14.06.2023

Trickerion: Meister der Magie



„Was ein Brett!“ Das dachte ich als allererstes nach meiner allerersten Partie Trickerion. Und das nicht etwa, weil das Spielbrett an sich so wundervoll ist. Gut, es ist schon echt übersichtlich gestaltet und ausreichend groß und alle Symbole sind verständlich aber jetzt nicht so, dass ich total hin und weg wäre, aber es ist ganz schick. Auch ging es nicht um die Spieler-„Bretter“, die ebenfalls schön groß sind und Platz für alles bieten und an denen sogar angebaut werden darf. Das alles spielt natürlich mit rein, aber eigentlich bezieht sich die Wertung auf das Spiel als „Gesamtkunstwerk“. Die Mischung aus Workerplacement, Setcollection (wenn man das so nennen kann) und der Verpflichtung, seine Aktionen genauestens zu timen, passt zusammen, wie der sprichwörtliche A….Hintern auf den Nachttopf, weil es sich trotz des wirklich nicht kleinen Regelumfangs und der klaren Einstufung als Expertenspiel total locker leichtgängig spielt und alles im Flow ist. Ein wirklich tolles Spiel. Und das sage ich nicht nur, wegen des Rankings des Spiels in den Toplisten von Roy und Marcus. Aber Spoiler beiseite und in die Box geschaut:


Tolles Material, durchdachte Komponenten und eine richtig schöne Optik, die einen direkt in die 1920er Jahre versetzt. Das macht direkt Laune aufs Spiel. Sehr schön ist, dass der Einstieg zunächst recht gut gelingt, da die erste „Erweiterung“ bereits in der Box ist, aber erst nach dem ersten Spielen und kennen der Grundregeln hinzugenommen werden sollte. Danach sollte sie aber definitiv immer drin bleiben, solange man nicht mit Neulingen spielt. Diese Erweiterung namens „Schwarzen Gassen“ ist im Kern nämlich keine Erweiterung, sondern wurde gefühlt erst später aus dem Spiel entfernt, um eben den Einstieg leicht zu machen. Und das gelingt wunderbar. Am Ende möchte man diese „Erweiterung“ aber nicht missen. Entsprechend wurden die Regeln auch in der Anleitung durchmischt und lediglich gekennzeichnet, was Grundspiel und was richtiges Spiel ist. Das ist super.

Aber Spiel hin und Spiel her, worum geht es denn hier eigentlich? Ums Zaubern, aber nicht wie Gandalf, sondern eher wie Houdini. Alle am Tisch spielen ein/e Magier/in, der/die sich einer der vier im Spiel vorhandenen Zauberschulen (also Illusionen, Entfesselung, etc.) verbunden fühlen. Unsere Magierinnen versuchen nun, reich und berühmt zu werden. Dies gelingt, in dem wir Zaubertricks lernen (über das Worker-Placement aus einem Stapel auswählen und als Karte zu uns nehmen), vorbereiten (über das Worker-Placement benötigte Utensilien (= Ressourcen) sammeln) und dann aufführen (Worker-Placement mit ein wenig Spezialaktion). Dafür können wir Geld aus der Bank beschaffen und neue Mitarbeiter einstellen, den Bestand an Utensilien – von denen immer nur 4 Verfügbar sind, aber in Summe 12 verschiedene existieren – beeinflussen oder die eigene Werkstatt umorganisieren. Eigentlich also erstmal gefühlt simpel. Der Clou: Es gibt nur 4 Orte (mit Dunkle Gassen 5, doch dazu später mehr), in denen all diese Aktionen zusammengefasst sind. Und wir dürften nicht einfach eine Aktion wählen und sie nutzen und gut ist. Nein. Das wäre zu simpel.


Das Spiel läuft so: Zu Beginn würfeln wir ein paar Würfel, die anzeigen, welche Arten von Zaubern zum Lernen und welche neuen Mitarbeitenden zur Verfügung stehen. Dann wird die Spielendenreihenfolge festgelegt und ggf. Geld für Ruhm (= Siegpunkte) verwandelt und anschließend weisen alle geheim ihren Mitarbeitenden Orte zu, zu denen sie gehen werden. Und dabei gilt folgendes zu beachten: Jede Aktion kostet eine bestimmte Zahl an Aktionspunkten. Die Mitarbeitenden bringen ebenfalls unterschiedliche Mengen an Punkten mit sich. Jeder Ort auf dem Spielfeld hat auch Einsatzfelder, die den Punktwert des Mitarbeitenden verändert. Heißt: Man muss bei der Planung immer berücksichtigen: Wie viele Punkte brauche ich, wen schicke ich hin und auf welches (Bonus)Feld spekuliere ich. Denn natürlich passen auf die Bonusfelder immer nur einzelne Worker. UND: Wenn ich meine Zaubertricks aufführen und somit in Ruhmespunkte verwandeln will, dann muss ich meinen Zauberer, der natürlich die meisten Aktionspunkte hat, dafür einsetzen und all seine Aktionspunkte ungenutzt lassen. Zum Glück findet dieser Planungsschritt für alle gleichzeitig statt, was die Downtime erheblich einschränkt. Haben alle geplant geht es los: Alle(!) decken alle(!) Auftragskarten auf und der erste Mensch der Spielendenreihenfolge darf entscheiden, welchen Mitarbeitenden er/sie zuerst auf dem angegebenen Ort einsetzt und welches Feld dort besetzt wird. Um das zu entscheiden muss man natürlich einen Blick auf die Konkurrenz werfen, damit niemand einem die wichtigen Bonusfelder abluchst. Sobald man gesetzt hat, wird die jeweilige Aktion auch ausgeführt. Dieser Teil spielt sich trotz der taktischen Überlegungen, die man in der persönlichen Reihenfolge der eigenen Aktionen laufend im Kopf durchgeht, erstaunlich flüssig, da man nie „viel“ macht. Mal sucht man sich einen Zaubertrick aus, mal stellt man neue Mitarbeitende ein oder beschafft sich Utensilien oder bestellt diese vor oder man füllt einen Regieplan für einen der Aufführungstage. Hier gelten Sonderregeln, die noch einmal den Hirnschmalz fordern: Setze ich meine Arbeiter ins Theater, so muss ich mir zunächst einen Aufführungstag (Do bis So) aussuchen. Habe ich mich für einen entschieden, dürfen weitere Worker nur noch an diesem Tag eingesetzt werden. Der gewählte Tag bringt Boni (beim Sonntag) bzw. Mali (Donnerstag) auf alle eigenen Tricks, die an diesem Wochenende aufgeführt werden. Denn: man muss Tricks nicht zwingend an dem von einem selbst reservierten Tag aufführen (man muss an diesem Tag nicht mal zwingend eine Aufführung machen!) – da die Regiepläne gar nicht zwingend einem Tag zugeordnet sind. Findet an einem Tag eine Aufführung statt, entscheidet nämlich der/die aufführende Zauber/in darüber, welcher Regieplan denn nun umgesetzt wird. Und natürlich entscheidet ein Zauberer am Donnerstag zuerst. Es kann sich also lohnen, Negativpunkte in Kauf zu nehmen. Denn im Theater regnet es Punkte. Da gibt es schon beim Planen Punkte, wenn man eine sogenannte Trickroutine baut. Jeder Trick wird nämlich durch ein kleines Plättchen symbolisiert, auf dem an jeder Ecke eine Zauberschule aufgemalt ist. Dockt man nun auf dem Regieplan (der bestimmte Regeln enthält, die ich Euch erspare) mit dem eigenen Plättchen an einem anderen Plättchen derart an, dass sich zwei gleiche Symbole „berühren“, so hat man eine Trickroutine erstellt und bekommt dafür Ruhm oder Geld und Trickerion-Splitter. Und je höher das Level des eigenen Tricks (ja, es gibt im Kern 3 verschiedene Level bzw. im Startspiel 2), desto mehr Geld oder Ruhm winken. Und Trickerion-Splitter sehen nicht nur wertvoll aus, sie sind es auch. Denn jeder darf zu jeder Zeit im Tausch gegen einen Aktionspunkt eingesetzt werden (im Grundspiel) und am Ende zählen auch sie als Ruhmespunkte.


Am Ende jedes Durchgangs winken dann die Aufführungen. Beginnend beim Donnerstag wird tageweise geschaut, wo sich ein Zauberer als Aufführender eingestellt hat. Dieser führt nun alle Tricks eines beliebigen Regieplans (auf dem min. einer seiner Tricks liegt) aus. Alle beteiligten Zauberer bekommen Ruhm und Geld für ihre Tricks (die sie quasi als Gäste aufführen) und dann bekommt der Aufführende noch einmal Ruhm für jede vorhandene Trickroutine sowie diverse Boni für alle seine Mitarbeitenden, die an der Show beteiligt sind (dies aber nur im Grundspiel). Und natürlich bringt jeder Regieplan auch noch einmal Boni für den Aufführenden. Am Ende des Durchgangs müssen dann alle genutzten(!) Mitarbeitenden bezahlt werden, sonst gibt es Minuspunkte, alle kehren wieder Heim (auch diejenigen, an deren Tag nichts aufgeführt wurde), Regiepläne werden ausgetauscht bzw. rutschen weiter und fallen runter (d.h. Tricks auf nicht ausgeführten Plänen könnten hier für immer in der Bedeutungslosigkeit versinken) und eine neue Runde beginnt. Und nach grade mal fünf (bzw. sieben) Durchgängen endet das Spiel. Spielt man das „richtige“ Spiel, kommen zu diesen Grundprinzipien noch individuelle Fähigkeiten bei den Spielenden, spezielle Auftragskarten und Prophezeiungen hinzu. Die Prophezeiungen wechseln jede Runde und beeinflussen die grundsätzlichen Spielregeln für eine Runde (und natürlich lässt sich das manipulieren). Aber insbesondere die speziellen Auftragskarten sind der Grund, warum man Trickerion nachdem man die Spielregeln als solches intus hat, nie mehr ohne spielen will: Denn diese werden ebenfalls geheim genutzt, wenn es darum geht, die eigenen Arbeiter für die Einsatzorte zu planen. Diese Karten bringen aber einmalige Boni für die eigenen Arbeitenden an diesen Orten. Und dadurch drehen sich plötzlich noch viel mehr Rädchen im Kopf. Am Spielbrett-Ort Dunkle Gassen bekommt man diese Karten, wenn die eigenen Arbeitenden dort stehen (und natürlich kann man dort die Prophezeiungen manipulieren). Nicht genutzte Spezielle Aufträge bringen am Spielende allerdings auch Sonderpunkte, so dass sich das Sammeln auch dann lohnt, wenn man sie nicht nutzt. Außerdem kommen nur mit den dunklen Gassen die ganz großen Zaubertricks ins Spiel, die am Spielende zusätzliche Punkte bringen können – sofern man die jeweiligen Bedingungen erfüllt.


So. Doch gar nicht so leicht, die Regeln mal kompakt darzustellen, wie ich anfangs dachte. Der Clou ist aber tatsächlich, dass durch das Thema und die Verknüpfung von Thema mit Mechaniken, sich alles locker leicht und vor allem intuitiv spielt. Man zerbricht sich hier eigentlich nie den Kopf über die Regeln oder die Abläufe, sondern lediglich darüber, was man denn nun eigentlich tun will. Und selbst das ist meist logisch: Hab ich nur einen Zaubertrick, sollte ich mal neue lernen. Habe ich Zaubertricks, aber nicht die richtigen Requisiten, muss ich mir diese Beschaffen. Kenne ich Tricks und habe ich Requisiten, muss ich die Tricks vorbereiten und habe ich gute vorbereitete Tricks, dann nichts wie auf die Bühne. Das macht alles Sinn. Schön und thematisch passend finde ich außerdem, dass man Requisiten durch das Trick-Vorbereiten nicht verbraucht und man nicht ständig im Strudel der Rohstoffbeschaffung gefangen ist. Klar kann man dadurch mit einfachen Mitteln viele Tricks aufführen, aber für die ganz Großen muss man dann eben doch auch mal Sachen besorgen. Aber eben mal und nicht in jeder Runde. Das einzige, was man wirklich immer beachten sollte, ist es, genug Geld zu verdienen oder zu hoffen, dass die Würfel Geld in die Bank spülen. Aber das lässt sich so gut steuern, dass es nicht stört, sondern eher Ansporn ist. Schließlich möchte man als Zauberkünstler reich und berühmt werden und nicht nur eins von beidem.


Ja. Ihr seht, auch ich bin von Trickerion wirklich begeistert, auch wenn ich noch keine Ranking-Prognose abgeben kann. Das muss die Zeit zeigen. Aktuell bin ich aber schwer davon angetan und freue mich bereits auf die nächste Partie. Und vielleicht noch ein kleiner Hinweis: Trotz Worker-Placement-Mechanik eignet sich das Spiel meiner Meinung nach auch wunderbar für das Spiel zu zweit, auch wenn dann die Konkurrenz im Theater etwas kleiner ausfällt. Tolles Spiel! Wirklich! Wooooow! Uiiiiiii…wie haben die das denn gemacht? Da muss doch ein Trick dahinter stecken….das geht….ok, ich hör auf ;).

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Trickerion von Richard Amann und Volker Peter
Erschienen bei Corax Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 60-180 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Corax Games)
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