19.09.2022

Terracotta Army


Die SPIEL in Essen rückt in großen Schritten näher und schon jetzt befinden wir uns in der glücklichen Lage, einige Neuheiten testen zu dürfen. So auch Terracotta Army, eines der großen Neuheiten bei Board & Dice, dessen Version hier auch getestet wurde. Es wird eine deutsche Fassung bei GiantRoc aus der Spieleschmiede geben, wobei das Spiel selbst sprachneutral daher kommt. Einer der Autoren ist kein Unbekannter mit Adam Kwapinski, der dieses Spiel zusammen mit Przemyslaw Fornal designt hat. Das Spiel ist für 2-4 Spieler, wobei es bei Boardgamegeek eine Solo-Anleitung gibt, eine Partie dauert im Schnitt 90-120 Minuten und ist ab 14 Jahren.


[THEMA & MECHANIK]

Adam Kwapinski ist für mich der Mann, wenn es darum geht, ein Thema gut in Szene zu setzen und so auch hier. Der chinesische Kaiser ist gestorben und nun heißt es, sein Mausoleum entsprechend vorzubereiten und mit der weltbekannten Terrakotta-Armee auszustatten. Wir übernehmen jeder die Rolle eines solchen Handwerk-Künstlers und werden im Laufe des Spiels einige dieser Figuren herstellen. Aber nicht kooperativ, nein, wir möchten uns selbstverständlich profilieren und die Vorgaben des Kaisers am besten umsetzen.

Mechanisch wird das ganze über ein Worker-Placement geregelt, so kann ich in meinem Zug einen Arbeiter auf ein Rondell stellen, welches in verschiedene Spalten aufgeteilt ist und aus drei Ebenen besteht. Genauer gesagt haben wir zwei Scheiben, die übereinander liegen und mit dem Spielbrett zusammen jeweils 3 Aktionen pro Spalte bieten. Zu Beginn jeder Runde werden die Scheiben jeweils in unterschiedlicher Richtung eine Position weiter gedreht, so dass sich immer neue Aktions-Kombinationen ergeben. Die Aktionen selbst werden dann von innen nach außen abgehandelt, kann ich mal eine hiervon nicht umsetzen, kann ich mir alternativ Lehm oder eine Münze nehmen.


Die Aktionen sind dabei überschaubar, so kann ich mir nassen Lehm und Münzen holen, mehr an Rohstoffen gibt es hier nicht. Dann erlauben mir die Aktionen auch den Bau einer Statue und zwar in unterschiedlichen Versionen, bei denen ich 2 bis 4 Lehm abgeben muss. Von den Statuen gibt es vier verschiedene Kriegerarten und beim Bau nehme ich die unterste Figur aus einem Inlay in welchem die Figuren enthalten sind und bekomme die Siegpunkte, die in der gleichen Reihe aufgedruckt sind, aus der ich die Figur nehme. Je mehr eine Kriegerart im Mausoleum vertreten ist, desto geringer wird dieser Siegpunktwert. Die Figur selbst bekommt einen Boden in meiner Spielerfarbe und kann dann völlig frei im Mausoleum gesetzt werden, dabei wird man die vielfältigen Siegpunktmöglichkeiten berücksichtigen. So gibt es zum Ende jeder Runde ein Wertungsplättchen welches einen Bereich oder eine Kriegerart vorgibt, die dann gewertet wird. Bei Wertungen innerhalb Terracotty Army geht es immer darum, die Mehrheit zu haben und somit mehr Punkte zu bekommen als nur “teilnehmende” Mitspieler. In dieser Wertungsphase wird auch geprüft, wo die Aufseher stehen, davon gibt es zwei und zwar steht einer vor einer Spalte und ein anderer vor einer Reihe, die dann ebenfalls geprüft wird und Punkte gibt. Die Positionen dieser Aufseher kann ich im Laufe des Spiels ebenfalls beeinflussen.

Übrigens: zum Bauen benötige ich immer nassen Lehm. Beim Rundenwechsel trocknet nicht verbrauchter Lehm aus und muss mittels einer Aktionen wieder befeuchtet werden. Es gibt auch zwei verschiedene Versionen der Einsatz-Meeple und zwar kann ich hier mittels Aktionen einen kleinen Meeple in einen großen umwandeln. Große Meeple erlauben mir dann den Einsatz auf Aktionsfelder, auf denen bereits ein kleiner Meeple steht. Felder, auf denen nur ein großer Meeple steht, kann von niemandem mehr benutzt werden, egal ob kleiner oder großer Meeple.


Dann kann ich auch Meister kaufen, die ich in sechs verschiedenen Bereichen einsetzen kann und mir dabei Boni geben, wie z.B. extra Lehm oder die doppelte Ausführung einer Aktion. Der erste Meister kostet mich nur 1 Münze und jeder weitere dann eine Münze mehr. Mit Münzen kann ich auch noch spezielle Statuen kaufen, die keine Krieger sind und keinem Spieler zugeordnet werden. So gibt es ein Pferd, welches drei Felder im Mausoleum belegt und ein Krieger wird auf eine freie Stelle der Pferdefigur gestellt, wodurch dieser Krieger quasi die drei Felder belegt. Dann gibt es Musiker, die ebenfalls in den Rundenwertungen gewertet werden und zwar erhält jede Figur in der gleichen Spalte und Reihe jeweils einen Punkt. Die Lakaien setzt man für weitere Wertungen am Spielende, indem man alle Positionen um diesen Lakaien prüft und dann ebenfalls eine Mehrheitenwertung durchführt. Und zu guter Letzt gibt es noch einen knienden Schützen, welcher an eine Krieger-Figur angelegt wird und diese verstärkt und bei Gleichstand von Mehrheitswertungen die Wertung auf sich zieht. Von diesen Figuren gibt es jeweils immer vier Stück, die nach jedem Kauf teurer werden.

Spannend bei Terracotta Army ist dann noch die Endwertung, bei der dann jede Kriegergruppe einer Art gewertet wird. Jede Figur erhält einen Wert, basierend auf teilnehmenden Spielern dieser Gruppe. Sollte also eine Gruppe aus drei Figuren von drei Spielern bestehen, so ist jede Figur drei Punkte wert. Dazu kommen auch nochmal Mehrheitenwertungen. Achtung: einzelne Figuren werden NICHT gewertet!

Wer nach all den Wertungen und der Punkteflut die meisten Punkte hat, gewinnt das Spiel und ist der erfolgreichste Erbauer von Kriegerstatuen.


[MATERIAL, DESIGN & ANLEITUNG]

Das Material ist auf den ersten Blick wirklich beeindruckend, denn die Terrakotta-Figuren sind hübsche Miniaturen, bei denen man aber leider den Preis von 60€ (UVP) merkt. Die Miniaturen sind aus relativ weichem Plastik, so dass die Lanzen oder Figuren recht viel und häufig etwas verbogen sind. Es sieht trotzdem toll aus und bringt Spaß mit den Figuren auf dem Board zu hantieren. Auch die Aufbewahrungsbox ist gelungen. Der Rest ist guter Standard und dieses Mal auch mit ausreichend Tüten. Danke Board & Dice!

Das Design ist dem Thema entsprechend: antikes China. Ikonographie ist ebenfalls gelungen und gut verständlich. Gefällt mir soweit alles gut! Auch die Anleitung ist in Ordnung und beantwortet alles was man wissen muss.


[FAZIT]

Die Erwartungshaltung war dank der schönen Optik hoch und auch das Thema hat mich gleich am Haken gehabt. Das wird sicherlich nicht jedem so gehen, aber ich war gleich nach Ansicht von Box-Cover, Material und Thema heiß auf diesen Titel. Und was soll ich sagen? Meine Erwartungen wurden sogar noch übertroffen. Das “puzzeln” mit den Figuren im Mausoleum unter Berücksichtigung aller Wertungen, die da möglich sind, ist für mich ein Heidenspaß! Und trotz all der Möglichkeiten fühlt sich das ganz super fluffig an, denn der Mechanismus ist super eingängig und nicht unnötig kompliziert. Es gibt einfach nur einen Rohstoff und den in zwei Zuständen und dazu Geld. Punkt. Super, denn so kann man sich einfach auf den Rest konzentrieren und muss nicht noch zig andere Dinge im Kopf behalten.

Auch das Aktionsrad ist super und teils hart umkämpft! Es gibt z.B. nur zwei Felder um Lehm anzufeuchten und es gibt nur ein Feld um den Meeple zu tauschen, aber ist das einem nun wichtiger als evtl. einen Krieger zu bauen oder weiteren Lehm zu nehmen? Heißt: Interaktion ist auf zwei Ebenen gegeben: Kampf um die besten Plätze im Aktionsrad und innerhalb des Mausoleums. Toll Toll Toll! Auch die Skalierung der Spieleranzahl empfinde ich als gelungen. Man könnte meinen zu zweit kommt man sich weniger in die Quere, aber man hat dann einfach deutlich mehr Arbeiter zum Einsatz, so dass es im Mausoleum dennoch schön voll wird und gerade in den späteren Zügen einer Runde auch die Felder wieder umkämpft sind. Bei 3 und 4 Spielern wird man deutlich weniger bauen, dafür ist jeder Krieger umso wichtiger.

Terracotta Army ist ein wirklich tolles Kennerspiel mit eingängigen Regeln, tollem (wenn auch mit Abstrichen) Material und spaßigem Mechanismus. Für mich eines der besten Board & Dice Titel in den letzten Monaten.


[FAKTEN-CHECK]

Thema: 4,5 von 5 (bestmögliche Umsetzung für ein Euro-Game)
Mechanik: 4,5 von 5 (Aktionsrad und “puzzeln” gehen hier super einher)
Material: 4 von 5 (Abzüge für die teils krummen Figuren)
Regal-Präsenz: 4 on 5 (ich find die Schachtel sehr schön)
Tisch-Präsenz: 4,5 von 5 (die Terrakotta Armee könnte noch präsenter sein, aber sieht dennoch toll aus)
Anleitung: 4,5 von 5 (alles okay soweit)
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Terracotta Army von Przemyslaw Fornal und Adam Kwapinski
Erschienen bei Board & Dice
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 90-120 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Board & Dice)