibt, welche auch durchaus in 20-30 Minuten gespielt werden können. Sei es ein 7 Wonders Duel oder sei es ein (um ein Spiel aus dem selben Haus zu nennen) ein Hochverrat oder ein Watergate. Avignon ist nett, interessant, aber nicht mehr. Warum sollte ich es nochmal hervorholen, wenn ich alles gesehen habe?

Okay, bleibt noch die kleine Packung und die super kurze Spieldauer. Vielleicht dann etwas für die Kneipe bevor das Bier kommt? Fehlanzeige. Avignon nimmt für so ein kleines Spiel auch extrem viel Platz weg. Das passt kaum mal eben sinnvoll auf einen Tisch. Was also ist die Zielgruppe? Avignon leidet an der extremen Reduzierung seiner Mechanismen. Das ist einerseits spannend zu beobachten, was alles in so eine kleine Packung passt, aber es fehlt der Langzeitreiz. Somit kann ich Avignon leider nicht empfehlen.
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Avignon von John du Bois
Erschienen bei Frosted Games
Für 2 Spieler in ca. 10 Minuten ab 8 Jahren

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Frosted Games)