04.09.2023

Évora

 


Wer hat nicht schonmal gesagt: „Mensch, ich wollte schon immer mal eine Säule eines römischen Tempels aus dem 1. Jahrhundert bauen!“ – Niemand, jemals. Ein wenig hinterfragen kann man das Setting von Évora also auf jeden Fall. Aber besser ein fragwürdiges Thema in einer schicken Umsetzung als andersherum. Stecken in dem Karton außer jeder Menge bunter Holzelemente denn auch Spielspaß und Innovation? 


Évora ist ein Area Majority-Spiel von João Quintela Martins für 2-4 Spieler*innen und dauert 30-60 Minuten. 


[Spielregeln & Spielmaterial: Richtig dicke Klötze treffen auf richtig fluffige Regeln]

Das Spielmaterial von Évora ist groß. So groß, dass man fast vermuten könnte, der Verlag hätte wirklich überlegt, mal eben selbst antike Säulen zu errichten. Tatsächlich machen die bunten Bausteine dadurch aber natürlich auch einiges her, vor allem da das Material wirklich schön verarbeitet ist. Irritierend ist es aber schon etwas, dass im Karton kein Kinder-, sondern eher ein leichtes Kennerspiel steckt. 


Neben den Klötzen gehören auch ein Spielbrett, vier Kartenstapel, sowie einiges an bunt-hölzernem Spielmaterial zum Paket. Positiv fällt die Qualität insgesamt auf, vor allem aber auch das Design der dezent eingesetzten Illustrationen. Hier hat der Künstler Matteo Piana wirklich tolle Arbeit geleistet und unterhält mit den unterhaltsamen und ungewöhnlichen Grafiken definitiv.


Das Spiel als solches ist in der sehr übersichtlichen Anleitung hervorragend erklärt. Von der gibt es nur leider gleich vier Sprachausgaben im Karton. Das ginge natürlich nachhaltiger. 


Ziel des Spiels ist es, die 14 bis heute stehenden Säulen des römischen Tempels in der portugiesischen Stadt Évora – die damals noch Ebora Liberalitas Julia hieß - aufzubauen. Das funktioniert, in dem an den 14 (bzw. 12 bzw 10, je nach Spielerzahl) Bauplätzen die Klötze der Spieler*innen aufeinander gebaut werden. Genau hier tummeln sich auch die Punkte. Sind alle Säulen gebaut oder eine Person am Tisch hat alle eigenen verbaut, endet das Spiel.

Évora läuft über mehrere Spielzüge ab, die vor allem um das Spielbrett kreisen. Darüber verteilen sich die Spielfiguren (ab 3 Mitspielenden setzen alle je eine Figur, im Zwei-Personen-Spiel verwenden alle zwei Figuren) auf einzelne bunte Felder. Auf den Feldern sind wiederum verschiedene Symbole, die unterschiedliche Aktionen darstellen. 

Ein Spielzug unterteilt sich in 2 Phasen:
1.    Bewege deinen Arbeiter
Suche im Uhrzeigersinn von deinem Arbeiter aus die nächste Gruppe aus drei nacheinander folgenden freien Feldern. Wähle eins der Felder und stelle deinen Arbeiter darauf.
2.    Ziehe eine Karte von einem der vier Stapeln ODER führe die Aktion des Feldes aus.
Zusätzlich darfst du in Phase 2 noch bereits erhaltene Karten ausspielen, WENN sie mit der Farbe des Felds, auf dem du gelandet bist, übereinstimmen.


Über die Aktionen könnt ihr zum Beispiel auf eine oder mehrere der Säulen bauen, Karten ziehen, den so genannten Zenturio wie eure eigene Figur verwenden oder eine der oben offen ausliegenden Karten auslösen. Die Effekte sind nach einer Runde verinnerlicht und durch die Symbole sehr einfach dargestellt. Perfekt!


Der Clou hinter diesem Mechanismus steckt also dahinter, ein wenig die Züge der Mitspielenden zu antizipieren, aber gleichzeitig die eigenen Vorteile im Blick zu halten. Denn durch die eigene Zugbewegung beeinflusst man schließlich, welche Dreierfelder für die nachfolgenden Spieler*innen frei sind. Allerdings gibt es irgendwann doch einiges zu viel zu beachten, denn manche Aktionen sind vielleicht besser als andere – die Karten, die über die Farbkombinationen ausgespielt werden können, sind aber in der Regel sogar noch mächtiger. Bei vier Spieler*innen kann man da schnell den Überblick verlieren.


Immerhin: In der Regel kann man immer etwas Gutes machen, Leerlauf gibt es so gut wie nie. So spielt man also abwechselnd vor sich hin, bis das Spielende eingeläutet wird. 


[Wertung & die Säulen: Punkteschlacht und Stockwerke]

 
Bei Évora verdurstet ihr auf jeden Fall nicht an Durst nach Punkten. So gibt es für jedes Platzieren eines Säulenabschnitts Punkte, die sich je nach „Stockwerk“ unterscheiden. Einige Aktionen lassen euch auch die neutralen weißen Säulenabschnitte platzieren. Diese bringen euch immer zwei Punkte, allerdings zählen sie nicht zur Mehrheitswertung.


Und die stellt eine weitere zentrale Form der Punktevergabe dar. Jede Säule besteht aus maximal vier Säulenabschnitten und einem Kapitell, also einem Dach. Wer hier jeweils eine Mehrheit verzeichnet, erhält am Ende des Spiels nochmal zusätzlich Punkte. Bei Gleichstand zählt hier übrigens die Person in der Mehrheit, deren Stein weiter oben liegt. 


Aber das ist immer noch nicht alles – mit euren sogenannten Kaiserbonusplättchen könnt ihr noch zusätzlich Punkte für das Ende des Spiels sichern. Je nachdem, an welche Säule ihr eure Plättchen anlegt, erhaltet ihr pro Säulenteil von euch in dieser Säule 3 oder 5 Punkte. Allerdings gibt es bei jeder Säule nur einen Platz für alle Mitspielenden. Hier lauert also etwas taktischer Spielraum.


Außerdem bieten euch die Karten auch regelmäßig Wertungsoptionen, zum Beispiel für alle Türme, bei denen ihr zum Zeitpunkt des Ausspielens die Mehrheit habt. 


Am Ende des Spiels gibt es dann nochmal Punkte für:
-    Mehrheiten bei einzelnen Säulen
-    Mehrheiten bei einzelnen Säulen
-    Kaiserbonusplättchen


Die Person mit den meisten Punkten gewinnt und kann den Titel als Meister-Säulenbauer*in in den Lebenslauf eintragen.


[Fazit: Eine positive Überraschung mit unvorhersehbarer Haltbarkeitsdauer]


So viel ist auf jeden Fall schnell klar: Évora sieht im Inneren deutlich aufregender aus, als das Cover und das Thema vermuten lassen. Alleine für diese Optik gibt es schonmal dicke Pluspunkte (auch wenn das natürlich klar Geschmackssache ist), aber im Eurogame-Einheitsbrei ist das definitiv mal ein Hingucker.
Dieser ungewöhnliche Look trifft zwar auf einen nicht gänzlich ungewöhnlichen Spielablauf, aber doch auf eine schöne Verzahnung von einfachen Elementen. Das Taktieren bei dem Spielfeld, der spontane Ärgerfaktor, der kleine Wettlauf bei den Säulen – all das ist ziemlich spannend und unterhaltsam.


Insgesamt läuft Évora somit vermutlich alles deutlich fluffiger und reibungsloser, als das Hieven schwerer Marmorklötze. Ein großes Fragezeichen bleibt aber: Wie oft möchte man dieses Spiel wirklich auf den Tisch bringen und wie viel Langzeitspaß steckt in den eher begrenzten Optionen der Aktionen? Das müssen alle für sich selbst beantworten. Gut gemacht ist Évora aber auf jeden Fall. Darauf erstmal eine Säule anschauen.

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Évora von João Quintela Martins
Erschienen bei mebo
Für 2 bis 4 Spieler in 60 Minuten ab 8 Jahren
Boardgamegeek-Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier mebo)

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