21.05.2020

Rallyman GT


Ab auf die Piste und lasst die Reifen quietschen! – Das ist wohl das Motto des Rennklassikers Rallyman, der mir hier in einer neuaufgelegten GT-Variante vorliegt. Ein Spiel mit einer eigenen Fanbase (es werden sogar Rallyman-Contests ausgefochten) und langer Geschichte, denn das ursprüngliche Rallyman stammt bereits aus dem Jahr 2009. Dann lasst uns mal sehen, was der Straßenstaub zu bieten hat und in welche Welten uns Rallyman GT entführen möchte.

Zunächst sei gesagt, dass Rallyman GT einer eigenen Klasse von Brettspielen angehört: Rennspielen. Dies ist insofern eine Besonderheit, als dass hier versucht wird das dynamische Geschehen eines Rennen, sei es mit Pferden, Autos oder sonstigen Gefährten, auf ein Brett zu bringen. Oftmals sind Würfel ein zentrales Element, um ein Stück das Rennglück darzustellen. D.h. diese Spiele versuchen meist so gut und so authentisch wie möglich ein Rennen zu simulieren und den Spieler mitfiebern zu lassen. Wie macht Rallyman GT hier seinen Job?


An sich wirklich gut! Man hat bei Rallyman GT versucht einen Zwischenweg zu gehen: Nicht zu viel Glück, aber auch nicht zu viel Planung. Auch werden hier Würfel geworfen, doch plant man zunächst mit diesen Würfeln seinen Zug und hat dann auch noch beim Wurf taktische Möglichkeiten. En Detail: Jeder Fahrer hat eine gewisse Anzahl an Würfeln (welche von der aktuellen Bereifung des Fahrzeugs und der Wetterlage abhängt) zu Verfügung, um seinen Zug zu planen. Es gibt drei verschiedene Würfel: Schalt-, Leerlauf- und Bremswürfel. Diese muss man nun so über die vor einem liegende Strecke platzieren, dass man immer entweder einen Gang nach oben oder einen Gang nach unten schaltet, im gleichen Gang den Leerlauf nutzt, oder beim Runterschalten Gänge durch hartes Bremsen überspringt. Sind diese Würfel auf der Strecke platziert und hat man somit seine Wunschroute markiert, geht es ans Würfeln. 


Warum würfelt man? Hiermit wird ein Versagen des Fahrzeugs dargestellt. Jeder Würfel besitzt eine paar Ausrufezeichen. Hat man insgesamt zu viele dieser gewürfelt, streikt das Fahrzeug, man war zu übermütig. Die Folgen sind dann Kontrollverlust und im schlimmsten Fall eine Runde aussetzen, sowie Schaden am Fahrzeug. Zurück zum Würfeln also: Man kann die platzierten Würfel Stück für Stück werfen und somit selbst entscheiden, wenn zu entsprechend viele Warnsymbole erschienen sind, aufzuhören oder weiter Push-Your-Luck zu machen. Oder aber man entscheidet sich direkt, alle Würfel auf einmal zu werfen. Das ist definitiv riskanter, birgt jedoch den Vorteil, dass man für jeden Würfel einen Fokus-Marker bekommt. Diese kann man später wieder einsetzen, um Würfel nicht werfen zu müssen und somit sicher einen gewissen Streckenabschnitt zu bestehen.


Apropos Strecke: Auf dieser gilt es Kurven zu meistern und an den Kontrahenten vorbei zu kommen. Jedes Mal muss man dabei auf Mindest- oder Höchstgeschwindigkeiten achten, was durchaus zum Puzzeln und Probieren mit den besten Würfelkombinationen verleitet. Wer dann aber als Erster ins Ziel kommt, hat Rallyman GT gewonnen. 

Das große Plus an der Neuauflage ist definitiv der modulare Streckenbau. Nicht nur haben die Hexfelder eine unglaublich gute Qualität, sondern sie ermöglichen auch eine ungeahnte Varianz beim Streckenbau. Hier kann man aus haufenweise vorgegebenen Strecken wählen oder aber das Schönste: Selbst kreativ werden und so lange Streckenteile aneinander puzzeln, bis der gewünscht Parkour entstanden ist. 

Neben den Streckenteilen weisen auch die restlichen Komponenten eine gute Qualität auf. Vor allem auch die Würfel sind wunderbar verarbeitet und liegen gut in der Hand.


Und wie spielt es sich nun, dieses Rennspiel mit den unglaublich guten Komponenten? Für mich leider nur so la-la. Man muss sich bei Rallyman GT bewusst sein, dass dieses Spiel ein ganz bestimmtes Genre bedient und darüber hinaus auch nichts anderes will. Mich persönlich hat das Würfel-über-die-Strecke-puzzeln leider nicht ganz so sehr abgeholt. Ich habe mich manchmal etwas eingeschränkt gefühlt. Natürlich macht dies auch den Reiz aus, mit den vorhandenen Würfeln die entsprechende Strecke entlang zu puzzeln, es hat sich nur für mich nicht sehr thematisch angefühlt. Auch kann es trotz eines Rennspieles zu einer längeren Downtime, gerade bei 6 Spielern kommen. Im Solomodus ist Rallyman GT jedoch ganz passabel. Es geht hierbei um eine reine Solo-Optimierung des obigen Multiplayer-Erlebnisses. 

Nun ist es an der Zeit, einige Referenzen zu anderen Hausnummern des Genres zu machen: Zunächst zur ersten Edition, dem klassischen Rallyman. Hier haben wir mit Rallyman GT definitiv ein Upgrade, was die Freiheit beim Streckenbau angeht. Vor allem optisch sind diese aufgewertet. Auch bringen die Bremswürfel, welche es in der ersten Edition erst mit Erweiterungen gab, etwas mehr taktische Variation rein, da man damit Gänge nach unten überspringen kann. Jedoch gibt es keine Abkürzungen mehr, die für eine Rally doch irgendwie thematisch sind. Auch geht dieses typische Rallyfeeling der ersten Edition verloren, wo man der Reihe rum über die Strecke geprettert ist, um seine Bestzeit zu erzielen. Hier hatte der Würfelpuzzelmechanismus noch viel Sinn, da es um ein Optimieren gegen die anderen Fahrer ging. Auch in welchem Gang man endet, war die für die Zeitwertung enorm relevant. Dieses Element gibt es jetzt nur noch im Solomodus. Aufgrund dieser Veränderung ist Rallyman GT weniger ein Rallyspiel (wofür das Alte so bekannt war), sondern ein PvP-Straßen-Rennspiel. Es hat dadurch viel von seiner Atmosphäre und seinem Flair eingebüßt. Rallyman GT hat auch nicht so einen flotten Spielablauf wie etwa Flamme Rouge oder Formula D, bei letzterem gefällt mir persönlich auch die Schalt-Mechanik besser. Dadurch, dass das Auslegen der Würfel über die Strecke schon sehr taktisch ist (gerade bei 6 Spielern, wo man sich alle Nase lang blockiert), fällt Rallyman GT für mich definitiv in den strategischen Renn-Spiel-Bereich, wie etwa ein Race! Formula 90. 


Empfehlung? Trotz meines eigenen Erlebens sehe ich, dass Rallyman GT für Liebhaber dieses Genres unglaublich viel zu bieten hat. Allein der modulare Streckenbau ist der absolute Wahnsinn. Auch die Mischung aus Planung und Glück hat seinen Reiz. Wenn sich dann eine Gruppe von Rennverrückten um die Streck versammelt und die Motoren startet, kann es sicherlich richtig heiß hergehen. 
Wenn du, der du diese Zeilen liest, jedoch noch gar keine Erfahrung mit Rennspielen hast, dann bitte: Probiere sowas erst aus! Nichts ist trauriger, als wenn du nach wunderschönem Streckenpuzzeln feststellst, dass es dir überhaupt keinen Spaß bereitet, diese Strecke auf vier Rädern zu beackern. 

Fazit: Rallyman GT ist ein gutes und materialtechnisch umwerfendes Rennspiel.


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Rallyman GT von Jean-Christophe Bouvier
Erschienen bei Holy Grail Games
Für 1 bis 6 Spieler in ca. 60 Minuten ab 14 Jahren
Boardgamegeek Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Holy Grail Games)