Devir hat in der Vergangenheit mit “großen” Spielen in kleinen Schachtel einen echten Volltreffer gelandet. Spiele wie “Die Rote Kathedrale” und “ Die weiße Burg” sind wohl als Erfolg zu werten und werden grundsätzlich positiv besprochen. Doch neben diesen beiden Highlights gibt es auch weitere Spiele, die in eine kleine Schachtel daher kommen und ein “großes” Gefühl geben. Bamboo, zum Beispiel, aus der Feder von German P. Millan für 2-4 Spieler ab 14 Jahren.
Wer sich bereits in der Welt von Bitoku und Silk (beide ebenfalls bei Devir erschienen) auskennt, der wird sich auch in Bamboo wohl fühlen, denn es spielt im gleichen Universum - “Kemushi Saga” genannt. Kurz nach Ankündigung geisterte dann auch die Erklärung herum, dass es sich bei Bamboo um eine abgespeckte Version von Bitoku handeln soll, aber diesen Zahn kann ich euch gleich ziehen. Die einzige Parallele sind die vorkommenden Geister. Fand die deutsche Umsetzung von Bitoku aber noch Schwerkraft statt, so hat uns nun aber Skellig Games die deutsche Version von Bamboo gebracht. Welch Segen!
Spielerisch ist es aber doch was anderes, auch wenn der Autor der gleiche ist. In Bamboo übernehmen wir die Rolle einer Familie, in der Bambus das zentrale Element des Lebens ist und mit Hilfe des Bambus’ kümmern wir uns um unsere Familie, geben Opfer in Tempeln und richten unser bescheidenes Heim ein.
Gesteuert wird das ganze über einen doch recht interessanten Aktionsmechanismus: jedem Spieler stehen zu Beginn sechs Bambusstücke zur Verfügung, die wiederum in vier Farben (zwei Farben doppelt) und mit Aktionen bedruckt sind. In meinem Zug wähle ich eine Farbe und nehme mir dann alle Bambusteile dieser Farbe. Die Farbe bestimmt nun in welchem Tempel ich Räucherstäbchen abgebe und zwar, wenn möglich, so viele wie ich Bambusteile habe. Die Stäbchen werden von unten nach oben in den entsprechenden Tempel gelegt und am Ende einer Runde bekommt der Spieler mit den meisten Stäbchen im jeweiligen Tempel die Unterstützung des Geistes, welcher dort ausliegt.
Habe ich weniger Stäbchen als Bambusteile, ist das kein Problem, dann legen wir so viele Stäbchen wie wir noch haben, aber wir dürfen nur so viele Aktionen wie der Bambusteile ausführen, wie wir auch Stäbchen abgegeben haben. Hat man kein Stäbchen mehr, dann muss man passen.
Mit den Aktionen der Bambusteile kann ich nun einiges tun. So kann ich mir zum Beispiel Dekoration für Haus und Garten holen, das kostet mich zwar Geld bringt mir aber auch Zufriedenheitspunkte und genau um diese geht es im Spiel. Der Dekorationsbereich ist in drei Bereiche geteilt und für jeden Bereich gibt es Aufgabenplättchen, die ich mit der Deko erfüllen möchte. Dekoteile bringen mir auch Komfortpunkte und dabei ist zu beachten, dass diese im Gleichgewicht verteilt werden sollten. Hat eine Seite nämlich mehr Komfort als die andere, dann verliere ich am Spielende Zufriedenheit.
Je mehr Dekoration ich allerdings besitze, desto mehr möchte die Familie essen (wieso? Keine Ahnung) und so muss ich in einer Runde immer ausreichend Nahrung bevorraten, damit ich die entsprechend der Dekozahl abgeben kann. Andernfalls verlieren wir Zufriedenheit. Nahrung bekomme ich über eine weitere Aktion genau wie Geld. Aber auch die gewonnenen Geister bringen mir zusätzliche Aktionen und Fähigkeiten.
Nach Verwendung der Bambusteile für Aktionen schiebe ich jedes Bambusteil in eine von vier Spalten in denen jeweils drei weitere Bambusteile ausliegen von unten nach oben, so dass oben eins “rausfällt”. Dieses Teil darf ich mir dann nehmen und so entscheide ich auch, welche Aktionen in welchem Tempel mir im nächsten Zug zur Verfügung stehen. Beachtet dabei, dass man im folgenden Zug immer eine andere Farbe/Tempel wählen muss, wenn man weitere Bambusteile verwendet. Heißt, wenn ich gerade Aktionen im roten Tempel gewählt habe, sollten die neuen Bambusteile vielleicht nicht zwingend rot sein.
Bamboo wird über 4 Runden (entspricht 4 Jahre) mit jeweils vier Jahreszeiten-Phasen gespielt und der Spieler mit den meisten Zufriedenheitspunkten gewinnt das Spiel.
Und wieder schafft Devir es, ein anspruchsvolles Spiel völlig unscheinbar in eine recht kleine, dafür sehr gut gefüllte Schachtel zu packen. Hier wird einiges gefordert! Die Dekoration ist im weitesten Sinne ein Puzzlespiel, denn viele Aufgaben geben vor, in welcher Anordnung Symbole liegen sollten und wie viel Komfort sie mindestens bringen müssen. Das ganze wieder in Einklang mit Balance zu bekommen ist gar nicht so einfach und Geld kostet das auch und, ach ja, Nahrung brauchen wir auch. Und denkt an die guten Geister! Was ist wichtiger? Die Aktion, die ich machen will oder doch der Tempel, in dem ich Stäbchen platzieren will, um die Gunst des Geistes zu bekommen?!
Genau so knackig ist auch die Wahl des nächsten Bambusteils. Was will ich selbst? Was gebe ich den Mitspielern für Optionen? Bamboo mag auf den ersten Blick irgendwie niedlich daherkommen, aber dahinter ist ein knackiges Kennerspiel. Und es macht mir wirklich Spaß! Zeitlich sind wir mit ca. 90 Minuten gerade noch in einem Rahmen, wo es gut passt, wenn man eben nicht einen Brecher wie Bitoku spielen möchte.
Ich möchte auch das Material positiv hervorheben. Für die Aufgaben- und Dekorationsplättchen gibt es kleine Kästchen, die aus Pappe zusammensteckt werden und somit schön auf dem Tisch platziert werden können (komischerweise passen aber nicht alle Plättchen hinein?!?!?). Das Hautpboard ist double layer in dem Bereich, wo man die Bambusteile nachschiebt, so dass alles in einer Bahn bleibt und generell fühlt sich alles recht hochwertig an. Gemessen am Preis ein wirklich tolles Preis-Leistungs-Verhältnis!
Bamboo ist für mich damit eine tolle Ergänzung zu den bisherigen “kleinen Schachteln” von Devir und sollte sich von Bitoku- und Kennerspiel-Fans mal angesehen werden!
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