07.05.2021

Room 25 Ultimate


Es gibt Spiele, die haben es geschafft, sich so tief in mein Gedächtnis einzubrennen, dass ich noch Jahre später denke „könnte man mal wieder spielen“ oder „ach guck mal, das Spielgefühl von dem neuen Spiel hier erinnert mich total an…(irgendein Spiel, dass ich schon zehn Jahre nicht mehr gespielt habe)“. Kennt ihr auch, oder? Kennt glaube ich jeder. 

Nach der ersten Runde Room 25 hab ich extrem Lust bekommen, die einschlägigen Gebrauchtmärkte nach dem guten alten Escape: Der Fluch des Tempels abzugrasen. Und zwar gar nicht mal, weil sich die Spiele von der Mechanik her ähneln würden (das tun sie nicht), sondern einfach, weil auch in Room 25 das Spielfeld aus quadratischen Plättchen besteht, die man je nach Spielvariante (von denen es zwei Stück gibt) mal mehr oder weniger Kooperativ erkundet, indem man mit seiner Figur durch die Räume zieht. Anders als bei Escape ist der Spielplan hier aber bereits fertig und die Räume liegen verdeckt in einer quadratischen Form zusammengebaut auf dem Tisch. Der Startraum ist dabei in der Mitte. Ebenfalls anders als bei Escape erfolgt das Laufen und Erkunden, nämlich nicht durch Würfel, sondern durch Aktionsplättchen. 


Und da passierte es, schwupps, der nächste Geistesblitz. Escape war toll, aber Robo Rally fand ich auch schon immer richtig gut. Da musste man seine Figuren vor jeder Runde programmieren und wusste nie, was die anderen machen und anschließend lies man die Programmierung einfach ablaufen, was zu vielen komischen Situationen führte. Also so ähnlich wie bei Colt Express, nur irgendwie mehr in 2D. Und so ähnlich ist es auch hier, nur ohne Karten und ohne die zufällige Auswahl an verfübaren Aktionen und ohne die Komik…hm. Also doch irgendwie anders. Jeder Spieler hat vier (bzw. in der Ultimate-Version 5) mögliche Aktionen, die grundsätzlich immer verfügbar sind. In jeder Runde wählt man eine oder zwei dieser Aktionen aus und legt fest, welche Aktion als erste Aktion oder als zweite Aktion ausgeführt wird. Alle Plättchen bleiben verdeckt, so dass niemand weiß, wer welche Aktionen durchführt. Zwar verbieten die Regeln nicht, darüber zu kommunizieren, aber das kann – je nach Variante – auch nach hinten losgehen. Doch dazu später mehr. Die eigene Figur kann in Räume reinschauen (und den anderen nur die Farbe verraten), in einen angrenzenden Raum wechseln, jemanden in einen anderen Raum schubsen, das Spielbrett lenken oder (nur mit Ultimate) eine Spezialfähigkeit nutzen. Einmal pro Spiel kann man zudem Adrenalin einsetzen und eine zusätzliche dritte Aktion ausführen, die auch eine bereits in dieser Runde genutzte Aktion sein darf. Dann werden zunächst Reihum die ersten Aktionen durchgeführt und anschließend die zweiten Aktionen und dann vielleicht noch die Dritten. 


Die Spielerreihenfolge ändert sich dabei in jeder Runde, indem der Startspieler reihum wechselt. Das ganze wird mit einem schönen Board angezeigt, das auch gleichzeitig als Rundenzähler dient. Je nach Spielvariante und Anzahl der Mitspielenden endet ein Spiel nämlich grundsätzlich nach einer festen Anzahl von Runden. 

Doch Stop! Was war das vorhin? Das Spielbrett lenken? Richtig gelesen. Und damit zum nächsten und vermutlich offensichtlichstem Deja Vu: Das verrückte Labyrinth. Kennt ihr, oder? Die Aktion „Lenken“ erlaubt es nämlich dem jeweiligen Spieler, eine Reihe des Spielbretts um eine Raumlänge zu verschieben. Anders als im Klassiker ist hier aber nie ein Teil zu viel im Spiel, dass weitergegeben wird. Der durch die Aktion herausgeschobene Raum wird immer in der gegenüber entstandenen Lücke wieder eingesetzt. Stand ein Spieler in dem herausgeschobenen Raum, so steht er auch jetzt in dem gleichen Raum, der nun halt woanders ist. 


Gleichzeitig ist dies aber auch notwendig, um das Spielziel zu erreichen. Denn die Kandidaten müssen es schaffen, den Chiffrierraum zu finden und diesen betreten und sich anschließend im namensgebenden Room 25 treffen. Diesen müssen sie noch aus dem Spielfeld herauslenken und erst dann haben sie gewonnen. Doch Vorsicht: Das Spielfeld selbst spielt auch mit: Zu Beginn einer jeden Runde werden zwei Karten gezogen. Auf diesen sind Reihen abgebildet, die geschoben werden müssen(!). Manchmal verliert ein Charakter zudem dauerhaft eine seiner Fähigkeiten und gibt den entsprechenden Chip bis zum Ende des Spiels ab. Man darf sich also nie zu siegessicher sein. 

Denn stibt ein Charakter ist das Spiel sofort verloren. Schaffen es die Kandidaten nicht, in der vorgegebenen Zeit zu entkommen, ist ebenfalls Game Over angesagt. 


Escape, Robo Rally und Das verrückte Labyrinth…klingt nach einer kruden Mischung? Ist es irgendwie auch, aber macht möchtig Spaß. Dabei hilft auch das Setting, denn die Räume sind natürlich nicht einfach irgendwelche leeren, renovierungsbedürftigen Altbauten, sondern mit fiesen Fallen gespickt….und ich habe nicht zufällig von Kandidaten gesprochen. Unsere Spielcharaktere nehmen nämlich an einer dystopischen TV-Gameshow teil und hinter jeder Tür lauert der Tod. Von gefluteten Räumen über Gefägniszellen bis hin zu Todeskammern ist alles dabei, was das Splatter-Herz höher schlagen lässt. Kennt noch jemand den Film Cube? Nein? Dann schaut ihn Euch gerne an, wenn Euch dieses Spiel hier gefällt, denn im Kern könnte es das Spiel zum Film sein. Nur mit anderen Charakteren, denn diese sind mehr oder weniger offensichtlich an bekannte Filmcharakte angelehnt worden, die nicht wirklich alle in Cube mitspielen. 


Soweit also zur kooperativen Variante, die man sogar alleine spielen kann. Das Spiel bringt aber noch etwas Besonderes mit, nämlich einen Verräter (sofern man diese Variante spielen möchte, wobei sie die eigentlich „richtige“ Variante ist) bzw. je nach Spieleranzahl sogar zwei. Die Rollen werden dabei zufällig vergeben, niemand weiß also wer die Verräter sind (nichtmal sie selbst kennen den anderen). Die Verräter gewinnen hier natürlich dann, wenn der Gruppe die Flucht nicht gelingt und das Spiel endet nicht mit dem Tod einer Figur (deren Spieler ab da allerdings zum Zuschauen verdammt ist). Dabei können sich die Verräter auch die Spielmechanik des Reinschauens in Räume zu nutze machen: Schaut man sich (egal in welchem Modus) nämlich einen Raum an, darf man nicht darüber sprechen, was man dort findet sondern nur Hinweise auf die Farbe des Raums geben. Es gibt grün (sicher), gelb (unsicher), rot (gefährlich) und blau (Chiffrierraum und Exit). 


Hat man also als Verräter ein gutes Gedächtnis, schaut man mal in einen Raum, lenkt ihn ein wenig durch die Gegend bis niemand mehr weiß, dass man dort war und schubst dann Unterstützung vorgaukelnd einen anderen Charakter dort hinein („ups, ich dachte, dass wäre der Raum von vorhin“ oder vielleicht ein wenig subtiler. Und schwupp wird der Cube zu The Running Man. Wie man hieran aber bereits sieht, steht und fällt dieser Spielmodus mit dem schauspielerischen Talent der Spielgruppe. 

Die fiesen Fallen schnappen dabei nicht immer sofort zu. Manchmal hat ein Charakter Zeit bis zum Ende seiner nächsten Aktion oder seines nächsten Zuges, um dem Tod noch zu entgehen. Zwei der Räume führen aber zum Sudden Death, was grade in der kooperativen Variante für ordentlich Bluthochdruck sorgen kann. 

Und warum nun Ultimate? Weil das Spiel direkt mit einer umfassenden Erweiterung versorgt wurde: Möchte man diese Fassung spielen, bekommt jeder Charakter eine eigene Spezialfähigkeit, es gibt mehr Räume mit neuen Fallen aber auch Funktionen, es kommen Roboter ins Spiel, die einerseits die Kandidaten schubsen, die aber auch in Räume gelenkt werden (z.B. um diese aufzudecken ohne selbst Opfer einer Falle zu werden) und es kommen neue Irrsinns-Karten in das o.g. Deck des Spiels hinzu, die das Spiel einen ordentlichen Ruck schwerer machen können. Alles davon in beiden Spielvarianten nutzbar. 


Zu guter Letzt noch ein Wort zu den Komponenten: vorbildlich. Alles ist qualitativ hochwertig gearbeitet und die Pappräume dürften sehr viele Spieldurchgänge voller Schiebereien überstehen. Dazu kommt, dass die Packung mit einem tollen Inlay ausgestattet wurde, in dem alles seinen rechten Platz hat und sogar Platz für eine weitere Erweiterung vorhanden ist. Besser geht nicht! Also alles super? Spielerisch in jedem Fall. Die beiden Spielmodi haben jeder für sich eine volle Daseinsberechtigung und bringen auch – insbesondere für die Verräter, aber auch für die gesamte Gruppe – ein jeweils eigenes Spielgefühl mit sich. Tendenziell eignet sich der Verräter-Modus aber vor allem für die größeren Spielgruppen, während die kooperative Variante bereits zu zweit richtig Laune macht. Wer nach dem Körnchen Sand im Getriebe sucht, auch dies lässt sich hier finden: Die Anleitung ist leider relativ kompliziert und verschachtelt geschrieben, obwohl die Regeln im Kern wirklich simpel sind. Das kann Wenigspieler vielleicht anfangs etwas verwirren. 

Steigt man hier aber erstmal durch, kann Room 25 aber in so ziemlich jeder Spielergruppe für eine gute Stunde sehr gute Unterhaltung bieten.
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Room 25 Ultimate von Francois Rouze
Erschienen bei BoardgameBox
Für 1 bis 8 Spieler in ca. 45 Minuten ab 10 Jahren

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier BoardgameBox)